Protocol of the Session on September 16, 2009

Wir werden ja sehen, wie die Kommunen mit dem Haushaltsdefizit umgehen werden, das sie erwartet. Wir gehen davon aus, dass es dazu kommen wird.

(Michael Boddenberg (CDU): Nur ein Beispiel, Herr Kollege!)

Die Ausgaben der Kommunen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II haben sich unter anderem wegen der Erhöhung der Energie- und Nebenkosten seit ihrer

Einführung im Jahr 2005 von 8,9 Milliarden auf 9,5 Milliarden c im Jahr 2008 erhöht. Alleine der Deutsche Städtetag rechnet damit, dass die deutschen Kommunen im nächsten Jahr fast 2 Milliarden c mehr für Unterkunftskosten zahlen müssen. Der Bund aber hat seine Beteiligung von zuletzt 29,2 % auf 26 % reduziert und sich damit nicht an den tatsächlichen Kosten, sondern allein an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften des letzten Jahres orientiert.

Der Hilferuf der Kommunen ist absolut gerechtfertigt. Deshalb unterstützen wir die Appelle hessischer Kommunen und Kommunaler Spitzenverbände, die die willkürliche Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs für das letzte Jahr zurücknehmen lassen wollen.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Jetzt aber mal ein Finanzierungsvorschlag, Herr Kollege!)

Ich komme darauf, natürlich.

(Leif Blum (FDP): „Reichtum für alle“!)

Sie fürchten die Parole „Reichtum für alle“. Ich muss allerdings dazusagen: Es ist eine Parole der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, von der KAB übernommen, ganz praktisch.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich fürchte gar nichts! – Norbert Schmitt (SPD): Er will auch ein Stück von der Wurst!)

Sehen Sie, so eng sind die Verbindungen.

Absurd sind teilweise die Benachteiligungen finanz- und strukturschwacher Kommunen und die Bevorzugung „reicher“ Kommunen innerhalb des jetzigen Systems. Das konstatieren wir. Deshalb bleiben wir dabei: Ja zur Reform kommunaler Finanzausstattung, aber Nein zur blanken Sparpolitik. Denn der Grundsatz der aufgabenbezogenen Finanzierung für alle Kommunen muss verwirklicht werden. Kommunen, die überörtliche Aufgaben erfüllen, müssen bei gleicher Finanzkraft entsprechend höhere Zuweisungen erhalten. Kommunen mit besonders hoher Finanzkraft müssen stärker beteiligt werden, und finanzschwache Kommunen sollten mehr Unterstützung erfahren –

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt mal zur Einnahmenseite, Herr Kollege!)

ein Finanzausgleich, den wir natürlich auch beim Länderfinanzausgleich durchaus als demokratisch und sozial gerecht verstehen.

Die Leidtragenden Ihrer Sparpolitik werden nicht nur die Kommunen sein, sondern alle Bürgerinnen und Bürger. Steigende Sozialausgaben und millionenschwere Steuerausfälle werden letztlich dazu führen, dass Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge reduziert oder sogar gestrichen werden.Die Bürgerinnen und Bürger dürfen ein verlässliches Netz an öffentlichen Dienstleistungen erwarten. Dafür brauchen Kommunen allerdings eine solide Finanzausstattung.

Bei einer Vermögensteuer, wie wir sie vorschlagen – ich komme zur Steuerfrage –, würden die hessischen Kommunen mehr als 270 Millionen c zusätzlich einnehmen.

(Michael Boddenberg (CDU): Wie ist denn das Aufkommen insgesamt, so bundesweit? Was haben Sie da für eine Vorstellung?)

Diese Vermögensteuer ist bisher nur ausgesetzt. Wir warten darauf, dass da tatsächlich etwas passiert.

(Norbert Schmitt (SPD):Wenn es um die Verschuldung geht,darf es bei Herrn Boddenberg immer ein bisschen mehr sein!)

Die kleinen und mittelständischen Unternehmen leiden besonders unter der Kreditklemme – und das, obwohl Banken wie die Commerzbank vom Staat mit Milliardenbeträgen hoch subventioniert werden. Nach Umfragen des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft – der müsste Ihnen näherstehen – hat sich für fast die Hälfte der Mittelständler, genau 46,7 %, die Liquiditätssituation im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert, und für jedes dritte mittelständische Unternehmen haben sich die Kreditkonditionen innerhalb dieses Jahres weiter verschlechtert.

