Meine Damen und Herren, Herr Kultusminister, ich bestreite nicht, dass es ein Kraftakt ist, ein offensichtlich in den Grundlagen völlig unzureichendes Gesetz unter Einbeziehung der Träger und ihrer Interessen zu einem zukunftsfähigen Instrument umzugestalten. Ich kritisiere aber, dass diese Landesregierung in den vergangenen zwei Jahren offensichtlich nicht den Willen dazu hatte, voranzukommen. Auch ohne eine fertige neue Finanzierungsgrundlage wäre es möglich gewesen, dem Wunsch der Schulen in freier Trägerschaft zu entsprechen und eine Kommission einzurichten, die sich mit den vielfältigen Problemstellungen auseinandersetzt, die neben der Berechnungsgrundlage in einem neuen Gesetzentwurf gelöst werden müssten. In einer solchen Kommission könnten z. B. die Grundlagen für die Erfassung der Schulkosten der kommunalen Schulträger, Wartefristen für Neugründungen sowie Berechnungsintervalle zur Feststellung der Zuschüsse frühzeitig bearbeitet und dafür eine Position erarbeitet werden.
Dieser Wunsch auf Einrichtung einer Expertenkommission wurde von den Trägern mehrfach an die Landesregierung herangetragen. Frau Henzler hat vorhin die Presseerklärung von Herrn Handwerk zitiert. Dieser Wunsch wurde immer ausweichend beantwortet. Es wäre aus unserer Sicht ein guter Schritt, wenn die Schulen in freier Trägerschaft, die Kommunalen Spitzenverbände und das Land versuchen, für die unterschiedlichen Interessenlagen einen gemeinsamen Weg zu finden.
In der Antwort auf meine Kleine Anfrage steht dazu der lapidare Satz: „Eine Entscheidung, ob, wann und wie eine Arbeitsgruppe institutionalisiert werden sollte, ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.“ – Ich erinnere daran, dass andere Bundesländer diesen Weg längst beschritten haben.Wir können am Beispiel Hamburg sehen, dass es auf diese Art und Weise gelungen ist,in Übereinstimmung mit den freien Trägern eine Grundlage für ein Gesetz zu schaffen und Einigkeit darüber zu erzielen, wie finanziert wird. Das würde Hessen auch gut anstehen.
Frau Henzler,deswegen können wir auch das Anliegen im Antrag der FDP-Fraktion nachvollziehen, eine Anhörung durchzuführen. Das heißt gleichzeitig – darauf möchte ich noch einmal hinweisen –, dass das Parlament sich anschickt, an den Hausaufgaben zu arbeiten, die die Regierung bisher verweigert hat.
Zum Antrag der CDU-Fraktion. Sie loben in immer wieder gleichen Worten das Engagement und den Beitrag der Schulen in freier Trägerschaft für Qualität und Vielfalt im Bildungssystem.
Ich bin sicher, es wäre bei den Trägern noch besser angekommen, wenn dem Lob auch konkrete Handlungsanweisungen an die Regierung gefolgt wären.
(Beifall bei der SPD – Axel Wintermeyer (CDU): Sie haben in Ihrer Regierungsverantwortung gekürzt! – Weitere Zurufe von der CDU)
Ihr Lob beschränkt sich dabei auf allgemeine Würdigungen, sonst müssten Sie auch viele Dinge loben, die in Ihrer eigenen Schulpolitik keinen Platz gefunden haben. Dabei handelt es sich beispielsweise um Lernen ohne Sitzenbleiben, Leistung ohne Noten, Differenzierung ohne Schulformen – das sind Anstöße, die auch die Qualität unseres staatlichen Schulsystems erhöhen könnten –, frühes Erlernen von Fremdsprachen und bilingualen Unterricht.
Das sind erfolgreiche Konzepte. Die Verzahnung von allgemeiner und beruflicher Bildung gehört ebenfalls zur Vielfalt dieser Angebote,während sie an staatlichen Schulen leider immer noch Ausnahmen sind.
Förderschulen für unterschiedlichste Behinderungen und Beeinträchtigungen garantieren den Eltern eine ganzheitliche Förderung mit integrativen Konzepten, die die Entwicklung und bestmögliche Förderung des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt stellen, und das in Ganztagsschulen oder im Internatsbetrieb. Sie sind weit mehr als private Schulen. Herr Weinmeister, ich gebe Ihnen recht, sie erfüllen subsidiär originäre Aufgaben des staatlichen Schulsystems. Immerhin werden fast 15 % der Förderschülerinnen und Förderschüler in diesem Land in Schulen in freier Trägerschaft unterrichtet. Gerade in diesem Bereich führt das völlig veraltete unzureichende Finanzierungsgesetz zu großen Belastungen für die Träger.
Dies sind Impulse und Leistungen, von denen unser Schulsystem lernen kann. Deswegen setzt sich die hessische SPD für einen kontinuierlichen Dialog mit den Schulen in freier Trägerschaft und für ein gerechtes und faires Finanzierungssystem ein. Wir stehen als Sozialdemokraten aus Überzeugung zu einem staatlich verantworteten Bildungssystem. Wir wissen gleichzeitig, dass es viele Ansätze in den Schulen in freier Trägerschaft gibt, bei denen es sich lohnt, sie zu unterstützen.
