Protocol of the Session on August 28, 2008

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat ein Gesetz zur Neuregelung der Beteiligung von Unternehmen im Hessischen Privatrundfunkgesetz vorgelegt. Der Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 12. März 2008 festgelegt hat, dass das absolute Verbot für politische Parteien, sich an privaten Rundfunkanstalten zu beteiligen, verfassungswidrig ist.

Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegen § 6 Abs. 2 Nr. 4 des Hessischen Privatrundfunkgesetzes, wonach es politischen Parteien und Wählergruppen verwehrt ist, sich direkt oder mittelbar an privaten Rundfunkunternehmen zu beteiligen, hatte dann der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts mit seinem Urteil festgestellt, dass die Regelungen eben dieses § 6 Hessisches Privatrundfunkgesetz sowohl mit Art. 5 als auch mit Art. 21 unseres Grundgesetzes unvereinbar seien.

Das Bundesverfassungsgericht hatte sodann festgestellt, dass es dem Gesetzgeber freisteht, Parteien die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an privaten Rundfunkunternehmen zu untersagen, wenn dadurch eine bestimmte Einflussnahme auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte verhindert werden soll. Ein absolutes Verbot für politische Parteien, sich an privaten Rundfunkveranstaltungen zu beteiligen, sei jedoch nicht mit der Verfassung zu vereinbaren.

Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks vom Gesetzgeber für Beteiligungen von politischen Parteien an der Veranstaltung und Überwachung von

Rundfunk beachtet werden müsse. Bei der Zulassung von Bewerbern zum Privatrundfunk habe der Gesetzgeber jedoch nicht nur die Meinungsvielfalt und die Staatsfreiheit des Rundfunks zu beachten, sondern müsse auch die Rechte privater Rundfunkbetreiber und die verfassungsrechtlich abgesicherte Position der Parteien berücksichtigen.

Dieser Sachverhalt lasse dem Gesetzgeber, so das Bundesverfassungsgericht, einen weiten Gestaltungsspielraum, der im Jahr 2000 durch die Novelle demnach logischerweise zu Unrecht eingeschränkt wurde. Der Gesetzgeber könne Parteien die Zulassung zu Veranstaltungen von Privatrundfunk verwehren, wenn sie bestimmenden – und das ist das Entscheidende – Einfluss auf Programmgestaltung und Programminhalte nehmen. Entscheidend für die Zulässigkeit der Beteiligung von politischen Parteien ist damit der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte, nicht jedoch – und das war der Knackpunkt – der nominale Anteil am Kapital oder Stimmrechten im Sinne von § 17 des Aktiengesetzes.

Ein absolutes Verbot für politische Parteien, sich an privaten Rundfunkveranstaltungen zu beteiligen, hat das Bundesverfassungsgericht als unzulässige gesetzgeberische Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit bewertet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit der Novelle des Hessischen Privatrundfunkgesetzes aus dem Jahr 2000, die die Landesregierung zu verantworten hat, hat sie eine Bruchlandung erlitten. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgetragen, den Verfassungsverstoß bis zum 30. Juni 2009 durch eine Neuregelung zu beheben. Die SPD-Fraktion hat, um Sie, Herr Grüttner, etwas zu entlasten,

(Lachen des Abg. Mark Weinmeister (CDU))

die Bestimmungen des § 6 HPRG durch den vorliegenden Gesetzentwurf nun so gefasst, dass das Hessische Privatrundfunkgesetz den im März 2008 formulierten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Weinmeister für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD ist in diesem Jahr bekanntlich angetreten, nach der Landtagswahl alle wichtigen Themenfelder in diesem Land zu beackern – ob es um Studienbeiträge, Veränderungen der HGO, Besoldungsfragen oder die Schulpolitik geht. Das alles sind ganz unbestritten wichtige Themenfelder.Heute kommt die Änderung des HPRG. Also muss das auch etwas ganz Wichtiges sein, wenn man kurz nach der Sommerpause dieses Änderungsgesetz einbringt, lieber Kollege Siebel.

Für wen ist das Ganze, was wir heute beschließen sollen bzw. was heute in das Verfahren geht, also interessant? Etwa für Studierende, für Schüler, Landesbedienstete, sozial Schwache oder für die kommunale Familie insgesamt? – Nein, der wirkliche Profiteur dieser Gesetzesän

derung ist die SPD selbst. Die Partei SPD ist der Profiteur dieser Veränderung.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich! – Gegenrufe von der SPD)

Wir als Hessen haben im Jahr 2000 das in das HPRG hineingeschrieben, weil es unser Wille war, dass sich politische Parteien nicht an Rundfunkanbietern beteiligen sollen. Das hat die SPD-Bundestagsfraktion beklagt bzw. ein Normenkontrollverfahren in Gang gesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Das war genau so, wie Kollege Siebel das beschrieben hat. Aber das, was dort entschieden worden ist, bietet einen weiten Spielraum für den Gesetzgeber – das haben Sie gesagt. Aber dass allein ein Hinweis auf Art. 17 des Aktiengesetzes das Entscheidende ist, wie Sie es in Ihrem Änderungsantrag festgelegt haben, das greift unserer Meinung nach zu kurz. Sie haben selbst darauf hingewiesen: Entscheidend ist nicht der nominale Anteil, sondern man muss sehen, wie groß der tatsächliche Einfluss der Parteien ist. Ich glaube, es ist einigermaßen bekannt, dass wir es für grundsätzlich problematisch halten, wenn sich Parteien an Rundfunkveranstaltern beteiligen.