(Michael Boddenberg (CDU): Die wählen jetzt alle LINKE, ja?)

Wir hoffen darauf. – Die finanzielle Situation vieler Unternehmen ist weiterhin angespannt, und viele Unternehmen mit guten wirtschaftlichen Ansätzen sehen „Land unter“. Immerhin hat die Anzahl der Insolvenzen innerhalb eines Jahres um 15 % zugenommen und droht die wirtschaftliche Basis dieses Jahres zu zerstören.

Lassen Sie uns deshalb auch über Mikrokredite für Kleinstunternehmen nachdenken. Eines muss dabei jedoch klar sein: Bedingungslose Hilfen, wie viele sie jetzt fordern, darf es nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es Pflichtsache, dass diese Unternehmen Standortgarantien, betriebliche Mitbestimmungsgarantien und Beschäftigungsgarantien geben. Wo der Staat Kapital gibt, muss die öffentliche Hand auch Bedingungen setzen.Wir haben das übrigens bei der Opel-Frage so gefordert.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Zeiten des ewigen Wachstums der Steuereinnahmen ohne wirkliche Korrekturen am Steuersystem sind erst einmal vorbei.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ich denke,es sollen alle reich werden!)

Momentan brechen allen öffentlichen Haushalten die Steuereinnahmen weg. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen geht in seinen Mai-Gutachten davon aus, dass Bund, Ländern und Kommunen bis 2013 ca. 320 Milliarden c Steuern fehlen werden. Laut Prognose der EU-Kommission muss Deutschland für 2009 mit einer Neuverschuldung von 3,9 % und für 2010 mit einer Neuverschuldung von 5,9 % des Bruttoinlandsprodukts rechnen. In Eurobeträgen ausgedrückt, bedeutet dies zusätzliche Schulden von 130 Milliarden c.

Der hessische Landeshaushalt wird im nächsten Jahr gegenüber 2008 mehr als 2 Millionen c Steuereinnahmenverluste hinnehmen müssen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das wäre schön! – Minister Karlheinz Weimar: Schön wärs!)

Nein, Milliarden, Entschuldigung. Man darf nicht untertreiben. Es geht wirklich um Summen, bei denen man irrewerden kann. – Wir haben also ein wirkliches Einnahmeproblem zu lösen.

Möglicherweise erleben wir kurzfristig – mit Verkündigung unmittelbar nach der Bundestagswahl –, dass wegen

der fehlenden Steuereinnahmen erneut eine Haushaltssperre ausgerufen wird, Herr Weimar.

Doch nachdem die Bundesregierung für die maroden Banken mittlerweile Schutzschirme aufspannte, senkten SPD und CDU Steuern im Schatten des Konjunkturprogramms II,

(Michael Boddenberg (CDU): Doch nicht für die Banken, Herr Kollege! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Das hat er auch nicht gesagt!)

vor allem für Besserverdienende, Herr Boddenberg. Und das wird dann der Öffentlichkeit auch noch als Konjunkturmaßnahme vorgegaukelt.

Auf Anfrage unserer Fraktion im Bundestag antwortete die Bundesregierung, dass für dieses und das nächste Jahr eine Entlastung um 150 Millionen c für Bezieher von niedrigen Jahreseinkommen bis 10.000 c und für Verheiratete bis 20.000 c erfolgen soll. Gutverdiener mit einem Jahresverdienst von über 53.000 c bzw. 106.000 c werden hingegen um 1,45 Milliarden c entlastet;das ist das Zehnfache. Das heißt, bei der Einkommensteuerentlastung bleibt sich die Große Koalition leider treu. Auch in der Krise verteilen Sie weiter von unten nach oben um.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die werden jetzt alle reich bei Ihnen!)

Was macht die Landesregierung? Ihre Mitglieder veranstalten einen regelrechten verbalen Steuersenkungswettbewerb. Allein das Steuersenkungskonzept der FDP wird die öffentlichen Kassen Jahr für Jahr bis zu 90 Milliarden c kosten – Frank Kaufmann sprach von 100 Milliarden c –, und die Steuersenkungen der CDU bei Unternehmensteuer und Erbschaftsteuer würden die öffentlichen Kassen weiter leer spülen. Wer wie CDU und FDP an ihrer Haushaltskonsolidierung, Wettbewerbsdynamik und Steuerentlastung, wie sie das formulieren, festhält, sollte wissen, dass nach Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler allein die Finanzierung des FDP-Steuervorschlags ein Wirtschaftswachstum von 16 % bedeuten müsste.

