Protocol of the Session on April 29, 2010

Der braune Terror versucht, zunächst die Engagierten einzuschüchtern und den öffentlichen Raum zu erobern. Wir dürfen das nicht zulassen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen in Wetzlar, im Schwalm-Eder-Kreis oder sonst wo in Hessen müssen wissen, dass wir an ihrer Seite stehen. Die LINKE hat den Neofaschismus und seine Erscheinungsform in Hessen nicht nur regelmäßig zum Gegenstand von Debatten im Landtag gemacht, sondern wir beteiligen uns aktiv am engagierten Kampf gegen rechts. Denn wie wir dieser Tage erfahren durften, musste inzwischen auch der Innenminister zugeben, dass wir dem Neofaschismus und seinen Anhängern mit polizeilichen Mitteln allein kaum beikommen können. Oftmals helfen weder Ansprachen noch Beobachtung, noch Verurteilung mit Gefängnis weiter. Solange wir das Problem mit Neofaschisten nicht in den Griff bekommen, wird sich die LINKE an den außerparlamentarischen Aktionen, Protesten und Blockaden gegen rechts beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht zuletzt haben wir gestern mit den unsäglichen Äußerungen des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Irmer vorgeführt bekommen, wie selbst aus der Mitte der Regierungspartei CDU Ressentiments und rassistische Vorurteile geschürt werden.Es wird der Versuch gemacht,mit dem Anschluss an die menschenverachtenden Parolen

der NPD im Trüben zu fischen, wie der Kollege Wagner dies ausdrückte. Dem halte ich den Aufruf des Wiesbadener Bündnisses entgegen: Was gegen Nazis wirklich hilft, sind Zivilcourage und persönliches Engagement. Nur wenn wir uns massenhaft querstellen, kann die Gefahr gebannt werden, dass die Nazis den öffentlichen Raum besetzen, um die Demokratie als ohnmächtig erscheinen zu lassen.

Meine Damen und Herren,Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Ich hoffe, viele von Ihnen am 8. Mai bei den Protestaktionen gegen den Naziaufmarsch in Wiesbaden zu treffen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Beuth für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für die CDU-Fraktion feststellen, dass die Demonstration der Jungen Nationaldemokraten und die Gegendemonstration, die am 8. Mai anstehen, formaljuristisch vor allem Angelegenheit der Stadt Wiesbaden sind. Mein Eindruck ist, dass dort die Ordnungsdezernentin mit der sie tragenden Koalition im Rathaus eine sehr sachgerechte Behandlung dieses Vorgangs vornimmt.

Aber ich sage auch:Politisch knüpft diese Debatte,die wir hier führen, an das an, was wir in der Debatte vorher miteinander besprochen haben, an den Verfassungsschutzbericht. Herr Kollege van Ooyen, wenn wir uns den Verfassungsschutzbericht anschauen, dann sehen wir dort eine gemeinsame Gesellschaft. Auf der Seite 82 sehen wir die Jungen Nationaldemokraten, auf den Seiten 111 ff. alles das, was die LINKEN betrifft.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ist das eine Gleichsetzung?)

Ich möchte deswegen noch einmal deutlich machen: Es gibt für uns keine guten oder schlechten Extremisten.Wir dulden keine Toleranz gegenüber extremistischer Gewalt, weder von rechts noch von links.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Lieber Kollege van Ooyen, die Einseitigkeit Ihrer Antragstellung und die Einseitigkeit dessen, was Sie im Plenarsaal zum Thema Extremismus vortragen, dass Sie sich auf die Rechten konzentrieren, dient in Wahrheit nur der Ablenkung von ihren eigenen Problemen. Extremistische Versammlungen von rechts und links müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln und auf allen gesellschaftlichen Ebenen bekämpft werden.Aus diesem Grunde ist das Verhalten der Landeshauptstadt Wiesbaden richtig und wichtig.

Es ist jedoch mit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn genehmigte Versammlungen mit Gewalt und durch Vereitelung des grundrechtlich geschützten Versammlungsrechts in ihrem Ansatz verhindert werden. Wenn eine Versammlung nicht durch rechtsstaatliche Mittel im Rahmen einer Verbotsverfügung verhindert werden kann, muss ein freiheitlich-demokratischer Staat wie die Bundesrepublik Deutschland Versammlungen auch von gesellschaftlich missliebigen Veranstaltungen und Parteien, ob rechts- oder linksextrem, aushalten, so

fern die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht beeinträchtigt wird.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Genau so ist es!)

Ich übersetze: Die freiheitlich demokratische Grundordnung und unsere Gesellschaft, unser demokratischer Rechtsstaat ertragen solche Versammlungen von rechten und auch von linken Spinnern.

(Janine Wissler (DIE LINKE):Das sind keine Spinner! Das ist das Problem!)

