Ich will deshalb im Namen meiner Fraktion ausdrücklich Dank dafür sagen, dass sich die Landesregierung stets für echte Wahlfreiheit eingesetzt hat: durch den beschriebenen Ausbau der Kinderbetreuung in Quantität und Qualität; durch die Förderung der Vielfalt in der Kinderbetreuung, zum einen über die Akzentsetzung zugunsten der familiennahen Tagespflege, zum anderen in dem Bekenntnis zur Trägervielfalt – wieder im Rahmen des neuen Kinderförderungsgesetzes, das die Trägervielfalt in Hessen würdigt und stärkt –; durch die Förderung des Netzwerks Wiedereinstieg; durch den Einsatz für familienfreundliche Arbeitsbedingungen, den man zwar nicht erzwingen, aber vorleben kann – das wird seitens der Landesregierung auch gemacht –; durch die Anerkennung familiärer Sorgearbeit in der Zustimmung zum Betreuungsgeld, auch wenn wir ihm gern eine hessische Gestalt in Form eines Elterngelds II gegeben hätten; und durch das Bekenntnis zum Ehegattensplitting, das beileibe keine Subvention des Hausfrauenmodells, sondern eine Regelung für echte Wahlfreiheit von Familien darstellt. Dazu komme ich nachher noch einmal. Diese Landesregierung ficht für die Freiheit und die Vielfalt in der Lebensgestaltung von Familien. Auch deshalb ist Hessen Familienland.
Drittens. Die Elternverantwortung bleibt der Schlüssel. Je früher die außerfamiliäre Betreuung beginnt, desto größer muss die Sorgfalt sein, mit der wir sie ausgestalten und ausstatten. Umso wichtiger ist es auch, dass man sich um die Nahtstelle zu den Eltern intensiv kümmert.
Der hessische Bildungs- und Erziehungsplan weist genau diesen Weg, indem er sich nicht nur an Erzieher und Pädagogen wendet, sondern die Eltern ganz bewusst und systematisch einbezieht. Genauso steht die hessische Sprachförderung in Kindergarten und Grundschule im Zusammenhang mit Angeboten an die Eltern, die berücksichtigen, dass kindliches Deutschlernen den Nachteil einer fehlenden deutschsprachigen Umgebung zu Hause nur bedingt aufwiegen kann.
Aber auch unabhängig vom Zusammenwirken von Eltern und Pädagogen hat die frühzeitige Elternbildung bei uns eine hohe Priorität. Dies belegen viele verschiedene Maßnahmen, z. B. die Einladung zum Elternkompetenztraining als Teil des Landeswillkommenspakets für Neugeborene und ihre Eltern und der Aufbau eines hessenweiten Netzes von Familienzentren – davon war die Rede –, angedockt an Kindertageseinrichtungen, die alle möglichen Dienstleistungen zusammenführen und den Zugang dazu niederschwellig eröffnen, damit Eltern schnell und unkompliziert Beratung und Hilfe dort finden, wo sie sie benötigen. Zu nennen sind aber auch die Angebote der aufsuchenden Familienarbeit, z. B. über die Familienhebammen.
Dies alles sind Bausteine einer familienunterstützenden Infrastruktur. Der Minister hat viele weitere Mosaiksteine genannt, mit denen Eltern unterstützt werden, ohne sie zu bevormunden, mit denen Eltern entlastet werden, ohne sie aus ihrer Hauptrolle zu entlassen, und mit denen auf die Partnerschaft von Eltern und allen anderen am Wohlergehen, an der Bildung und an der Entwicklung von Kindern Beteiligten gesetzt wird. Die Landesregierung gibt Eltern mit all diesen Maßnahmen Rückendeckung. Auch deshalb ist Hessen Familienland.
Es bleibt aber noch manches zu tun. Hessen ist zwar in den letzten Jahren gut vorangekommen; aber es bleibt noch manches zu tun, um die Familien in Freiheit und Vielfalt weiter voranzubringen. In einem Wahljahr ist es geboten, dazu kurz Stellung zu nehmen.
