Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Cárdenas zu Wort gemeldet, Fraktion DIE LINKE, bitte schön.
Danke schön, Frau Präsidentin! Herr Schäfer-Gümbel, ich finde es sehr spannend, dass die SPD das Thema jetzt auch zur Chefsache gemacht hat und dass Sie sogar Begrifflichkeiten verwenden, die bei uns eigentlich gang und gäbe sind: Ökonomisierung. Sie haben echt dazugelernt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn ich vor einem Jahr gewusst hätte, dass wir an dieser Stelle unter der schwarz-gelben Regierung die Debatte um G 8 noch einmal führen würden, hätte ich mir nicht im Traum einfallen lassen können, welche Absurdität diese Debatte inzwischen annimmt. Die berechtigten Proteste gegen diese unsinnige Schulzeitverkürzung erreichen Sie und uns seit der Einführung 2004. Ich werde immer wieder von Eltern, Schülerinnen und Schülern angesprochen, die unter dem enormen Stress, den G 8 hervorruft, leiden – und anscheinend eine ganze Reihe von Leuten hier im Haus.
Wenn junge Menschen am späten Nachmittag erschöpft von der Schule heimkommen und noch Hausaufgaben zu erledigen haben, bleibt ihnen keine Zeit für Freunde, Sport oder ehrenamtliches Engagement, was Sie in den Vereinen immer so hochloben. Dies ist allen Empfehlungen zum Trotz immer noch die Regel und nicht die Ausnahme. Daher war ich mir sicher: Sollten wir hier wieder über G 8 sprechen, dann müssten diese Probleme im Vordergrund stehen. Wer sich den Nöten von Schülerinnen und Schülern und auch deren Eltern annimmt, der kann nur zu einem logischen Schluss kommen: G 8 gehört abgeschafft.
Doch worüber debattieren wir jetzt? Über eine Wahlfreiheit, die keine ist, über einen Modellversuch, der weder einen gesetzlichen Rahmen hat, noch flächendeckend eingeführt werden soll. Wir reden über den Elternwillen, obwohl dieser überhaupt nicht berücksichtigt wird. Dies geht
auch an die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN. In all Ihrer Argumentation reden weder Sie noch die Landesregierung von denen, die es wirklich betrifft, nämlich von den Schülerinnen und Schülern.
In der Anhörung zu G 8 und G 9 hat es die Landesschülervertretung sehr gut auf den Punkt gebracht: Schule muss sich den Schülerinnen und Schülern anpassen, nicht die Schülerinnen und Schüler der Institution Schule. Deshalb fordert auch die Schülerschaft, G 8 muss weg.
Was mit G 8 produziert wurde, war vor allem Leistungsund Leidensdruck. Aber Schule muss ein Ort der Entwicklung und des Miteinander sein, keine Fabrik, die auf Teufel komm raus Wissen in einzelne Köpfe ohne Rücksicht auf Verluste einhämmert.
Als Psychologin habe ich noch die Worte der Psychotherapeutenkammer bei der Anhörung im Ohr, die von einem deutlichen Anstieg der behandlungsbedürftigen Schülerinnen und Schüler nach Einführung von G 8 sprach. Wenn die Frau Ministerin Beer im letzten Ausschuss verkündete, es sei eine Frage von Nachfrage und Angebot, wie sich die Schullandschaft in Hessen entwickeln wird, kann ich nur sagen: Sie hat ihre Aufgabe nicht verstanden. Die Bildungspolitik ist kein wirtschaftlich ausgerichtetes Unternehmen.
Es ist Aufgabe der Landesregierung, einen Rahmen zu setzen, und zwar einen guten schulpolitischen Rahmen im Sinne der Schülerinnen und Schüler.
Ich möchte auf die Wahlfreiheit zurückkommen, auf die sogenannte Wahlfreiheit. Diese propagieren Sie und gaukeln sie den Eltern vor. In Wahlkampfzeiten kann man natürlich nachvollziehen, warum das die Landesregierung tut, auch wenn ich das nicht gutheiße, denn Sie führen die Eltern von Schülerinnen und Schülern mit Absicht hinters Licht.
