Protocol of the Session on September 4, 2013

und in den Wahlkampf gezogen zu werden. Was in Syrien nun schon im dritten Jahr geschieht, darüber muss man hier keine großen Worte verlieren; denn der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen fasst die Lage mit folgenden Worten zusammen, denen wir als CDU-Fraktion uns auch anschließen können:

Syrien ist zur großen Tragödie dieses Jahrhunderts geworden, einer empörenden humanitären Katastrophe.

Wer die Nachrichten verfolgt, weiß, dem ist nichts hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, Deutschland steht nicht unbeteiligt und tatenlos am Rand. Es wurde schon erwähnt, seit Beginn des Konflikts vor über zweieinhalb Jahren haben 15.000 Menschen aus Syrien in unserem Land Zuflucht gesucht und gefunden. Im März hat die

Bundesregierung, einer europäischen Aufnahmeaktion vorgreifend, die Aufnahme von 5.000 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen angekündigt. Das Ganze läuft jetzt auch an.

In der Krisenregion hilft Deutschland vor Ort gerade den von Flüchtlingsströmen besonders betroffenen Nachbarländern. Deutschland hat über 170 Millionen € zur Verfügung gestellt und ist damit nach den USA der zweitgrößte Geldgeber. Diese Summe wird inzwischen verdoppelt.

Meine Damen und Herren, die Hilfe vor Ort ist wichtig, und sie kommt auch dem Wunsch der syrischen Flüchtlinge entgegen; denn der überwiegende Teil will schnellstmöglich in eine befriedete Heimat zurückkehren und sucht nicht die dauerhafte Aufnahme in Deutschland oder in einem anderen westlichen Land.

Die Lage in Syrien zu befrieden, dazu können wir in Hessen nur indirekt einen Beitrag leisten. Natürlich unterstützen wir nachdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, einen entsprechenden Bürgerkrieg durch eine umfassende politische Lösung zu beenden. Wir werden auch hier das Mögliche tun, einen bescheidenen Beitrag zu leisten; denn bekanntlich ist ein Tropfen Hilfe mehr als ein Ozean von Mitleid.

Meine Damen und Herren, wir werden dies in Zeiten tun, in denen insgesamt die Zahl der Asylbewerber in unserem Land wieder ansteigt. Diese zusätzliche Aufnahme ist also eine Herausforderung für unser Land, der wir uns gleichwohl stellen wollen. Wir nehmen diese Herausforderung aus humanitären Gründen an, besonders weil wir auch syrische Christen in dem Land in den Blick nehmen, die unter diesem grausamen Bürgerkrieg besonders leiden.

In solchen Konflikten zwischen Sunniten und Schiiten stehen sie ungeliebt zwischen den Fronten und sind, wie auch in Ägypten und anderswo, besonders wehrlose Opfer im Glaubensstreit. Sie sind gesuchte Opfer; denn gerade die radikalislamische Al-Nusra-Front, die mehr und mehr an Boden gewinnt, lässt den syrischen Christen ausdrücklich nur eine Wahl: Konversion zum Islam oder den Tod.

Diese radikalen Islamisten wollen Syrien in einen Gottesstaat, in ein Kalifat verwandeln – wahrlich kein lebenswerter Ort für jeden Menschen, noch weniger für Christen. Wir sind hier besonders gefordert. Deshalb können wir uns dem Anliegen anschließen.

Wir fordern die Hessische Landesregierung auf, den Familiennachzug syrischer Flüchtlinge zu ermöglichen und damit weitere Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Dazu muss eine Aufnahmeanordnung entsprechend gestaltet werden. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Wort hat Herr Abg. Mick für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sehen tagtäglich in den Nachrichten neue Schreckensbilder, nicht nur was die Situation in Syrien angeht, sondern auch in der Region. Wir alle sind momentan,

sicherlich auch angesichts der dramatischen Lage im gesamten arabischen Raum, hilflos. Wir wissen nicht, wie diese schwierige Situation aufzulösen ist. Die ganze Region ist in der Gefahr, zum Pulverfass zu werden. Natürlich ist der Konflikt in Syrien einer, der ganz besonders in seiner Brutalität und Grausamkeit heraussticht.

Wir alle spekulieren, was die politische Lösung für diesen Konflikt insbesondere in Syrien ist. Es wird gerade auch international diskutiert, ob militärisch eingegriffen werden soll. Wir sind uns sicherlich alle einig, dass ein Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen ein Zivilisationsbruch ungeahnten Ausmaßes ist. Aber das ist eben nur die eine Seite, die militärische Seite des Konflikts.

Wir wissen auch nicht, wer dort in der Region unterstützt werden soll und wie wir das alles lösen sollen. Es ist eine schwierige Gemengelage. Die Weltgemeinschaft – sosehr wir alle etwas tun und sosehr wir uns um eine internationale Lösung bemühen – ist doch etwas hilflos.

