Protocol of the Session on April 23, 2008

Weiterhin eingegangen und auf den Plätzen vorliegend ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Vertrag von Lissabon – transparentere, demokratischere und handlungsfähigere EU verwirklichen, Drucks. 17/88. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 43, und er wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 30 aufgerufen.– Kein Widerspruch, dann können wir so verfahren.

Verabredungsgemäß darf ich den Setzpunkt der SPDFraktion aufrufen, Tagesordnungspunkt 14:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Ja zum neuen Entwicklungsmodell der sozialen Moderne für RheinMain: Nachhaltige Metropolitana 2020 – die Region braucht die Internationale Bauausstellung – Drucks. 17/28 –

Dazu wird Tagesordnungspunkt 38 aufgerufen:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend die IBA – eine Chance; der IBA eine Chance – Drucks. 17/82 –

Zur Begründung des Antrags der SPD-Fraktion darf ich Herrn Schäfer-Gümbel das Wort erteilen. Die vereinbarte Redezeit beträgt 15 Minuten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich zu Beginn der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt meiner besonderen Freude darüber Ausdruck geben, dass die Zeit der Selbstblockade bei einem der größten Infrastrukturprojekte für das Rhein-MainGebiet offensichtlich beendet ist.

(Beifall bei der SPD)

Anders kann man den Dringlichen Entschließungsantrag der Union und der FDP nicht verstehen, wobei ich sagen muss, dass die Position der Liberalen schon in der letzten Periode sehr eindeutig und klar war.

Ich will zunächst an die Entstehungsgeschichte der Debatte über die Internationale Bauausstellung im RheinMain-Gebiet erinnern. Wir erinnern uns: Als im vergangenen Jahr die Machbarkeitsstudie von Prof. Jourdan vorlag, haben wir, nachdem in den verschiedensten kommunalen und Wirtschaftskreisen im Rhein-Main-Gebiet über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit dieses Ansatzes diskutiert wurde, ein eigenes Programmpapier formuliert, in dem wir als Sozialdemokraten betont haben, dass wir ein solches Projekt für notwendig und für sinnvoll halten.Wir halten das Projekt deswegen für sinnvoll, weil eine Internationale Bauausstellung modellhaft Antworten auf die besonderen städteplanerischen und regionalplanerischen Herausforderungen der Metropolregion Frankfurt/ Rhein-Main geben kann.

Wir waren hochgradig darüber verwundert, dass die Union zu diesem Zeitpunkt nicht bereit und nicht willens war, diesen Weg mitzugehen, obwohl Teile der Union in der kommunalen Familie und auch das Land selbst an diesem Prozess beteiligt waren. Wir haben das deswegen nicht verstanden, weil eine IBA sowohl die Integrationsfähigkeit der Region beweisen als auch ein Identifikationsprojekt für die Region werden könnte, mit dem wesentliche Blockaden in der Region überwindbar wären.

Ich will dabei gar nicht verniedlichen, dass in der Debatte um die Machbarkeitsstudie und bei dem, was innerhalb und außerhalb der Landesregierung diskutiert wurde, unterschiedliche Interessen eine gewisse Rolle gespielt haben. Wir werden über das wesentliche Thema morgen diskutieren, nämlich über die Frage: Erlaubt sich diese Landesregeierung, neben dem Thema Kulturregion, wo sie sich selbst in Schwierigkeiten gebracht hat, eine zweite Baustelle in der Region aufzumachen? Über diesen Punkt werden wir morgen diskutieren, auch wenn die Entscheidungen des heutigen Tages, die zu parlamentarischen Initiativen getroffen werden, die ganz offensichtlich im Lichte gewisser Anträge entstanden sind und in den letzten Tagen in großer Hektik mit den kommunalen Christdemokraten verabredet wurden, morgen sicherlich separat zu würdigen sind.

(Axel Wintermeyer (CDU): Was wollen Sie alles wissen?)

Wissen wollen wir ganz viel, aber heute wollen wir erst einmal entscheiden.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich will von Ihnen wissen, worüber Sie hier reden, Herr Kollege!)

