Protocol of the Session on June 9, 2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte das vierte Ziel ansprechen, das mit der LKWMaut verfolgt wird. Dazu muss ich schon sagen: Da haben sich die Mitglieder der CDU und der FDP schon ein wenig in die Büsche geschlagen.

Ja, es gab Schwierigkeiten bei der Einführung der LKWMaut. Darüber haben wir in diesem Haus gesprochen. Ja, die deutsche Wirtschaft hat sich da nicht mit Ruhm bekleckert. Meine Damen und Herren der CDU und der FDP, Sie haben sich aber auch nicht mit Ruhm bekleckert. Denn Sie haben sich vom Acker gemacht und nicht zu diesem Projekt gestanden. Sie wollten es nicht zum Erfolg führen. Damit hätten Sie verhindert, dass es heute bei uns ein System gibt, das andere Länder von uns kaufen wollen. Die deutsche Wirtschaft hat Chancen, dieses System zu exportieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ausdrücklich: Mit der Einführung der LKWMaut war nicht gewollt, dass die LKWs auf Bundesstraßen oder auf andere Straßen des nachgeordneten Straßennetzes ausweichen. Ich sage ausdrücklich: Das war

nicht gewollt. Deshalb muss gehandelt werden. Deshalb muss vermieden werden, dass es zu diesem Ausweichverkehr kommt. Bei allem Positiven, was die LKW-Maut hat, sage ich trotzdem ausdrücklich: Hier besteht ein Problem. Herr Rhiel, da müssen Sie handeln. Deswegen ist es gut, dass wir heute hier darüber reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Rhiel, die Oppositionsfraktionen dieses Hauses haben Sie aufgefordert, dem Beispiel Ihres Amtskollegen aus Rheinland-Pfalz zu folgen und die entsprechenden Zahlen im Internet zu veröffentlichen. Es ist schon interessant, dass Sie dazu aufgefordert werden mussten. Man hätte erwarten können, dass ein Verkehrsminister selbstständig schaut,was seine Kollegen machen,und sich daran orientiert. Sie haben für diesen Schritt aber die Opposition gebraucht. Ich beglückwünsche Sie dazu, dass Sie auf die Opposition dieses Hauses gehört haben. Herr Minister Rhiel, Sie haben den ersten Schritt in eine größere Welt getan. Sie sollten künftig immer öfter auf die Opposition hören.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Siebel (SPD): Die ganze Regierung sollte das tun! Das zahlt sich aus!)

Herr Minister Rhiel, Sie sollten jetzt auch den zweiten Schritt tun. Die Opposition hat Sie nicht nur aufgefordert, die Zahlen zu veröffentlichen. Vielmehr hat die Opposition Sie auch aufgefordert, aus diesen Zahlen Konsequenzen zu ziehen. Die Opposition hat Sie auch aufgefordert, festzustellen, wo durch den LKW-Ausweichverkehr die Belastung für die Bevölkerung so hoch geworden ist, dass das in § 45 Straßenverkehrsordnung vorgesehene Mittel genutzt werden kann.

Herr Minister Rhiel, hier herrscht leider noch Fehlanzeige. Beispielsweise kann man im „Darmstädter Echo“ vom 8. Juni 2005 lesen: „Rhiel: Kein Grund für Sperrungen“. Ein anderer Artikel des „Darmstädter Echos“ von demselben Tag ist überschrieben mit: „Alles nicht so schlimm?“ Auch dies bezieht sich auf den LKW-Ausweichverkehr.

(Michael Siebel (SPD):Da müssten Sie einmal nach Darmstadt kommen!)

Herr Minister, in der „Frankfurter Rundschau“ vom 8. Juni 2005 werden Sie mit den Worten zitiert, es seien in Hessen nur „moderate Anstiege“ festzustellen.

(Michael Siebel (SPD): Ei, ei, ei!)

