Protocol of the Session on September 8, 2010

Schon heute sind die allermeisten Städte und Gemeinden nicht in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Sie haben erhebliche Defizite.

Ich glaube, es ist nur noch ein Landkreis in der Lage, seinen Haushalt auszugleichen. Heute konnte ich lesen, dass mein Landkreis nächstes Jahr ein Defizit von 60 Millionen c aufweisen wird.

Insgesamt beträgt die Verschuldung der hessischen Landkreise 2,6 Milliarden c. Das ist unglaublich. Es besteht überhaupt keine Chance, das irgendwie zurückzuzahlen, die Schulden also zu tilgen. Die Kreise schauen in ein

schwarzes Loch. Das ist ein schönes Bild. Es ist kein Licht in Sicht. Das wurde von den Schwarzen verursacht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu will ich noch eines sagen.Was steht denn in der Hessischen Verfassung? – In Art. 137 Abs. 5 steht:

Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. …

Dieses Erfordernis der Verfassung treten CDU und FDP mit Füßen.Anstelle zu helfen, wird den Kommunen in einer besonders prekären Situation noch genommen. Ihnen wurden Leistungen, z. B. zusätzliche Zahlungen bei der Betreuung der Kinder unter drei Jahren, versprochen. Hinsichtlich des Schlüssels wurden Versprechen gemacht. Diese Versprechen wurden nicht eingehalten.

Herr Dr. Schäfer, wie sollen Ihnen denn die Kommunen glauben? – Sie sagen, die Schuldenbremse würde sich am Ende nicht negativ auf die Kommunen auswirken. Wie soll denn ein solches Versprechen auch nur annähernd akzeptiert werden, wenn doch seit Jahren gesagt wird, am Kommunalen Finanzausgleich werde nichts gemacht werden und das Land zahle sicherlich die Mittel, wenn der Betreuungsschlüssel erhöht werde?

Was ist am Ende dabei herausgekommen? – Sie haben das Gegenteil gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Das Vertrauen zwischen Land und Kommunen ist hart erschüttert.Anders können Sie doch gar nicht die Klage erklären, die die Landkreise gegen das Land wegen der Verfassungswidrigkeit des Kommunalen Finanzausgleichs anstreben.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

So ist der Umgang mit der kommunalen Seite. Sie sprechen immer von der kommunalen Familie. Aber in einer ordentlichen Familie tut man sich doch normalerweise nicht gegenseitig betrügen oder belügen. Das ist doch das Thema. Die Kommunen haben doch z. B. bei dem Betreuungsschlüssel auf die Zusagen des Landes vertraut. Dann wurden sie glatt über das Ohr gehauen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie widersprüchlich die Politik der Landesregierung ist, wird an einer Verfügung deutlich. Sie ist von dem damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Bouffier unterschrieben. In der Verfügung vom 23. Juli dieses Jahres an den Gemeindevorstand in Heidenrod schreibt Herr Bouffier – ich lese Ihnen das einmal vor –:

(Günter Rudolph (SPD): Rheingau-Taunus-Kreis!)

Die kostenlose Überlassung der Dorfgemeinschaftshäuser an Vereine ist mit der finanziellen Lage der Gemeinde nicht vereinbar. Von den die Gemeindehäuser nutzenden Vereinen sind ab dem 1. Januar 2011 Entgelte zumindest in dem Umfang zu erheben, dass die aufgrund der Vereinsnutzung anfallenden Bewirtschaftungskosten in vollem Umfang abgedeckt werden können.

Gestern hörten wir große Worte über das Ehrenamt und die Notwendigkeit der Vereine. Gleichzeitig wurde von

Ihnen angeordnet, die Vereine abzukassieren. Das „passt gut zusammen“.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Hammer in der Verfügung kommt dann auf Seite 3. Dort steht geschrieben, die Gemeinde soll die Dorfgemeinschaftshäuser verkaufen. Auch das steht da noch. Das aber nur am Rande.

Das ist die Politik des Landes.Wenn es nicht mehr weitergeht, wird verkauft. Das haben wir in diesem Land auch schon erlebt.