Die CDU-Fraktion wird sich weiterhin für den bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung in Ergänzung zu Schule und Familie einsetzen. Insbesondere muss es dabei gelingen – bei allem Kruden, was heute zu dem Thema Grundschulbetreuung gesagt worden ist –, in Abstimmung mit den Kommunen den Teil der Nachmittagsbetreuung an Grundschulen zu regeln, der noch offen ist. Aber dazu muss man erst einmal erkennen, welcher Teil überhaupt noch offen ist. Wir teilen nämlich nicht die rot-grüne Panikmache auf diesem Gebiet, die die substanziellen Beiträge des Landes im Rahmen von verlässlicher Schule und Ganztagsschulausbau ignoriert und zur Verunsicherung der Eltern nach Kräften beiträgt.
95 % der hessischen Grundschulen haben heute ein Angebot zur Nachmittagsbetreuung. Das Angebot ist nicht überall ausreichend – so muss ich es formulieren –; aber 95 % der Grundschulen haben immerhin eines. Es sind nicht nur 20 %; das ist die Zahl, die hier vorhin genannt worden ist. Aber das ist ein Weg, der schrittweise gegangen wird – übrigens jedes Jahr von uns als Gesetzgeber mit 150 neuen Stellen ausgestattet. Das wird fortgesetzt, und das führt zu erheblichen Fortschritten. Es gibt allerdings durchaus noch einen Bedarf.
An dieser Stelle plädiere ich daher dafür, über einen „Pakt für den Nachmittag“ nachzudenken, für den das Land einen Handlungsrahmen bereitstellen könnte und der die vielfach vorhandenen Nachmittagsangebote von Jugendhilfe, von Schulen, von Vereinen, von Initiativen, von Gemeinden und sogar von Eltern je nach den Voraussetzungen vor Ort bündelt und ergänzt. Wir glauben, dass diese Art der Verzahnung von Kommunen und Land als zur Bewältigung des gesamten Aufgabengebiets Beitragende sehr wohl eine Zukunft hat und geboten ist.
Wir teilen nicht Ihre Beschreibung, wonach dies ein völlig unterschätztes Problem ist, auf das diese Landesregierung überhaupt keine Antwort gibt. Das Gegenteil ist richtig. Es gibt im Rahmen der Ganztagsschulentwicklung und im Rahmen der verlässlichen Schule große Fortschritte bei der Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder. Für einen kleineren Teil, für den überwiegend die Kommunen die Verantwortung tragen, können wir hier ebenfalls Fortschritte erzielen, und wir stehen dafür, dass dies geschieht.
Wir setzen uns weiterhin für eine bessere Anerkennung familiärer Sorgearbeit von Frauen und Männern ein, auch als besonderes Qualifikationsmerkmal in der Arbeitswelt – am besten auf allen Unternehmensetagen. Wir streben flächendeckende Sprachstandserfassungen für alle Kinder im vierten Lebensjahr an: als Grundlage systematischer Sprachförderungen im Rahmen der Qualifizierten Schulvorbereitung und für ergänzende Maßnahmen in der Grundschule.
Wir wollen auch dafür arbeiten, dass die Zukunftsbeiträge von Familien künftig noch stärker anerkannt werden. Vorstellen können wir uns dies z. B. in Form einer zusätzli
chen Familienkomponente beim Splitting. Vor allem aber werden wir dafür kämpfen, dass die finanziellen Voraussetzungen für Eigenverantwortung und Wahlfreiheit von Familien zumindest erhalten bleiben.
Sie hingegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, schmieden recht düstere Zukunftspläne für die Familien, nicht nur in Hessen, sondern sogar deutschlandweit.
