Protocol of the Session on May 22, 2013

Wir brauchen die vorhandene Kapazität genau für diesen Rückbau. Auch sind die Transportwege für die Rückführung der Castoren aus dem französischen La Hague nach Biblis weiter und teurer, als wenn wir sie nach Philippsburg bringen – das ist so –, von Sellafield ganz zu schweigen. Das sind die Fakten.

Aber wir in Hessen sind aus unserer Sicht moralisch dazu verpflichtet, unseren Beitrag für einen Endlagersuchkompromiss zu liefern. Frau Puttrich, das ist eine moralische Verpflichtung, die wir haben, die wir Hessen alle haben, auch Sie. Sie hören aber gerade nicht zu; Sie stimmen sich lieber mit Ihrem Staatssekretär ab. Denn immerhin stammen 14 % des Mülls, der in La Hague und in Sellafield liegt, aus hessischen Atomkraftwerken.

(Torsten Warnecke (SPD): Was?)

Da kann es nicht sein, dass das Motto gilt: Aus dem Auge, aus dem Sinn. – Wir haben eine Verpflichtung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Gerade Sie als CDU, die lange für eine Laufzeitverlängerung in der Atomkraft gekämpft haben, die noch eineinhalb Tage, nachdem Frau Merkel ihre 180-Grad-Wende hingelegt hat, von der Sicherheit von Biblis geschwärmt und gesprochen haben, gerade Sie haben die Verpflichtung, für den Müll, den Sie produziert haben, die Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zurufe der Abg. Kurt Wiegel und Peter Stephan (CDU))

Ich finde, es ist schon eine Verdrehung der Tatsachen: Wir machen es uns als Opposition schwer. Wir könnten im Wahlkampf schön populistisch sagen: Wir haben nichts damit zu tun. – Wir aber nehmen das Thema ernst, wir stellen uns der Verantwortung und gehen den schweren Weg, dass wir sagen: Es können bis zu fünf Castoren aus La Hague nach Hessen, nach Biblis transportiert werden. – Wir stellen uns dieser schwierigen Diskussion. Sie tauchen ab und machen populistische Politik. Das ist eine verkehrte Welt. Sie machen Opposition, wir machen hier verantwortliche Politik für das Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Frau Puttrich, Sie haben am Samstag im Deutschlandfunk gesagt, es ginge nicht um eine parteipolitische Verteilung von Müll. Nein, darum geht es nicht. Es geht um die Verantwortung, die dieses Bundesland hat. Wir als Land Hessen mit Biblis, dem ältesten Atomkraftwerk, haben eine Verantwortung für den Müll, den wir produziert haben, Sie als Regierung auch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können uns durchaus vorstellen, dass geprüft wird, ob die fünf Castoren aus La Hague nach Biblis transportiert werden. Es ist 65 km weiter als Philippsburg. Aus unserer Sicht sind fünf Castoren und diese 65 km vertretbar. Dem können wir uns stellen. Da würden wir uns einer Prüfung nicht verschließen.

Am Ende darf ein Endlagersuchkompromiss, der historische Dimensionen hat, nicht an Hessen scheitern.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Diskussion um die Rückführung der Castoren ist symptomatisch dafür, dass diese Landesregierung die Energiewende nicht wirklich will. Es ist doch in der Tat so – Herr Stephan, Sie haben gesagt, wir würden die Menschen ärgern, wir würden Angst und Panik machen –, dass das genaue Gegenteil der Fall ist.

Es war Herr Rentsch, der jetzt leider nicht da ist: Er hat als Kreisvorsitzender der FDP in Wiesbaden brennende Windräder plakatiert und die Menschen im Taunus aufgestachelt. Es war Herr Rentsch, der dafür als Kreisvorsitzender der FDP die Verantwortung getragen hat. Das ist das erste Beispiel.