Es ist ganz einfach, Herr Boddenberg. Wir reden über die Frage, warum zwei Ihrer Leute kurzfristig berufen werden, obwohl der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung von einem „neuen Stil“ und „neuer Kooperation“ gesprochen hat, warum Sie jetzt, nachdem Sie ein Dreivierteljahr nicht in der Lage waren, Personalentscheidungen zu treffen, diese jetzt im Schweinsgalopp auf schnellstem Weg durchsetzen, nachdem ein Antrag aus dem Parlament eingereicht worden ist, der die Frage der Kulturregion in diesem Hause noch einmal thematisieren will. Sie tun dies, damit Fakten gesetzt werden, damit Sie nicht mehr in die Lage kommen, mit uns über politische Positionen diskutieren zu müssen.Genau das wird Gegenstand der morgigen Debatte sein.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

So viel zu der Frage, wie ernst das Angebot zur Kooperation in Wirklichkeit gemeint war.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, das war der eigentliche Grund dafür. Sie waren wegen dieser Großbaustelle offensichtlich nicht in der Lage, im vergangenen Jahr einen zweiten Entscheidungsprozess durchzuführen. Jetzt Sie sind in der Tat offensichtlich weitergekommen, und das ist gut so.

Jetzt kommen wir wieder zur Internationalen Bauausstellung. Die Selbstblockade ist beendet, und das ist gut so. Was kann eine Internationale Bauausstellung für die Region leisten? Ich will seitens meiner Fraktion ausdrücklich sagen, dass es bei einer Internationalen Bauausstellung nicht nur um schönes Bauen geht, sondern um konzeptionelle Lösungen für die sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der Region. Es geht eben nicht nur um die Verbindung von Architektur, Stadt- und

Regionalentwicklung, sondern auch um die Auseinandersetzung mit lebens- und sozialreformerischen Ansätzen und Anforderungen. Das wird den einen oder anderen überraschen, aber wer sich mit dem Konzeptansatz der IBA beschäftigt hat, wird das wissen.

Deshalb ist die Internationale Bauausstellung aus unserer Sicht das Integrations- und Identifikationsprojekt in und für die Region Rhein-Main. Das ist die Chance, die eine Internationale Bauausstellung aus unserer Sicht bietet. Ich will ausdrücklich hinzufügen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Man sollte allerdings nicht den Eindruck vermitteln, dass eine Internationale Bauausstellung bei aller Gewichtigkeit dieses Projektes eine universelle Antwort auf alle Probleme des Raumes geben könnte. Es wäre vielmehr ein Teilbeitrag.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU)

Gut,dass auch die CDU das verstanden hat.– Deswegen ist das eine Frage, in der es nicht um eine nahezu religiöse Überhöhung des konzeptionellen Ansatzes geht, aber sehr wohl um eine ernsthafte Auseinandersetzung.

Ich will etwas zu den Bedingungen sagen, die nötig sind, damit die Internationale Bauausstellung aus unserer Sicht so funktionieren kann. Es geht in der Tat um die Verbindung von Leben,Arbeit, Umwelt und Verkehr in einer auf das höchste Maß belasteten, gleichzeitig aber prosperierenden Region. Diese Widersprüchlichkeit bietet Chancen und Gefahren. Genau an dieser Stelle will die Internationale Bauausstellung eine Antwort bieten. Deswegen kann die Internationale Bauausstellung weit über den Horizont einzelner Projekte hinaus konzeptionelle Anregungen gerade im Hinblick auf den Stadt-Umland-Konflikt geben.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dazu ist es aber absolut notwendig, dass dieser Prozess anders als in den letzten Monaten organisiert wird. Was heißt das? Für mich ist völlig klar, auch nach den in Vorbereitung dieses Tagesordnungspunktes mit vielen Kolleginnen und Kollegen geführten Gesprächen, dass die Internationale Bauausstellung der Region vom Land keinesfalls aufoktroyiert werden darf.

