Während Sie einerseits viel Geld in Hochglanzbroschüren zur Vermarktung der Ehrenamtskampagne stecken, wurden vielen Institutionen im sozialen Bereich die Mittel gestrichen, die notwendig gewesen wären, um vielfältige ehrenamtliche Arbeit zu organisieren und zu koordinieren.
Ich nenne beispielhaft Frauenhäuser, Suchtberatungsstellen, pro familia, Erziehungsberatung, Schuldnerberatung, soziale Brennpunkte und vieles mehr. Die Liste ist noch wesentlich länger.
Ehrenamt ist eine wichtige Ergänzung zu hauptamtlichen Tätigkeiten. Es ist sozusagen der Kitt der Gesellschaft, kann aber hauptamtliche Tätigkeit nicht ersetzen. Der lauwarme Händedruck eines Ministers ist kein Ersatz für eine grundlegende soziale Infrastruktur, wie sie vor der „Operation düstere Zukunft“ noch vorhanden war.
Meine Damen und Herren, unter Punkt 3 a wird in der Großen Anfrage gefragt, welche Rahmenbedingungen die Landesregierung geschaffen hat, um ehrenamtlicher Tätigkeit eine Grundlage zu geben. Interessant wäre hier eine Gegenüberstellung, aus der erkennbar wäre, wie weit mit der „Operation düstere Zukunft“ Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement zerschlagen wurden,
Ehrenamt zum Ausfallbürgen für hauptamtliche Beschäftigung gemacht wurde und ehrenamtlich Tätige durch den Wegfall des Landesanteils bei Kofinanzierungsmaßnahmen demotiviert wurden.
Auch wenn das Ehrenamt grundsätzlich auf Freiwilligkeit basiert und eigentlich Freude machen sollte, ist der gesellschaftliche Nutzen meist weitaus größer als der Nutzen für diejenigen, die dort tätig sind. Die Mittel, die von den Kommunen und vom Land aufgewendet werden, werden meist um ein Vielfaches von dem Gegenwert übertroffen, der durch die kostenlose Bereitstellung von Arbeitskraft entsteht. Schon deshalb kann ehrenamtliche Tätigkeit nicht hoch genug gewürdigt werden, und gerade deshalb ist es wichtig, dass Land und Kommunen denjenigen, die bereit sind, ihre Zeit und Arbeitskraft in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, optimale Rahmenbedingungen schaffen.
Die SPD-Fraktion sieht Investitionen in Ehrenamt als eine der wichtigsten Zukunftsinvestitionen an. Bezüglich der gesellschaftlichen Wertschätzung von bürgerschaftlichem Engagement gibt es noch viel zu verbessern. Leider gelten diejenigen, die zusätzlich zu Familie und Beruf viel Zeit opfern, um freiwillig für andere Arbeiten zu übernehmen, immer noch als willkommene Deppen, die die Annehmlichkeiten des Egoismus nicht für sich entdeckt haben.
Dies muss sich ändern. Ich halte diese Einstellung für bedauerlich, und deshalb fordere ich, dass sich diese Einstellung in der breiten Bevölkerung ändert.
Meine Vorredner haben die positive Bilanz im Ehrenamt bereits herausgestellt. Lassen Sie mich deshalb auf einige Punkte hinweisen, die verbesserungsbedürftig sind. Die Antwort auf die Große Anfrage bleibt leider stark an der Oberfläche und lässt viele Fragen offen. Lassen Sie mich hier nur einige Beispiele nennen.
Wie lässt sich beispielsweise bei der Vergabe des Landesehrenbriefs die Benachteiligung von Frauen verändern? Obwohl mittlerweile mit 37 % fast genauso viele Frauen wie Männer ehrenamtlich tätig sind – bei Männern sind es 41 % –,sind bei der Verleihung des Landesehrenbriefs die Frauen sehr stark unterrepräsentiert.
Zudem fällt auf, dass Landesehrenbriefe weitaus öfter für kommunalpolitische und öffentlichkeitswirksame Tätigkeiten vergeben werden als für Tätigkeiten im sozialen und karitativen Bereich.
Hier hätte ich mir Gedanken gemacht, wie dieses Missverhältnis verändert werden kann. Sie sind gerne aufgefordert, im Ausschuss Vorschläge dazu zu machen.
Meine Damen und Herren, Herr Klee, eine große Ansammlung von Posten und Titeln bedeutet nicht immer, dass dort auch die meiste ehrenamtliche Tätigkeit geleistet wird. Oftmals verrichten Personen, die in der zweiten Reihe stehen – das sind wiederum meist Frauen –, mehr und wichtigere ehrenamtliche Arbeit. Viele tun es neben Beruf und neben Familientätigkeit.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion unterstützt die vielfältigen Initiativen, die der Förderung bürgerschaftlichen Engagements dienen. Deshalb bedarf es weiterhin einer aktiven Vereins-, Sport- und Jugendförderung, einer angemessenen Infrastruktur für sportliche, kulturelle und soziale Aktivitäten, einer unentgeltlichen Bereitstellung von Sporthallen für Vereine und Initiativen.Es bedarf Freiwilligenagenturen und anderer verlässlicher Anlaufstellen für ehrenamtlich Tätige, um nur einige der Notwendigkeiten zu benennen.
Eine weitere wichtige Frage dazu ist die im Antrag der GRÜNEN angesprochene, wie die Vergabe der Ehrenamts-Card und der Jugendleiter-Card gerechter gestaltet werden kann. Insbesondere von den Feuerwehren höre ich oft die Klage, dass es viel zu wenige Ehrenamts-Cards gibt, um eine halbwegs gerechte Verteilung vornehmen zu können.
