Protocol of the Session on January 26, 2006

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Wenn Sie über den Rhein schauen,können Sie sehen,dass die dortige sozial-liberale Regierung relativ viel auf den Weg gebracht hat. Rheinland-Pfalz ist auf dem Weg, dass das dritte Kindergartenjahr kostenlos wird. Das ist bereits beschlossen. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Die CDU in Rheinland-Pfalz hat aber nachgelegt. Gestern konnte man lesen, dass Herr Böhr gesagt hat, die CDU sei für eine kostenlose Betreuung der Kinder. Eine Meldung der „dpa“ vom heutigen Tag lautet:

Versprechen, Versprechen, Versprechen sind die Merkmale des Wahlkampfs in Rheinland-Pfalz.

Meine Damen und Herren, wir Politiker müssen wissen, dass wir Erwartungen wecken, wenn wir den Leuten sagen, was wir machen wollen. Diese Erwartungen müssen wir irgendwann erfüllen oder wieder einsammeln.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Ich glaube, es ist nicht der richtige Weg, den Erwartungshorizont in dieser Debatte nach dem Motto immer höher zu schrauben: Das und das wird passieren. – Dann wird auch immer noch gesagt: Das und das ist falsch gelaufen. – Damit werden wir in einer solchen Debatte nichts gewinnen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Fuhrmann, ich fand es richtig, dass wir vereinbart hatten, wir wollen das Thema Kinderbetreuung ausklammern. Es war Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ein Mitglied Ihrer Fraktion, der den guten und intelligenten Vorschlag gemacht hat, wir sollten versuchen, dieses Thema jetzt aus den politischen Debatten herauszuhalten, und uns dafür bemühen, zu Ergebnissen zu kommen.

Letztendlich ist es doch so: Wir alle wissen, dass das Thema wichtig ist. Wir alle wissen, dass das Thema eine immense Bedeutung für unsere Gesellschaft und den demographischen Wandel hat. Dabei geht es um die Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren. Es gibt also sehr verschiedene Aspekte, warum wir da vorankommen wollen. Leider ist es uns aber nicht gelungen, das zu schaffen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir bei diesem Thema nichts gewinnen können, wenn der eine sagt: „Wir geben so viel“, und der andere sagt: „Wir geben so viel.“

Es ist doch klar, dass alle Parteien da Defizite aufweisen. Wir müssen da auch selbstkritisch sein. Klar ist auch, dass wir es lange versäumt haben, diesem Thema die angemessene Bedeutung zuzumessen. Es war lange Zeit völlig verpönt, darüber zu sprechen, ob der Kindergarten – so nannte ihn der Pädagoge Friedrich Fröbel, als er ihn vor 170 Jahren einführte – die Möglichkeit bieten soll, Familie und Beruf zu vereinbaren, und ob er auch als Bildungseinrichtung dienen kann. Die Diskussion darüber ist erst in den letzten Jahren richtig aufgekommen. Erst damit

wurde auch die Bedeutung der Kindergärten in den Mittelpunkt gerückt.

Meine Vorrednerin, Frau Fuhrmann, hat es schon gesagt: Es ist gut, dass die Politik, also wir alle, erkannt haben, dass dieses Thema eine immense Bedeutung hat. – Mittlerweile ziehen wir alle mit diesem Thema in den Wahlkampf mit dem Motto: Wir wollen da etwas verbessern. – Ich hatte aber schon gesagt, dass ich mir wirklich nicht sicher bin, ob wir etwas erreichen, wenn wir dazu Versprechen im Wahlkampf abgeben.

Ich will eine zweite Bemerkung zu den Entschließungsanträgen machen. Ich möchte mich zunächst mit dem Entschließungsantrag der CDU-Fraktion beschäftigen. Denn er war der Erste, mit dem aus der gemeinsam getroffenen Verabredung ausgebrochen wurde.