Genau deshalb ist es richtig, dass der Staat derzeit antizyklisch agiert und Massenkaufkraft und ausfallende wirtschaftliche Nachfrage verstärkt. Deshalb haben wir immer gesagt, dass es grundsätzlich richtig ist, wenn das Land Hessen 2,6 Milliarden c über mehrere Jahre investiert.

Aber dabei müssen Prioritäten wie der Ausbau von Ganztagsschulangeboten oder eine umweltgerechte Weiterentwicklung öffentlicher Bauten gesetzt werden. Die bereits von Herrn Kaufmann zitierte DIW-econ-Studie hat ganz deutlich bewiesen, dass nicht einmal jeder dritte Euro für solche Zukunftsinvestitionen ausgegeben wird.

Es gibt sozial gerechte Alternativen für eine auskömmliche Finanzierung des hessischen Haushalts. Unsere Fraktion hat mit ihrem Antrag „Wirtschaftskrise bekämpfen – Reichtum umverteilen“, der leider nicht in diesem Zusammenhang aufgerufen wurde, sondern den wir beim nächsten Mal diskutieren werden, ein solidarisches Alternativkonzept vorgelegt, das die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise wie die steigende Vermögenskonzentration bekämpft, die Spekulationen an Finanzmärkten durch eine Börsenumsatzsteuer reguliert und alleine Hessen in einem ersten Schritt strukturelle Mehreinnahmen von bis zu 1,8 Milliarden c brächte.

(Michael Boddenberg (CDU): Pro Monat?)

Nein, pro Jahr, Herr Boddenberg. – Die Erbschaftsteuer wird bei demjenigen erhoben, der etwas bekommt, ohne dass er dafür etwas getan hat. Es handelt sich um ein leistungslos erzieltes Einkommen.

(Zurufe der Abg. Leif Blum und Wolfgang Greilich (FDP))

Die Frage ist, wie wir es als Gesellschaft regeln, wenn jemand etwas leistungslos bekommt. Mit den Einnahmen aus der Erbschaftsteuer könnte man zu einem Ausgleich der realen Einkommens- und Vermögensunterschiede beitragen. Die in den letzten sieben Jahren rasant gewachsenen Unterschiede müssen ausgeglichen werden. Zum anderen hätte dann die öffentliche Hand wieder Geld zur Verfügung und könnte für einen realen Ausgleich sorgen, indem z. B. Bibliotheken finanziert, Kindertagesstätten saniert und neue Schulen gebaut würden.All das wäre möglich.

Sie geben vor, für die soziale Marktwirtschaft einzutreten, vergessen aber zugleich, dass sich die Hälfte aller Haushalte niemals Gedanken über die Erbschaftsteuer machen müsste, weil sie nichts erbt. In Deutschland verfügen 10 % aller Haushalte über 60 % des Gesamtvermögens. Wer angesichts dessen für die Abschaffung der Erbschaftsteuer eintritt, setzt sich damit für die Vermögenden ein.

Weiterhin fordern wir die Wiedererhebung der Vermögensteuer durch eine Bundesratsinitiative. Wir haben durch eine Studie durchrechnen lassen, dass bei einem Freibetrag von 500.000 c und einem Steuersatz von 1 % auf Privatvermögen Hessen mehr als 1 Milliarde c zusätzliche Steuern hätte. Dieses Geld wird angesichts der von CDU und FDP verantworteten Sozial- und Bildungsarmut dringend gebraucht.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist erst der Fall, wenn Sie alle reich gemacht haben! Das dauert aber noch ein bisschen!)

Ein solches Herangehen würde drei Ziele gleichzeitig erfüllen. Wir würden damit mehr Steuergerechtigkeit ermöglichen. Wir würden die Steuereinnahmen des Landes spürbar verbessern, und schließlich wäre das ein Beitrag zur Stärkung der wichtigen Arbeit der Steuerfahnder, deren Anzahl wir natürlich erhöhen wollen.