Zu der Frage, die Sie thematisiert haben, nämlich ob man Konversion betreiben kann, sage ich: Ja, es wird Konversion betrieben. Das ist auch in der Bundesrepublik Deutschland betrieben worden.
Herr van Ooyen, das habe ich Ihnen doch gerade erklärt. In der ehemaligen DDR hat es, wie Sie selber nachlesen können, kaum Waffenproduktion gegeben. Wenn Sie beispielsweise einen Militär-Lkw aus der Produktion der DDR, weil er so angestrichen wurde, vergleichen mit einem Lkw, der damals in der DDR, von mir aus von IFA gebaut, herumfuhr, dann ist außer der Farbe kein großer Unterschied zu sehen. Das ist der Nachteil von Dual-UseGütern.
Ich wollte nur sagen: Wenn Sie diese Argumentation bis zum Ende treiben, dann haben Sie einen großen Teil der in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Güter ebenfalls auf dieser Liste. Das ist die Problematik. Das ist auch die Problematik, die im Hinblick auf Schiffsmotoren usw. angesprochen wurde. Natürlich kann ein solcher Schiffsmotor in eine Fregatte eingebaut werden. Dieser kann in leicht veränderter Form auch in ein Frachtschiff eingebaut werden. Wenn Sie sagen, Sie wollen diese Exporte grundsätzlich nicht mehr, dann gibt es auch keine Konversion, Herr van Ooyen, weil niemand die einen wie die anderen Produkte kaufen kann. Das ist doch das Problem dabei.
Und vielleicht noch ein kleines Schmankerl, da Sie von der Sowjetunion gesprochen haben: Russland. – Danke.
(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP – Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Warnecke. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Saebisch. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung betreibt keine eigene Außen- und Sicherheitspolitik im Bereich der Rüstungsexporte, sondern dies ist aufgrund der Kompetenzordnung des Grundgesetzes der Bundesregierung anvertraut. Die Hessische Landesregierung fühlt sich auch mit dieser Aufgabenteilung wohl. Nichtsdestotrotz führen wir, Herr van Ooyen, heute eine Debatte, die in einem ähnlichen Format auch schon im Deutschen Bundestag geführt wird, und zwar sehr regelmäßig.
Herr Frömmrich war so freundlich, direkt auf die Position der grünen Bundestagsfraktion zu verweisen. In dem Zusammenhang machen wir heute etwas, was nicht ehrenrührig ist. Wir spielen hier etwas Bundestag miteinander, und führen diese Debatte hier. Bei diesem Thema kann man sich auch über die grundlegenden Einschätzungen zu Rüstungsexporten austauschen, weil das in der Tat auch auf Landesebene zu diskutieren ist.
Herr van Ooyen, was mich aber schon etwas bestürzt an dieses Pult treten lässt, ist, dass Sie den moralischen Anspruch, den Sie hier angesprochen haben und den Ihnen sicherlich auch niemand absprechen will, mit einer fast schon verschwörerischen Tendenz im Hinblick auf den arabischen Frühling, auf entsprechende inszenierte Provokationen verknüpfen und ausführen, eine Freiheitsbewegung im Nahen Osten, die im Entstehen ist, sei ein finsteres Machwerk von Großmächten und Rüstungsindustrien. Das halte ich für problematisch.
Ich glaube, Sie werden dem Freiheitsimpuls in dieser Region überhaupt nicht gerecht, wenn Sie anfangen, in der Diktion des Kalten Krieges über Machtblöcke und Konfrontationsstrategien zu reden. Wenn Sie dann „Sowjetunion“ sagen, zeigt das, dass Sie im Jahr 1990 stehen geblieben und seitdem nicht vorangekommen sind.
(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))
Ich würde Ihnen auch gar nicht Ihre – das haben Sie gerade mit der Kandidatur von Frau Klarsfeld noch einmal zu unterstreichen versucht – antifaschistische Einstellung absprechen. Gehen wir einmal in die fernere Zeitgeschichte zurück und überlegen uns, was gewesen wäre, wenn Willi van Ooyen 1940 amerikanischer Präsident gewesen wäre. Er wäre dann in der Situation gewesen, dass Großbritannien dringend um Rüstungsexporte bittet, weil es das letzte Land in Europa war, das eine freiheitliche Demokratie war.