Eine Internationale Bauausstellung kann nur funktionieren, wenn sie von der Region getragen wird. Das gilt für die Bürgerinnen und Bürger, für die Politiker und für die Vertreter der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur. Letztlich geht es nämlich um eine Verbindung dieser Fragen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen geht es letztendlich nicht um die Entscheidung, dass das Land Hessen eine Internationale Bauausstellung im Rhein-Main-Gebiet organisiert, sondern darum, dass wir einen Prozess – einen Meinungsbildungsprozess – in der Region und mit der Region organisieren. Das Land kann hierbei Moderator, Mediator und Initiator sein. Aber es kann ganz sicherlich nicht die Ersatzmaßnahmen durchführen, die es hier an anderer Stelle – das Thema Kultur habe ich eben schon angesprochen – immer wieder vorgenommen hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich will aber ausdrücklich sagen, dass genau diese Bedingung erfüllt ist. Wenn Sie die Zeitungen der letzten Tage aufmerksam gelesen und verfolgt haben, was dort im Zusammenhang mit der Wirtschaftinitiative Frankfurt Rhein-Main, der IHK Frankfurt und mit vielen anderen

Akteuren steht, die sich immer wieder positiv auf die Durchführung einer Internationalen Bauausstellung bezogen haben, konnten Sie feststellen, dass es eine Grundsympathie für ein solches Projekt gibt.

Alle Entscheidungsträgerinnen und -träger wissen nämlich, dass wir diesen Herausforderungen eigentlich nicht länger ausweichen dürfen. Vor allem müssen wir endlich weg von isolierten Teilentscheidungen hin zu einem gemeinsamen Konzept zur Bewältigung dieser Herausforderung. Das ist eben die Durchführung einer Internationalen Bauausstellung.

Ich will aber auch ein paar Bemerkungen zu der vorliegenden Machbarkeitsstudie machen.Wir hatten dazu eine Anhörung im Ausschuss, in der die Machbarkeitsstudie in aller Breite vorgestellt wurde. Ich will hier ausdrücklich sagen, dass die Machbarkeitsstudie ein paar interessante Ideen enthält. Aber ich glaube, dass wir uns darin einig sind: Die jetzt vorliegende Machbarkeitsstudie ist sicherlich kein Masterplan zur Umsetzung der Ideen für eine Internationale Bauausstellung. Sie ist nicht mehr als eine erste Hinführung auf dieses Thema.

Der Inhalt ist aber ganz sicherlich nicht umsetzungsfähig. Viele Aspekte, die uns im Sinne von Herausforderungen wichtig sind – Demografie, Mobilität, Integration und Klimaneutralität –,werden in der Machbarkeitsstudie von Herrn Prof. Jourdan überhaupt nicht behandelt. Das Landschaftsstadtbild ist sicherlich interessant.Aber es ist, sowohl städteplanerisch als auch regionalpolitisch, aus unserer Sicht eine völlig unzureichende Antwort.

Ich sage das auch deswegen,weil wir nicht wollen,dass die Internationale Bauausstellung zu einem Sammelsurium aus aneinandergereihten Einzelprojekten wird. Es geht eben nicht nur um schönes Bauen, sondern vor allem um ein nachhaltiges Entwicklungsmodell, das auf die drängenden Fragen der Region – Stichwort: Soziales, Ökonomie und Ökologie – Antworten findet.

Deswegen sage ich hier noch einmal sehr deutlich: Die Machbarkeitsstudie ist eine erste Hinführung. Sie ist sicherlich kein Handlungskonzept. Das muss erst entwickelt werden.Aber nach den Gesprächen, die in den letzten 48 Stunden geführt worden sind, habe ich den Eindruck, dass darüber Einigkeit besteht.

Der vorletzte Punkt betrifft die Organisation.Wir sind davon überzeugt – die Beispiele der vergangenen Internationalen Bauausstellungen zeigen das deutlich –, dass wir, wenn wir dahin gelangen, dass die Region sie trägt, letztlich nicht umhinkommen werden, eine eigenständige Trägergesellschaft zu bilden, die die Internationale Bauausstellung umsetzt. Dabei wird das Land sicherlich einen Finanzierungsanteil erbringen müssen.

