Meine Damen und Herren, die Diskussion, die Sie heute führen, fällt letztlich auf Sie selbst zurück. Deshalb ist der Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN nach Auffassung der Mitglieder unserer Fraktion eigentlich unnötig. Zumindest versucht er aber, einige tendenzielle Formulierungen zu entschärfen und zu objektivieren. Ich denke, er kann in der Ausschussberatung die Grundlage für einen Beschluss sein, der die Sache in den Vordergrund stellt und auf parteipolitische Wertungen verzichtet.
Frau Kollegin Habermann, schönen Dank. – Als Nächste erhält Frau Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE das Wort.
Ich möchte aus bildungspolitischer Sicht zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Stellung nehmen. Ich möchte zu dieser Sichtweise zurückkehren.
Auch wir LINKE haben ein Interesse daran, welches Bild der DDR den Schülerinnen und Schülern in Ost- und Westdeutschland vermittelt wird.
Es gab auch Verbrechen. – Damit soll verhindert werden, dass diese erneut begangen werden. Keine andere deutsche Partei hat sich daher mit der Geschichte der DDR so intensiv wie die LINKE auseinandergesetzt.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP) – Axel Wintermeyer (CDU): Das darf doch nicht wahr sein!)
Jeder Interessierte kann die diesbezüglichen Positionen und Analysen unserer Partei z. B. im Internet nachlesen.
Dadurch kann man Wissenswertes über den anderen deutschen Staat, die Intention seiner Gründung, die Fehler und Probleme erfahren,
letztlich aber auch über das Unrecht, weshalb er dann auch zu Recht – ich wiederhole: zu Recht – gescheitert ist.
Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass sich die Fraktionen der CDU und der FDP in besonderer Weise für die Unterrichtsinhalte zum Thema DDR stark machen, auch wenn wir doch sehr verwundert darüber sind, dass ausgerechnet diejenigen, die stets für eine Verkürzung der Schulzeit und eine Entschlackung der Unterrichtsinhalte eingetreten sind, nun feststellen, dass sich die Warnung unserer Fraktion bewahrheitet. Gute Bildung braucht Zeit. Um diese hat unter anderem Ihr Kultusminister die Schülerinnen und Schüler der G-8-Klassen beraubt.
Dass diese zu wenig über die DDR wissen,könnte nun die Konsequenz daraus sein. Dazu haben schon meine Vorrednerinnen und Vorredner Stellung genommen.
Ich möchte nun auf den ersten Punkt Ihres Antrags zu sprechen kommen. Wir unterstützen Ihre Forderung und haben ebenfalls ein Interesse daran, dass die DDR nicht verklärt wird. Denn die DDR gehört auch und insbesondere aus linker Sicht kritisiert. Das ist allerdings etwas ganz anderes als das, dass sich die Partei DIE LINKE hier für die DDR rechtfertigen müsste,wie Sie das von uns womöglich erwarten.
Bereits auf ihrem außerordentlichen Parteitag im Jahr 1989 hat sich die SED/PDS bei der Bevölkerung der DDR für das von der SED begangene Unrecht entschuldigt und
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Begonnen! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sieht Bischof Huber aber ganz anders!)
Die Geschichte der neuen LINKEN ist daher seit Langem nicht mehr nur die Geschichte der DDR oder die Geschichte der DDR-Bürger.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sieht Bischof Huber ganz anders! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und Sahra Wagenknecht auch!)
Ich habe gesagt: Ich spreche für unsere Fraktion. – Die DDR war der erste Versuch, auf deutschem Boden einen sozialistischen Staat zu errichten. Dieser Versuch ist unserer Ansicht nach vor allem aufgrund von zwei Grundübeln gescheitert.
Erstens ist er an der Unfähigkeit gescheitert, gerechte Eigentumsverhältnisse zu schaffen. Denn nicht die Arbeiter und Angestellten konnten sich als wahrhafte Eigentümer fühlen. Vielmehr blieb die Verfügungsgewalt hierüber in den Händen der Regierung und der Partei.
Zweitens. Es gab keine wirkliche Demokratie mit dem Souverän Volk. Stattdessen ist die DDR auch an dem systematischen Misstrauen ihrer politischen Führung gegenüber der eigenen Bevölkerung gescheitert.
Herr Hahn, aufgrund dieser Sichtweise werden wir als LINKE jeder unkritischen und verklärenden Sicht auf die DDR entgegentreten. Sie können sich sicher sein:Wir haben kein Interesse daran, dass sich Jugendliche, unabhängig davon, ob sie in Ost oder West leben – ich meine also alle Jugendlichen dieser Welt –, unter einem entwickelten Sozialismus das Staatssystem vorstellen, das es in der DDR gab.
Wir haben aber sehr wohl ein Interesse daran, dass sich Jugendliche aus Ost und West für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen und unser derzeitiges Gesellschaftssystem nicht als der Weisheit letzten Schluss begreifen. Da haben Sie recht.
Ich möchte jetzt auf den zweiten Punkt Ihres Antrags zu sprechen kommen. Um der Verklärung und der Uninformiertheit zu begegnen, fordern Sie eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung. Eine solche zu leisten wird seit 16 Jahren vom Forschungsverbund SED-Staat versucht. Bislang geschah dies aber nur mit geringem Erfolg.
Ich halte eine andere Sache für mindestens ebenso wichtig.Wir müssen ein differenzierteres Bild der DDR zulassen. Die Verbrechen dürfen nicht bagatellisiert werden. Das darf auf keinen Fall geschehen.Wir müssen aber dem Alltag in der DDR wieder ein Gesicht geben.Wir müssen auf die unterschiedlichen Biografien differenziert eingehen.
Wir müssen versuchen, die Menschen unter dem ganzen ideologischen Müll wiederzufinden.Wir müssen ihre Verstrickungen sowie ihre Zivilcourage offenlegen.Wir müssen das aber auch hinsichtlich ihrer Unschuld, ihrer Naivität und ihrer Furcht tun.
Zu diesem Thema passt auch, dass in der von Ihnen angeführten Studie zu lesen ist, dass von den über 5.000 befragten Schülern vermeintlich diejenigen am besten über die DDR Bescheid wussten, die vom Osten am weitesten entfernt wohnten. Das waren nämlich die bayerischen. Wie kommt das?