Protocol of the Session on October 6, 2009

(Zurufe von der CDU: Eigen! – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Bodenständig!)

gut aufgestellt.

Herr Vorsitzender,vielen Dank für den Hinweis.Es ist tatsächlich schön in Schwalmstadt und in Ziegenhain, meinem Heimatort.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Das Behinderten-Gleichstellungsgesetz soll gewährleisten, was selbstverständlich ist.Es soll und muss gewährleisten,dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und jeder, unabhängig von einer sogenannten Behinderung, seine Individualrechte wahrnehmen kann. Die individuellen Anforderungen an Barrierefreiheit, Förderungsmöglichkeiten und Hilfsmittel im Hinblick auf Gleichstellung mit „Gesunden“ sind sehr unterschiedlich. Es ist daher notwendig und sinnvoll,den Sachverstand der Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen explizit zu stärken.

Ich wünsche mir sehr, dass diese Option von den Betroffenen selbstbewusst wahrgenommen wird. Bei allen Planungen und Maßnahmen wünsche ich mir Sensibilität und Solidarität, gern auch ein bisschen Fantasie.

Gestatten Sie mir,dass ich als gelernte Erzieherin ein bisschen auf die emotionale Seite der Medaille eingehe. Der Weg zu wirklicher Gleichstellung ist noch weit und lang und für nicht wenige Menschen,die durch Behinderungen ein schweres Schicksal zu tragen haben, auch immer noch steinig.

Stichwort: Barrierefreiheit. Jeder, der es auf einem Bahnhof schon einmal erlebt hat, dass er durch Lärm eine Durchsage nicht verstanden hat und in Bedrängnis gekommen ist, weil er dadurch einen Zug verpasst hat, wird ansatzweise nachempfinden können, wie es gehörlosen Menschen geht, die diese Informationen überhaupt nicht haben und die auch keine visuellen Hilfsmittel haben, die Situation zu überbrücken.

Es gibt viele Barrieren, auch anderer Art und Weise. Wir wünschen uns – Herr Dr. Jürgens, Sie haben die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erwähnt –, dass die Barrieren Schritt für Schritt abgebaut werden. Denken wir an die vielen Kinder, die, obwohl sie die Kapazität haben, noch nicht in Regelschulen geschult werden können, weil die Möglichkeit zu dieser Inklusion noch nicht gegeben ist.

Ich habe an dieser Stelle schon einmal den Selbstversuch angemahnt, sich mit einem Zwillingskinderwagen auf den Weg durch eine Stadt zu machen. Da kann man Barrieren wahrnehmen, die andere Menschen auch so haben.

Wir plädieren für Inklusion. Wir plädieren für echte Gleichständigkeit. Wir plädieren dafür, dass es selbstverständlich ist, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur die gleichen Rechte haben müssen, sondern auch die gleichen Möglichkeiten. Das soll das Behinderten-Gleichstellungsgesetz gewährleisten. Wir begrüßen das sehr und werden dessen Umsetzung aufmerksam verfolgen. Wir sind für Chancengleichheit in jeder Hinsicht, für Gesunde und für Behinderte. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Müller. – Als Nächster hat Herr Kollege Utter für die CDU-Fraktion das Wort. Herr Utter, bitte.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Hessische Behindertengleichgestellungsgesetz ist genauso befristet wie alle hessischen Gesetze. Erneut zeigt sich an diesem Beispiel, dass sich diese grundsätzliche Befristung bewährt hat. Zwar wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte bei der Gleichstellung von Behinderten gemacht. Doch bekanntlich ist das Bessere des Guten Feind. Die CDU-Fraktion begrüßt daher ausdrücklich die vorliegende Novellierung des BehindertenGleichstellungsgesetzes. Die neuen Regelungen des Gesetzentwurfes sind zum Teil Ergebnis der Anhörung der Behindertenverbände sowie der wissenschaftlichen Überprüfung des bisherigen Gesetzes.

Neben dem Abschluss von Zielvereinbarungen ist nun auch die Prüfpflicht zur Umsetzung der Behinderten

Gleichstellung konkretisiert worden. Dadurch wird erreicht, dass die Kommunen und Landkreise regelmäßig über die Fortschritte in der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen berichten werden. Damit erhalten auch wir als Abgeordnete einen Überblick über die Situation auf kommunaler Ebene.

Außerdem werden durch die Novellierung die Interessenverbände gestärkt und die Sicherstellung der Teilhabe durch neue Formen der Leistungserbringung, wie z. B. durch das persönliche Budget und die Ausrichtung auf personenzentrierte Leistungen, gewährleistet.