(Beifall bei der SPD)

Zweites Beispiel, der Landesentwicklungsplan. Wir hatten vor zwei Wochen hierzu im Plenarsaal eine Anhörung, und ich sage Ihnen: Der LEP ist auseinandergenommen worden. Von nahezu allen Experten wurde ihm ins Stammbuch geschrieben, dass er nicht dazu geeignet sei, das Ziel von 2 % Vorrangflächen in Hessen zu verankern. Das ist Ihnen hier von allen Experten bescheinigt worden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie kriegen es noch nicht einmal hin, für Ihre Position Experten zu benennen, die Ihren LEP hier vor Ort verteidigen. Selbst das kriegen Sie nicht einmal hin. Das zeigt, dass Sie reif für die Opposition sind.

(Zurufe von der CDU: Ach!)

Es ist in diesem Raum auch ziemlich deutlich geworden, dass vom Gutachter – er saß, glaube ich, auf dem Platz von Frau Wissler – über das TÜV-SÜD-Gutachten, das die Umweltministerin in Auftrag gegeben hat und das die Grundlage für den Windkraftausbau darlegen sollte, gesagt wurde, es sei ein Grundkonzept, und es sei nicht geeignet, daraus gesetzliche Vorgaben abzuleiten. Der Gutachter hat hier selbst eingeräumt

(Peter Stephan (CDU): Das hat er nicht gesagt!)

Herr Stephan –, man müsse an den Standorten eigentlich ein Jahr lang messen. Er hat auch gesagt, dass das, was er berechnet habe, auf der Basis von 20 Windparks in Hessen erfolgt sei, und es sei nicht ausreichend. Das hat er gesagt.

(Beifall bei der SPD – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Herr Saebisch, das Beste ist allerdings, dass selbst das Umweltministerium, Ihr Haus und das von Frau Puttrich – Herr Saebisch, bleiben Sie hier, ich komme gerade noch auf die FDP zu sprechen –, Folgendes gemacht hat: Es gibt in meinem Wahlkreis eine Domäne. Dafür ist das Land Hessen, das Umweltministerium, zuständig. Verwaltet wird das Domänengrundstück von der Hessischen Landgesellschaft, im Aufsichtsrat sitzt Herr Saebisch. Dort soll Windkraft installiert werden. Nur dummerweise weht dort weniger als 5,75 m/s Wind. Es hätte dort eigentlich gar nicht geplant werden sollen, laut TÜV-SÜD-Gutachten.

Was macht die Hessische Landgesellschaft jetzt auf einmal? – Sie akzeptiert dieses Gutachten nicht und berechnet nach. Sie beide sind die besten Kronzeugen dafür, dass diese 5,75 m/s ein Armutszeugnis und nicht als Grundlage für einen Landesentwicklungsplan geeignet sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Das sind ganz normale Vorgänge!)

Nein, das ist nicht das normale Vorgehen. Herr Bellino, glauben Sie mir, von diesem Thema haben Sie wirklich keine Ahnung.

(Beifall bei der SPD – Kurt Wiegel (CDU): Da haben Sie keine Ahnung!)

Dann noch einmal zu Herrn Dr. Arnold. Herr Dr. Arnold hat – ich habe es hier das letzte Mal schon ausgeführt – in der Regionalversammlung Nordhessen sozusagen den Regionalplan zur Offenlage mit beschlossen, den er in Fulda bekämpft. Seiner Kolumne in der „Fuldaer Zeitung“ war zu entnehmen, dass er den Landesentwicklungsplan mit seinen scharfen Vorgaben noch einmal verschärfen will, indem er jetzt einen Durchführungserlass zum LEP vorgeschlagen hat, um noch schärfere Vorgaben gegen Windkraft festzuschreiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen das an dieser Stelle ziemlich deutlich: Sie haben diesen Energiekonsens in Hessen mittlerweile vollständig verlassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die einzigen Hüter des Energiekonsenses sind SPD und GRÜNE, und das ist für Ihre Regierung ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Vogel in der Energiedebatte hat aber der Ministerpräsident am Pfingstwochenende abgeschossen. Frau Puttrich, ich weiß es nicht, aber eigentlich müsste Ihnen am Pfingstmontag die Kaffeetasse aus der Hand gefallen sein. Nachdem wir, SPD und GRÜNE, Schwarz-Gelb sozusagen eineinhalb Jahre lang vor uns hergetrieben und durchgesetzt haben, dass zum Thema Fracking eine Landtagsanhörung stattfindet, nachdem wir dafür gesorgt haben, dass diese in Nordhessen bei den Menschen vor Ort stattfindet und dass es endlich auch eigene hessische Gutachten zum Thema Fracking gibt, und nachdem es

