„Atemberaubend!“, ruft Herr Kollege Wintermeyer, ich kann ihn nur bestätigen –, stelle ich fest, dass dies sehr solide und wohl überlegt war. Deswegen weise ich Ihren Versuch, uns Nachhilfe zu geben, entschieden zurück.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich zur inhaltlichen Frage der Richtwerte komme, werde ich es Ihnen auch bei diesem vierten Gesetzentwurf nicht ersparen, Ihnen die passenden Worte dazu zu sagen. Ich finde es wirklich absolut unmöglich, was Sie diesem Hause antun.
Sie bringen das vierte Mal einen Gesetzentwurf ein. Es ist immer wieder das Gleiche. Das mag unter Showgesichtspunkten oder anderen Gesichtspunkten vielleicht besonders tunlich erscheinen, aber es tut der Arbeit in diesem Hause nicht gut, wenn Sie uns hier immer wieder mit solchen Fragen beschäftigen.
Ich halte das für eine Zumutung. Ich finde es okay, Ihre Kritik zum Schulgesetz in den Landtag einzubringen. Aber hier Gesetzentwürfe vorzulegen – nun den vierten Gesetzentwurf –: Mitarbeiter müssen beschäftigt werden usw. Das sind Spielchen. Meine Damen und Herren, das ist unseriös. Das will ich hier noch einmal deutlich machen.
Ich wage, laut mit Ihnen darüber nachzudenken, die Regierung würde in jedem neuen Plenum wieder ein Artikelgesetz zu einem Gesetz einbringen und an einem bestehenden Gesetz herumfuhrwerken: Sie würden zu Recht Kritik an einem solchen Verfahren üben.
Ich sage Ihnen: Das, was Sie hier machen, ist unmöglich. Kehren Sie bitte zu einem geordneten Verfahren zurück.
Lassen Sie mich zum Inhalt kommen. Das ist sicherlich eine der spannenderen Fragen. Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass die Richtwerte, die wir im Schulgesetz verankert haben, gerecht sind. Ich komme auf das merkwürdige Gerechtigkeitsempfinden der SPD und des Kollegen Quanz gleich zurück. Wir versuchen, die Schulentwicklungsplanung demographiefest zu machen. Ich denke, das ist der wesentliche Punkt in § 144a. Wir haben ein sehr ausgewogenes und, wie ich finde, sehr sensibles System gefunden – bei allen Schwierigkeiten im Einzelfall, Herr Kollege Quanz. Die Beispiele können auch Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion anführen. Es ist im Einzelfall sehr schwierig, aber insgesamt, über das gesamte Land Hessen gesehen, ist es ein sehr ausgewogenes und sensibles System.
Wenn Sie in der Pressemitteilung in der vergangenen Woche – ich darf das zitieren – von der „faktischen Erhöhung der Mindestgrößen“ sprechen, dann muss ich sagen: Das ist der Hammer. Ich erinnere mich noch daran, wie Sie 1998 – da war der Kollege Holzapfel noch Kultusminister – mit dieser Verordnung zu Mindestgrößen und Höchstgrößen herumgespielt haben. Sie hatten Pläne in der Schublade, die Mindestgrößen nach oben zu setzen. Das wäre mit Sicherheit der Tod vieler Schulen gewesen. Das,
was wir mit den Richtwerten gemacht haben, gibt den Schulträgern gerade die Möglichkeit, auf bestimmte Situationen zu reagieren.
Das, was Sie damals vorhatten, wäre tatsächlich Schulentwicklungsplanung mit dem Holzhammer gewesen. Das haben wir gerade nicht gemacht.
Zu dem merkwürdigen Gerechtigkeitsempfinden der SPD will ich in den Raum werfen: Der Vorteil der einen Schule ist der Nachteil der andere Schule.– Das ist so.Das wird bei den begrenzten Ressourcen in unserem Land auch immer so bleiben.