Willi van Ooyen als Franklin Delano Roosevelt hätte gesagt: Keine Rüstungsexporte, das machen wir nicht. – Herr van Ooyen, was wäre die historische Konsequenz gewesen?
Wenn die Sowjetunion – jetzt sage ich „Sowjetunion“, weil es in dem Zusammenhang stimmt – nicht von den US-Amerikanern massiv mit Rüstungsgütern im Zweiten Weltkrieg unterstützt worden wäre, was wäre die historische Konsequenz gewesen? Herr van Ooyen, ich finde, Sie machen es sich etwas einfach.
Moral ist auch nicht teilbar. Man kann sich nicht den einen Bereich aussuchen und sagen: Da passt meine moralische Grundeinstellung hin, und deswegen fühle ich mich da gut, und für den anderen Bereich blende ich das total aus. – Moral ist unteilbar. Wenn Sie eine moralische Grundhaltung haben, dann müssen Sie an allen Punkten konsequent sein und können sich nicht jedes Mal aussuchen, wo Ihre Moral passt und wo sie nicht so gut ins Kontor passt. Herr van Ooyen, das wirkt nicht glaubwürdig. Das wirkt sehr beliebig.
Nachdem wir festgestellt haben, dass eine komplette Ablehnung von Rüstungsexporten auch Ihrer antifaschistischen Einstellung massiv widerspricht – ich glaube, das können wir so weit festhalten –, kommen wir jetzt zu der Frage: Was machen wir, wenn Rüstungsexporte grundsätzlich zulässig sind? Wie gehen wir mit dieser Frage um?
Herr Frömmrich, ich finde, Sie haben dazu einiges sehr Richtiges gesagt. Das muss man Ihnen zugestehen. Man muss sich in der Tat die Frage stellen: Wie geht man mit der Dynamik auch im Hinblick auf Rüstungsexporte um? Herr Frömmrich, da erspare ich Ihnen aber Folgendes nicht: Sie haben von 1998 bis 2005 Regierungsverantwortung getragen. Die hessischen GRÜNEN haben nicht nur den Bundesaußenminister gestellt. Der hat in dieser Frage ad personam, aber auch qua Amtes sicherlich Einflussmöglichkeiten gehabt. Alles andere würde uns bei Joschka Fischer überraschen. Außerdem haben Sie die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Frau Wolf, gestellt.
Sie waren also in diesen Bereichen über Jahre hinweg auf prominenten Positionen in der Bundesregierung vertreten. Herr Frömmrich, warum haben Sie seit 2000 bis 2005 nie mit der entsprechenden Verschärfung der Exportrichtlinien reagiert, als unter Rot-Grün die Rüstungsexporte Jahr für Jahr gestiegen sind?
Ich kann Ihnen auch nicht das Thema Kleinfeuerwaffen ersparen. Auch Sie selbst werden mir zugestehen, dass diese gerade im Hinblick auf den Einsatz gegenüber der eigenen Bevölkerung von besonderer Qualität sind. Gerade seit den Regierungszeiten von Rot-Grün sind die Exporte von Kleinfeuerwaffen um 1.200 % gestiegen. Herr Frömmrich, wenn Sie das in der Bundesregierung Jahr für Jahr beobachtet haben, warum haben Sie das nicht alles vorgelegt, was Sie heute beklagen? Warum kommen Sie zwölf Jahre später und sagen: „Jetzt haben wir gemerkt, so ging das nicht; jetzt müssen wir etwas tun“? Herr Frömmrich, zwölf Jahre zu spät. Da hat jemand eine ziemlich lange Leitung, muss man an der Stelle sagen.
