Protocol of the Session on May 10, 2012

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. Auch für Abgeordnete aus dem Werra-Meißner-Kreis kann ich die fünf Minuten leider nicht weiter dehnen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sollten wir noch einmal im Ältestenrat bereden!)

Herr Kollege Warnecke, Sie haben das Wort für die SPDFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Satz von Herrn Beuth lautete: „parteipolitisches Verhetzungs

potenzial gegen Vermögende“. – Herr Beuth, was für ein Bild haben Sie von den Vermögenden? Sind das alles Steuerkriminelle? Sind das alles Betrüger?

(Peter Beuth (CDU): Sie sollten sich fragen, welches Bild ich von den Sozialdemokraten habe! Es ist doch schlimm, wenn man ein solches Bild von Sozialdemokraten hat!)

Es ist offenkundig Ihr Bild. Dieses Bild hat offenbar nicht einmal Ihr Finanzminister Herr Dr. Schäfer, der nicht davon spricht – –

(Zurufe)

Herr Kollege Warnecke, die Kollegen bitten darum, dass Sie mit dem Pult etwas höher fahren, damit Sie besser zu verstehen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne diesen Punkt noch einmal in aller Deutlichkeit: Selbst Finanzminister Dr. Schäfer geht nicht davon aus, dass sämtliche in der Schweiz von bundesdeutschen Bürgern angelegten Gelder in Höhe von rund 160 Milliarden € Schwarzgelder sind – Herr Beuth schon und die CDU offenkundig auch. Klären Sie das untereinander.

(Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wenn es um Schwarzgeld geht: CDU! – Gegenruf von der CDU)

Ich will auf einen Punkt verweisen, der mittlerweile wohl keine Rolle mehr in dem Verhältnis zwischen Bürger und dem Staat spielt: Es gibt ein Steuergeheimnis.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht ist der Zweck des Steuergeheimnisses, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquelle vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, d. h. insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.

Das ist mit diesem Steuerverfahren nicht der Fall. Dieses viel gelobte Steuerabkommen, über das hier schon gesprochen wurde, war im vergangenen Jahr auf einem ganz anderen Stand als in diesem Jahr.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Im vergangenen Jahr haben Sie uns dringend aufgefordert, es anzunehmen. Sie haben keinen Nachbesserungsbedarf oder Sonstiges gesehen. In diesem Jahr erklären Sie, es gebe ein neues Steuerabkommen, und man müsse es jetzt annehmen.

Meine Damen und Herren, es gibt aber zwei bedenkenswerte Hinweise, die auch Ihr Finanzminister schon gegeben hat: Der erste ist der Hinweis darauf, dass die Sozialdemokratie gemeinsam mit den GRÜNEN ebenfalls mal darüber nachgedacht hat, wie eine Steueramnestie wirken kann. Man hat mit 20 Milliarden € gerechnet – das war Ihre erste Zahl –, später waren es 5 Milliarden €, herausgekommen sein sollen 920 Millionen €; das war im Jahr 2004.

Denkwürdig ist das Jahr 2008. Da hat der Bundesgerichtshof – Sie schätzen immer sehr die Unabhängigkeit der

Gerichte – geurteilt, dass ab jetzt bei Steuerhinterziehung ab 1 Million € Knast droht, und zwar definitiv. Weil es nicht alle verstanden haben, hat derselbe Bundesgerichtshof 2012 noch einmal gesagt: Da hat uns anscheinend jemand nicht ganz verstanden, ab jetzt droht Knast. – Und Sie versuchen, mit dem Verfahren, das Sie gerade geschildert haben, genau etwas, was in der Bundesrepublik Deutschland für jeden Vermögenden, der hier Steuerhinterziehung begeht, gilt, mit der Schweiz auszuhebeln.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, können Sie mir einmal sagen, wieso ein bundesdeutscher Steuerbürger, der in der Bundesrepublik Deutschland Steuerhinterziehung begeht, anders als ein bundesdeutscher Steuerbürger behandelt werden soll, der in der Schweiz Steuerhinterziehung mit bundesdeutschen, möglicherweise schwarz, möglicherweise auch in den Erträgen schwarz zusammengesammelten Mitteln begangen hat? Können Sie das irgendwie einem Bürger erklären? – Die Gleichheit und die gleichmäßige Besteuerung – das hat doch alles damit nichts zu tun.

Wenn Sie das dieser Partei vorwerfen, die angeblich immer für „Gibts Regen und Schnee, wars die SPD“, und „Wenn die Sonne lacht, hats die CDU gemacht“ zuständig ist

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Genau!)

genau, haben Sie gesagt, dazu werde ich Ihnen nachher noch ein kleines schönes Schmankerl erzählen –, der SPD, dann müssen Sie sich am Ende einmal fragen, ob Sie nicht durch diese Ungleichmäßigkeit, für die Sie hier werben, eigentlich wollen, dass die Vermögenden ihr Kapital in die Schweiz abziehen,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Oder nach Liechtenstein!)

weil sie auf jeden Fall einer bundesdeutschen Steuergesetzgebung unterliegen, die variabel ist. Herr Milde, man hört selbst aus den Reihen der CDU, dass Sie für eine Reichensteuer eintreten.

