Protocol of the Session on June 5, 2008

Dasselbe gilt für den Finanzplan. Der Kollege Kaufmann hat es richtig beschrieben.Wir müssen von dem Märchenbuch wegkommen, das in der Amtszeit von Minister Weimar und Ministerpräsident Koch sehr ausgeprägt entwickelt worden ist, in dem es globale Mehreinnahmen und Minderausgaben, fast in Milliardenhöhe, nur so hagelte. Dies kann dadurch beseitigt werden, dass die Finanzpläne der Diskussion und der Zustimmung des Landtags unterliegen.

Ich will etwas zu der konkreten Auseinandersetzung sagen. Herr Milde hat es schon angesprochen. Ich meine die Konkretisierung des Deckungsgebotes in Art. 142 HV. Das war die Diskussion, die wir in der letzten Zeit geführt haben.Da gab es die Forderung,dass die Landesregierung bei der Ermittlung der finanziellen Auswirkungen von Anträgen und Gesetzen und von Möglichkeiten des Ausgleichs Hilfe leisten muss. Diese Pflicht ist jetzt in unserem Gesetzentwurf verankert. Dazu muss ich sagen, dass wir sehr vorbildliche Erfahrungen mit Staatssekretär Dr. Arnold gemacht haben. So stelle ich mir die Zusammenarbeit vor.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Mit dem Minister auch!)

Mit dem Herrn Minister auch,aber wegen seiner Krankheit stand er leider nicht zur Verfügung. – Wir wollen verankern, dass das, was positiv praktiziert worden ist, nun auch in der Landeshaushaltsordnung so festgelegt wird. Herr Milde, wenn Sie sich an der Formulierung im Entwurf stoßen, dann sage ich, was Kollege Kaufmann schon gesagt hat,

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

dass dort eingefügt wird, dass solche Änderungsanträge realisierbar und bestimmt sein müssen.Ich habe keine Bedenken, den Gesetzentwurf an dieser Stelle zu korrigieren.

Wir gehen in ein Anhörungsverfahren, und ich wäre froh, wenn Herr Blum seine Ankündigung, dass er ergebnisoffen an die Diskussion herangeht, aufrechterhalten würde. Ich glaube, es ist im Sinne aller Parlamentarier wichtig, dass wir diese Beratungen sehr ernst nehmen. Es geht um das zentrale Recht des Parlaments, das Budgetrecht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat der Herr Minister der Finanzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist keine Kleinigkeit, worüber heute gesprochen wird, weil es das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung grundlegend berührt. Ich sage ausdrücklich: Wenn es bei dem bleibt, was vorgelegt worden ist, wird es auf einen Verfassungskonflikt zulaufen. Deshalb möchte ich meine Ausführungen zu dieser Frage vorlesen und so zu Protokoll geben.

Das ist keine Frage, die sich aufgrund der besonderen Situation dieses Parlaments stellt. Seit vielen Jahrzehnten gibt es ein austariertes Verhältnis zwischen dem Parlament und der Regierung mit Rechten und Pflichten auf beiden Seiten. Deswegen gehört es zu den Besonderheiten dieses Verfahrens, dass wir darüber reden müssen, was die Verfassung an der Stelle zulässt oder nicht zulässt. Das ist völlig unabhängig davon, was streitig ist oder nicht, aber Sie müssen wissen, dass die Landesregierung bei we

sentlichen Teilen dessen, was vorgelegt worden ist, größte verfassungsrechtliche Bedenken hat.

Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Ich habe mich als Finanzminister eigentlich immer bemüht, dass wir, indem wir uns wechselseitig informieren, auf einer vernünftigen Basis miteinander diskutieren können, dass wir den Haushaltsausschuss dazu nutzen, auch außerhalb der Tagesordnung Informationen zu geben,dass wir Ihnen z. B. über das Budgetbüro Informationen zusätzlicher Art geben und hier zu einem Verhältnis kommen, das es erlaubt, dass wir bei allem politischem Streit um die Frage, ob man den Haushalt linksherum oder rechtsherum strickt, was ganz normal ist und dazugehört, an bestimmten Punkten zusammenkommen, wie die tatsächlich gelebte Realität in unserem Haushaltsausschuss ist. Ich spreche an der Stelle vom Haushaltsausschuss, weil da die Fachleute sitzen. Das ist in Teilen durchaus anders, als es noch vor 10 oder 15 Jahren war. Es gibt aber aus unserer Sicht Grenzüberschreitungen bei dem, was vorgetragen worden ist, und das kann die Regierung in dieser Frage – auch für zukünftige Regierungen – so nicht akzeptieren.