Herr Minister Rhiel, wir müssen jetzt darüber reden, wann es sich um einen moderaten Anstieg handelt. Ihr Amtskollege aus Rheinland-Pfalz hat hinsichtlich der B 9 gesagt, der Zuwachs des LKW-Verkehrs um 41 % sei für ihn Anlass, Maßnahmen nach § 45 der Straßenverkehrsordnung zu ergreifen und Verkehrsbeschränkungen zu verhängen. Dort ging es um eine Steigerung um 41 %.

Herr Minister Rhiel, jetzt schauen wir uns einmal an, was Sie unter einem „moderaten Anstieg“ verstehen. Ich sage es noch einmal:Rheinland-Pfalz hat bereits bei einem Anstieg der Anzahl der LKWs um 41 % reagiert. Bei der B 3 haben wir im Januar 2005 einen Anstieg um 83 % zu verzeichnen. Im April 2005 ist der Anstieg dann auf 36 % heruntergegangen.Das gestehe ich Ihnen zu.Aber im Mai 2005 lag der Anstieg schon wieder bei 49 %.Für Sie ist das ein „moderater Anstieg“. Für Ihren Kollegen in Rheinland-Pfalz ist das ein Grund zum Handeln. Herr Minister

Rhiel, wir glauben, Ihr Kollege aus Rheinland-Pfalz hat Recht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Kollegen haben es bereits angesprochen: Bei der B 417 in Kirberg war im Januar 2005 ein Anstieg um 142 % zu verzeichnen. Dann ging der Anstieg auch wieder herunter. Aber im Mai 2005 lag der Anstieg wieder bei 104 %. Herr Minister Rhiel, ist das wirklich ein „moderater“ Anstieg? Herr Minister Rhiel, kann es nicht vielmehr sein, dass Sie das Problem ein wenig verharmlosen, weil nach Ihrer verkehrspolitischen Ideologie nicht sein kann, was nicht sein darf?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Sie haben noch gar nichts darüber gesagt, was eigentlich mit den Straßen ist, bei denen keine Dauerzählstellen das Verkehrsaufkommen erfassen. Es gibt Klagen und Beschwerden der Bevölkerung, die an anderen Strecken leben. Das geht also weit über die zwölf von Ihnen veröffentlichten Strecken hinaus.Wir haben noch nichts davon gehört, wie Sie damit umgehen wollen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auch dort belästigt fühlen. Wir haben noch nichts von Ihnen gehört, wie Sie den Beschwerden nachgehen und prüfen wollen, ob bei diesen Straßen die Klagen der Bevölkerung dazu führen können, dass es auch bei diesen Straßen zu Beschränkungen kommt. Herr Rhiel, dazu haben Sie noch gar nichts gesagt. Heute ist eine gute Gelegenheit. Sie könnten das heute Vormittag vor diesem Haus tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ihrer Pressemitteilung kann man entnehmen, dass Sie fast ein bisschen stolz darauf sind, dass Sie in Hessen trotz des Ausweichverkehrs aufgrund der Maut keine Straßen gesperrt haben.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Minister Rhiel, Sie sind in Ihrer Pressemitteilung ausdrücklich darauf eingegangen, dass Sie in Hessen bisher keine Straßensperrung mit dem Ausweichverkehr aufgrund der Maut begründet haben.

(Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Herr Rhiel, das habe ich gesagt. Herr Minister Rhiel, manchmal führt Zuhören zum Verstehen eines politischen Arguments. Manchmal hilft das.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie rühmen sich also, noch nichts getan zu haben. Rheinland-Pfalz hat gehandelt und Teile der B 9 für LKWs gesperrt. Es prüft bereits, ob es solche Sperrungen auch auf der B 10 einführen soll. Herr Minister Rhiel, wann folgen Sie endlich diesem Beispiel? Wann werden Sie einen konkreten Zeitplan vorlegen, aus dem hervorgeht, wann und wie Sie die Sorgen der Bevölkerung aufgreifen wollen, wann Sie auf die Wünsche der Bevölkerung eingehen wollen und wie Sie das Recht der Bevölkerung umsetzen wollen, vor Abgasen geschützt zu werden? Wann wollen Sie reagieren? Wann wollen Sie das prüfen? Wann werden Sie gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen dazu eine Hilfe an die Hand gegeben. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Auf unsere erste Aufforderung haben Sie reagiert.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir haben ihm eine Handlungshilfe gegeben! Das war keine Gehhilfe, sondern eine Handlungshilfe!)

