Protocol of the Session on July 8, 2003

Allenfalls dienen sie, wenn überhaupt, persönlichen Interessen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Also, jetzt reichts!)

Zweifel kann da niemand haben,welche Partei tatsächlich die Europapartei der Bundesrepublik Deutschland ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig sind die – –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mein lieber Mann, wir reden hier über die Osterweiterung, und Sie schaffen es nicht, Willy Brandt zu erwähnen! Das gibts doch gar nicht!)

Herr Kollege Al-Wazir, Sie haben nachher die Möglichkeit, zu erwidern.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das gibts doch gar nicht! Das muss man sich nicht gefallen lassen! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Staatsminister, einen Augenblick bitte. Ich möchte nur dem Kollegen Kaufmann sagen: Ich habe auch da unten gesessen, man muss sich einiges gefallen lassen – wenn man meint, das sei schlimm für jemanden.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen wird der Herr Minister jetzt zu Ende reden, und dann werden Sie erwidern können.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Al-Wazir, es gibt überhaupt keinen Zweifel daran und ich tue mich damit auch nicht schwer:Wenn wir jetzt – was wir nicht tun – über die Osterweiterung reden würden, dann würde einer wie ich sich selbstverständlich nicht schwer tun, mit an erster Stelle den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt zu erwähnen. Aber darüber reden wir im Moment nicht.

Im Moment reden wir über einen europapolitischen Einigungsprozess.Dabei darf von Ihnen mit seriösen Gründen das, was Sie jetzt als Zwischenruf gemacht haben, nicht vorgetragen werden.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Lassen Sie mich fortfahren, Sie können anschließend daran Kritik üben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sie rezensieren, was dazwischengerufen wird!)

Meine Damen und Herren, im Übrigen sind all die, die den Verhandlungsprozess zum europäischen Verfassungsvertrag auch mit kritischen Stimmen begleitet haben, ausdrücklich nicht etwa europapolitische Skeptiker, sondern werden aus meiner Sicht ihrer Verantwortung über den Tag hinaus gerecht. Dies vorweg.

Ausdrücklich will ich dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel, aber gleichermaßen dem Kollegen Senff und dann dem – wie Sie wissen – für den Kollegen Senff nachgerückten Kollegen Gerhards im

Konvent für ihr Engagement in der Sache ein herzliches Danke sagen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, und der Joschka Fischer ist auch im Konvent!)

Herr Kollege Al-Wazir: aus der Sicht der Länder. Das waren die Bundesratsvertreter.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nicht zu fassen! – Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das darf ich doch tun. Sie haben Länderinteressen vertreten.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So eine Schlagseite!)

Der Bundesaußenminister Joschka Fischer hat in dem einen oder anderen Punkt – was seine Aufgabe ist – aus nationaler deutscher Sicht die bundesrepublikanischen Interessen vertreten,

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So eine Schlagseite!)

aber nicht das, was das Anliegen dieses Landtags sein müsste: mit Vehemenz die Anliegen der deutschen Länder, des föderalen Systems in diesem Prozess. Deswegen habe ich denen gedankt, die ich gerade genannt habe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Erwin Teufel und seine Kollegen haben durch ihr Engagement im Konvent persönlich, aber auch für die Bundesrepublik Deutschland Reputation gewonnen. Dafür sind wir ihnen dankbar.

Denen, die die Bundesrepublik auch vertreten haben, möge man an anderer Stelle danken – dort, wo es von der Ebene her passt.

(Lachen und Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ei, Frau Kollegin Hinz, seien Sie doch ganz ruhig. Manchmal wird die Stimme im Parlament aufgeregt, wenn man Sachen hören muss, die man nicht so gern hört. Lassen Sie mich doch einmal ausreden.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Aber heute übertreffen Sie sich wirklich selbst! – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das fällt auf Sie zurück! – Reinhard Kahl (SPD): Wie man ein solches Thema vergeigen kann!)

Zunächst einmal zu einigen Punkten, die aus der Sicht der Landesregierung begrüßenswert und zu unterstreichen sind, zu dem Entwurf des Verfassungsvertrags, soweit ihn der Konvent am 13. Juni verabschiedet hat.

Ausdrücklich und an erster Stelle ist zu nennen, dass durch die Zusammenfassung und durch den europäischen Verfassungsvertrag die Transparenz und die Lesbarkeit dessen, was sich nach den so genannten Römischen Verträgen abgespielt hat, deutlich verbessert worden sind.

Zweitens wird die demokratische Legitimität der europäischen Entscheidungen verbessert.Aus unserer, der hessischen, Sicht wird die Europäische Union insgesamt effizienter und transparenter.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Aus hessischer Sicht.