Selbst die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die einige Änderungsvorschläge unterbreitet, die wir gerne im Ausschuss beraten werden,kommt nicht umhin,festzustellen, dass die Novellierung ein Schritt in die richtige Richtung ist.Der Streit geht darum,wie weit wir gehen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass alle staatlichen Ebenen in Deutschland verpflichtet sind, die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen, auch die kommunale. Da bin ich mir sehr einig mit Herrn Dr. Jürgens. Dennoch sollte vermieden werden, durch unglückliche Formulierungen einen Streit über eine mögliche Konnexität auszulösen. Darüber sollten wir im Ausschuss miteinander beraten, um das zu verhindern.

Die Gleichstellung von Behinderten und die Barrierefreiheit haben in den vergangenen Jahren in Hessen unbestreitbar Fortschritte gemacht. Ich beobachte z. B., dass bei vielen Straßenbaumaßnahmen im Rahmen des Konjunkturprogramms die Gelegenheit genutzt wird, Barrierefreiheit herzustellen oder zu verbessern. Auch dort, wo die Bahn AG Bahnhöfe saniert und umbaut, wird die Barrierefreiheit berücksichtigt und umgesetzt. Bedauerlich ist sicherlich, dass das manchmal zu langsam geschieht und dass es noch viel mehr Bahnhöfe sein könnten.

Unser Ziel muss es weiterhin sein, die Chancengleichheit für behinderte Menschen weiter zu fördern, ihre Diskriminierung in der Gesellschaft zu unterbinden sowie ihnen einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz zukommen zu lassen. – Ich freue mich auf die Beratung dieses wichtigen Gesetzentwurfes.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Utter, vielen Dank. – Frau Schott, ich darf Sie für die Fraktion DIE LINKE nach vorn zum Mikrofon bitten.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtige Drucksache, bitte!)

Ich höre, das Haus beliebt noch zu scherzen.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Auch wir sind froh, dass es jetzt einen solchen Entwurf gibt. Das zeigt, dass die Befristung manchmal doch Sinn ergibt, obwohl ich hier fast darüber nachdenken würde, auf die Befristung zu verzichten; denn wir werden das Problem in fünf Jahren nicht gelöst haben.

In dem Entwurf gibt es aus unserer Sicht noch einiges,was außer Acht gelassen wird. Beispielsweise ist die Frage der Frauen gar nicht aufgegriffen worden. Das ist völlig unverändert. Dass wir derzeit in ganz Hessen einen einzigen

barrierefreien Platz in Frauenhäusern haben, ist ein untragbarer Zustand.

Ich hätte mir auch gewünscht, dass, wenn das Ministerium sich verpflichtet, ein Fachkonzept zu entwickeln, es die Selbstverpflichtung auch gleich in das Gesetz hineinschreibt, Menschen mit Behinderungen an der Entwicklung teilhaben zu lassen. Ich gehe davon aus, dass das Ministerium das tut.Aber es wäre ein Signal nach außen gewesen, das hier festzuschreiben.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die meisten Änderungen, die von den GRÜNEN eingebracht worden sind, sind so, dass ich hoffe, dass sie von allen Fraktionen mitgetragen werden. Streit wird es sicherlich über den zentralen Punkt geben, ob es mit Ausnahme der kommunalen Gebietskörperschaften oder mit den kommunalen Gebietskörperschaften gehen wird und muss. Ich glaube, wir brauchen an der Stelle wirklich juristischen Sachverstand;denn die Meinungen gehen weit auseinander: ob es eine einfachgesetzliche Regelung ist oder ob wir tatsächlich das Finanzierungsproblem bekommen.

Aber – das an die Regierung im Hinblick darauf, dass wir gerade einen Haushalt verhandeln – ich glaube nicht, dass man die Ziele dieses Gesetzentwurfes verwirklichen kann, ohne Geld dafür auszugeben. Es kann nicht sein, dass wir von Behindertenverbänden erwarten,dass sie mit Kommunen Zielvereinbarungen treffen. Das ist Arbeit, die ehrenamtlich geleistet wird. Mit jeder Kommune in Hessen einzeln eine solche Zielvereinbarung zu treffen, und das mit den verschiedensten Behindertenverbänden, ist für die Betroffenen einfach nicht leistbar.Denn was für den einen Barrierefreiheit bedeutet, bedeutet für den anderen unter Umständen, dass die Barrieren dadurch erhöht werden. Ich möchte hier das Beispiel der Shared Spaces nennen, wo man die Bordsteine wegnimmt. Das ist für Rollstuhlfahrer wunderbar. Aber für sehbehinderte Menschen wird das zum Problem, wenn keine Leitlinien mehr da sind, an denen sie sich orientieren können, wenn man nicht entsprechenden Ersatz schafft.