Wahlfreiheit wird es nicht geben. Auch das hat die Ministerin zugegeben. Wie anders sollen wir Ihre Aussage deuten, Wahlfreiheit gebe es nur im Rahmen des vor Ort gegebenen Angebots und des vorhandenen Schulgesetzes? Wer ist denn Initiator des Schulgesetzes? Wer boxt denn hier gegen alle Widerstände erneut einen ungewollten und unsinnigen Entwurf durch?
Meine Damen und Herren der Landesregierung, das sind doch Sie. Wenn Wahlfreiheit etwas ist, das Sie versprechen, das aber nur im Rahmen des Schulgesetzes und des Angebots vor Ort gewährleistet werden kann, dann ändern Sie das Schulgesetz doch entsprechend, und geben Sie die Gelder an die Orte, wo die Schulen dann vorhanden sind.
Das tun Sie nicht. Herr Döweling, Sie tragen nämlich nicht Sorge dafür, dass es in Hessen wohnortnah Stätten gibt, an denen Kinder in Ruhe ein G-9-Gymnasium durchlaufen können. Wir wissen, dass der Drang der Elternschaft zum Gymnasium immer noch ungebrochen ist, weil sie vermuten, dass nur dann ihren Kindern alle Wege offenstehen. Das ist nicht unsere Meinung. Aber noch viel stärker ist die Ablehnung der Eltern gegenüber G 8. Wir haben eben von diesen Zahlen gesprochen.
Gibt es also ein solches Gymnasium nicht in der Nähe, dann haben die Schülerinnen und Schüler halt Pech gehabt, und das ist dann die „Wahlfreiheit“. Die Antwort der Frau Ministerin darauf war, dies würde sich durch Angebot und Nachfrage regulieren. Aber ich denke, so kann man keine Schulpolitik betreiben.
Alles in allem kann ich mich nur wiederholen. Diese Debatte läuft an der tatsächlichen Problematik vorbei. Weder die Schülerinnen und Schüler noch deren Eltern wollen durch die Schulzeit gehetzt werden. Sie wollen und brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Sie sind kein Wirtschaftsgut, aus dem die maximale ökonomische Verwertbarkeit herausgepresst werden muss. Wir haben eben schon davon gesprochen, dass G 8 natürlich eingerichtet wurde, um genau diese herzustellen.
G 8 gehört ohne Wenn und Aber ganz abgeschafft. Wenn sich aus einer flächendeckenden Rückkehr zu G 9 bauliche oder personelle Probleme ergeben sollten, dann nehmen Sie diese bitte ernsthaft in Angriff, Herr Staatssekretär Lorz in Vertretung von Frau Beer. Es kann doch nicht als Gegenargument ins Feld geführt werden, dass nicht genügend Räume für eine Rückkehr zu G 9 zur Verfügung stehen würden.
Worum geht es? – Sie stehen in der Verantwortung, für Hessens Schülerinnen und Schüler die bestmögliche Schulpolitik zu betreiben. Deshalb haben Sie auch gefälligst dafür zu sorgen, dass das entsprechend umgesetzt wird. Da sind wir wieder an einem ganz entscheidenden Punkt – der Finanzierung unseres Bildungswesens. Fragen Sie einmal die Bürgerinnen und Bürger, an welcher Stelle nicht gespart werden darf. Wir werden natürlich die Antwort erhalten, in der Bildung darf nicht gespart werden.
Dies haben die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN auch erkannt. Auf einer ihrer letzten Pressekonferenzen ließen sie verlauten: Ja, man habe zwar der Schuldenbremse zugestimmt, aber bitte schön in den Bildungsbereich müsse mehr Geld fließen. – Wir denken, dass das eine konsequente Sache ist, und das haben wir auch oft genug gesagt.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn du es nämlich durch Schulden finanzierst, musst du in zehn Jahren später so viel Zinsen zahlen, dass du gar nichts mehr hast!)