Umso mehr sind wir daher gefordert, wenn wir schon keine politische Lösung für das Land finden, dann doch als Westen, als reiches Land unserer humanitären Verantwortung gerecht zu werden und zumindest zu versuchen, das Leid der Flüchtlinge und der Zivilisten, die unter diesem Konflikt naturgemäß besonders leiden, so gut es geht, zu lindern.

Die Zahlen sind teilweise schon angesprochen worden. Momentan fliehen viele Hunderttausende Menschen aus Syrien, suchen Schutz. Sie suchen insbesondere Schutz in anderen Ländern der Nachbarregion, und das sind Länder wie z. B. der Libanon, die ohne diesen Konflikt schon andere Probleme innenpolitischer Art haben. Das heißt, das sind Länder, die selbst nicht unbedingt ein ruhiger Hort für diese Flüchtlinge sind, da sie selbst teilweise von der Bevölkerungsstruktur her und teilweise deshalb, weil sie einfach zu klein sind, diese Menge an Flüchtlingen gar nicht aufnehmen können und selbst innenpolitische Probleme haben.

All das hat uns dazu geführt, zu sagen: Natürlich brauchen wir eine Lösung in Deutschland. Natürlich brauchen wir eine gesamteuropäische Lösung, wie wir als Europäische Union ein Zeichen setzen, Flüchtlinge aufnehmen, den Menschen in unserer reichen Gesellschaft auch eine Hilfe geben.

Auf der anderen Seite können wir als Bundesland auch etwas tun. Das heißt, dass wir den Syrern, die sich bereit erklären, Familienangehörige oder – der Kreis wird auch etwas weiter gefasst – andere Menschen aus Syrien bei sich aufzunehmen, die Möglichkeit geben, unserer humanitären Verantwortung gerecht zu werden.

Was darüber hinaus getan werden muss, wird selbstverständlich auch getan. Aber es ist darauf hinzuweisen, dass wir aufgrund steigender Flüchtlingszahlen aus anderen Teilen der Welt momentan in Hessen schon Kapazitätsprobleme haben. Wir suchen nach einer Lösung.

Deswegen ist diese Aufnahmeanordnung, die jetzt getroffen werden soll, umso wichtiger; denn es zeigt, dass wir auch andere Möglichkeiten auszuschöpfen versuchen, möglichst vielen Menschen, die von Krieg, Verfolgung, Folter und Tod bedroht sind, hier in Hessen eine Aufnahme zu ermöglichen.

Das heißt, wir nehmen unsere Verantwortung wahr. Ich denke, es ist heute ein gutes Zeichen, dass es zwischen den

verschiedenen Fraktionen zum Konsens gekommen ist. Insofern zeigt das, wir als Hessen nehmen auch in Wahlkampfzeiten dieses wichtige Thema ernst und setzen heute ein gutes Zeichen für Humanität und Menschenrechte. – Danke.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegt mir noch die Wortmeldung des Herrn Kollegen Roth von der SPD-Fraktion vor. Danach liegt mir keine Wortmeldung mehr vor.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war lange Zeit geneigt, zu diesem Dringlichen Antrag überhaupt nicht reden zu wollen. Denn wenn wir schon einen gemeinsamen Dringlichen Antrag hinbringen, dann erübrigt es sich eigentlich, dazu zu reden. Aber die Situation, mit der wir uns gemeinsam auseinandergesetzt haben und wegen derer wir diesen Dringlichen Antrag gemeinsam eingebracht haben, verdient es, in diesem Haus gewürdigt zu werden.

(Beifall der Abg. Lothar Quanz und Nancy Faeser (SPD))

In Syrien ist Krieg. Es handelt sich um einen schlimmen Bürgerkrieg. Das ist ein Konflikt, der schon viel zu lange dauert. Er ist viel zu grausam. Es wurde viel zu viel Blut vergossen.

Das muss man sich bewusst machen. Es ist ein Land, in dem 21 Millionen Menschen leben. Davon sind 5 Millionen Menschen, also ein Viertel, derzeit auf der Flucht. 3,6 Millionen Menschen sind im Land selbst geflohen. Knapp 1,5 Millionen Menschen sind in die Nachbarländer geflohen. 80.000 Menschen sind bisher in diesem Krieg umgekommen.

Da ist es für ein Land wie das unsrige, das aus der Geschichte Flucht und Vertreibung kennt, eine Pflicht, nicht nur ein Zeichen zu setzen, sondern konkret zu helfen und das zu tun, was naheliegt. Es gibt Menschen, die hier leben und sagen: Wir wollen unsere Angehörigen zu uns holen. – Der Kreis sollte noch ausgeweitet werden. Wir sollten dem jetzt unbedingt eine Möglichkeit geben.

Vor vier Wochen war das noch nicht möglich. Ich bin heilfroh, dass wir das fraktionsübergreifend jetzt hinbekommen.

(Allgemeiner Beifall)

Man muss immer dazu sagen: Das ist an Bedingungen geknüpft. Da geht es um die Sicherung des Lebensunterhaltes. Das muss man sagen, damit das, was wir hier tun, in der öffentlichen Diskussion nicht in ein falsches Fahrwasser gerät.

