Protocol of the Session on August 27, 2008

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Diskussion, die Sie heute führen, fällt letztlich auf Sie selbst zurück. Deshalb ist der Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN nach Auffassung der Mitglieder unserer Fraktion eigentlich unnötig. Zumindest versucht er aber, einige tendenzielle Formulierungen zu entschärfen und zu objektivieren. Ich denke, er kann in der Ausschussberatung die Grundlage für einen Beschluss sein, der die Sache in den Vordergrund stellt und auf parteipolitische Wertungen verzichtet.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Frau Kollegin Habermann, schönen Dank. – Als Nächste erhält Frau Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Mark Weinmeister (CDU): Ich warte immer noch auf die Entschuldigung!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren!

(Mark Weinmeister (CDU): Frau Cárdenas, wollen Sie sich dieses Mal entschuldigen?)

Ich möchte aus bildungspolitischer Sicht zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Stellung nehmen. Ich möchte zu dieser Sichtweise zurückkehren.

Auch wir LINKE haben ein Interesse daran, welches Bild der DDR den Schülerinnen und Schülern in Ost- und Westdeutschland vermittelt wird.

(Zuruf: Das glauben wir!)

Wir haben auch Interesse daran, dass aus den in diesem Staat begangenen Fehlern gelernt wird.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie sagte „Fehler“! Verbrechen waren das!)

Es gab auch Verbrechen. – Damit soll verhindert werden, dass diese erneut begangen werden. Keine andere deutsche Partei hat sich daher mit der Geschichte der DDR so intensiv wie die LINKE auseinandergesetzt.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP) – Axel Wintermeyer (CDU): Das darf doch nicht wahr sein!)

Jeder Interessierte kann die diesbezüglichen Positionen und Analysen unserer Partei z. B. im Internet nachlesen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das haben wir von Herrn Metz gehört!)

Herr Hahn, Sie können bei mir später gerne eine Notiz abholen, auf der der Link steht.

Dadurch kann man Wissenswertes über den anderen deutschen Staat, die Intention seiner Gründung, die Fehler und Probleme erfahren,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): „Probleme“, das ist niedlich!)

letztlich aber auch über das Unrecht, weshalb er dann auch zu Recht – ich wiederhole: zu Recht – gescheitert ist.

Frau Cárdenas, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hahn?

Ich möchte jetzt gerne für meine Fraktion reden dürfen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): In der Volkskammer wäre das nicht möglich gewesen!)

Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass sich die Fraktionen der CDU und der FDP in besonderer Weise für die Unterrichtsinhalte zum Thema DDR stark machen, auch wenn wir doch sehr verwundert darüber sind, dass ausgerechnet diejenigen, die stets für eine Verkürzung der Schulzeit und eine Entschlackung der Unterrichtsinhalte eingetreten sind, nun feststellen, dass sich die Warnung unserer Fraktion bewahrheitet. Gute Bildung braucht Zeit. Um diese hat unter anderem Ihr Kultusminister die Schülerinnen und Schüler der G-8-Klassen beraubt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass diese zu wenig über die DDR wissen,könnte nun die Konsequenz daraus sein. Dazu haben schon meine Vorrednerinnen und Vorredner Stellung genommen.

Ich möchte nun auf den ersten Punkt Ihres Antrags zu sprechen kommen. Wir unterstützen Ihre Forderung und haben ebenfalls ein Interesse daran, dass die DDR nicht verklärt wird. Denn die DDR gehört auch und insbesondere aus linker Sicht kritisiert. Das ist allerdings etwas ganz anderes als das, dass sich die Partei DIE LINKE hier für die DDR rechtfertigen müsste,wie Sie das von uns womöglich erwarten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): 70 % Ihrer Mitglieder stammen doch aus der SED!)

Bereits auf ihrem außerordentlichen Parteitag im Jahr 1989 hat sich die SED/PDS bei der Bevölkerung der DDR für das von der SED begangene Unrecht entschuldigt und

einen Prozess der unwiderruflichen Trennung von der stalinistischen Tradition der SED begonnen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Begonnen! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sieht Bischof Huber aber ganz anders!)

Die Geschichte der neuen LINKEN ist daher seit Langem nicht mehr nur die Geschichte der DDR oder die Geschichte der DDR-Bürger.

Ich möchte nun auf unsere Kritik an der DDR zu sprechen kommen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sieht Bischof Huber ganz anders! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und Sahra Wagenknecht auch!)

Ich bin nicht mit dem Bischof verheiratet.

(Zurufe)

Ich habe gesagt: Ich spreche für unsere Fraktion. – Die DDR war der erste Versuch, auf deutschem Boden einen sozialistischen Staat zu errichten. Dieser Versuch ist unserer Ansicht nach vor allem aufgrund von zwei Grundübeln gescheitert.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie streben jetzt den zweiten Versuch an!)

Erstens ist er an der Unfähigkeit gescheitert, gerechte Eigentumsverhältnisse zu schaffen. Denn nicht die Arbeiter und Angestellten konnten sich als wahrhafte Eigentümer fühlen. Vielmehr blieb die Verfügungsgewalt hierüber in den Händen der Regierung und der Partei.

Zweitens. Es gab keine wirkliche Demokratie mit dem Souverän Volk. Stattdessen ist die DDR auch an dem systematischen Misstrauen ihrer politischen Führung gegenüber der eigenen Bevölkerung gescheitert.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das klingt irgendwie so lustig! Das klingt so lieb!)

Herr Hahn, aufgrund dieser Sichtweise werden wir als LINKE jeder unkritischen und verklärenden Sicht auf die DDR entgegentreten. Sie können sich sicher sein:Wir haben kein Interesse daran, dass sich Jugendliche, unabhängig davon, ob sie in Ost oder West leben – ich meine also alle Jugendlichen dieser Welt –, unter einem entwickelten Sozialismus das Staatssystem vorstellen, das es in der DDR gab.

Wir haben aber sehr wohl ein Interesse daran, dass sich Jugendliche aus Ost und West für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen und unser derzeitiges Gesellschaftssystem nicht als der Weisheit letzten Schluss begreifen. Da haben Sie recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte jetzt auf den zweiten Punkt Ihres Antrags zu sprechen kommen. Um der Verklärung und der Uninformiertheit zu begegnen, fordern Sie eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung. Eine solche zu leisten wird seit 16 Jahren vom Forschungsverbund SED-Staat versucht. Bislang geschah dies aber nur mit geringem Erfolg.

Ich halte eine andere Sache für mindestens ebenso wichtig.Wir müssen ein differenzierteres Bild der DDR zulassen. Die Verbrechen dürfen nicht bagatellisiert werden. Das darf auf keinen Fall geschehen.Wir müssen aber dem Alltag in der DDR wieder ein Gesicht geben.Wir müssen auf die unterschiedlichen Biografien differenziert eingehen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Am besten sagen wir: Es war gar nicht so schlimm!)

Wir müssen versuchen, die Menschen unter dem ganzen ideologischen Müll wiederzufinden.Wir müssen ihre Verstrickungen sowie ihre Zivilcourage offenlegen.Wir müssen das aber auch hinsichtlich ihrer Unschuld, ihrer Naivität und ihrer Furcht tun.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sind alles Opfer!)

Zu diesem Thema passt auch, dass in der von Ihnen angeführten Studie zu lesen ist, dass von den über 5.000 befragten Schülern vermeintlich diejenigen am besten über die DDR Bescheid wussten, die vom Osten am weitesten entfernt wohnten. Das waren nämlich die bayerischen. Wie kommt das?

(Zuruf von der CDU: Das kommt durch die gute Schulbildung!)