In dem Entschließungsantrag ist festgehalten, was alles schon gemacht wurde. Teilweise muss ich mich da aber schon fragen, ob in solchen Anträgen die Funktion der Legislative richtig eingeschätzt wird. Frau Kollegin Oppermann, ich wende mich dabei an Sie, weil Sie gerade so nett gucken. Eigentlich ist die Legislative dazu da, Gesetze zu erlassen und wieder zurückzunehmen. Sie betreibt also die Fortentwicklung des Rechts. Das haben die alten Prätoren in Rom eingeführt, und wir führen diese Tradition heute weiter.

Ob uns Claqueur-Anträge nach dem Motto: „Wir haben das alles richtig gemacht“ bei der Fortentwicklung des Rechts weiterhelfen, wage ich allerdings zu bezweifeln. Dieser Entschließungsantrag ist also kein Fortschritt bei der Entwicklung der Debattenkultur dieses Hauses.

Für uns ist klar, dass man beim Erreichen des Ziels drei wesentliche Ebenen beachten muss. Wir alle wollen, dass die Abdeckungsquote bei den Betreuungsplätzen besser wird.Wir alle wollen, dass im Elementarbereich Bildungsstrukturen geschaffen werden. Das soll da eingeführt werden. Wir alle wollen kurz- oder mittelfristig erreichen, dass die Kinderbetreuung kostenlos wird. Um diese drei Ziele geht es.

Wir von der FDP haben gesagt: Wir wollen das mit unserem Drei-Säulen-Modell verwirklichen. Demnach sollen private Träger, staatliche Träger und die Verbände der freien Wohlfahrtspflege Betreuungsplätze einrichten. Dabei soll ein Netz entstehen,mit dessen Hilfe die Menschen unseres Bundeslandes quantitativ ein ordentliches Angebot bekommen.

Es ist klar, dass das nicht alles ohne Mehrkosten zu erreichen ist. Es ist auch klar, dass die Kommunen das nicht alleine schultern können. Hier teile ich das, was Frau Kollegin Fuhrmann gesagt hat. Die Kommunalpolitiker dieses Hauses wissen das auch. In vielen Bereichen steht den Kommunen das Wasser wirklich bis zum Hals.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ja!)

Die Kommunen können diese Aufgabe nicht alleine schultern, und zwar unabhängig davon, ob dort Schwarz, Rot, Gelb oder Grün regiert. Es handelt sich dabei um eine Aufgabe, an der alle drei staatlichen Ebenen, also Bund, Land und Kommunen, gemeinsam arbeiten müssen.Alleine werden wir das nicht hinbekommen.

Zweitens.Wir brauchen bei diesem Spektrum der Betreuungseinrichtungen ein Zertifizierungssystem, das der Qualitätssicherung dient.

Wir haben schon einige Elemente, Mosaiksteine, die bereits auf dem Weg sind und die es auszubauen gilt, Frau

Ministerin, gerade wenn man darüber spricht, dass wir im Rahmen der Tagespflege – eine Betreuungsform, die von uns sehr unterstützt wird – eine andere Form der Betreuung haben, die unserer Ansicht nach sehr viel flexibler ist und passgenauer auf die Betreuung zugeschneidert werden kann. Wenn wir aber darüber reden, dass wir in dem originären Kindergarten Bildungsarbeit machen, muss dies auch für die andere Seite gelten. Ich weiß, und das wissen Sie auch, dass die Anforderungen, die wir an Tagesmütter stellen, natürlich nur andere sein können als die, die wir an eine ausgebildete Erzieherin stellen. Das ist nicht das Gleiche. Deswegen müssen wir auch hier Modelle finden, mit welchen wir unsere Forderungen, die wir an diese Tagesmütter stellen, anpassen können. Wir können dort nicht die gleichen Anforderungen stellen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerin, dass es sie gibt, wissen wir. Das ist schon alles vorgelegt worden, das ist nicht neu. Nichtsdestotrotz haben wir ein Ungleichgewicht zwischen dem originären Kindergarten, bei dem natürlich auf ein ganz anderes Fundament aufgebaut wird, und der Tagesmutter. Meines Erachtens gilt es auch hier deutlich nachzubessern.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das stimmt, was er gesagt hat!)