Meine Damen und Herren, es geht bei dem, was hier vorgetragen wird, nicht um den Haushaltsplan, sondern es geht um das Haushaltsrecht des Landes, also um die grundlegenden Ordnungsprinzipien und Verfahrensregeln, von denen die öffentlichen Haushalte bestimmt werden. Ein kurzer Blick auf den von der SPD-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung der Landeshaushaltsordnung genügt schon, um in aller Klarheit zu erkennen, was die Antragsteller zu diesem Vorhaben bewegt und was sie antreibt. Ich spreche es einmal deutlich aus. Es geht darum, eine machtpolitische Position zu verändern und aus einer kurzfristigen Situation des Landtags heraus über eine grundlegende Änderung des Haushaltsrechts, über eine Instrumentalisierung dieses Rechts dazu zu kommen, dass der Einfluss des Parlaments in dieser Frage größer wird.

Wir haben in Hessen seit 1970 eine Landeshaushaltsordnung, in der die jeweiligen Rechte und Pflichten des Parlaments und der Regierung auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes beschrieben sind.Der geltende Rechtsrahmen ist durch ein austariertes Verhältnis zwischen den beiden Verfassungsorganen, dem Parlament einerseits und der Regierung andererseits, bestimmt und hat sich über Jahrzehnte hinweg praktisch bewährt. Der Antrag zielt darauf ab, dieses austarierte Verhältnis einseitig zulasten der Kompetenzen der Landesregierung zu verschieben.

Dieses Ziel werden Sie aus meiner Sicht allerdings nicht erreichen, denn der Gesetzentwurf steht nach Auffassung der Landesregierung in weiten Teilen nicht auf dem Boden der Hessischen Verfassung. Er verstößt überdies gegen Bundesrecht und ist zudem nicht praktikabel. Lassen Sie mich vorab nur die wichtigsten Kritikpunke benennen.

Der Versuch, ein Budgetinitiativrecht des Landtags in die Landeshaushaltsordnung hineinzuschreiben, verletzt das Prinzip der Gewaltenteilung und steht nicht in Einklang mit der Hessischen Verfassung. Ähnlich kritisch zu betrachten ist die beabsichtigte Normierung einer Pflicht der Landesregierung zur Erstellung von Nachtragshaushalten in § 33 LHO. Auf beide Punkte, Budgetinitiativrecht und Pflicht zur Erstellung von Nachtragshaushalten, werde ich noch näher eingehen. Die Ausgleichsregelung in § 10 Abs. 4 LHO widerspricht Art. 142 der Hessischen

Verfassung, der eine konkrete Bestimmung und Benennung der Deckung verlangt. Die uneingeschränkte Ausweitung des Landtagsvorbehalts im Haushaltsvollzug, § 22 LHO – bisher sind Sperrvermerke dem Hessischen Landtag nur in Ausnahmefällen gestattet –, konterkariert die verfassungsmäßige Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Exekutive und begegnet daher erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein eigener uneingeschränkter Zugang zum Datenverarbeitungssystem der Landesregierung nach § 31 Abs. 4 LHO neu stellt eine Verletzung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung einer Regierung dar und steht im erkennbaren und eklatanten Widerspruch zur Hessischen Verfassung, die in Art. 91 einen begrenzten Auskunftsanspruch des Parlaments vorsieht, wie das auch in allen anderen Verfassungen deutscher Länder der Fall ist.

Ihr Gesetzentwurf kollidiert aber nicht nur mit Verfassungsrecht, sondern setzt sich auch über zahlreiche Vorschriften des Haushaltsgrundsätzegesetzes hinweg, das die Länder verpflichtet, ihr Haushaltsrecht nach diesen einheitlichen Grundsätzen zu regeln.

Im Widerspruch zu diesen bundeseinheitlichen Vorgaben wollen Sie in Ihrem Gesetzentwurf etwa die Möglichkeit einer Gliederung des Haushaltsplans nach Buchungskreisen und Produkten schaffen, die Begriffe „Finanzierungsübersicht“ und „Kreditfinanzierungsplan“ neu definieren, die mittelfristige Finanzplanung, die rechtlich eindeutig als Regierungsplanung ausgestaltet ist, von der Zustimmung des Parlaments abhängig machen sowie die Buchführung ausschließlich an doppischen Grundsätzen ausrichten.

