Protocol of the Session on May 19, 2010

Damit Sie zum Nachdenken noch eines mit nach Hause nehmen: Dieses Land Hessen hat eine Bilanz über sein gesamtes Vermögen aufgestellt. Diese Bilanz hat ergeben, dass wir, wenn wir Haben und Soll nebeneinanderstellen, über 50 Milliarden c Miese haben.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das wissen wir! – Günter Rudolph (SPD): Was haben Sie in den Jahren gemacht?)

Jetzt kommt Folgendes, was wir gemacht haben und was der Punkt ist. Von diesen 50 Milliarden c sind fast 40 Milliarden c allein Versorgungskosten für unsere Beamten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das stand schon im Suchan-Papier!)

Wie ist das gekommen? – Das ist gekommen, weil seit 1946 – die SPD hat 49 Jahre in diesem Land regiert – keinerlei Rücklagen gebildet wurden.

(Günter Rudolph (SPD): Nur Schulden, Sie haben recht!)

Herr Kollege, wir können über vieles sprechen. Es wäre gut, man hätte von Anfang an Rücklagen gebildet. Aber ich nehme für diese Landesregierung in Anspruch, es war die Regierung von CDU und FDP, die zu Beginn dieses Jahrtausends – ich glaube, 2001 oder 2002 – mit der Bil

dung von Rücklagen für die Beamtenpensionen begonnen hat.

(Günter Rudolph (SPD): Die SPD ist schuld, wunderbar! Was für ein Weltbild!)

Das war damals der Kollege Weimar, der das durchgesetzt hat. Wir waren weitblickend. Deshalb lassen wir uns da nichts vorwerfen. Aber eines bleibt. Eines geht nicht: Sie können nicht sagen, das ist eine Belastung, auf der anderen Seite haben wir Schulden. Niemand weiß, wie wir sie bezahlen sollen. – Wir halten das für eine richtige Entscheidung. Ich bitte Sie herzlich darum – wir können politisch über vieles streiten. Ich bin überzeugt, am Ende werden Sie es auch in einer Mediation nicht hinbekommen. Wenn die Gewerkschaften sagen, es ist für sie nicht verhandelbar, dann habe ich das zur Kenntnis zu nehmen. Aber dann bringt ein weiteres halbes Jahr Diskussion nichts.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir werden sicherlich noch Gelegenheit haben, das engagiert zu behandeln. Ich sage das nur für das Protokoll, damit mir niemand vorwirft, ich hätte andere Punkte nicht erwähnt: Da sind noch ein paar Sonderregelungen drin. Sie scheinen mir unstreitig zu sein. Insofern freue ich mich auf die Diskussion.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Bouffier. – Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung in den Innenausschuss zu überweisen und mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit.Gibt es hier Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so und kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 8:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Feiertagsgesetzes – Drucks. 18/2345 zu Drucks. 18/1957 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Blechschmidt.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Beschlussempfehlung: Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der LINKEN bei Enthaltung der SPD, den Gesetzentwurf abzulehnen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Blechschmidt. – Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE. Die Redezeit beträgt siebeneinhalb Minuten.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren!

Die Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern ist uns ein wichtiges Anliegen. Dabei werden wir uns insbesondere dafür einsetzen, die berufliche Gleichberechtigung von Frauen weiter zu verbessern.

Bis hierhin müssten selbst die Herren und die Damen – es sind doch immerhin zwei Frauen bei der CDU-Fraktion anwesend – von CDU und FDP mir folgen können, denn das entstammt ihrem Koalitionsvertrag.

Wenn ich aber dort weitersuche, um festzustellen, wie die Koalition diese Ziele verwirklichen will, dann kommt aus meiner Sicht nur viel guter Wille mit wenig Substanz: seitenweise das Thema Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Claudia Ravensburg (CDU): Das ist auch wichtig!)

Ja, genau, wir brauchen bessere Kinderbetreuung, auch für Kinder unter drei Jahren.Wir brauchen Arbeitsplätze, die mit der Betreuung von Kindern vereinbar sind. Wir brauchen Ganztagsschulen,und wir brauchen Arbeitsstellen, von denen „Frau“ leben kann.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Wir brauchen auch Arbeitgeber, die ihre Angestellten nicht mit Hungerlöhnen abspeisen wie Sie!)

Ja,aber Frauenleben ist mehr als Muttersein.Bei Ihnen ist Frauenpolitik immer und nahezu ausschließlich Familienpolitik, bestenfalls noch Arbeitsmarktpolitik. Das ist sehr wichtig.Aber Frausein ist eben deutlich mehr.