Sie haben die Zahlen veröffentlicht.

Mit unserer Kleinen Anfrage vom 24. Mai 2005 haben wir Ihnen eine kleine Hilfe an die Hand gegeben. In unserer Kleinen Anfrage vom 24. Mai wollen wir sehr präzise wissen, wo es überall in unserem Land Beschwerden aufgrund verstärkter Belastungen durch LKW-Verkehr gibt. Herr Rhiel, mit der Kleinen Anfrage vom 24. Mai 2005 wollen wir vor allen Dingen wissen, wann Sie darauf reagieren und was Sie tun wollen. Wir sind der Meinung, Sie müssen noch etwas vor der Sommerpause tun.Das will ich hier klar und deutlich sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg.Hildegard Pfaff und Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD))

Wir GRÜNEN sagen auch noch Folgendes. Herr Posch, da besteht ein Unterschied zu Ihnen. Neben der Anwendung der Sofortmaßnahmen, die der § 45 Straßenverkehrsordnung bietet, wollen wir, dass das Bundesstraßennetz da, wo es zu Ausweichverkehr kommt, in die Maut einbezogen wird.Auch das sagen wir.

Herr Kollege Posch, ich wundere mich ein wenig über den ordnungspolitischen Ansatz, den Sie hier vertreten. Mit der Maut haben wir ein Instrument, mit dem wir über den Preis steuern können. Die Tatsache, dass wir im Moment auf den Bundesstraßen keine Maut erheben, führt dazu, dass wir für die Spediteure Anreize schaffen, mit ihren LKWs auf die Bundesstraßen auszuweichen. Das ist eine Entwicklung, die wir, die Mitglieder dieses Hauses, alle nicht wollen.

Die Antwort der FDP auf dieses Problem ist keine marktwirtschaftliche. Sie will nicht, dass wir über den Preis steuern und die Bundesstraßen in die Erhebung der Maut einbeziehen. Die Antwort der FDP ist zutiefst bürokratisch. Sie ruft nach neuen Regelungen und neuen Gesetzen. Herr Posch, anscheinend gerät bei der FDP das Weltbild manchmal ein bisschen durcheinander.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Posch, ich komme zu dem, was Sie als Beispiel angeführt haben. Ich verstehe, dass Sie die Belange des Mittelstands immer hochhalten.

(Dieter Posch (FDP): Das tue ich im Gegensatz zu Ihnen!)

Nein, da befinden Sie sich in massiver Konkurrenz zu uns GRÜNEN.

(Lachen des Abg. Dieter Posch (FDP))

Deswegen meinen Sie,sich dabei immer beweisen zu müssen. Sie haben hier einen Handwerksbetrieb angeführt, der angeblich von der Einbeziehung der Bundesstraßen in die Erhebung der Maut betroffen wäre. Ich frage Sie allen Ernstes: In welchem Handwerksbetrieb wird mit einem LKW mit 12 t über eine Bundesstraße gefahren? – Herr Posch, das zeigt: Dieses Argument greift überhaupt nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Da haben Sie wieder einmal „Mittelstand“ gerufen und wussten dabei eigentlich gar nicht, worüber Sie reden.

(Beifall der Abg. Jürgen Frömmrich und Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Posch, es tut mir Leid, das kann ich Ihnen, obwohl ich Sie sonst sehr schätze, an diesem einen Punkt zu hören nicht ersparen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Thema LKW-Maut zeigt, wie viele andere verkehrspolitische Debatten, die wir in den letzten Tagen geführt haben – ich erinnere an die Feinstaubdebatte –, dass wir eine grundlegend andere Verkehrspolitik in unserem Land brauchen. – Herr Gotthardt, Sie schütteln den Kopf, aber fällt Ihnen nicht auch auf, dass – –

(Frank Gotthardt (CDU): Ich kenne eine Menge Handwerker, die mit 12-Tonnern über die Straße fahren! Tut mir Leid!)