Es sind nicht nur konfessionelle oder weltanschauliche Überzeugungen, die Eltern dazu bewegen, ihre Kinder in einer Privatschule anzumelden. Es sind vielfach die hervorragenden pädagogischen Angebote und Konzepte, die sie an staatlichen Schulen leider immer noch nicht finden.
Hier gilt es, diese Ansätze zu fördern und gleichzeitig von ihnen zu profitieren, um Schule in Hessen insgesamt zu verbessern. Eine Anhörung des Landtags kann dazu dienen, den Austausch über Anliegen und Angebote der Schulen in freier Trägerschaft zu intensivieren. Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen,dass die Landesregierung diese Aufgabe in den vergangenen Jahren vernachlässigt hat. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einem haben meine Vorredner recht. Es gibt noch keine abgeschlossene Position in der LINKEN zu Privatschulen.
Herr Irmer, ich kann Ihnen an dieser Stelle aber ausführlich darstellen, welche grundsätzliche und differenzierte Position meine Fraktion zum Thema Privatschulen hat. Ich nehme an – das geht vor allen Dingen an die Kolleginnen und Kollegen auf meiner rechten Seite –, dass Sie, wie auch in der Debatte um den Unterricht zum DDRSystem, Ihre Klischees über DIE LINKE nicht in Gänze bedient bekommen. Sie wissen doch sicherlich, warum „das Recht zur Errichtung von privaten Schulen“ in Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz ausdrücklich gewährleistet wurde.
Der Sinn bestand nicht darin, Anlagemöglichkeiten für überschüssiges Kapital im Bildungswesen zu schaffen. Dieser Art. 7 gehört zu den Grund- und Menschenrechten.
(Mark Weinmeister (CDU): Was heißt „überschüssiges Kapital im Bildungswesen“? Das müssen Sie erklären!)
Lassen Sie mich doch bitte einmal reden. – Er resultiert aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus, in dem die Schulen gleichgeschaltet waren.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wie in der Ostzone! – Gegenruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD): Das passt bei jedem Thema!)
Der Sinn bestand und besteht darin, die Freiheit der Bildung vor staatlicher Überreglementierung zu schützen. Daher wird das Bestandsrecht von Schulen und Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft grundgesetzlich garantiert. Daran wird auch DIE LINKE nicht rütteln.
Was ist zum Thema Privatschulen aus bildungspolitischer Sicht zu sagen? Als Erstes: Mein von der CDU im Antrag zitierter Satzanfang: „Ich bin gegen Privatschulen“, bedeutet nicht, dass ich in Gegnerschaft zu einzelnen Schulgemeinschaften, ihrer Lehrer-, Eltern- sowie Schülerschaft stehe.
Im Gegenteil, sehr viele Schulen in freier Trägerschaft mit ihrer aktiven Lehrer- und Elternschaft leisten eine unglaublich engagierte und gute Arbeit.
Frau Habermann hat schon darauf hingewiesen, sie sind sogar Vorbild,indem sie zumindest in Teilen zeigen,was in der Pädagogik alles möglich ist. Zum Beispiel ist gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse möglich. Verzicht auf Nichtversetzung ist möglich.
Verzicht auf Noten ist möglich. Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler als Ressource aufzugreifen ist möglich. Ganztägiger rhythmisierter Unterricht ist möglich. Sie wissen, ich erzähle überall von der ganz hervorragenden evangelischen Ganztagsgrundschule, in die mein Sohn gegangen ist.
Ich möchte erst zu Ende ausführen. – Integrativer, nicht aussondernder und zugleich an den Bedürfnissen behinderter und teilleistungsgestörter Kinder orientierter Unterricht ist möglich.Team-Teaching – Frau Habermann hat es gesagt, Sie auch, Frau Henzler – als Prinzip für die Kooperation unter den Lehrerinnen und Lehrern ist möglich. Individualisierende und kooperative Unterrichtsformen sind möglich. Verantwortliche Mitwirkung von Eltern ist möglich. Ergo, eine gute Pädagogik ist möglich.
Der eine oder andere Punkt wird natürlich auch an öffentlichen Schulen längst umgesetzt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch.
In diesem Sinne haben manche dieser Schulen in freier Trägerschaft durchaus eine Vorbildfunktion. Sie zeigen, was an Entwicklung von unten möglich ist.
(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU):Wir wollen eine konkrete Antwort! – Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))
Meine Güte, fürchterlich. Bitte hören Sie zu, was ich sage. Das ist sehr konkret.Aber Sie wollen nur bestimmte Sachen hören, und die werden Sie sicherlich nicht in der Form hören, wie Sie es möchten.
In diesem Sinne haben manche dieser Schulen in freier Trägerschaft durchaus eine Vorbildfunktion. Sie zeigen, was an Entwicklung von unten möglich ist – viele Schulgründungen gehen aus privaten Elterninitiativen hervor –, was an pädagogischer Innovation in Hessen und Deutschland tatsächlich möglich ist. Damit haben sie eine große Bedeutung.
Aber ich bin gegen Privatschulen, wenn sie mit Gewinnabsicht eingerichtet werden oder wenn sie die soziale Spaltung der Gesellschaft fördern, statt sie zu bekämpfen. Diese Ausführungen von mir am 04.09. haben Sie von der CDU natürlich nicht mehr zitiert.
Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn... eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird.