Protocol of the Session on December 12, 2012

(Günter Rudolph (SPD): Die haben wir!)

Aber wir sollten nicht dem Hochmut unterliegen, unsere Überzeugung über den Willen der Eltern zu stellen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Dito!)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. Das war eine Punktlandung. – Als nächster Redner spricht zu uns Herr Thorsten Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zunächst dem Kollegen Wagner außerordentlich dankbar, dass er versucht hat, auf den Kern des Themas zurückzukommen, nachdem Frau Ravensburg einen großen Teil ihrer Redezeit darauf verwendet hat, sich in allen möglichen bildungspolitischen Themen in anderen Bundesländern zu bewegen, aber wenig zur zweiten Lesung des G-8-Gesetzes im Hessischen Landtag zu sagen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Claudia Ra- vensburg (CDU))

Ich will mich auf das Gesetz und die damit verbundenen bildungspolitischen Fragen konzentrieren. Ich will es auch auf den Kern zurückführen, warum wir heute hier sitzen und überhaupt über dieses Gesetz reden. Diese Kernerkenntnis, die uns hier zusammenführt, ist, dass die Schulzeitverkürzung G 8, wie sie vor zehn Jahren von SchwarzGelb durchgedrückt wurde, durch und durch gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD)

Sie ist durch und durch gescheitert. Damit ist im Übrigen auch Ihr Versuch gescheitert, die Kinder in Hessen flächendeckend zu Versuchskaninchen Ihrer ideologischen Schulpolitik zu machen, Frau Ravensburg.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Ir- mer (CDU): Schauen Sie einmal in den Spiegel, Herr Kollege! – Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist gut so. Sie als Schwarz-Gelb haben keine Kraft gehabt, das Scheitern der Schulzeitverkürzung G 8 hier einzuräumen und wirkliche Konsequenzen aus diesem Schei

tern zu ziehen. Ich sage das mit Blick auf alle Fraktionen, die das am heutigen Tage hier so beschließen wollen, dass der Mittelweg in dieser Frage der Holzweg ist.

(Zuruf: Holzapfel-Weg!)

Wir sagen, dass es der Holzweg ist, weil das zentrale Thema, das Sie in den Mittelpunkt stellen – nämlich das der Wahlfreiheit –, von niemandem von Ihnen mit Blick darauf durchdekliniert wurde, was das eigentlich heißt. Weil Herr Wagner am Ende uns angesprochen hat, will ich mit ihm beginnen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe keine Namen genannt!)

Ja, aber es war schon klar, wer gemeint war, lieber Mathias. – Welche Wahlfreiheit meinen Sie eigentlich, wenn Sie über Wahlfreiheit reden? Meinen Sie die Wahlfreiheit der Eltern der Viertklässler im Jahr 2012? Oder im Jahr 2013, 2014, 2015, 2016? Das können wir jetzt alles durchziehen. Ihr Problem ist, dass Sie ein Gesetz mit unterstützen – auf der Seite wundert mich das nicht –, das mit einer Stichtagsregelung de facto in der Schulstruktur eine einmalige Wahlfreiheit beschreibt, weil sich die Wahlfreiheit an der Schulorganisation und nicht am Kind orientiert. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen Ihnen und uns am heutigen Tag.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das ist die einzige Bemerkung, die ich in Ihre Richtung machen will, denn ansonsten will ich mich mit Ihnen weiter beschäftigen.

(Der Redner weist auf die Fraktionen der CDU und der FDP.)

Es gilt auch für diesen komischen Schulversuch, den Sie hier einleiten. Es ist ein Schulversuch, der im Kern eine Überforderung der meisten Schulen bedeutet, weil Sie ihn wieder einmal am grünen Tisch beantworten.

(Beifall bei der SPD)

Es wird doch nicht so sein, dass nur wir in diesen Tagen Briefe von Schulelternbeiräten, von Schulleitungen, von Schulelternbeiräten auf der Kreisebene bekommen, die darauf hinweisen, dass das, was Sie gerade machen, nur eines bedeutet, nämlich dass Sie bei der Auseinandersetzung um die Frage, wie G 8 funktionieren kann – auch vor dem Hintergrund, dass die Schulen die Nase voll davon haben, alle zwölf Monate in eine neue Organisationsreform gejagt zu werden, da hat Mathias Wagner völlig recht –, ein Durcheinander anrichten. Sie treiben den Konflikt in die Schulen hinein.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Wir haben den Gesetzentwurf sehr richtig gelesen, Herr Schork. Deswegen kommen die Eltern im Moment auch an und fragen: Was passiert da? – Ich komme gleich noch einmal im Detail darauf. Aber Sie müssen es doch zur Kenntnis nehmen, dass wir derzeit beispielsweise unzählige Initiativen von Elternbeiräten und Elternvertretungen der heutigen fünften Schuljahre und der sechsten Schuljahre an den G-8-Gymnasien haben, die sagen: Wir fühlen uns vernachlässigt, wir fühlen uns allein gelassen. Wir wollen auch die Chance auf G 9 haben. – Deswegen beantrage ich hiermit auch für uns eine dritte Lesung, weil wir heute

noch einen Antrag einbringen werden, der eben eine Chance bietet.