Das Gesetz lässt die Schulentwicklungsplanung bei den Schulträgern. Die Schulträger hatten in den vergangenen Jahren zunächst die Chance, sich durch entsprechende Schülerlenkung darum zu bemühen,so schwer das im Einzelfall ist, dass es nicht zu Maßnahmen kommen musste.
Herr Kollege Quanz, Sie haben angesprochen, dass Räumlichkeiten leer stehen müssen. Das ist nicht zwingend so. Dort, wo tatsächlich keine Schüler sind, wird man möglicherweise dem Schulträger den Vorwurf machen, dass man dort vor fünf oder zehn Jahren die Situation nicht richtig eingeschätzt hat. Aber der Schulträger kann durch entsprechende Lenkungsmaßnahmen selbst Sorge dafür tragen, dass das Szenario, das Sie gerade beschrieben haben, nicht eintritt, vorausgesetzt, die Schülerinnen und Schüler sind insgesamt da. Dazu komme ich gleich in einem weiteren Punkt.
Ich halte es aber für entscheidend,dass das Land am Ende noch die Möglichkeit hat, auch an dieser Stelle in die Schulentwicklungsplanung einzugreifen, weil der Rechnungshof nicht zu Unrecht im Jahre 2002 – ich habe mir den Bericht noch einmal angeschaut – darauf hingewiesen hat, dass das Land, das die Lehrer zur Verfügung stellt, darauf angewiesen ist, dass die Schulträger vor Ort in zum Teil schwierigsten Situationen eine vernünftige und effiziente Schulentwicklungsplanung machen. Dass das nicht immer möglich ist, wissen Sie alle in diesem Hause.
Ich nehme ein Beispiel aus meinem eigenen Kreis, wo ich selbst ein Stück weit beteiligt war. Die Tatsache, dass wir bis vor zweieinhalb Jahren sieben Hauptschulstandorte im Rheingau hatten, ist eine Situation, die nur politisch und nicht mit schulpolitischer Vernunft zu erklären ist, weil keiner den Mut hatte, entsprechende Maßnahmen durchzuführen.Wir können es uns als Land nicht gefallen lassen, dass unsere Lehrer von einem unmutigen oder wenig tapferen Schulträger ausgebucht werden und dadurch ineffiziente Strukturen entstehen. Insofern ist es meiner Ansicht nach richtig, dass wir uns diese Möglichkeit mit § 144a eröffnet haben. Das wird letztendlich bei vernünftiger Betrachtung auch niemand bestreiten können.Wie gesagt: Der Landesrechnungshof hat bereits im Jahr 2002 darauf hingewiesen.
Meine Damen und Herren, der Kollege Quanz war so freundlich und hat die Frage der Klassenbildung angesprochen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir effiziente und gerechte Strukturen haben. Es ist nicht in Ordnung, wenn wir – ich habe mir die Zahlen des letzten Jahres aus dem Internet herausgesucht – durchschnittliche Klassengrößen – um bis zu fünf Schülern abweichend – bei den einzelnen Schulträgern in den verschiedenen Schulzweigen haben. Bei den Hauptschulen liegen z. B.
die Klassengrößen in der Stadt Gießen zwei Schüler unter dem Durchschnitt. Die Stadt Gießen hatte in den Hauptschulen unter 18 Schüler in einer Klasse. Dagegen waren in den Hauptschulen der Stadt Wiesbaden über 3 Schüler mehr in der Klasse als im Schnitt, also über 23 Schüler. Das macht deutlich, dass wir als Land ein bisschen Verantwortung dafür tragen müssen, dass wir einigermaßen vergleichbare Strukturen über das Land hinweg bekommen.
Deswegen ist es richtig, dass wir mit dem Richtwert einen Anhaltspunkt eingesetzt haben, der uns ermöglicht, auf diese Ungerechtigkeiten Einfluss zu nehmen. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir parallele Schulangebote haben, sodass beide Schulen „zum Leben zu wenig haben“ und dass in beide Strukturen Lehrer hineingesteckt werden, wenngleich man auf der anderen Seite beim Zusammenlegen solcher Strukturen vernünftige und effiziente Bildungsangebote bilden könnte.