Drittens brauchen wir eine andere Form der finanziellen Förderung. Das, was wir seit Jahrzehnten machen – das ist auch ein Teil der Sozialpolitik –,nämlich Objektförderung nach dem Motto:„Wir geben einer Institution Geld,damit sie für den Staat etwas erledigt“, ist der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen endlich von der Objektförderung zu einer Subjektförderung kommen. Wir haben schon vor einiger Zeit den Vorschlag gemacht, diesen Markt der Kinderbetreuung über Betreuungsgutscheine aufzumöbeln, um wirklich Wettbewerb hineinzubringen und von der Objektförderung zu einer zielgerichteteren Subjektförderung zu kommen. Meine Damen und Herren, wir müssen auch hier nachlegen.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Last, but not least ein Vorschlag, der unserer Meinung nach zum Ziel führt:die so genannte Kinderschule.Das ist der Vorschlag der FDP analog zu dem rheinland-pfälzischen Vorschlag, das dritte Kindergartenjahr kostenlos zu stellen. Wir wollen die Kinderschule einführen, weil wir wissen, dass es vor der originären Grundschularbeit eine Angleichung der sozialen Fähigkeiten geben muss, damit in der Grundschule ab der ersten Stunde Bildungsarbeit geleistet werden kann und damit die Prioritäten in diesem Bereich nicht anders gesetzt werden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Wie verhält es sich heute in vielen Bereichen? Die Grundschule übernimmt vielfach Aufgaben, die eigentlich in das Elternhaus oder in den Kindergarten gehört hätten.Auch hier ist die Kinderschule sicherlich das richtige Modell, um vorwärts zu kommen.

Ich will auf einen ganz entscheidenden Punkt hinaus. Ich glaube, dass wir uns in der Debatte über den Wettbewerb, wer mehr Kinderbetreuung und mehr Bildungsarbeit bietet, über eine Frage klar werden müssen:Welche Priorität wollen wir setzen? – Wir wollen auf der einen Seite die Bildungsarbeit stärken, weil wir sagen, dass die Bildungsarbeit im Elementarbereich sehr wichtig ist, um den Kin

dern Startchancen zu ermöglichen.Auf der anderen Seite haben wir gesagt, dass wir eine kostenfreie Betreuung haben wollen. Wenn wir über diese Thematik seriös diskutieren, können wir den Menschen in diesem Land nicht ehrlich sagen, dass wir sofort beides erreichen könnten.

(Beifall bei der FDP)

Ich will den Bildungsplan des Landes absolut loben, weil er genau die richtige Richtung hat.Aber es ist unmöglich, von heute auf morgen diesen Bildungsplan zu realisieren und auf der anderen Seite den Menschen in diesem Lande zu sagen, Kinderbetreuung werde ab morgen nichts mehr kosten.Das wird es nicht geben,und wir sollten uns hüten, das in der Kommunalwahl immer wieder zu penetrieren.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb müssen wir uns überlegen, wo wir die Prioritäten setzen. Wir sollten an dieser Stelle unseres Erachtens die Eltern fragen, was sie lieber hätten.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja!)

Wir sollten die Eltern befragen, ob es ihnen wichtiger ist, dass ein Kinderbetreuungsplatz kostenlos ist, oder ob es ihnen wichtiger ist, dass bessere Bildungsarbeit im Kindergarten gemacht wird. Das ist die richtige Frage.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Es gibt viele schichtenspezifische Antworten auf diese Frage!)

Wir sollten dies die Personen fragen, die letztlich für die Kinder verantwortlich sind, nämlich die Familien in unserem Lande.Wir sollten die Familien in diese Frage einbinden. Das wäre der richtige Weg, und das schlagen wir Ihnen als FDP vor.

Meine Damen und Herren, wir werden uns bei allen vorliegenden Anträgen enthalten, weil wir es wirklich nicht für einen guten Stil halten, dass Vereinbarungen

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kraftvoll!)

Herr Kollege Al-Wazir, Sie waren gar nicht hier, als ich das erklärt habe, aber ich erkläre es Ihnen gerne gleich noch in einem persönlichen Gespräch –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin schon länger hier, als du denkst!)

von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einfach gebrochen werden.Das ist sicherlich nicht der richtige Stil,wenn man eine solche Debatte nach vorne bringen will.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.