Ich bin froh, dass wir das heute tun. Wir tun das an einem Tag, an dem Schweden entschieden hat, allen Syrern, die in Schweden um Asyl bitten, es zu gewähren. Ich glaube, das ist ein mutiger Schritt eines europäischen Landes. Angesichts des Krieges, der Vertreibung und der Flucht geht es so mit der Situation um.

Ich will einige wenige Sätze zum Dringlichen Antrag der Fraktion DIE LINKE sagen. Vieles von dem, was in dem Dringlichen Antrag steht, haben wir schon früher aufgrund von Anträgen hier miteinander diskutiert. Das wurde also schon eingebracht. Nachdem der dritte Absatz geändert wurde, werden wir diesem Dringlichen Antrag mit dem neuen Passus zustimmen.

Ich bin zuversichtlich, dass das, was die „Frankfurter Rundschau“ heute angekündigt hat, dass sich Hessen nämlich in der Hilfe für die Syrer einig ist, nicht nur für den heutigen Tag gilt, an dem wir die Schaffung dieser Aufnahmeanordnung anregen, sondern auch künftig gilt. Denn der Schrecken und der Konflikt in Syrien hat noch kein Ende.

Unabhängig davon, wie die kriegerische Auseinandersetzung und wie die militärische Auseinandersetzung in diesem Land ausgehen mag, und wer da noch alles einsteigt oder nicht einsteigt, haben wir jetzt ein deutliches Zeichen zu setzen. Das setzen wir, indem wir diese Anordnung heute anregen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU, der FDP, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das Wort erhält Herr Innenminister Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße den Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der GRÜNEN ausdrücklich. Ich begrüße ihn, weil die aktuelle Lage in Syrien in der Tat nicht nur Anlass zur Sorge bereitet, sondern weil das, was dieser Tage in Syrien passiert, uns alle alarmieren muss. Denn es ist am Ende nichts anderes als eine humanitäre Katastrophe.

Genau das ist der Grund, warum wir Innenminister in der ersten Hälfte dieses Jahres einstimmig, und ohne lange darüber zu diskutieren, beschlossen haben, insgesamt 5.000 besonders schutzbedürftige syrische Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Davon entfallen nach dem Königsteiner Schlüssel 365 Menschen auf das Bundesland Hessen. 15 sind bislang eingereist.

Frau Öztürk hat schon darauf hingewiesen: Natürlich ist es so, dass die Einreise – ich füge das Wort „leider“ hinzu – der ausgewählten Personen den vielfältigsten Hindernissen begegnet, auf die ich an dieser Stelle gar nicht im Detail eingehen sollte. In der Tat ist das so. Die Zahl spricht für sich.

Ich will das hier offen sagen. Ich will das gar nicht verschweigen. Es trifft zu, dass ich auch zu denen gehört habe, die anfangs die Auffassung vertreten haben: Lasst uns zunächst einmal die Umsetzung des Kontingents mit den 5.000 Menschen abwarten. Lasst uns möglicherweise die Frist beim UNHCR ausweiten. Der 31. März 2013 war die Frist. Vielleicht verändert das schon etwas. – Das war aber nicht der Fall.

Ich füge hinzu: Ich sehe es heute anders. Denn natürlich hat sich die Situation geändert. Die Situation hat sich im Vergleich zum Frühjahr 2013 noch einmal eklatant ver

schlechtert. Natürlich hat das etwas mit dem Einsatz des Giftgases zu tun. Ich will das ganz ehrlich gestehen. Mit dem Einsatz des Giftgases hat zu dem damaligen Zeitpunkt niemand rechnen können.

Auch darauf wurde schon hingewiesen: Wir dürfen bei all diesen Diskussionen natürlich auch nicht außer Acht lassen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die vor dem Krieg in Syrien in die Nachbarländer geflohen sind, mittlerweile bei 2 Millionen liegt. Das macht die Dimension dessen aus, mit dem auch wir uns befassen müssen.

Das betrifft insbesondere die Türkei. Das betrifft den Libanon. Das betrifft Jordanien und den Irak. Das ist natürlich zuallererst für die Flüchtlinge eine Tragödie; das sage ich klar. Das bedeutet aber auch für die hilfsbereiten Menschen in diesen Gastländern, dass sie eine riesige Opferbereitschaft haben müssen. Für sie ist das eine große Herausforderung.

Herr Mick hat zu Recht darauf hingewiesen: Sie leben vor Ort in Situationen, die auch nicht immer einfach sind. Das ist ein Grund gewesen, weshalb sich die Minister und Senatoren der von CDU und CSU geführten Innenressorts der Länder am 2. September 2013 gemeinsam mit dem Bundesinnenminister darauf geeinigt haben, kurzfristig weitere Schritte zur Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen zu unternehmen. Das ist der Grund dafür, dass ich jetzt eine entsprechende Aufnahmeanordnung erlassen werde. Das ist sie.