Wir haben über den Nahen Osten gesprochen. Ich mache einmal darauf aufmerksam, dass im Jahr 2007 z. B. nach Ägypten Kriegswaffen im Wert von 1,3 Millionen € geliefert worden sind. Aber unter Rot-Grün waren es im Jahr 2003 17,1 Millionen €. Ich will damit nur darauf hinweisen: Man muss sich schon offensiv der eigenen Geschichte stellen. Das gilt nicht nur für Herrn van Ooyen. Das gilt natürlich auch für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Ich mache aber auch darauf aufmerksam, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung – Herr Schork hat freundlicherweise darauf hingewiesen – nicht nur im Zeitraum von 2009 bis 2010 7 % weniger Rüstungsexporte zu verzeichnen hatte, sondern im Zeitraum von 2008 bis 2009 immerhin 12 % weniger. Sie haben gesagt: „Das ist eine Frage des Betrachtungszeitraums.“ In der Tat, mit Amtsantritt der schwarz-gelben Bundesregierung – da ist schon das Jahr 2009 zu nennen – sind die Rüstungsexporte gesunken, und sie sind auch im zweiten Jahr gesunken.
Jetzt möchte ich an dieser Stelle – Herr Rudolph, Sie werden es mir verzeihen – auch noch einmal die sozialdemokratische Fraktion ansprechen. Herr Warnecke, ich fand, Sie haben heute hier eine sehr beeindruckende Rede gehalten. Das muss ich ganz ehrlich sagen.
Sie haben an der Stelle darauf hingewiesen: Die SPD ist keine pazifistische Partei. – Ich habe neulich in einer Fernsehsendung Herrn Gabriel gesehen, der sogar angedeutet hat, dass die SPD einmal im algerischen Freiheitskampf mit Parteigeldern Waffenkäufe der dortigen Freiheitsbewegung unterstützt hat. Sie sind also nicht nur eine nicht pazifistische Partei, manchmal sind Sie auch ein bisschen bellizistisch. In dem Zusammenhang – das muss man ganz ehrlich sagen – kann man immer etwas von der Sozialdemokratie lernen. Das ist ein interessanter Hinweis von Sigmar Gabriel an Oskar Lafontaine gewesen.
Herr Warnecke, wenn man über das Thema Rüstungsexporte miteinander diskutiert, muss man aber auch darauf hinweisen, dass eine Bundesregierung Rüstungsgeschäfte auch ablehnen kann. Das hat Schwarz-Gelb gemacht. Man muss als Bundeskanzler nicht nur Rüstungsexporte anbahnen. Herr Schröder hat immer offen gesagt, er ist der erste Vermarkter der deutschen Industrie, ausdrücklich auch der deutschen Rüstungsindustrie. Aber wir haben jetzt unter dem Bundesaußenminister Guido Westerwelle und der Bundeskanzlerin Angela Merkel die Situation, dass im Jahr 2010 Anträge auf Rüstungstransfers nach Indien und Pakistan negativ beschieden wurden. Die Bundesregierung hat sich entsprechenden Anträgen nicht geöffnet. Sie hat diese Rüstungstransfers abgelehnt.
Meine Damen und Herren, bei Rüstungsexporten muss man in der Tat die Situation und die Dynamik sehr genau beobachten. Wenn es notwendig ist, muss man auch restriktivere Ausfuhrkontrollen prüfen. Aber ich finde schon, dass es sich lohnt, noch einmal darauf hinzuweisen: Die Bundesrepublik Deutschland als ein freiheitlich-demokratisches Gemeinwesen hat die strengsten und restriktivsten Rüstungskontrollvorschriften der Welt. Darauf sollten wir alle gemeinsam stolz sein. Das ist eine Errungenschaft dieser parlamentarischen Demokratie. Herr van Ooyen, wenn Sie dieser parlamentarischen Demokratie zugehörig sein wollen – das sagen Sie immer –, dann sollten Sie anfangen, mit schnellen Schritten vom Jahr 1990 in das Jahr 2012 vorzustoßen. – Herzlichen Dank.
Beide Anträge, d. h. der Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Rüstungsexporte unterbinden – Konversion einleiten sowie der Dringliche Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend fragwürdige Exporterfolge der Rüstungsindustrie widersprechen friedenspolitischen Zielen Deutschlands, werden an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überwiesen.