Der Umgang mit den Kommunen zeigt den großen Unterschied zwischen der SPD und der CDU. Es glaubt doch kein Mensch, dass eine Hessische Ministerpräsidentin oder ein Hessischer Ministerpräsident der SPD auch nur annähernd durch eine Landesvorstandssitzung oder durch eine Fraktionssitzung gekommen wäre, wenn sie oder er vorgeschlagen hätte, den Kommunen fast 400 Millionen c zu entziehen.

(Günter Rudolph (SPD):Wahrlich nicht!)

Das wäre völlig undenkbar. Sie glauben doch nicht, dass unsere kommunale Basis das akzeptiert hätte. Wir haben halt viele Bürgermeister. Und wir haben halt, Gott sei Dank, muss ich sagen, viele Kommunalpolitiker. Sie wären aufgestanden. Sie hätten Druck gemacht und gesagt: Es kann nicht sein, dass ihr in dieser schwierigen Situation den Kommunen auch noch das Geld wegnehmt.– Die hätten sich emanzipiert. Da bin ich mir ziemlich sicher. Das macht den Unterschied zwischen der CDU und der SPD wirklich deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren der FDP und der CDU, Sie können bei den Abstimmungen – wir werden dazu sicherlich mindestens eine herbeiführen – zeigen, wie Sie dazu stehen und was Ihr freies Mandat wert ist. Uns jedenfalls sind die Kommunen nicht egal.

(Beifall bei der SPD)

Was CDU und FDP mit den hessischen Kommunen vorhaben, ist skandalös. Die Schlüsselzuweisungen für die Landkreise und für die kreisangehörigen Gemeinden werden nach Abzug der Kompensationsumlage – darauf werde ich noch zu sprechen kommen – deutlich unter dem Stand von 1997 liegen. Es gibt eine Tabelle über die verfügbaren Mittel. Herr Kollege Milde, ich werde sie Ihnen nachher mitbringen.

Die frei verfügbaren Mittel liegen unter dem Stand von vor 14 Jahren. Inflationsbereinigt ergeben sich beispielsweise für die Kreise Verluste von praktisch einem Viertel. Das sind 25 %. Das ist eigentlich unglaublich.

Überhaupt ist dieser ganze Kuddelmuddel im Kommunalen Finanzausgleich sehr ärgerlich. Es wird immer komplizierter. Herr Minister, Sie haben angekündigt, es werde mehr Transparenz geben. Für den Kommunalen Finanzausgleich haben Sie jetzt so viel Intransparentes angekündigt, dass da kaum noch jemand durchblickt.

Es wird zu neuen Ungerechtigkeiten kommen. Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken. Das betrifft z. B. die Kompensationsumlage, die Sie erheben wollen. Die wollen Sie von den Schlüsselzuweisungen und den Steuereinnahmen erheben, die die kreisangehörigen Gemeinden bekommen.

Die Kompensationsabgabe soll davon nicht abgezogen werden. Das heißt, Sie wollen eine Umlage von einer Summe erheben, die den Kommunen gar nicht zur Verfügung stehen wird. Denken Sie einmal darüber nach, ob das halten wird.

Dann geht es auch um die Frage, ob so etwas überhaupt per Gesetz möglich ist. Denn mit dieser Umlage ist keine Aufgabe und kein Zweck verbunden. Ich bin da gespannt. Auch dazu sind juristische Auseinandersetzungen angekündigt.

Insgesamt ist das übrigens wie mit dem Länderfinanzausgleich. Das wird sehr kompliziert. Das wird undurchsichtig. Die Frage der Übernivellierung stellt sich übrigens auch dort an der einen oder anderen Stelle. Das wird eine interessante Debatte werden.

Herr Dr. Schäfer, ich kann Ihnen nur eines sagen: Ein Neuanfang wäre gewesen – ich hoffe immer noch auf ihn –, dass Sie auf diese Kürzung bei den Mitteln für die Kommunen verzichtet hätten.

Gestern wurde natürlich überall dieser Entschuldungsfonds des Herrn Ministerpräsidenten Bouffier angesprochen. Deswegen will ich an dieser Stelle etwas dazu sagen. Das hört sich supergut an.Aber die Kommunen haben gerechnet.Wer die vier Grundrechenarten beherrscht, kann das auch erklären.

3 Milliarden c in diesem Fonds würden Zinszahlungen in Höhe von 90 Millionen c bedeuten. Die Zinsen sind sehr niedrig.1 % sehen Sie für die Tilgung vor.Das wären dann 30 Millionen c. Damit würde sich eine jährliche Gesamtbelastung in Höhe von 120 Millionen c ergeben.