(Wolfgang Greilich (FDP): Sie sind aber schnell!)

Ja, aber wir machen es so schnell, wie wir es wollen, Herr Greilich. – Damit wollen wir den Eltern der heutigen Jahrgangsstufe 5 eine Chance geben, diesen Weg auch zu nehmen. Wir haben am Freitag noch Zeit, ausführlich darüber zu reden.

Sie tun mit diesem Gesetz nichts anderes, als dass Sie den Konflikt in die Schulen verlagern, und genau das ist auch Ihre Absicht. Ihnen geht es nicht um Wahlfreiheit. Das ist ein oberflächlicher Kampfbegriff, den Sie an dieser Stelle einsetzen; denn es geht Ihnen nicht um Wahlfreiheit. Es geht Ihnen darum, dass Sie nicht die Kraft haben,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ein Blödsinn!)

das Scheitern Ihrer Schulzeitverkürzung einzuräumen, und jetzt die Verantwortung in die Schulen drücken.

(Beifall bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das sagen die Richtigen!)

Ich will daran erinnern – Herr Wagner ist jetzt wieder da – –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welcher?)

Herr Dr. Wagner. – Das ist sehr wichtig, weil Mathias Wagner und ich in dem Schlossplatzgespräch vor acht Wochen genau an der Stelle den entscheidenden Punkt herausgearbeitet haben, als es um die Frage ging, wer nach diesem Gesetz die Wahlfreiheit hat. – Herr Dr. Wagner hat gesagt, die Wahlfreiheit haben am Ende die Eltern.

(Günter Rudolph (SPD): Das stimmt ja gar nicht!)

Das stimmt aber nicht. Herr Döweling hat dann mit vielen Wolken erklärt,

(Günter Rudolph (SPD): Das macht er gut!)

dass das alles anders gemeint ist, weil zumindest bei dem Schulversuch am Ende die Schule entscheidet und nicht die Eltern.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Sie haben sich redlich bemüht, das war auch sehr solidarisch Ihrem Koalitionspartner gegenüber. – Aber de facto entscheiden am Ende nicht die Eltern. Deswegen ist die Wahlfreiheit, die Sie vor sich hertragen, keine Wahlfreiheit.

Wir sagen, wir wollen echte Wahlfreiheit. Wir wollen, dass der Leistungsstand, die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes darüber entscheiden,

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

ob es nach 12, nach 13 oder nach 14 Jahren Abitur macht. Das ist echte Wahlfreiheit, für die wir hier eintreten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Mario Dö- weling (FDP))

Sie müssen sich doch damit auseinandersetzen, dass alle einschlägigen Bildungsstudien zu klaren Ergebnissen kommen. Ich will es zitieren, weil Sie sich bei der Generaldebatte zur Regierungserklärung aufgeregt haben. Deswegen will ich verlesen, was die Bertelsmann Stiftung sagt:

Für die meisten der 8.900 Schüler, die in Hessen im Schuljahr 2010/2011 zwischen Klasse 5 und 10 die Schulform gewechselt haben, ging der Fahrstuhl nach unten. Auf einen Aufsteiger kamen rechnerisch 8,7 Absteiger.

(Gerhard Merz (SPD): So ist es!)

Ein ungünstigeres Verhältnis zwischen Auf- und Abstiegen verzeichnet nur Niedersachsen.

Sie sind hier mit dem Anspruch angetreten, Bildungsland Nummer eins zu sein. Beim Aufsteigen und Absteigen beim Bildungserfolg haben Sie Platz 15. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie als politischen Anspruch hier seit Jahren vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen verwundert es auch nicht, dass die Umfragen eindeutig sind. In der aktuellen Umfrage Hessentrend sagen 50 %, sie wollen die Rückkehr zu G 9. 39 % sagen, sie wollen eine Form von Wahlfreiheit, wobei wir uns wahrscheinlich sehr einig darüber sind, dass der weitaus größte Teil dieser 39 % sagt, sie wollen Wahlfreiheit, weil sie die Rückkehr zu G 9 wollen. Das sagen übrigens alle anderen Studien auch. Nur 8 % sprechen sich für den schwarz-gelben Weg der Zwangsbeglückung über G 8 aus.