(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das gilt nicht mehr, das ist Geschichte!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begehen heute den Schlussakt der kürzesten Legislaturperiode in der Geschichte des Landes Hessen.Wenn wir zurückblicken:Vor einem Jahr haben wir uns alle auf eine Landtagswahl vorbereitet. Uns war klar, dass es im Vorfeld des 27. Januar eine harte Auseinandersetzung in der Sache geben würde, da nach fünf Jahren absoluter CDU-Mehrheit ein großer Teil der hessischen Bevölkerung vor allem von der Bil
Für uns GRÜNE standen mehrere Punkte im Vordergrund. Wir wollten in dieser Legislaturperiode wieder eine Umweltpolitik in Hessen erreichen, die ihren Namen verdient. Wir wollten endlich mit der Energiewende beginnen und mit der Blockade der erneuerbaren Energien Schluss machen.
Wir wollten keine neuen ineffizienten Kohlekraftwerke bauen. Wir wollten mit der risikoreichen Atomkraft Schluss machen und endlich auch die wirtschaftlichen Chancen nutzen, die in der Energiewende liegen.
Wir traten an für eine bessere Bildungspolitik, um Schluss zu machen mit Studiengebühren und mit immer mehr, immer schlechteren sogenannten Reformen. Die „Unterrichtsgarantie plus“ und die Art und Weise der Schulzeitverkürzung waren nur die Spitze des Eisbergs.
Wir stritten im Wahlkampf für eine andere Sozial- und Gesellschaftspolitik, die nicht auf Ausgrenzung, sondern auf Teilhabe und Integration setzt – die, um es kurz zu sagen, nicht Egoismus, sondern Fairness bedeutet.
Wir wollten Schluss machen mit der Politik der Arroganz der Macht, mit der Arroganz der absoluten CDU-Mehrheit.
Der Wahlkampf ist dann eskaliert.Fast könnte man sagen, es wurde ein wirklicher Kampf, der aus dem Ruder gelaufen ist. Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen aber Wert auf die Feststellung, dass nicht wir es waren, die diesen Kampf aus dem Ruder laufen ließen, sondern dass diese Eskalation von Roland Koch mit Unterstützung der „Bild“-Zeitung eingeleitet wurde.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wie war das mit dem Handschlag?)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis der Wahl am 27. Januar hat alle überrascht, manche positiv, manche negativ,für manche war es eine Mischung aus beidem.Das Ergebnis war schwierig, weil keine der klassischen politischen Konstellationen, Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, eine Mehrheit hatte.
Für uns stellte sich danach die entscheidende Frage: Was ist das unstreitige Ergebnis der Wahl am 27. Januar? Wir sagen: Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler wollte einen Politikwechsel in Hessen, die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler wollte Roland Koch nicht mehr als Ministerpräsidenten.
Wir haben seit dem 28. Januar versucht, diesem Wählerauftrag einerseits und der schwierigen Situation andererseits gerecht zu werden. Der Landesvorstand der GRÜNEN hat bereits am 5. Februar beschlossen, mit allen im Landtag vertretenen Parteien Gespräche über die Frage
zu führen, wie es weitergehen soll, inhaltliche Gemeinsamkeiten und die Möglichkeit der Bildung handlungsfähiger Mehrheiten auszuloten.
Ich stelle fest, dass wir bis heute leider die Einzigen geblieben sind, die mit allen anderen Fraktionen geredet haben.Wir mussten feststellen,dass die CDU vom 27.Januar bis heute keinerlei Anstalten gemacht hat, aus dem völlig inakzeptablen Wahlkampf personelle Konsequenzen zu ziehen.
Wir mussten feststellen, dass die FDP keinerlei Anstalten gemacht hat, ernsthaft über eine Koalition aus SPD, FDP und GRÜNEN zu verhandeln. Im Übrigen, Herr Kollege Hahn: Wer fünfmal am Tag erklärt, das Schlimmste, was passieren kann, sei die Beteiligung der Linkspartei, der muss irgendwann einmal sagen, was er selbst dafür getan hat, dass es nicht so weit gekommen ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich habe keinen Wortbruch begangen!)
Wir mussten feststellen, dass die Linkspartei von Anfang an sagte, dass jedwede formale Koalition für sie nicht infrage komme. Auch darin bestand eine der Schwierigkeiten der Situation.Ich erinnere noch einmal an den Auftrag des 27. Januar: Die Mehrheit wollte einen Politikwechsel und einen anderen Ministerpräsidenten. Das war offensichtlich weder mit der CDU noch mit der FDP zu erreichen. Deswegen haben wir uns entschieden, der SPD Verhandlungen über eine rot-grüne Minderheitsregierung anzubieten.
Wir GRÜNEN waren alles andere als erfreut über die im März offenbar gewordene mangelnde innerparteiliche Kommunikation in der SPD. Ich wiederhole aber hier und heute , was ich schon am 7. März gesagt habe. Ich finde die Entscheidung von Dagmar Metzger aus inhaltlichen Gründen zwar falsch, aber ich sagte und sage ausdrücklich,dass sie natürlich das Recht hatte,diese Entscheidung zu treffen.