Die Kommunen sollen die Hälfte der Zinszahlungen tragen. Ich habe gehört, das Land wolle die Tilgung ganz übernehmen.Am Ende würde das Land also die kommunale Seite um 75 Millionen c entlasten. 360 Millionen c wollen Sie wegnehmen.Dafür wollen Sie um 75 Millionen c entlasten. Jetzt sollen wir „Hurra“ rufen. Die Kommunalen wären doch nicht dicht, wenn sie das akzeptieren würden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Rechnen können sie auch. Wenn das einmal – auch von den Medien – durchgerechnet ist, glaube ich nicht, dass Ihr Vorschlag noch so positiv aufgenommen wird.Wir kritisieren ihn nicht. Das ist das Modell aus Rheinland-Pfalz. Das haben Sie, allerdings ohne Details, abgekupfert. Es musste für die Regierungserklärung noch schnell ein Bonbon gefunden werden. Die Details kennt man aber noch nicht.

Es ist ein bisschen von dem Modell aus Rheinland-Pfalz abgekupfert. Wir kritisieren das nicht. Aus RheinlandPfalz kann man vieles übernehmen.Das fängt bei der Kinderbetreuung und vielen anderen Dingen an. Meine Damen und Herren, Sie verkaufen das aber in der Art, als seien Sie die Retter der Kommunen.Das ist natürlich eine sehr ärgerliche Darstellung.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ich will nicht weiter darauf eingehen, dass natürlich diese ganze Ausgabenseite der Kommunen über das sogenannte Sparpaket der Bundesregierung bedroht wird, wo es für die Kommunen zusätzliche Belastungen geben wird – durch die Sozialgesetze, durch das Leistungsrecht beim SGB II,durch die Arbeitsmarktpolitik.Alles das wird weiter auf die Sozialausgaben drücken. Auch das Vorhaben

der FDP – die CDU sieht das Gott sei Dank etwas differenzierter –, die Grundsteuer abzuschaffen, wird ein riesiger Schlag in das Kontor der Kommunen sein. Die Vorschläge zur Gewerbesteuer sind übrigens nicht, wie dargestellt, für die Kommunen neutral. Es bestehen Gefährdungen.Durch den Vorschlag von südwestdeutschen Ländern ist auch dies nicht sehr kommunalfreundlich, sondern eher das Gegenteil.

Der Ministerpräsident wollte zu seinen Allgemeinplätzchen,die er gestern hier vorgetragen hat,hier noch einmal ein Butterbrot mit der Frage Entschuldungsfonds haben. Aber das Butterbrot ist schwer vergiftet, weil es mit Kürzungen von 360 Millionen c auf der kommunalen Seite einhergeht.

Meine Damen und Herren, ich will noch einmal in das Haushaltsgesetz und seine Begründung schauen, warum die Verfassungsgrenze gerissen wird. Auf dreieinhalb Seiten lesen wir von Unterauslastung des Produktionspotenzials. Das stimmt. Ich habe übrigens alle Quellen nachgelesen, Bundesbankberichte, Konjunkturberichte, Sachverständigenrat. Die Zitate sind richtig. Das ist akzeptiert. Wir lesen das alles über dreieinhalb Seiten.

Wissen Sie, was man aber an keiner Stelle liest? – Das ist die Frage, wie hoch das strukturelle Defizit ist.Wissen Sie, warum man das nicht liest? – Weil dann deutlich werden würde, dass die Konjunkturkomponenten – ich habe dazu etwas gesagt, es gibt dazu Berechnungen – viel geringer als das strukturelle Defizit sind, weil dann deutlich werden würde, dass das strukturelle Defizit deutlich über der Verfassungsgrenze liegt, weil dann deutlich werden würde, dass das Ganze nur Begründungen sind, um in dieser Konjunkturphase das strukturelle Defizit durchsegeln zu lassen, weil Sie nicht den Mut haben, dieses zu lösen.

(Beifall bei der SPD)

Aber auch da glaube ich, dass Sie nicht durchkommen werden. Ich glaube, es gibt genug Kluge, nicht nur in der Politik, möglicherweise auch an anderen Stellen. Diese Frage werden wir uns genauer anschauen.