Zu dem Thema Praktikabilität. Die vorgesehene Aufstellung und Veröffentlichung des Gesamtabschlusses des Landes innerhalb der ersten drei Monate des nachfolgenden Geschäftsjahres ist ebenso lebensfern wie unmöglich und wird selbst großen Kapitalgesellschaften nicht zugemutet. Überdies würde das die Arbeit unseres Rechnungshofs, der die Jahresabschlüsse zu prüfen hat, unangemessen einschränken. Ich glaube nicht, dass dies unserem gemeinsamen Verständnis von einer unabhängigen Rechnungsprüfungseinrichtung entspricht.

Ich glaube, damit ist belegt, worum es dem Antragsteller geht. Es geht um den Versuch der Beschneidung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte des Verfassungsorgans Landesregierung – ein, wie ich meine, untauglicher Versuch, der auf einem in weiten Teilen finanzverfassungsrechtlich und bundesrechtlich determinierten Rechtsgebiet zum Scheitern verurteilt ist.

(Unruhe)

Ich weise gerade darauf hin, dass sich das Parlament möglicherweise in einen erheblichen Verfassungskonflikt mit der Landesregierung begibt. Aber die Aufmerksamkeit ist ausgesprochen begrenzt. Ich wäre wirklich dankbar, wenn man das registrieren würde.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Es mag sein, dass dies nicht registriert wird. Aber dann darf sich hinterher keiner wundern, wenn es zu heftigen Auseinandersetzungen kommt.

Es geht also um den Versuch der Beschneidung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte des Verfassungsorgans Landesregierung – ein, wie ich meine, untauglicher Versuch, der auf einem in weiten Teilen finanzverfas

sungsrechtlich und bundesrechtlich determinierten Rechtsgebiet zum Scheitern verurteilt ist.

Deshalb gehen Sie wohl in dem Gesetzentwurf mit keinem einzigen Wort auf diese finanzverfassungsrechtliche Problematik ein. Ebenso wenig wird die fehlende Kongruenz mit dem Haushaltsgrundgesetz erwähnt oder gar begründet.An der Stelle hätte ich mehr juristische Gründlichkeit erwartet, wenn das bei der Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs schon ein Thema sein soll.

Lassen Sie mich auf einige wenige Punkte des Gesetzentwurfs näher eingehen. Andere müssen aus Zeitgründen im Haushaltsausschuss erörtert werden. Soweit der Gesetzentwurf ein Budgetinitiativrecht des Landtags festzuschreiben versucht, will ich es mir nicht so einfach machen und lediglich auf die Rechtsposition hinweisen, die Herr Starzacher 1998 vertreten hat.

Diese Äußerung ist hier schon nachdrücklich zitiert worden. Damals wurde sie von Rot-Grün unterstützt. Man sieht gelegentlich, dass die Haltung zu der Frage davon abhängt, ob man sich in der Regierung oder in der Opposition – oder wie auch immer man das definieren will – befindet.

Jedenfalls bleibt es bei der rechtlichen Beurteilung, die Herr Starzacher damals formuliert hat. In der gesamten Bundesrepublik ist nirgendwo ein Budgetinitiativrecht eines Parlaments vorgesehen.

(Norbert Schmitt (SPD): Die haben andere Verfassungen!)

Im Grundgesetz für den Bund und in vielen Länderverfassungen ist das sogar ausdrücklich ausgeschlossen.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja eben, die haben andere Verfassungen, Herr Minister!)

Dies gilt explizit für Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Soweit die Landesverfassungen zu diesem Punkt schweigen – die Hessische Verfassung gehört dazu –, versteht sich das Einbringungsmonopol der jeweiligen Landesregierung im historischen Kontext von selbst. Das Parlament hat nämlich von Verfassungs wegen keinen Zugang zu den Informationen, auf deren Grundlage sich ein Haushalt überhaupt erst erstellen lässt. Ein allgemeiner Anspruch im Sinne einer umfassenden Information über sämtliche bei der Aufstellung des Haushalts zu beachtenden Faktoren ist der Verfassung fremd.