Dabei möchte ich einen Augenblick unter der Überschrift „Familien zählen, oder sie zahlen“ verweilen. Die Pläne der Opposition von Rot und Grün – ich will nur einige Stängel aus dem bunten Strauß herausgreifen, der heute Nachmittag genannt worden ist – bedeuten vor allem eines: das Gegenteil von Familienfreiheit. Sie von der SPD wollen das Ehegattensplitting für neu geschlossene Ehen abschaffen und den steuerlichen Grundfreibetrag durch ein höheres Kindergeld für untere Einkommensgruppen ablösen. Sie von den GRÜNEN wollen das Ehegattensplitting für mittlere und höhere Einkommen sogar sofort streichen, und Sie wollen ebenfalls die Günstigerprüfung abschaffen. Dann wollen Sie noch eine Menge mehr, was in dieselbe Richtung zielt.
Dabei möchte ich kurz verweilen. Erstens. Das höhere SPD-Kindergeld für niedrige Einkommen entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Mogelpackung; denn der existierende Kinderzuschlag – 140 € pro Kind –, den Eltern mit Einkommen knapp oberhalb des ALG-II-Satzes nach bestimmten Bedarfskriterien erhalten, bildet genau die Differenz zwischen dem bisherigen Kindergeld und dem SPDKindergeld ab. Für Geringverdienende ändert sich nach Ihrem Modell also gar nichts, während den Mittelstandsfamilien die Steuervorteile gekappt werden, auf die sie dringend angewiesen sind.
Dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums auch von Kindern über die Günstigerprüfung einem Auftrag des Verfassungsgerichts entspricht, der übrigens noch nicht zur Gänze erledigt ist, erwähne ich hier nur am Rande. Es bleibt das Geheimnis der SPD, wie sie ihren Reformvorschlag mit dieser Vorgabe in Einklang bringen will.
Zweitens. Sie legen beide die Axt ans Ehegattensplitting. Dabei ist das Ehegattensplitting der Inbegriff familiärer Wahlfreiheit, sowohl im Hinblick auf die Aufteilung der Erwerbs- und Familienaufgaben als auch im Hinblick auf die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau.
Es ist keine primär familienfördernde Maßnahme und schon gar nicht eine Subvention der Hausfrauenehe. Es wirkt genauso für die Fernsehmoderatorin und den Kameramann wie für den Vorstandsvorsitzenden und seine Sekretärin. Wo Ehepartner gleich viel verdienen, verliert es seine Funktion. Das Ehegattensplitting sorgt also dafür, dass es steuerlich keinen Unterschied macht, wer wie viel in die gemeinsame Kasse bringt. Es sorgt dafür, dass langfristige Bindung nicht zur Schlechterstellung führt. Aber es setzt gerade keinen Anreiz für diese oder jene Form der Arbeitsteilung, weil es alle Varianten steuerlich gleich behandelt. Es ist das Kardinalinstrument freier Entscheidungen von Familien und kommt im Übrigen in mehr als 90 % der Fälle Familien mit Kindern zugute.
Deshalb weiß es auch die ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen zu schätzen und will es erhalten sehen. RotGrün hingegen lässt keine Gelegenheit aus, das Splitting als vorgestrig und emanzipationsfeindlich abzutun. Da wird es Ihnen auch nichts helfen – die Wähler werden nämlich ihr Urteil dazu abgeben –, dass Sie von der eigentlich beabsichtigten Komplettabschaffung taktisch ein Stückchen abgerückt sind.
Drittens. Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, kluge Menschen haben bereits ausgerechnet, dass Ihre Pläne im Ergebnis mindestens jede dritte Familie in Deutschland, und zwar um nicht geringe Beträge, belasten werden.