Deshalb hat der Feuerwehrverband des Kreises Bergstraße es abgelehnt, überhaupt Ehrenamts-Cards zu verteilen.Er hat argumentiert,die Ehrenamts-Cards könnten von viel mehr Personen in Anspruch genommen werden, als Karten vergeben werden können. Das heißt, es erfüllen viel mehr ehrenamtlich Tätige die Vergabekriterien.
Eine weitere wichtige Frage ist, wie bei Arbeitgebern mehr Akzeptanz für ehrenamtlich Tätige geschaffen werden kann. Auch hier geht das Land Hessen nicht unbedingt mit gutem Beispiel voran. Ich erinnere nur an die Diskussion über Dienstbefreiung und Freistellung für kommunale Mandate und ehrenamtliches Engagement. Nicht nur, dass hessische Beamte jetzt 42 Stunden in der Woche arbeiten müssen, es gibt auch Anweisungen, dass Bediensteten das Vor- und Nacharbeiten von Abwesenheiten im Rahmen von ehrenamtlicher Tätigkeit zugemutet werden kann und Dienstbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeiten nur noch in besonderen Härtefällen gewährt werden soll.
Meine Damen und Herren, für mich drängt sich manchmal der Eindruck auf, dass diese Landesregierung ehrenamtliches Engagement nur so weit fördert, wie es ihr ins Konzept passt. Unterstützung finden Bürgerinnen und Bürger nur so lange, wie sie unentgeltlich Aufgaben übernehmen, für die staatlicherseits kein Geld vorhanden ist. Wenn Ehrenamtliche aber mitberaten, mitgestalten und mitentscheiden wollen wie beispielsweise im Naturschutz, ist die Landesregierung sehr zurückhaltend. Ich erinnere hier an die Diskussion um das Dritte Verwaltungsstrukturreformgesetz. Dort, wo es unbequem wird, schränken Sie die Mitsprache und das Mitbestimmungsrecht von ehrenamtlich Tätigen gerne ein.
Wenn wir von der Privatwirtschaft mehr Verständnis für ehrenamtlich Tätige erwarten, dann sollte das Land mit gutem Beispiel vorausgehen.
Meine Damen und Herren,eine starke Bürgergesellschaft besteht nicht nur aus engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Sie braucht auch die Unterstützung vom Staat, von der Wirtschaft und vom Rest der Gesellschaft. Es geht darum, die Kräfte der Selbstorganisation und der Eigenverantwortung zu stärken, ohne sie zu Lückenbüßern für den Ausfall staatlicher Leistungen zu machen.
Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen ehrenamtlicher Arbeit gehört auch, deutlich zu machen, dass ein Ehrenamt Bewerber um einen Arbeitsplatz nicht diskriminiert, weil Fehlzeiten entstehen könnten, sondern zusätzlich qualifiziert, weil im Zweifelsfalle auch im Job überdurchschnittliches Engagement an den Tag gelegt wird. Auch wenn die Ehrenamtskampagne der Landesregierung in nicht unerheblichem Maße der Selbstdarstellung dient, räume ich ein, dass es auch wichtige motivationsfördernde und lobenswerte Elemente gibt.
Viele Verbesserungen im ehrenamtlichen Bereich in Hessen sind aber auch darauf zurückzuführen, dass die rotgrüne Bundesregierung erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um ehrenamtlich Tätigen ihre Arbeit zu erleichtern.
An Beispielen – einen Teil haben Sie auch in Ihrem Antrag aufgeführt – nenne ich hier nur die Entbürokratisierung des Spendenrechts, die Anhebung der Übungsleiterfreibeträge, die Erweiterung der gesetzlichen Unfallversicherung, die Gleichstellung von Helfern in Rettungsorganisationen mit zivilen Ersthelfern, die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Freiwilligenagenturen.
Die Würdigung in Form von Ehrungen und Auszeichnungen ist sicherlich ein wichtiger Bestandteil zur Förderung von Ehrenamt. Sie ist Anerkennung und Motivationsschub. Aber kaum einer übt ein Ehrenamt nur aus dem Grunde aus, weil er dafür ein Pin für das Revers oder eine Urkunde für die Wand erwartet.Auch ein Händedruck eines Ministers dürfte keine ausreichende Motivation sein.
Ehrenamt braucht verlässliche Strukturen und die Gewissheit,nicht als Lückenbüßer ausgenutzt zu werden.Ein Signal in die falsche Richtung war sicherlich die Einführung des bezahlten freiwilligen Polizeidienstes.
Vor dem Hintergrund, dass dieser freiwillige Dienst mit 7 c in der Stunde entlohnt wird, müssen sich Feuerwehrleute und Mitarbeiter bei Rettungsdiensten doch abgewertet vorkommen.Als Hohn empfinde ich folgende Formulierung in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage – ich zitiere –:
Der freiwillige Polizeidienst bietet Menschen die Möglichkeit, sich für die innere Sicherheit ehrenamtlich zu engagieren....
Freiwilliger Polizeidienst und das Engagement in Präventionsgremien verfolgen den Ansatz, Menschen, die aus ihrem Selbstverständnis heraus einen
Beitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage leisten wollen, die Möglichkeit zu geben, dies im Rahmen eines Ehrenamtes zu tun.
Für 7 c in der Stunde. Wohlweislich werden in der Antwort die Bezahlung und damit die Schaffung eines Zweiklassenehrenamtes verschwiegen.