Aber auch hier sage ich ganz klar, dass nicht das Land Hessen die Ersatzmaßnahme für die Region formuliert und dass deswegen auch die Region adäquat an der Umsetzung der Internationalen Bauausstellung zu beteiligen ist. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass es dabei einerseits um die Finanzierung der Gesellschaft geht, die all das konzeptionell entwickeln und anschließend umsetzen muss. Es geht andererseits sicherlich auch um die Mittel, die notwendig sind, um IBA-Exzellenzprojekte umzusetzen.

Der Punkt, an dem das Land sicherlich am meisten in die Verantwortung genommen wird, betrifft die Grundfinanzierung und Bündelung von Förderwegen, so, wie das beispielsweise in NRW, aber auch in Hamburg derzeit pas

siert.Wir sagen sehr deutlich:Wir werden sicherlich nicht einen eigenen Projekttopf bilden können – das ist unsere Auffassung –, aus dem dann große Verkehrsprojekte separat finanziert werden, sondern das muss aus den bestehenden Töpfen kommen. Dazu werden wir die Fördermittel bündeln müssen.Wir werden auch neue Fördermittel heben müssen. Beides halte ich für möglich, und ich weiß, dass das Haus daran arbeitet. Insofern bin ich an dieser Stelle sehr zuversichtlich, dass wir am Ende zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen.

Das ist meine abschließende Bemerkung:Ich glaube,es ist notwendig, dass wir auf der Grundlage der beiden jetzt vorliegenden Entschließungsanträge und unter Umständen auch aufgrund der Entschließungsanträge, die aus anderen Fraktionen kommen, in den Ausschussberatungen zu einer gemeinsamen Beschlussfassung gelangen; denn Projekte von einer solchen Dimension sind letztlich keine Projekte, die in einem großen politischen Streit zu entscheiden und anschließend umzusetzen sind. Das heißt aber auch – das will ich einschränkend sagen –,es muss erkennbar sein, dass es sich um einen wirklich neuen Entwicklungspfad handelt.

Sie können am Beispiel der großen Bauausstellungen, die hochgradig umstritten waren – etwa in Berlin –, sehen, dass das anschließend nicht funktioniert.Aber dort, wo es einen politischen Grundkonsens gab, waren die Internationalen Bauausstellungen ein wirklicher Gewinn für die jeweils betroffenen Regionen.

Deswegen sollten wir im Ausschuss alles dafür tun, dass wir zu einer gemeinsamen Entscheidungsbasis finden, mit der aus unserer Sicht zunächst der Prozess beschrieben wird, durch den wir zu einer gemeinsamen Entschließung kommen. Heute kann es ganz sicherlich noch keine Entschließung zu dem geben, was wir konkret machen. Ich habe schließlich bereits auf die Defizite der Machbarkeitsstudie hingewiesen.

In diesem Sinne glaube ich, dass wir unter dem Strich inzwischen auf einem guten Weg sind.Wenn das die Rednerinnen und Redner der anderen Fraktionen auch so sehen, ist das heute, glaube ich, ein guter Tag für die Region Frankfurt/Rhein-Main. Wenn wir das konsequent weiter entwickeln, wird es für die Region viele weitere gute Tage geben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Als nächste Rednerin hat Frau Beer für die Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schäfer-Gümbel, wir werden eine gemeinsame Willensbildung in der Region hinbekommen, wenn wir an den etwas nachdenklicheren Ton anknüpfen, den Sie zum Schluss Ihrer Ausführungen angeschlagen haben. Ich glaube, der Anfang Ihrer Rede hat gezeigt, warum wir im Rhein-Main-Gebiet bislang noch nicht vorangekommen sind.

Ich denke nämlich, es ist wichtig, dass gerade das Thema „Internationale Bauausstellung im Rhein-Main-Gebiet“ nicht politisiert wird, sondern dass wir dazu kommen, die Chancen gemeinsam mit einer Metropolregion zu nutzen, mit der wir im Wettbewerb stehen,nicht nur national,son