Dafür machen Sie recht vollmundige Versprechungen, wie Sie mit den so ersparten Milliarden die Bildung und die außerfamiliäre Betreuung endlich umfassend ausfinanzieren werden. Wir hingegen sichern künftigen Familien Freiräume, indem wir schon heute jeden Euro, sogar die Familieneuros und die Bildungseuros, zweimal umdrehen. Aber wir lassen auf jeden Fall die Finger vom Familienleistungsausgleich, wie er aktuell besteht. Sie hingegen greifen den Familien in beide Taschen, indem Sie ihnen einerseits sofort kostbare finanzielle Spielräume nehmen wollen, und andererseits den sehr weitgehenden, wenn nicht sogar rundum betreuenden und fördernden Staat ausrufen, der wenig bis keine Alternative zulässt und den Sie nur zulasten künftiger Generationen und wiederum mit dem Griff in die Familienportemonnaies finanzieren werden können.
Viertens und letztens. Die jüngste ifo-Studie hat aus meiner Sicht ein sehr interessantes Ergebnis erbracht. Ein um x höheres Kindergeld hat dazu geführt, dass Eltern, vor allem Frauen, ihre Arbeitszeit um mehr als das Äquivalent von x reduziert haben, weil sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollten und es damit auch konnten. Sie mussten dies nicht. Es war ihre freie Entscheidung, die ich angesichts der zahlreichen Kritiker, die sich dazu zu Wort gemeldet haben, übrigens ausdrücklich verteidigen will. Es sagt uns nämlich viel über die Prioritäten der Leute. Kinder und Jugendliche wünschen sich mehrheitlich mehr und nicht weniger Zeit mit ihren Familien. Das gilt auch für Eltern, die berufstätig sind, und sogar für immer mehr Väter.
Wer Familien Mittel entzieht, und sei es, um damit vermeintlich Familien dienende Systeme zu finanzieren, die aber durchaus nicht von allen gewollt und gewählt werden, ignoriert den zentralen Wunsch nach mehr individueller Familienzeit fern der Erwartungen von Staat und Gesellschaft. Er vergreift sich damit an einer ziemlich kostbaren Ressource: der Freiheit und der Vielfalt von Familien in Hessen und sogar in Deutschland.
Damit komme ich zum Anfang zurück. Wir brauchen die Freiheit und die Vielfalt unserer Familien als maßgebliche Voraussetzung für die Zukunft unserer Gesellschaft. Aus ihnen speist sich ein familien- und kinderfreundliches Klima, das immer wieder Lust und Mut zu Familie macht und die Bindung und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärkt. Dies ist das Grundanliegen christdemokratischer Familienpolitik, die Familien und ihre bedeutenden Leistungen anerkennt, ihre schwächsten Mitglieder, die Kinder, besonders im Auge hat, Eltern ernst nimmt und fordert, aber auch entlastet und unterstützt, für diese Ziele
Zum Schluss. Hessen ist Familienland – schon jetzt. Dies gilt es für die Familien weiterzuentwickeln, die in ihrer Verschiedenheit zählen und nicht nur zahlen sollen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. – Es liegen uns keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Regierungserklärung des Hessischen Sozialministers betreffend „Hessen hat Familiensinn“.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hessen ist Familienland – Drucks. 18/7361 –
Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. In Abwesenheit des fraktionslosen Abgeordneten hat dieser Antrag eine Mehrheit erzielt.
Dringlicher Entschließungsantrag der Abg. Dr. Spies, Merz, Decker, Müller (Schwalmstadt), Roth (SPD) und Fraktion betreffend Hessen muss erst Familienland werden – Drucks. 18/7393 –
Wer diesem Dringlichen Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, GRÜNEN und DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag in Abwesenheit des fraktionslosen Herrn Paulus abgelehnt worden.
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend zu spät, zu wenig, zu schlecht – massive Versäumnisse in der Familienpolitik – für eine aktive Familienpolitik – Drucks. 18/7396 –
Wer diesem Dringlichen Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. In Abwesenheit von Herrn Paulus ist dieser Dringliche Entschließungsantrag abgelehnt worden.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich schließe die Sitzung. Wir sehen uns morgen um 9 Uhr. Vielen Dank.