Ich denke, dass es vernünftig ist, dass wir diese Möglichkeiten haben. Ich denke, dass das Kultusministerium so, wie es darauf reagiert hat, sehr umsichtig entschieden hat. In der ersten Runde sind 50 Ausnahmegenehmigungen erteilt worden. Das zeigt, dass das Kultusministerium eben nicht mit einem Rechenschieber herangegangen ist, sondern dass es sehr sensibel versucht hat, darauf zu reagieren, und dass auch regionalpolitische Gesichtspunkte mit eine Rolle spielen.
Ich bemühe meinen eigenen Wahlkreis. Natürlich hat eine Schule für eine Gemeinde eine besondere Bedeutung,insbesondere wenn sie in einer strukturschwachen Region liegt. Wenn ich mir den Standort Aarbergen-Michelbach anschaue, dann ist die Schule, nachdem dort der größte Arbeitgeber weggefallen ist, der letzte Infrastrukturpunkt, der noch existiert. Deshalb ist es wichtig, dass man dort sehr sensibel reagiert.Aber es ist auch klar:Wenn am Ende keine Schülerinnen und Schüler – das ist der letzte Punkt, den ich noch aufgreife – mehr da sind, können wir auch nicht zulassen, dass wir dort entsprechende Angebote sehr ineffizient vorhalten.
Lieber Kollege Quanz,wenn ich mir die Region betrachte, für die Sie Verantwortung tragen, muss ich sagen, dass es diese Region besonders schwer hat.
Ich komme langsam zum Schluss. – Die Region hat es besonders schwer. Die FEH hat ermittelt, dass sich die Bevölkerung im Werra-Meißner-Kreis bis zum Jahre 2050 um fast 50 % reduziert.Wir versuchen, mit allen Maßnahmen, die wir machen, gegenzusteuern. Wir wollen diese Entwicklung mit schulpolitischen Maßnahmen nicht noch verstärken. Das ist völlig klar.
Aber wir können das doch nicht dem Schulträger überlassen, wenn wir darauf hinlaufen, dass im Jahre 2050 zwei Drittel der unter Zwanzigjährigen im Werra-MeißnerKreis nicht mehr da sind.
Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir hier ein sehr sensibles System gefunden haben, das vernünftige und effiziente Schulstrukturen im Lande gewährleistet und das vor allem über das Jahr 2006 hinaus Geltung haben kann, weil es über das Jahr 2006 hinaus demographiefest ist. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Beuth. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Wagner für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Beuth, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen gesagt, dass die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf diesem Hause „etwas antun“ würde. Sie haben davon gesprochen, dass ein Gesetzentwurf einer Fraktion in diesem Hause eine „Zumutung“ für dieses Haus sei. Herr Kollege Beuth, ich habe es Ihnen schon im vergangenen Plenum gesagt, ich sage es Ihnen jetzt wieder: Gesetzentwürfe einer Fraktion sind keine Zumutung für das Haus, sondern das originäre Geschäft dieses Hauses.
Wenn Sie sich über die Zahl der Gesetzentwürfe zur Bildungspolitik vonseiten der Opposition beschweren, dann kann ich nur sagen: Herr Kollege Beuth, wer so viel falsch gemacht hat wie Sie in den letzten Jahren, der muss damit leben, dass es viel zu korrigieren gibt und dass es auch viele Initiativen der Opposition in diesem Hause gibt.
Zur Sache. Was wir hier erleben, ist, dass die Bildungspolitik mit rotem Stift und schwarzer Gesinnung fortgesetzt wird. Die Schulen erleben jetzt landauf, landab die Auswirkungen der Schulgesetzänderungen dieser CDU-Landesregierung und der sie tragenden Mehrheit.