Die Gleichstellungspolitik des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend steht unter dem Leitgedanken fairer Chancen für Frauen und Männer in allen Bereichen der Gesellschaft, vor allem im Erwerbsleben. Dabei geht es beispielsweise um Entgeltgleichheit, gleiche Karrierechancen und den Schutz vor Altersarmut. Um diese Ziele zu erreichen, setzt die Politik bei den Ursachen ungleicher Chancen an.

Das klingt schon ein bisschen besser. Immerhin haben Sie hier auch die Entgeltgleichheit, die Karrierechancen und die Altersarmut in der Diskussion.

Die FDP geht in ihrem Wahlprogramm einfach historisch rückwärts. Da heißt es:

Die Instrumente der alten Frauenförderung sind deshalb überholt, mit denen Frauen auf der Grundlage von Frauenförderplänen bestimmte Posten erhalten haben. Anstelle der Förderung von Geschlechtern benötigen wir endlich die Förderung von Familien.

An einer anderen Stelle wird es auf den Punkt gebracht: „Familienförderung statt Frauenförderung“.

Wer mit solchen Antworten auf die Herausforderungen der in unserem Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung reagiert, lebt offensichtlich in einer anderen Welt, zumindest in einer Männerwelt. Das spiegelt sich in der Zusammensetzung der FDP-Fraktion deutlich wider.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): So ein Unsinn!)

Im Jahr 2008 hatten wir in Hessen 7.271 Fälle angezeigter häuslicher Gewalt; die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher.

Wir haben keine gesicherte Finanzierung der Frauenhäuser.Für alle,die es noch nicht wussten:Wir haben heute im Gespräch mit dem Hessischen Netzwerk behinderter Frauen erfahren, dass es im ganzen Land einen einzigen barrierefreien Frauenhausplatz gibt.

Wir haben einen runden Tisch gegen Menschenhandel, weil wir ihn leider brauchen. Menschenhandel aber ist Frauenhandel.

Warum zähle ich das alles auf, wenn es um einen Feiertag am 8. März geht? Wir brauchen diesen Feiertag, um klarzumachen, dass Frauenleben in unserem Land, in unserer Kultur nach wie vor ein Leben ist, in dem es Gewalt, sexualisierte Gewalt, berufliche Benachteiligung, wirtschaftliche Abhängigkeit, Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf sowie Armut insbesondere als Alleinerziehende und im Alter gibt. Theoretisch haben wir gleiche Rechte – in der Realität haben wir eine strukturelle Benachteiligung von Frauen in allen Lebensbereichen.

Beispielsweise fördert die Naspa Frauen aktiv; trotzdem gibt es nur 19 % Frauen unter den Führungskräften. Die Personalratsvorsitzende Bärbel Henrich-Bender sagt dazu:

Eigentlich müsste es besser aussehen für Frauen: Sie stellen die Mehrheit der Beschäftigten, haben die besseren Abschlüsse, sind zur Weiterbildung motiviert und absolvieren Kurse mit größerem Erfolg als männliche Kollegen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

So weit die Personalratsvorsitzende. – Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat ermittelt, dass 13 % aller Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren in irgendeiner Form sexuelle Gewalt erlebt haben. Die Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt hat im Jahr 2006 650 Beratungsfälle gehabt, im Jahr 2008 waren es 726.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Die Situation der Frauen wird nicht besser, sie wird in dieser Gesellschaft schwieriger.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Büger (FDP): Das alles wegen dem Feiertag?)

Die von Frauen erlebte Benachteiligung und Gewalt wird von vielen als normal empfunden. Im Bewusstsein fast aller Menschen ist dieses Lebensgefühl tief verwurzelt und wird oft nur diffus wahrgenommen. Unlängst habe ich auf einer Veranstaltung über Gewalt einen Filmbericht über eine Versuchsanordnung gesehen.Es war ein kleines Kind zu sehen, dessen Geschlecht nicht zu erkennen war.

Der einen Untersuchungsgruppe wurde gesagt, bei diesem Kind handele es sich um einen Jungen. Sein Verhalten wurde von den Probanten als „energisch“ bewertet.

Der anderen Gruppe wurde gesagt,es handele sich um ein Mädchen. Sie hat das Verhalten dieses Kindes als „quengelig“ bezeichnet.

Diese Bewertungen zeigen, wie tief unterschiedliche Bewertungen in unserem Unterbewusstsein verankert sind. Offensiv auftretende Frauen gelten nach wie vor als „karrieregeil“; bei Männern heißt das gleiche Verhalten „Durchsetzungsfähigkeit“.