Meine Damen und Herren, die polemische und reflexartige Debatte der Neokommunisten ist der billige Versuch, von den eigenen extremistischen Strömungen und der berechtigten Beobachtung durch den Verfassungsschutz abzulenken. Rechtsextreme Bestrebungen und Straftaten werden durch die hessische Polizei und den hessischen Verfassungsschutz konsequent und unnachgiebig verfolgt und bekämpft. In unserem freiheitlichen Rechtsstaat erfährt extremistische Gewalt von rechts und von links keine Toleranz und wird entschlossen bekämpft, und das ist gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will aber auf einen anderen Punkt aufmerksam machen, der politisch von Bedeutung ist. Das, was dort geplant ist, die Demonstration gegen den Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten, hat noch einen anderen politischen Hintergrund, den ich hier zumindest kurz ansprechen möchte. Die Jungen Nationaldemokraten marschieren „Gegen Folterknechte und Kriegstreiberei – Kein US-Hauptquartier in Wiesbaden!“ Ich finde, es gibt eine bemerkenswerte inhaltliche Übereinstimmung zu den LINKEN, die vor zwei Jahren im Hessischen Landtag

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Machen Sie die Jungen Nationalsozialisten nicht zu Pazifisten! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr bemerkenswert!)

in einer Aktuellen Stunde gegen das US-Hauptquartier in Wiesbaden zu Felde gezogen sind. Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich machen – bei allem Respekt vor denjenigen, die gegen Neonazis sozusagen eine gesellschaftliche Bewegung organisieren wollen –: Wir dulden auch keinen Antiamerikanismus in einer plumpen Form, in der die LINKEN landauf, landab und sozusagen ständig zu Felde ziehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Dann können Sie am 8. Mai gegen die Nazis demonstrieren!)

Es ist eine bemerkenswerte inhaltliche Übereinstimmung,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Das sind keine Pazifisten!)

und es fällt einem natürlich der Spruch von Kurt Schumacher zu den „rot lackierten Faschisten“ ein.

Ich möchte für die CDU-Fraktion zumindest inhaltlich klargestellt haben, dass wir unseren amerikanischen Freunden sehr dankbar sind, dass sie im gemeinsamen Einsatz mit der NATO für Frieden und Freiheit eingestanden sind und dafür gesorgt haben, dass wir nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai eine Gesellschaft aufbauen konnten, die in Frieden und Freiheit lebt. Deswegen ist die Hauptquartierverlegung für uns auch

ein Zeichen der Verbundenheit, für gute und freundschaftliche Beziehungen.

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Ende.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Diese lassen wir uns nicht trüben, weder von Roten noch von Braunen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Dorn für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Beuth, ich finde es schade, dass Sie nicht nur Ihren typischen Reflex gezeigt haben, denn sobald das Thema Rechtsextremismus kommt, muss natürlich auch der Linksextremismus kommen, sondern sich heute noch übertroffen haben, denn Sie haben praktisch nur über Linksextremismus und fast gar nicht über Rechtsextremismus gesprochen. Das finde ich ziemlich schade.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Peter Beuth (CDU): So, jetzt hast du es!)

Wenn die Neonazis der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten gerade am 65. Jahrestag der Befreiung demonstrieren und auch noch „gegen Folterknechte“ und die Kriegspolitik der USA, weiß ich nicht, was von beidem zynischer ist:gerade den 8.Mai zu wählen oder als Faschisten vorzugeben, sie würden Folter und Krieg ablehnen.

Der 8. Mai ist für uns ein Tag der Erinnerung an die unglaublichen Gräuelopfer der NS-Zeit und gleichzeitig ein Tag der Befreiung. Das hat wahrscheinlich keiner besser ausgedrückt als Richard von Weizsäcker in seiner sehr historischen Rede. Er hat dort noch einmal deutlich gemacht, dass es sehr wichtig ist, sich an diesem Tag zu vergewissern, wo wir in der Demokratie stehen, was wir erreicht haben und wo wir uns noch auf dem Weg befinden. Ich möchte Ihnen zitiere:

Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.Wir Älteren schulden der Jugend nicht die Erfüllung von Träumen, sondern Aufrichtigkeit. Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten.

Und weiter:

Wir lernen aus unserer eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist. Deshalb dürfen wir uns nicht einbilden, wir seien nun als Menschen anders und besser beworden.Es gibt keine endgültig errungene moralische Vollkommenheit – für niemanden und kein Land! Wir haben als Menschen gelernt, wir bleiben als Menschen gefährdet. Aber wir haben

die Kraft, Gefährdungen immer von Neuem zu überwinden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, dass am 8. Mai viele Menschen auf die Gegendemonstration zur Demonstration der Faschisten gehen, und deswegen ist es so gut, dass es ein so breites Bündnis gibt, das sich dort dagegenstellt.

Herr Beuth, so wichtig unser Rechtsstaat mit all seinen Mitteln ist – wir brauchen natürlich auch die Bewegung von unten. Wir brauchen die große Mehrheit der Bevölkerung, die sich gegen jegliche rechte Strömungen wehrt und zeigt, dass sie für eine Demokratie einsteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich hoffe, es gibt ein so jämmerliches Bild wie in Wiesbaden im Jahr 2008, als ein paar Neonazis auf einer kleinen Verkehrsinsel eingereiht und eine Mehrzahl von Gegendemonstranten da war. Das ist für mich das richtige Zeichen gegen Rechtsextremismus, wenn die Zivilgesellschaft die deutliche Mehrheit stellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Aber ich denke, es reicht lange nicht, am 8. Mai auf diese Gegendemonstration zu gehen, um nach Richard von Weizsäcker zu sagen:Wir überwinden die Gefährdungen. – Es ist ein schwieriges Problem, dass Vorurteile gegenüber Minderheiten, gegenüber ethnischen Gruppen eben nicht nur ein Problem der Rechtsextremen ist. Es ist leider auch ein Problem der Mitte und eines des linken Lagers. Dort hat der Rechtsextremismus einen Nährboden. Deswegen müssen wir auch auf diese Punkte genau schauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)