Ich will es mir an dieser Stelle sparen, auf die praktischen Konsequenzen im Fall eines parlamentarischen Budgetinitiativrechts einzugehen. Vielleicht können die Antragsteller im Haushaltsausschuss einmal kurz ihre Vorstellungen zum Besten geben, wie und mit welchem Instrument das Parlament allein den technischen Ablauf einer Haushaltsaufstellung bewältigen will.

Für die weiterhin vorgesehene Pflicht der Landesregierung, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, sieht die Hessische Landesregierung – wenn der Landtag das so beschließt – keine verfassungsrechtliche Grundlage. Ich erwähne hier das Urteil des Staatsgerichtshofs anlässlich der Klage der SPD-Fraktion gegen den Nachtragshaushalt 2002, in dem sich das höchste hessische Gericht auch zu der Frage geäußert hat, wann ein Nachtragshaushalt vorzulegen ist.

Der hessische Staatsgerichtshof sieht, um die Rechte des Parlaments zu wahren,nur dann die Pflicht zur Vorlage eines Nachtragshaushalts, wenn eine erhebliche Abwei

chung der Veranschlagung im Haushaltsplan zu der tatsächlichen Entwicklung mit hinreichender Sicherheit erkennbar wird und der Exekutive keine vertretbaren anderen Möglichkeiten mehr zur Verfügung stehen, einen Haushaltsausgleich zu erreichen.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber das steht bei uns drin!)

Herr Minister, die vereinbarte Redezeit ist zu Ende.

Ich bin fast am Ende meines Beitrags. Aber, wie gesagt, das ist relativ wichtig. Ich bitte Sie, das zu entschuldigen.

Dabei kann die Entscheidung, ob ein Nachtragshaushalt zu erstellen ist oder eine andere, weniger gravierende Maßnahme zur Bewahrung des Haushaltsausgleichs ausreicht, vernünftigerweise nur in die Zuständigkeit der Landesregierung fallen.

Ein völlig unakzeptabler Punkt des Gesetzentwurfs ist die vorgesehene Verankerung eines DV-technischen Zugangs zu dem Buchführungssystem der Landesregierung. Hier wird offenbar verkannt, dass der Haushaltsvollzug in der alleinigen Zuständigkeit der Landesregierung liegt und dem Gesetzgeber kein generelles unbeschränktes Zugriffsrecht auf die Informationsbasis der Landesregierung zusteht.

Im Übrigen leuchtet mir nicht ein, was das Parlament ohne eine fachkundige Kommentierung durch die Landesregierung mit den nackten Zahlen aus der Buchführung anfangen will. Eine unkommentierte Datenwüste wird bei den Abgeordneten nicht zu einem Mehr an Information, sondern zu einem Mehr an Desinformation führen.

In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, dass wir im Landtag gemeinsam ein Budgetbüro installiert und mit dem Institut der Budgetanfrage ein, wie ich meine, geeignetes Instrument für schnelle Auskünfte aus dem Buchführungssystem der Landesregierung geschaffen haben. Wenn Sie das nicht mehr wollen, sondern sich, wie auch immer, die Informationen direkt aus unserem SAPSystem besorgen möchten, steht die Kooperationsvereinbarung einschließlich der vierteljährlichen Budgetberichte auf dem Prüfstand.

Mit diesen Anmerkungen möchte ich es bewenden lassen. Ich wollte nur diese Bedenken hier vortragen.

Aber Folgendes darf ich den antragstellenden Fraktionen zum Schluss mit auf den Weg geben: Jedem ist die besondere politische Situation bewusst, die wir zurzeit in Hessen haben. Niemand ist damit zufrieden. Aber das ist in meinen Augen kein Grund, sich leichtfertig und bedenkenlos von einem bewährten und über Jahrzehnte gewachsenen Rechtssystem, wie dem Haushaltsrecht, zu verabschieden. Noch nie hat es sich im Staatswesen gelohnt, aus einer schwierigen Situation heraus gleich die Grundfesten der Verfassungsordnung über Bord zu kippen.

Glücklicherweise besitzt das Land eine Verfassung, die solchen Bestrebungen enge Grenzen setzt. Die Landesregierung wird im weiteren Verfahren sehr sorgfältig darauf zu achten haben, dass ihre verfassungsmäßig garantierten Rechte auch in Zukunft gewahrt bleiben. Ich sage Ihnen:

Nachfolgende Regierungen und Parlamente werden dankbar sein, dass wir an dieser Stelle einen solchen unzumutbaren Angriff abwehren. – Ich danke Ihnen.