Der Kollege Quanz hat uns vorgetragen, wie die Reaktionen vor Ort sind. Ich hatte mir das auch herausgesucht. Wir haben zahlreiche Protestschreiben in dieser Angelegenheit bekommen. Landauf, landab merken die Menschen nun, was mit Ihrer Schulpolitik im Land angerichtet wird.
Ich will eine Stellungnahme ergänzen, und zwar die Stellungnahme zur Schulentwicklungsplanung des HKM in Wiesbaden: Der Gesamtpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer beim Staatlichen Schulamt für den Rheingau-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden wendet sich entschieden gegen die bürokratische Umsetzung von marktwirtschaftlich orientierten Richtgrößen durch das Kultusministerium als Mittel der Schulentwicklung und gegen die in diesem Zusammenhang erfolgende tatkräf
tige Unterstützung durch das Staatliche Schulamt. – Das ist eine Stimme mehr, die bezeugt, was Sie anrichten und wie Ihr Handeln von Lehrerinnen und Lehrern,von Schülerinnen und Schülern sowie von Eltern bewertet wird, Frau Kultusministerin.
Es ist interessant zu beobachten, wie Sie mit den Leuten umgehen.Wie wird denn mit den Leuten umgegangen,die für ihre Schule kämpfen, die konkrete Veränderungsvorschläge machen? Nehmen wir ein Frankfurter Beispiel. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 16. Januar 2006 lesen wir: „Scharfe Worte gegen die Ministerin. Heinrich-Kraft-Schule: Eltern, Gewerkschaft und Schuldezernat bestehen auf Umwandlung in IGS.“ Hierzu gibt es aus der Schulgemeinde zahlreiche Vorschläge und Initiativen. Man könnte denken, dass eine Schulpolitik mit Augenmaß dann das Gespräch mit dem Schulträger und der Schulgemeinde sucht. Herr Kollege Bocklet und ich haben Sie in Form einer Kleinen Anfrage gefragt, wie Sie mit dem Protest umgehen, Frau Ministerin. Ich zitiere unsere Frage 5 und Ihre Antwort: „Gab es bisher direkten schriftlichen Kontakt vom Kultusministerium in dieser Frage mit dem Frankfurter Schuldezernat bezüglich Problemen bei einer geplanten Umwandlung?“ Gemeint ist die Umwandlung der Heinrich-Kraft-Schule.Antwort der Kultusministerin: „Nein.“ Nächste Frage: „Gab es bisher Gespräche des Ministeriums mit dem Frankfurter Schuldezernat, infolgedessen die Umwandlung kritisch diskutiert wurde?“ Antwort der Kultusministerin: „Nein.“ Ich finde, das Mindeste ist es, dass Sie sich den Gesprächen mit den Betroffenen stellen, Frau Kultusministerin.
Der Gipfel kommt von der CDU-Fraktion. In Frankfurt gibt es, wie in vielen anderen Schulstandorten auch, das Bemühen, zu konstruktiven Lösungen zu kommen. Ein Schulträger sagt, er sei sogar bereit, Geld des Schulträgers in die Hand zu nehmen,um Aufgaben zu erfüllen,die Frau Ministerin Wolff nicht mehr erfüllt. Ein solches Angebot wird unterbreitet. Hierzu sagt die CDU-Landtagsabgeordnete Gudrun Osterburg: Ebeling gönnt sich Privatschule.– Das war in der „Frankfurter Neuen Presse“ zu lesen. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, im Schulgesetz ist ausdrücklich vorgesehen, dass der Schulträger Verantwortung übernimmt. Wenn ein Schulträger verantwortlich handelt, dann sollten Sie das nicht diskreditieren.
Wenn Herr Kollege Beuth darauf verweist, Sinn der Maßnahme sei, mit Lehrerstellen effizient umzugehen, dann muss man aber auch die ganze Wahrheit sagen, Herr Kollege Beuth. Es war diese Landesregierung und die sie tragende Fraktion, die in dieser Legislaturperiode im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ 1.000 Lehrerstellen gestrichen hat.