Es ist allen Ländern gemeinsam wichtig gewesen, den Grundsatz der Subsidiarität in den Mittelpunkt der künftigen europäischen Kompetenzordnung zu rücken. Es gab Stimmen, die gesagt haben, dass dieser Verfassungsvertragsentwurf kein Jahrhundertwerk sei. Ich will die, die daran mitgearbeitet haben – ausnahmslos alle –, da ein wenig in Schutz nehmen. Bei der Tatsache, dass die, die Europa darstellen, die Europa bilden, aus zum Teil jahrhundertelang gewachsener unterschiedlicher Verfassungstradition, aus unterschiedlichem Verständnis von öffentlicher Verwaltung, politischer Kultur und Verwaltungsstruktur kommen, glaube ich, dass der Entwurf, wie er jetzt auf dem Tisch liegt, etwas ist, was Respekt verdient.

Selbstverständlich mussten auch die deutschen Ländern bei ihren besonderen Vorstellungen und Wünschen von einem Großteil ehrgeiziger Forderungen Abstand nehmen. Meine Damen und Herren, das ist aber eher normal und angemessen. Denn es liegt im Wesen eines Kompromisses, dass der eine wie der andere gleichermaßen nachgeben muss.

Dennoch: Angesichts dessen, was vor 16 Monaten machbarer schien, ist das Ergebnis aus Sicht der Landesregierung, in einer Gesamtschau betrachtet, besonders positiv zu bewerten. Viele sind mit mir darüber sehr glücklich, dass die Grundrechtecharta ihren besonderen Platz in dem Verfassungsentwurf eingenommen hat. Damit besteht die Chance, die Identifikation aller Bürgerinnen und Bürger in Europa mit dem Projekt einer europäischen Einigung zu erhöhen.

Weiter ist positiv zu bewerten, dass die Säulenstruktur aufgehoben wird und die Europäische Union eine eigene Rechtspersönlichkeit erhält.

Ich will schon gerne zu Protokoll geben, dass ich mich selbst mit der Bewertung hier sehr zurückhalte, weil diese eigene Rechtspersönlichkeit in der wissenschaftlichen Literatur – sowohl in Frankreich wie auch in Italien und Spanien, soweit ich das übersehe – sehr differenziert betrachtet wird. In der deutschen Literatur gibt es den Hinweis, es sei hier im Bereich des nationalen und internationalen Rechts, also des Völkerrechts, eine Rechtsfigur sui generis entstanden. Diese Meinung ist mir persönlich nicht unsympathisch.Aber man wird sehen müssen,wie es denn mit dieser eigenen Rechtsfigur der einheitlichen eigenen Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union weitergeht und wie das in Zukunft aus den unterschiedlichen nationalen Sichten bewertet werden wird.

Ein aus meiner Sicht wesentlicher Aspekt des Verfassungsvertrags ist auch der Versuch, einen Interessenausgleich zwischen den eher größeren und den eher kleineren Mitgliedstaaten, zwischen überzeugten Anhängern der zwischenstaatlichen Abstimmung einerseits und den so genannten Supranationalisten andererseits zu erreichen. Allerdings muss der nun vorliegende Kompromiss in diesem Bereich seine Bewährungsprobe noch bestehen.

Darüber hinaus wird aus meiner Sicht viel davon abhängen, ob die neu geschaffenen Positionen, wie sie angedacht wurden – der auf zweieinhalb Jahre zu wählende Vorsitzende des Europäischen Rates und der neue EUAußenminister –, in einem damit neu geschaffenen Spannungsfeld, in einer neu geschaffenen Struktur funktionieren werden. Es wird entscheidend von den Persönlichkeiten abhängen, wie sie ihre Aufgabe verstehen, wie sie

diese ausfüllen und, nicht zuletzt, wie sie miteinander auskommen.

Aus Sicht der Länder und damit auch aus hessischer Sicht ist der wichtigste Bereich aber ohne Frage die Neugestaltung der europäischen Kompetenzordnung. Endlich, so darf man sagen, wurden Kompetenzkategorien der Europäischen Union sehr präzise und klar definiert. Wie Sie wissen, gibt es ausschließliche und geteilte Kompetenzen der Europäischen Union sowie Bereiche, in denen die EU ergänzende Maßnahmen ergreifen kann.

Damit wird eine klare Zuordnung der Kompetenzen zu den verschiedenen Ebenen möglich. Festgeschrieben wurde, dass aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere aus Sicht der Länder die Zielbestimmung in dem Verfassungsvertragsentwurf keine Handlungsermächtigung der Europäischen Union begründet. Das ist aus meiner Sicht richtig und gut.

In dem Entwurf des Verfassungsvertrages wird ferner klargestellt, dass die Reichweite von Kompetenzen ausschließlich durch die Einzelermächtigungen in Teil 3 festgelegt werden wird. Man wird sehen, wie das ausgeht. Sie entnehmen gerade in diesen Tagen wieder der Presse,dass vor und hinter den Kulissen noch heftig gerungen wird.