Wir sind aufgrund der Erfahrungen in Hessen sehr misstrauisch geworden. Ich kann mich noch genau an das Jahr 2000 erinnern, als wir damals das HPRG geändert haben. Damals ist erst herausgekommen, dass sich die SPD nicht offen über die dd_vg an FFH beteiligt hat, sondern versteckt über die sogenannte Klaus Lage GbR,hinter der eigentlich die dd_vg, sprich: die SPD, gesteckt hat.

Wenn es denn wirklich alles so harmlos wäre, dann frage ich mich, wieso Sie das so verdeckt gemacht haben, wieso Sie sich getarnt haben und wieso das hier nicht offen und transparent aufgezeigt worden ist.

Wenn das wirklich alles so einfach wäre und ich mir die gesamten Medienunternehmen der Deutschen Druckund Verlagsgesellschaft, der dd_vg, anschaue, dann gehe ich mit dem Staats- und Medienrechtler Walter Schmitt Glaeser konform, der sagt: Hier besteht die Gefahr einer verwischten Gewaltenteilung.

Dieser Konzern, die dd_vg, ist wirklich über die gesamte Bundesrepublik beteiligt: 100 % an der „Westfälischen Rundschau“, an den „Cuxhafener Nachrichten“, an der „Niederelbe-Zeitung“, an der „Neuen Westfälischen“, an dem „Nordbayerischen Kurier“ anteilig mit 62 %, an der „Sächsischen Zeitung“ mit 40 %, an der „Frankfurter Rundschau“ mit 40 % und an der „Frankenpost“.

(Zurufe von der CDU: Das gehört also euch!)

Ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Was noch spannender ist als die Frage der direkten Beteiligung, ist die Frage der mittelbaren Beteiligung.

Die SPD bedient sich hier der Verlagsgesellschaft Erich Madsack. Das ist eine spannende Konstruktion.An dieser Gesellschaft ist die SPD nach eigener Darstellung im Geschäftsbericht mit 23 % beteiligt. Die Erich Madsack GmbH ist aufgrund der Gesellschafterstruktur aber so strukturiert,dass diese 23 % hinsichtlich der tatsächlichen Möglichkeit der Einflussnahme einem Anteil von 30 bis 40 % entsprechen.

Die Verlagsgesellschaft Erich Madsack ist beteiligt an Antenne Niedersachsen, Funk & Fernsehen Nordwestdeutschland,Rheinland-Pfälzische Rundfunk GmbH,An

tenne Thüringen, Antenne Hörfunksender Halle, Antenne Sachsen, NiedersachsenRock 21, Antenne Mecklenburg-Vorpommern und Rockland Radio RheinlandPfalz. Das macht deutlich, dass die Sozialdemokraten über die dd_vg und ihre mittelbare Beteiligung an der Verlagsgesellschaft Erich Madsack überall ihre Finger im Spiel haben.

(Zurufe von der SPD)

Wir sagen sehr deutlich, dass wir genau darauf achten werden, ob die Formulierung, die Sie in Ihrer Änderungsinitiative vorgeschlagen haben, wirklich im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist. Wir haben daran starke Zweifel, und wir werden an der Stelle einen eigenen Änderungsvorschlag einbringen.

(Beifall bei der CDU)

Nächste Wortmeldung: Herr Abg. Hahn, Fraktion der FDP.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will ein bisschen anders, in der Zielrichtung aber genauso beginnen, wie es eben der Kollege Mark Weinmeister getan hat.

Herr Siebel, wir haben uns eben den Vorwurf Ihres Kollegen Rudolph anhören müssen, dass wir uns beim Thema Feiertagsgesetz – ich übersetze es in eine etwas flapsige Sprache – mit Peanuts beschäftigen. Sie von der Sozialdemokratie beschäftigen sich hier mit Peanuts, die ausschließlich die hessische SPD interessieren – nicht mehr und nicht weniger.

(Befall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie haben damit als SPD Ihre eigene Argumentation aus der Debatte konterkariert, haben sie sogar noch überhöht nach dem Motto: „Ich kümmere mich jetzt darum, dass unser SPD-Imperium im Bereich der Medien wieder Einfluss auf die Medien in Hessen nehmen kann.“ Deshalb wird dieser Gesetzentwurf relativ flott vorgelegt.