(Günter Rudolph (SPD): Die Hessen-CDU nicht!)

Damit bin ich bei dem zweiten Punkt. Die Auswirkung der Steuerminderung, die Sie wollen, wird im Bundesrat deshalb von der SPD blockiert, weil es beispielsweise in Art. 141 der Hessischen Verfassung eine Einnahmeverantwortung gibt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Aha, der Text ist neu!)

Wenn Sie also weniger Steuereinnahmen erzielen wollen – das ist offenkundig Ihr Ziel –, dann müssen Sie sich einmal zu den Auswirkungen auf Hessen fragen lassen. In diesem Fall muss man den Finanzminister schon fragen, wie er dann mit der Einnahmeverantwortung umgeht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist nicht so, dass per se gesagt wird, dass es das nicht geben kann. Wenn man dem Bundesrat glauben darf, ist es so, dass die Landesfinanzminister angekündigt haben, dass eine Anpassung der steuerfreien existenzsichernden Grundfreibeträge gar nicht das Problem ist. Sie wollen nur wissen, ob das verfassungsrechtlich geboten ist, weil der Existenzminimumbericht der Bundesregierung aussteht. Da gibt es eine Bringschuld von Ihnen.

Sie wollen politisch die Steuern senken. Das können Sie gern fordern. Auswirkungen auf Hessen gibt es. Der Finanzminister wird sicherlich ausgerechnet haben, wie viel es Hessen kostet, und dann muss er die Frage schlicht und einfach beantworten, wie sich das auf Hessen auswirkt.

Zum Schluss, bitte, Herr Warnecke.

Meine Damen und Herren, jetzt muss ich den Text ein biss chen ummodeln, damit wir klarsehen: Wenn die Gerechtigkeit lacht, hats die SPD gemacht; gibt es einen Schwarzgeldsteuercoup, wars die CDU. – Ich wünsche noch einen schönen Tag.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Billige Beleidigungen, mehr haben die nicht drauf!)

Herr Staatsminister Dr. Schäfer, ich darf Ihnen das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ob der Beitrag des Kollegen Warnecke jemals in die hessische Kunstgeschichte, was Lyrik anbetrifft, eingeht, wage ich einmal zu bezweifeln.

(Torsten Warnecke (SPD): Soll er auch nicht! – Marius Weiß (SPD): Echter Schullehrer!)

So kann man es auch sehen, meine Damen und Herren. – Ich hatte eigentlich vor, mich auf einige wenige Sachbemerkungen zu beschränken. Allerdings veranlasst mich dieser dauernde Stehsatz des Abg. van Ooyen, mit dem er über die Frage von Steuerhinterziehung redet, eine Vormerkung zu machen.

Es ist Ihr gutes Recht, vermutlich sogar Ihre Pflicht, die Mitglieder der Landesregierung einzeln oder im Kollektiv – wahrscheinlich passt Ihnen diese Formulierung besser –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Passt besser!)

zu kritisieren, notfalls auch zu beschimpfen. Das zu ertragen gehört zu den Ritualen einer Demokratie. Aber die Form, wie Sie hier nicht nur Handelnde in der Regierung attackieren, mit Ihrer Behauptung, dass Steuersünder in Hessen in besonderer Weise von der Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren, kann ich nicht so stehen lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Menschen, denen Sie unterstellen, sie würden Steuersünder mit Vorsatz laufen lassen, sind zum großen Teil Beamtinnen und Beamte des Landes Hessen, die einen Amtseid auf die Verfassung des Landes Hessen geschworen haben. Sich dann von jemanden, der wahrscheinlich mit Fug und Recht, ohne sich in die Gefahr eines Mein eides zu begeben, einen solchen Eid niemals schwören würde, so etwas sagen zu lassen, ist unerträglich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Hören Sie endlich auf mit diesen Dingen, weil es nicht mehr zu ertragen ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die in der Tat kurz bemessene Redezeit zu einigen Bemerkungen in der Sache nutzen.

(Torsten Warnecke (SPD): Das ist schon einmal etwas!)

Die Debatte um das Steuerabkommen mit der Schweiz: Ja, man kann hoffen, wenn man dieses Steuerabkommen nicht abschließt, dass irgendwann die Schweiz die Tore öffnet, deutsche Finanzbeamte einlädt, unmittelbar in den Banken ihre Filialen einzurichten, um deutsche Steuerbürger, die dort ihr Vermögen angelegt haben, zu beraten und dort Steuern zu erheben. Wenn man diese Hoffnung hat, kann man diese Hoffnung zum Maßstab politischen Handelns machen.