Nach dem gescheiterten ersten Anlauf kam es dann zu der Situation der geschäftsführenden CDU-Regierung bei wechselnden Mehrheiten im Parlament. Wir als GRÜNE haben uns vorgenommen, das Beste aus der Situation zu machen – im Sinne unserer Inhalte.Wir haben dabei einiges erreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war richtig, dass wir beschlossen haben, dass das Land für eigene Liegenschaften in Zukunft zu 100 % Ökostrom bezieht. Es ist gut, dass wir jetzt eine richtige Härtefallkommission für Flüchtlinge haben. Es war richtig, das Bürokratiemonstrum „Unterrichtsgarantie plus“ abzuschaffen. Es war richtig, dass mehr Referendare an die Schule kamen. Es ist richtig, dass die BAT-Lehrkräfte in den Sommerferien nicht mehr zum Arbeitsamt geschickt werden. Es war richtig, dass erste Schritte zur Entschärfung der Schulzeit
verkürzung, G 8, gegangen wurden, und es war und bleibt richtig, dass die Studiengebühren abgeschafft wurden.
Ein Politikwechsel ohne Regierungswechsel muss jedoch zwangsläufig unvollständig bleiben. Ich erinnere nur an die Spielchen des geschäftsführenden Ministerpräsidenten bei dem Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren und an die Weigerung des Innenministers, den Landtagsbeschluss zum Wiedereintritt des Landes in die Tarifgemeinschaft der Länder auszuführen. Deswegen war für uns klar, dass diese Situation nicht ewig so weitergehen konnte.
Wir haben von der SPD vor dem zweiten Versuch zur Bildung einer Regierung Sicherungen verlangt, weil wir das, was wir im März erlebt haben, nicht noch einmal erleben wollten. Ich sage ausdrücklich: Am 30. September haben drei der vier Abgeordneten, die sich vor zwei Wochen gegen eine rot-grüne Regierung gestellt haben, in geheimen Probeabstimmungen für eine solche Regierung gestimmt. Wäre das anders gewesen, hätten wir als GRÜNE gar nicht erst mit Koalitionsverhandlungen begonnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Das kann ich aus Ihrer Sicht verstehen, Herr Al-Wazir!)
Wir haben aufgezeigt, wie der dringend nötige Aufbruch in der Bildungspolitik in Hessen aussehen könnte.Wir haben aufgezeigt, wie wir Hessen endlich aus seiner Außenseiterrolle herausführen und zum Vorreiter bei der Energiewende machen könnten. Wir haben aufgezeigt, wie eine Politik aussehen könnte, die Fairness und Gerechtigkeit zur Leitlinie hat. Um der Sache willen ist es deshalb verdammt schade, dass dieses Programm nicht seit zwei Wochen praktisch umgesetzt wird, sondern wir jetzt in eine neue Wahl gehen.
Wir wollten einen Politikwechsel, und an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen,ist er nicht gescheitert.Vielleicht haben wir zu lange auf andere vertraut.Vielleicht haben wir die Auswirkungen persönlicher Verletzungen und politischer Meinungsverschiedenheiten in der SPD unterschätzt. Nachher ist man immer schlauer. Ich sage aber: Die Frage, wie es bei der SPD aussieht, muss sich die SPD selbst beantworten.Ich glaube allerdings,dass sie sich besser mit der Frage beschäftigen würde, was in Hessen in den nächsten Jahren verändert werden muss und wie das geschehen kann, als dass sich ihre Mitglieder wechselseitig mit Parteiausschlussverfahren überziehen.
Wir haben uns bemüht, den kalten Krieg, der im Hessischen Landtag überlebt hatte, ein wenig zu entschärfen, vielleicht sogar zu beenden. An manchen Punkten hat auch die CDU ihr Kommunikationsverhalten verändert. Wir haben allerdings vermutet, dass das viel mit der fehlenden Mehrheit für die Regierung und weniger mit neuen Erkenntnissen zu tun hatte, Herr Ministerpräsident. Würde es einen Nachhaltigkeitsrat geben, wenn Sie Ihre Mehrheit nicht verloren hätten, Herr Koch? – Sicherlich nicht. Hätten Sie erklärt, dass Sie Hessen zum Musterland für erneuerbare Energien machen wollten? – Sicherlich nicht.
Deshalb ist dann auch die Frage, was sich in diesem Jahr an der Regierungspolitik real verändert hat: Nichts. Weiterhin wird der Bau von Windrädern durch die Regierungspräsidien blockiert, weiterhin wird eine kommunale Förderung der Solarenergie blockiert. Es gibt weiterhin kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz, weiterhin wird der Neubau eines völlig ineffizienten großen Kohlekraftwerks am Standort Staudinger unterstützt. Die Worte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, hörten wir wohl, allein es fehlten die Taten.
Deswegen will ich noch etwas zum Werben der CDU um uns GRÜNE sagen. Herr Koch, noch im Januar war ich in Ihren Augen ein Kommunistenfreund, den man stoppen muss. Dann war die CDU-Mehrheit weg, und am Valentinstag, am 14. Februar, haben Sie entdeckt, dass die GRÜNEN inhaltlich ganz vernünftig sind, und haben uns in der Folge zu einem integralen Bestandteil des bürgerlichen Lagers erklärt. Kaum haben wir angefangen, mit der SPD über eine Koalition zu verhandeln, waren wir in Ihren Augen wieder die größten Arbeitsplatzvernichter, Feinde der Wirtschaft, ein Sicherheitsrisiko – also quasi der Untergang des Abendlandes.
Lieber Herr Koch, offensichtlich wissen Sie selbst nicht so genau,was Sie wollen,außer dem einen:Sie wollen auf der Regierungsbank sitzen bleiben. Sie wissen ganz genau, dass Sie das wollen.
Lieber Herr Ministerpräsident,das wissen auch die Leute. Deswegen ist es aus meiner Sicht alles andere als sicher, dass Sie dort sitzen bleiben werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Das ist richtig! Das ist auch gut so!)