(Holger Bellino (CDU): Wir haben den Energiegipfel erfunden; Sie mussten dazu getragen werden!)

mit den Gutachten vom HLUG, dem Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie, und der Universität Marburg, die besagten, dass Fracking in Nordhessen nicht möglich sei, endlich so weit war, dass Sie als CDU die Kuh eigentlich bis zur Landtagswahl vom Eis bekommen hatten, fällt Ihnen am Wochenende der Ministerpräsident in den Rücken und schwadroniert, dass Fracking eine Zukunftstechnologie sei.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Was? Bleiben Sie auf dem Boden!)

Natürlich hat er schwadroniert. Ich hoffe, dass er das nicht ernst gemeint hat, Herr Bellino.

Wenn er hier wäre, hätte er dazu etwas sagen können. Kennt er denn das Gutachten vom HLUG? Hat er es gelesen? – Darin steht nämlich ziemlich deutlich, dass es in Hessen ganz wenige geeignete Flächen gibt. Es gibt zwischen Reinhardswald und Zierenberg eine Fläche, das ist die einzige Fläche, die es in Hessen gibt. Ich fordere den Ministerpräsidenten auf, hier Ross und Reiter zu benennen und zu sagen: Will er Fracking in Hessen? Und wo will er Fracking in Hessen? – Ich finde, die Menschen in unserem Bundesland haben ein Anrecht darauf, das vor der Wahl zu erfahren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde auch, dass er ein ganz spannendes Verständnis von einem Moratorium hat. Der Ministerpräsident versteht das Wort „Moratorium“ so, dass er damit über die Bundestags- und Landtagswahl kommen will. Wir haben das Wort „Moratorium“ anders verstanden. Wir wollten das Moratorium so lange haben, bis klar ist, was mit dem Fracking passiert, bis wir das Bundesbergrecht verschärft haben und bis wir klar vorliegen haben, welche Umweltauswirkungen diese Technologie hat, nicht nur aufgrund des Einsatzes der Chemikalien, sondern auch aufgrund des schädlichen Lagerstättenwassers. Das verstehen wir unter einem Moratorium.

Dass Sie bei diesem Thema nun wirklich nicht glänzen, zeigt doch, dass Sie bis heute keinen eigenen Antrag in den Landtag eingebracht haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum ist Ihnen das bis heute denn nicht gelungen? – Wir, Rot-Grün, haben hier einen Antrag vorgelegt. Darüber kann man gern streiten; wir sind auch gern kompromissbereit.

(Holger Bellino (CDU): Das wäre etwas ganz Neues; und die Erde ist eine Scheibe!)

Wir haben Ihnen im Umweltausschuss des Landtags mehrfach das Angebot gemacht, etwas Gemeinsames zu beschließen. Sie haben es bis heute strikt abgelehnt. Sie lassen sich die Hintertür für Fracking in Hessen sperrangelweit auf und hoffen, dass die Menschen auf Ihre Strategie reinfallen und meinen, es sei sozusagen vom Tisch.

Der Ministerpräsident hat deutlich gemacht: Fracking ist in Hessen nicht vom Tisch. Er kneift heute, indem er nicht in die Debatte eingreift und das nicht klarstellt. Er hat gestern seine Umweltministerin mit einer Pressemitteilung vorgeschickt. Am Pfingstmontag musste der Regierungssprecher die Kohlen aus dem Feuer holen. Das zeigt mir alles ziemlich klar und deutlich: Er hat sich hier vergaloppiert. Daher

erwarte ich hier vom Ministerpräsidenten, Rede und Antwort zu stehen und den Menschen zu sagen, wie er es mit Fracking in Nordhessen hält.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Heute ist wieder einmal deutlich geworden: Die Energiewende in Hessen geht nur mit Rot-Grün, Schwarz-Gelb hat da einen Kredit verspielt. – Danke schön.