Das heißt, wenn wir wollen, dass sich Menschen mit Behinderungen in Verbänden organisieren und teilhaben, und diese Verbände auch tatkräftig und helfend unterstützen sollen, dann müssen wir dort die notwendigen wirtschaftlichen Mittel hineingeben. Denn ohne das, nur getragen von Ehrenamt, wird es auf Dauer nicht gehen.

Wenn wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen tatsächlich überall gehört werden, dann müssen wir ihnen auch Rechte zugestehen. Dann müssen wir ihnen nicht nur Behindertenvertretungen zugestehen, sondern diesen Behindertenvertretungen in gewisser Weise auch kraftvolle und machtvolle Positionen geben. Das gilt auch für so etwas wie einen Landesbehindertenbeirat, den man installieren kann und will.

Ich denke auch, wir brauchen für die Sanierung der baulichen Altbestände mindestens einen Zeitrahmen. Der ist hier völlig offen. Natürlich ist es klar, dass bei allem, was ohnehin saniert und neu gebaut wird, auf all diese Dinge geachtet werden muss.Aber wir können es nicht kommentarlos zulassen, dass alle Altbauten, die gerade nicht saniert werden müssen, noch zehn oder 20 Jahre in dem Zustand bestehen,in dem sie jetzt zum Teil sind,wo für blinde Menschen nicht einmal die entsprechenden Schildern an den Türen angebracht werden, wo die Rampen nach wie vor in unzulässiger Weise irgendwo hingetragen oder weggetragen werden müssen, je nach Bedarf. So kann es nicht gehen. Hier müssen wir einen Rahmen vorgeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube,wir brauchen an dieser Stelle viel fachliche Beratung. Wir brauchen auch juristische Beratung, und ich bin sehr gespannt, wie sich das Ganze entwickeln wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schott. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Wir sind damit am Ende der Aussprache in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes. Dazu war der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/1188, aufgerufen.

Der Gesetzentwurf und der Änderungsantrag werden zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit überwiesen. – So beschlossen.Vielen Dank.

Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 8:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Einrichtung eines nationalen Mechanismus aller Länder nach Art. 3 des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe – Drucks. 18/1153 –

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs haben Sie, Herr Staatssekretär Dr. Kriszeleit, das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Titel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist fast länger als der eigentliche Gesetzestext. Ich muss einräumen, dass Begriffe wie Fakultativprotokoll oder Präventionsmechanismus den Zugang zu dieser Materie nicht gerade erleichtern.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das ging uns auch so!)

Worum geht es? Es geht um die Umsetzung einer internationalen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland. Zum besseren Schutz vor unangemessener Behandlung in freiheitsentziehenden Einrichtungen – Justizvollzug, Psychiatrie, Polizeigewahrsam, Pflege- und Altenheime – soll auf der Ebene des Bundes und der Länder jeweils eine unabhängige Kommission eingesetzt sein, die diese Einrichtungen besuchen und überprüfen kann.

Auf Länderebene ist im Juni 2009 auf der letzten Justizministerkonferenz ein Staatsvertrag geschlossen worden. Die wesentlichen Eckpunkte sind:

Erstens die Einrichtung einer einheitlichen Länderkommission, also nicht von 16 Länderkommissionen, sondern einer einheitlichen Länderkommission zur Verhütung von Folter. Diese Kommission besteht aus vier ehrenamtlichen Mitgliedern, die von der Justizministerkonferenz ernannt werden.

Zweitens. Die Aufgaben und Befugnisse der Kommission werden in diesem Staatsvertrag benannt. Die Befugnisse ergeben sich aus der internationalen Vereinbarung, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat.

Drittens, und hier kommt ein hessischer Bezug: Der Kommission steht ein Sekretariat zur Verfügung, das bei der Kriminologischen Zentralstelle mit Sitz in Wiesbaden angesiedelt wird. Dieses Sekretariat wird auch von der Bundesstelle zur Verhütung von Folter genutzt, mit der die Länderkommission eng zusammenarbeitet. Das heißt, wir bekommen in Wiesbaden, in Hessen den Sitz dieser Kommission.

Viertens. Die Länderkommission wird von den Ländern finanziert. Die Kosten verteilen sich nach dem Königsteiner Schlüssel.

Meine Damen und Herren, durch die Schaffung einer Länderkommission, durch die enge Zusammenarbeit mit der Bundesstelle sowie durch den möglichen Rückgriff auf Ressourcen der Kriminologischen Zentralstelle ist ein inhaltlich und wirtschaftlich sinnvolles Paket geschnürt worden. Die Kosten von 200.000 c werden von allen Ländern gemeinsam getragen.Auf Hessen entfallen nach dem Königsteiner Schlüssel zwischen 15.000 und 20.000 c.