Protocol of the Session on September 4, 2013

Ich sage Ihnen: Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass prekäre Beschäftigung in Deutschland in den letzten fünf Jahren sprunghaft angestiegen ist. Das aber lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Wir arbeiten daran, dass das aufhört. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Grüttner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind schon Zeuge eines einmaligen Vorgangs geworden. Es stellt sich der Sprecher der GRÜNEN-Fraktion hierher, bezieht sich auf einen Antrag der Koalitionsfraktionen und erklärt, er sei falsch. Dabei gibt dieser Antrag ausschließlich das wieder, was die Spitzenkandidatin der GRÜNEN für die Bundestagswahl öffentlich gesagt hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann man nicht häufig genug zitieren.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Da steht eindeutig drin, dass Frau Karin Göring-Eckardt gesagt hat – –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Katrin!)

Entschuldigung: Katrin. Herr Al-Wazir, in diesem Antrag steht der Vorname nicht drin. Das möchte ich hier gleich sagen.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nichtsdestotrotz lautet das Zitat: „Alle Verdienste über 100 € im Monat sollen steuer- und abgabepflichtig werden“.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ja, deutlich!)

Das bedeutet nichts anderes als die Abschaffung der 450-€-Jobs.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Natürlich findet sich das auch im Wahlprogramm der GRÜNEN wieder, in zwei Schritten, schön kaschiert, aber mit dem gleichen Ergebnis. Das ist ein Anschlag auf Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer, die sich mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen etwas dazuverdienen, was einen positiven Effekt auf den Arbeitsmarkt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das reiht sich nahtlos in all die Bevormundungsstrategien und Bevormundungsdebatten ein, die momentan überall laufen. Es ist egal, ob das der Fleischkonsum ist, die Autos, das Tempolimit oder Plastiktüten; jetzt haben die GRÜNEN die Minijobs entdeckt, deren sie sich annehmen. Deswegen ist es relativ einfach, zu sagen: Diejenigen, die Minijobs innehaben, sind im Wesentlichen – –

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wollen Sie mir jetzt auch etwas unterstellen wie dem Herrn Kollegen Lenders, Frau Schulz-Asche? Dann sagen

Sie es laut, damit wir besser im Protokoll vermerken können, was Sie immer dazwischenrufen.

Ich sage Ihnen sehr deutlich: Mit der Maßnahme treffen Sie im Wesentlichen Schüler und Studenten sowie Rentnerinnen und Rentner.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist eine Politik, die sich gegen die Mitte unserer Gesellschaft richtet. Es ist ein Angriff auf die Mitte unserer Gesellschaft. Deswegen ist es richtig, das zum Thema zu machen. Denn es ist ein vollkommen falscher Ansatz, wenn Sie meinen, einen Mindestlohn einführen und Minijobs abschaffen zu müssen. Damit öffnen Sie den Arbeitsmarkt für Schwarzarbeit, und zwar nicht nur bei der geringfügigen Beschäftigung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Um das zu verhindern und für entsprechende Ansätze im Hinblick auf eine Alterssicherung zu sorgen, ist zum 1. Januar – das muss man sehr deutlich sagen – die Rentenversicherungspflicht für Minijobs eingeführt worden. Sie sind rentenfördernd und rentenbegünstigend. Das heißt, sie sind auch eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt.

Das, was hier zitiert worden ist, finde ich besonders witzig. Bestimmt kein CDU-nahes, sondern das neutrale Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat die 450-€-Jobs sehr genau untersucht, und zwar sowohl branchenspezifisch als auch im Hinblick auf ihre Arbeitsmarktwirkungen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn mit der Untersuchung von Frau Ministerin Schröder?)