Diesen Gesetzentwurf und auch den Entschließungsantrag der GRÜNEN zur sogenannten echten Wahlfreiheit lehnen wir ab. Der Gesetzentwurf befasst sich weder mit den Nöten der Betroffenen, noch berücksichtigt er die Stellungnahmen der vielen Expertinnen und Experten, die sich in der Anhörung ablehnend geäußert haben.
Auch der Elternwunsch wird ignoriert, zumindest von 90 % der Eltern. Wenn Sie meinen, für nur 10 % – Frau Ravensburg hat das eben auf 8 % herunterkorrigiert – der Bevölkerung Politik machen zu müssen, bitte schön. Mein Verständnis von Volksvertretung ist etwas anderes. Deshalb mein Fazit: Die Eltern haben G 8 längst abgewählt, und Schwarz-Gelb wird es ebenso ergehen. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Döweling von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist doch ein denkwürdiger Tag heute zu dieser späten Stunde. Zum einen haben wir hier das Assessment Center der SPD für ihren Spitzenkandidaten Thorsten SchäferGümbel im Bereich der Bildungspolitik erlebt. Herr Schäfer-Gümbel, gerne hätte ich gesagt: A Star ist born. – Aber so muss ich leider nur sagen: Es hat nicht einmal am Horizont geglitzert,
Ich will nur einmal kurz chronologisch zusammenfassen, worüber wir heute eigentlich sprechen. Wir hatten am 18. September dieses Jahres die Vorstellung des Maßnahmenpaketes der Frau Kultusministerin Beer, das enthält, wie sie gedenkt, das Thema G 8/G 9 noch einmal anzupacken. Dies hat sie im Übrigen direkt nach ihrem Amtsantritt angekündigt.
Seitdem gibt es unter anderem eine Gesetzesinitiative der Fraktionen der CDU und der FDP dieses Hauses. Wir haben eine Anhörung durchgeführt. Wie der Staatssekretär sicherlich gleich noch ausführen wird, haben wir mannigfaltige Aktivitäten des Kultusministeriums gehabt. Das wollte ich noch einmal klarmachen.
Diese Initiative umfasst drei Bausteine. Der eine Baustein ist die Verbesserung und Optimierung des bestehenden G-8-Angebots.
Ich muss eines noch einmal ganz klar sagen: Meine lieben Kollegen der SPD, Sie können von mir aus gerne lachen, wenn Sie wollen. Sie disqualifizieren sich damit selbst. Wer hat eigentlich G 8 für gescheitert erklärt? – Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass Sie sagen, dass G 8 möglicherweise von der Mehrheit der Gesellschaft in diesem Lande nicht akzeptiert wird. Aber an den Ergebnissen, die Herr Kollege Schork vorhin richtig genannt hat – und nur daran lassen wir uns messen –, sieht man ganz klar, dass G 8 das Gegenteil von gescheitert ist.
Es wurde an den Schulen erfolgreich umgesetzt. Ich lasse nicht zu, dass Sie die Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land diskreditieren, die ihr Bestes gegeben haben,
Sie haben auch dafür gesorgt, dass die Schüler in den Abiturprüfungen die entsprechende Leistung erbracht haben.
Ich sage noch einmal klar: G 8 ist unserer Ansicht nach ein Modell, das gut läuft und in dem gut gearbeitet wird. Es gibt auch eine ganze Menge anderer Schulen. Sie haben Briefe vorgelesen. Ich könnte Ihnen auch Briefe aus Schulen vorlesen. Auch wir haben Meldungen aus den Schulen und von einzelnen Eltern.
Das würde natürlich den Rahmen sprengen. – Sie wollen bei G 8 bleiben. Deswegen begrüßen wir, die Mitglieder der FDP-Fraktion, ausdrücklich, dass das Kultusministerium dazu ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen wird. Bereits im Januar 2013 wird damit begonnen werden, den Schulen, die bei G 8 bleiben wollen, die aber sagen: „Wir haben noch Bedarf, uns pädagogisch weiterzuentwickeln“, Hilfestellungen an die Hand zu geben, um das Angebot noch attraktiver zu machen.