Herr Kollege Dr. Jürgens, es stimmt nicht, dass wir gezwungen wären, uns heute mit diesem Thema zu beschäftigen. Sie haben vorhin hereingerufen, das habe das Bundesverfassungsgericht so gewollt. Das ist richtig und trotzdem falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Frist gesetzt. Diese Frist läuft in einem Jahr aus. Die Hektik bei den Sozialdemokraten hat also etwas damit zu tun, dass sie auf der einen Seite ihre wirtschaftlichen Interessen durchsetzen wollen, zum anderen aber hoffen, damit auch publizistische Interessen durchzusetzen. Das kann ich nach dem Ergebnis der Umfragen, die Ihnen in den letzten 24 Stunden auf den Schreibtisch gekommen sind, relativ gut nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin der festen Überzeugung, dass es sich bei dem Gesetzentwurf um einen Schnellschuss handelt.So kann man nach meiner rechtlichen Auffassung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2008 nicht auslegen. Das Bundesverfassungsgericht hat festgehalten, dass ein absolutes Beteiligungsverbot dann verfassungs

widrig ist,wenn es sich ausschließlich an der Höhe der Anteile orientiert. So lautete das alte Gesetz – nach dem alten Motto „Wenn du mehr als 0,01 % Anteil hast, dann darfst du das nicht als Partei bzw. als von einer Partei abhängiges Unternehmen“. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: Das geht nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber in der Begründung auf Seite 16 sehr deutlich gesagt – ich zitiere aus dem offiziellen Papier des Bundesverfassungsgerichts –:

Entscheidend ist nicht allein der nominale Anteil am Kapital oder an Stimmrechten, sondern der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte.

Dann kommt ein weiterer wichtiger Satz: „Es obliegt dem Gesetzgeber, hierfür geeignete und nachvollziehbare Kriterien zu normieren.“ Diesen Satz, Herr Kollege Siebel, werden Juristen in der Anhörung sicherlich so interpretieren, dass man Lösungen finden kann, die es weiterhin ausschließen, dass Parteien bzw. von Parteien dominierte Unternehmen Gesellschafter einer Rundfunkeinrichtung in Hessen sein können. Man darf es nur nicht an den prozentualen Umfang der Anteilsscheine binden, sondern man muss fragen: Hat man es mit einem das Programm Beherrschenden oder auf das Programm Einfluss Nehmenden zu tun? Dazu fällt mir viel ein. Dazu fällt auch Ihnen viel ein.Wenn Sie unsere Pressesprecher oder die Medienberater fragen, fällt denen noch viel mehr dazu ein. Sehr verehrter Herr Kollege, diese Sache auf eine Angelegenheit nach § 10 des Aktiengesetzes zu beschränken, wie Sie es in Ihrem Gesetzentwurf tun, greift viel zu kurz.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Was spricht eigentlich dagegen, eine vollkommen transparente Lösung zu finden? Warum wehren sich die Sozialdemokraten so,warum haben Sie sich schon bei der Veröffentlichungspflicht dagegen gewehrt,dass man z.B.festhält, dass bei der „Frankfurter Rundschau“ hinter ungefähr 25 bis 30 % der Gesellschafteranteile die Sozialdemokratische Partei steht? Warum wehren Sie sich dagegen? Wie ist es zu vereinbaren,dass Sie auf der einen Seite den mündigen Bürger haben wollen, ihm aber auf der anderen Seite ganz bewusst verschleiern wollen, dass hinter einigem, was wir im Medienbereich haben, die SPD versteckt ist? Ich finde,das ist eine Verhohnepipelung der Leserinnen und Leser. Eine Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“ war ja ganz ordentlich aufgelegt, indem dort geschrieben stand, dass sie parteipolitisch nicht neutral, sondern von einer Partei abhängig ist. Das war wohl ein Fehldruck an diesem Tag.

(Zurufe von der SPD)

Wieder zurück zum Thema. Ja, das Bundesverfassungsgericht hat uns einen Auftrag erteilt. Wir haben bis zum Sommer des kommenden Jahres Frist, eine Entscheidung zu treffen. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht ausgeschlossen, dass man eine Beteiligung von Parteien an den Medien ausschließen kann. Wir werden deshalb in der Anhörung sehr intensiv herausarbeiten, welche rechtlichen Formulierungen gefunden werden können, dass der Rundfunk in Hessen tatsächlich parteipolitisch neutral bleibt ist. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Nächste Wortmeldung, Herr Dr. Jürgens, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat im März dieses Jahres eine Vorschrift im Hessischen Rundfunkgesetz für verfassungswidrig erklärt.Wir haben jetzt August.Wir gehen derzeit daran, diesen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Herr Hahn, ich bin ein Freund davon, verfassungswidrige Zustände möglichst zügig zu beseitigen. Man muss Fristen, die gesetzt werden, nicht ausschöpfen.