Protocol of the Session on February 28, 2013

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Ja, der Zwischenruf von Herrn Wagner ist richtig: Kein Wunder, dass wir in Kassel verloren haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Nach solchen Auftritten muss einen wirklich sehr bange werden.

(Holger Bellino (CDU): Ach!)

Wir werden heute noch über ein anderes Klageverfahren reden. Die Alternative heißt: Hesse oder Stümper. Um diese Frage geht es.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Frau Ministerin, es auf den Bund zu schieben, ist billig, ist schäbig, und es ist dreist.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Man muss die Rechtslage sehen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Die Rechtslage hat sich überhaupt nicht geändert.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Die Ministerin ist als hessische Atomaufsicht natürlich im Rahmen von Bundesgesetzen eingeschritten.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die Rechtslage passt nicht in Ihr Weltbild!)

Aber die Ministerin behauptet selbst nicht einmal – das wird aber anders der Presse gesteckt, oder der Herr Sürmann erklärt es der „Hessenschau“ –, dass eine Anordnung vorgelegen hat. Es gibt ein Schreiben vom Juli, das gestern auch vor Gericht eine Rolle gespielt hat und worin klar steht, dass überhaupt keine Weisung seitens des Bundes vorliegt.

Meine Damen und Herren, selbst wenn die vorläge, wäre es deswegen dreist, sich aus der Verantwortung zu ziehen, weil dieses Moratorium über die Zustimmung des Hessischen Ministerpräsidenten zustande kam.

(Günter Rudolph (SPD): Aha!)

Das war völlig klar. Es ist ja verhandelt worden. Am 25. März trafen sich die Bundeskanzlerin, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle – er ist nicht mehr im Amt –, Umweltminister Röttgen – auch nicht mehr im Amt – mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen die Atomkraftwerke in Betrieb waren: Horst Seehofer – noch im Amt –, Mappus – nicht mehr im Amt –, Volker Bouffier – noch im Amt –, McAllister – nicht mehr im Amt – und Peter Harry Carstensen, um in einer abschließenden Pressekonferenz den Moratoriumsbeschluss zu erläutern.

Der Moratoriumsbeschluss kam zustande, nachdem der Hessische Ministerpräsident erklärt hat: Jawohl, wir sind dafür, ein solches Moratorium soll erhoben werden. – Sich jetzt hinter dem Bund zu verstecken und zu sagen: „Es ist eine Bundesweisung“, das ist dreist und auch irreführend.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Frau Ministerin, wo blieb denn gestern Abend Ihre Begründung? Manchmal gibt es Ereignisse, die sind toll. Gestern Abend war in Heppenheim eine Veranstaltung, wo die Ministerin und der Bundesumweltminister zusammentrafen.

(Zurufe von der SPD: Ei!)

Wissen Sie, was die Frau Ministerin zu der Entscheidung gesagt hat? – Kein Vorwurf an den Bund. Sie hätte alles schon in Wiesbaden erklärt, sie wolle nicht dazu Stellung nehmen. – So viel zu Ihrem Mut, sich mit dem Bund in dieser Frage auseinanderzusetzen, wer denn eigentlich schuldig ist.

(Judith Lannert (CDU): Das ist so billig! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ein Hauptmangel der Entscheidung war, dass die Landesregierung auf eine Anhörung von RWE verzichtet hat. Meine Damen und Herren, das ist wirklich Verwaltungsrecht erstes Semester.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das ist wirklich oberpeinlich. Das ist dilettantisch, das ist haarsträubend, und es ist eigentlich unglaublich, dass so etwas vorgelegt wird. Da geht es um Handwerk und nicht um juristische Kunst. Es geht wirklich um ganz biederes Handwerk.

Selbst wenn Sie jetzt wieder vortragen sollten: „Ja, der Bund“: Hat der Bund Ihnen die Anordnung gegeben, RWE nicht anzuhören? – Das ist ein Versehen Ihres Ministeriums. Sie stehen an der Spitze und tragen dafür die politische Verantwortung, dass entsprechend dem Rechtsstaat vorgegangen wird. Dann muss man auch RWE anhören. Das ist nämlich die Frage des Handwerks.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Sie lassen sich ein – das war der Auftritt –, die Bundesregierung habe nach Japan gehandelt, die Landesregierung anscheinend nicht. Daran ist auch etwas. Einigen wird klar, warum die Verfügung auch materiell ihre Probleme hat. Die Ministerin hat morgens am Tag des Moratoriums noch im Hessischen Rundfunk Interviews gegeben und gesagt, in Biblis sei alles kein Problem, Biblis könne weiterlaufen. Auch nach Fukushima sei alles in Ordnung. Es gebe überhaupt kein Problem. Auch das mit den Flugzeugabstürzen sei kein Problem. Die Erdbebensicherheit sei gegeben. Es sei alles in Ordnung.

Wer eine solche Meinung im Kopf hat, der kann natürlich auch nicht bestandskräftige Verfügungen in die Welt setzen, weil er von einer anderen Philosophie durchzogen ist. In Wirklichkeit waren Frau Puttrich – heute ist sie vielleicht ein Stück weiter – und das Ministerium noch ganz anders geprägt und eigentlich der Überzeugung, das Moratorium sei falsch, und Biblis müsse weitergeführt werden. Das war der Hintergrund.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Genau so war es! – Widerspruch der Abg. Judith Lannert (CDU))

Man muss einmal sehen, was gestern zur Frage der Anhörung vorgetragen worden ist. Auf einmal hat der Prozessvertreter einen Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hochgehalten und gesagt: „RWE hatte die Möglichkeit, hat auch Stellung genommen“. Er hat als Beleg – Sie müssen sich einmal vorstellen, als Beleg dafür, dass sie angehört worden ist – einen Artikel der „FAZ“ vorgelegt.

Ich nehme an, dass sich die Richter, die oben saßen, umgedreht haben, um beim Schenkelklopfen nicht erwischt zu werden. So etwas habe ich noch nicht erlebt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das zeigt eben: Sie können es wirklich nicht. Und dafür tragen Sie die politische Verantwortung. – Man muss auch fragen, warum es überhaupt so weit gekommen ist, warum die Landesregierung überhaupt in diese Schwierigkeit gekommen ist. Das hat natürlich damit etwas zu tun, dass die Landesregierung neben Herrn Mappus ein wesentlicher Treiber für eine Laufzeitverlängerung auch nach Übernahme der Bundesregierung durch Schwarz-Gelb war.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Zuruf der Abg. Judith Lan- nert (CDU))

Wie in vielen anderen Bereichen – man könnte G 8 nennen – hat sich die Landesregierung ein Problem geschaffen, das sie nicht in der Lage ist aus der Welt zu bringen und zu lösen. Das ist die Quittung – eine teure Quittung. Meine Damen und Herren, wir werden es irgendwann einmal zurückzahlen müssen, wenn das durchgesetzt wird.

Ich mache mir nicht die Argumentation von RWE und schon gar nicht die Summe zu eigen. Aber dass man jetzt ein Prozessrisiko im Zivilverfahren hat, ist leicht untertrieben – das will ich an dieser Stelle sagen. Ich habe gestern zum Kraftwerkdirektor von Biblis gesagt: Wir müssen sehen, ob wir es dann abstottern können, wenn es zu einem Urteil des Zivilgerichts kommt.

(Holger Bellino (CDU): Was ein Witz! – Zurufe von der SPD)

Die Hoffnung, dass RWE allerdings auf eine Klage verzichten wird, ist verhältnismäßig gering. Sie argumentierten, als Aktiengesellschaft müsse sie den Interessen der Aktionäre gerecht werden. Das ist eine juristisch wohl leider zu Recht zu führende Diskussion.

Frau Ministerin, ich kann Ihnen nur eines sagen: Sie sind Ihrer Verantwortung an keiner Stelle gerecht geworden. Gerade bei einem so problematischen Punkt, bei dem man weiß, dass es am Ende um viel Geld, aber natürlich auch um die Sicherheit der Bevölkerung geht,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was denn nun?)

kann man eine bestandskräftige Entscheidung nur in die Welt bringen, wenn man davon überzeugt ist, dass der Ausstieg richtig ist. Davon waren Sie nie überzeugt.

Dass dann so grobe handwerkliche Mängel eingetreten sind, ist wirklich ein dickes Ding. Für dieses „dicke Ding“ tragen allein Sie die Verantwortung. Diese Verantwortung können Sie nicht auf den Bund schieben. Ich habe es eben vorgelesen. Sie sagen, Herr Röttgen sei mit schuld. Er ist mittlerweile nicht mehr im Amt.

Sie müssen die politische Verantwortung für die hohen finanziellen Risiken tragen, die jetzt in der Welt sind. Wir werden sicherlich nicht mit 0 € davonkommen. Ich hoffe sehr, dass wir nicht mit 187 Millionen € davonkommen. Wir kommen aber sicherlich nicht mit 0 € davon.

Sie haben diese Verfügung erlassen. Da können Sie sich nicht auf andere berufen, gerade was den formellen Teil betrifft. Den haben Sie zu verantworten. Daraus müssen Sie die Konsequenzen ziehen. Die Konsequenz zu ziehen kann nur den Rücktritt bedeuten.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LIN- KEN – Lachen des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das gehört zur politischen Verantwortung. Man muss für das, was man angerichtet hat – das hat in diesem Fall hohe finanzielle Folgen –, dann wenigstens politisch einstehen. Leider können wir diejenigen, die die Verfügung erlassen haben, nicht finanziell belangen. Aber die politische Verantwortung muss man an dieser Stelle übernehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Her- mann Schaus (DIE LINKE))

Herr Ministerpräsident, es gab gestern so Anklänge und auch die Verteidigungsrede heute mit dem Inhalt, der Bund sei daran schuld. Das führt dazu, dass ich vermute, dass die Ministerin nicht freiwillig zurücktreten will. Dann ist der Ministerpräsident gefragt, die Entscheidung zu treffen, die jetzt notwendig wäre.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)