Da kommt man zu ganz erstaunlichen Ergebnissen. Es heißt: Ja, wir müssen uns überlegen, ob 450-€-Jobs bei ganz kleinen Betrieben eventuell dafür sorgen, dass keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse entstehen. – In der gleichen Studie kommt man dann aber zu dem Ergebnis: Nein, das kann man überhaupt nicht sagen, weil das Arbeitsvolumen bei den kleinen und kleinsten Betrieben so gering ist, dass gar keine regulären Arbeitsverhältnisse entstehen könnten. Die Konsequenz wäre, dass diese Betriebe und damit auch die Arbeitsplätze, die sie zur Verfügung stellen, vom Markt verschwinden würden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Im gleichen Zusammenhang wurde untersucht, wie es bei Unternehmen mit 100 und mehr Beschäftigten aussieht. Das erstaunliche Ergebnis des IAB lautet: Bei den Betrieben, die 100 Mitarbeiter und mehr haben, sind die Minijobs letztendlich mit einer Steigerung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung verbunden. Sie sind eine echte Brücke in den Bereich. – Das heißt, die arbeitsmarktpolitische Konsequenz ist ganz entscheidend und wesentlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen will ich sehr deutlich sagen: Ein Zuwachs von Minijobs oder Minijobs als solche können keinesfalls mit dem Wegfall regulärer Arbeitsplätze gleichgesetzt werden. Ganz im Gegenteil, in vielen Fällen wollen Arbeitnehmer ausdrücklich die Beschäftigung im Minijob. Da ist Schwarzmalerei schlicht und einfach nicht gerechtfertigt.

Übrig bleibt: Der GRÜNEN-Vorschlag trifft Zehntausende Arbeitsplätze, angefangen beim Zeitungsausträger im Verlag über die Aushilfen in Gaststätten, im Hotelgewerbe und im Einzelhandel bis hin zum gemeinnützigen Bereich. Da gilt auch die Formulierung im Wahlprogramm der GRÜNEN bzw. von der Spitzenkandidatin nicht, man wolle in einem ersten Schritt den haushaltsnahen Bereich ausnehmen. Denn der zweite Schritt ist von ihr angekündigt: Alles soll steuerpflichtig werden. – Diejenigen, die auf haushaltsnahe Dienstleistungen angewiesen sind, die noch alleine und selbstständig in ihrem Haushalt leben können, aber Hilfe brauchen, bringen Sie damit in die Situation, entweder Menschen schwarz zu beschäftigen oder auf solche Hilfen zu verzichten und die eigene Häuslichkeit möglicherweise nicht mehr aufrechterhalten zu können. Das ist eine zutiefst unsoziale Politik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es sind nicht nur keine Ideen für den Arbeitsmarkt vorhanden, sondern es wird auch noch eine unsoziale Politik propagiert.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich lasse über die beiden Entschließungsanträge abstimmen, zuerst über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend 450-€-Jobs sind ein wirksames arbeitspolitisches Instrument – Abschaffung würde Schüler, Studenten und Rentner belasten, Drucks. 18/7679. Wer dem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind die übrigen Fraktionen im Parlament. Damit ist der Entschließungsantrag angenommen worden.

Ich komme zur Abstimmung über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend faire Chancen für alle Beschäftigten – Reform der Minijobs notwendig, Drucks. 18/7709. Wer für den Entschließungsantrag ist, der hebe bitte die Hand. – Das sind die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer enthält sich? – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über den hessischen Landesbeauftragten für die Polizei (Landespolizeibeauftragtengesetz) – Drucks. 18/7665 zu Drucks. 18/7134 –

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 18/7702 –

Zur Berichterstattung in der zweiter Lesung, Herr Kollege Dr. Blechschmidt von der FDP, bitte schön.

Frau Präsidentin! Beschlussempfehlung: Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Abwesenheit der Fraktion DIE LINKE, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Blechschmidt. – Als Erstes liegt mir die Wortmeldung von Frau Kollegin Faeser von der SPD-Fraktion vor. Bitte schön, Frau Kollegin, 7,5 Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! – Ich fände es schön, wenn der Innenminister zuhören würde.

Wir beraten heute in zweiter Lesung über einen Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD zur Schaffung eines Landesbeauftragten für die Polizei. Er soll zwei große Aufgabenbereiche wahrnehmen: einerseits als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger – um im Interesse der Polizei Vertrauen zu schaffen – und andererseits als unabhängiger Ansprechpartner für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zur Verfügung zu stehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir halten die Schaffung dieses Amtes für notwendig, weil über die Mittel der Dienstaufsichtsbeschwerde und den klassischen Rechtsweg hinaus in Hessen leider keine Möglichkeiten bestehen, sich über polizeiliches Fehlverhalten im Einzelfall zu beschweren. Deshalb wollen wir eine Stelle schaffen, die das Anliegen der Bürgerinnen und Bürger prüfen kann und einen entstandenen Konflikt zur Wahrung des Rechtsfriedens bereinigen kann.