Protocol of the Session on June 9, 2005

Herr Kollege Kaufmann, gestatten Sie Zwischenfragen?

Herr Präsident, ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen. – Meine Damen und Herren, wir haben es ganz deutlich gesehen: Der Ministerpräsident ist doch nicht deshalb auf eine historisch breite Darstellung ausgewichen, um den Kauf in einen Kontext zu rücken, sondern deshalb, um es den vielen Zweiflern in seiner eigenen Fraktion schwer zu machen, das zu sagen, was sie empfinden und was der veröffentlichten Meinung von Kassel bis an den Neckar entspricht, dass nämlich zu diesem Zeitpunkt ein Schlosskauf, der Kauf eines zusätzlichen Gebäudes – während wir gleichzeitig Gebäude verkaufen und zurückmieten –, auf keinen Fall sinnvoll sein kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen geht es Ihnen um die Argumentation in die eigenen Reihen hinein.

Herr Ministerpräsident, Sie haben zweitens eine ökonomische Perspektive in den Raum gestellt, was denn in zehn Jahren wäre, wenn Ihnen Ihre Fraktion heute nicht folgen würde. Meine Damen und Herren, Ausführungen über die Ökonomie wären doch nur dann glaubwürdig, wenn man wenigstens irgendeine Aktivität erkennen lassen würde, die zeigt, dass man sich um die ökonomische Perspektive sorgt.

Ein Trägerverein – oder was es werden soll – ist noch nicht vorhanden. Bisher hat das Schloss, wir haben es gehört, 16.000 Besucher im Jahr. Was ist denn in Verhandlungen mit dem Grafen geschehen, um zu erreichen, dass die Sammlung ein bisschen häufiger als an jedem zweiten

Sonntag geöffnet wird? Welche Aktivitäten gibt es, die eine Perspektive für den Odenwald bedeuten? Herr Ministerpräsident, das, was Sie hier dargestellt haben, ist doch argumentativ überhaupt nicht richtig. Sie wollen damit ein Bild an die Wand malen, um zu sagen: Ich habe für diejenigen in meiner eigenen Fraktion, die schwerste Bedenken haben, eine Begründung, auf der sie sich leicht ausruhen können. Die hat zwar nichts mit der Sache zu tun, das mag aber bei der Entscheidung heute helfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nur daraus erklärt sich Ihre übliche polemische Behauptung, wenn man jetzt nicht kaufe, werde demnächst die Arbeitsagentur im Schloss residieren. Das haben Sie hier vorgetragen. Sie hätten einmal sagen sollen, wie viele Arbeitsplätze das Schloss Erbach im Augenblick tatsächlich bringt. Das heißt, es ist überhaupt nicht der Fall, dass das Schloss Kristallisationspunkt wesentlicher ökonomischer Aktivitäten wäre, die dann verloren gehen würden. Sie rennen einer Schimäre hinterher. Sie reden hier – wie auch an vielen anderen Stellen – über virtuelle Arbeitsplätze und versuchen, damit eine Entscheidung durchzudrücken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Wer in der Politik tätig ist, der tut das in aller Regel vor dem Hintergrund von Werten, die er hat. Jeder wird diese Werte für sich in eine bestimmte Hierarchie bringen. Es gibt Werte, die wichtiger sind, und Werte, die weniger wichtig sind. Herr Kollege Boddenberg, da Sie so interessiert nachfragen: An erster Stelle unserer Werte steht die Bemühung um den Menschen. Ich denke, in einer Demokratie sollte das bei allen so sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist die Politik der Bereich, der sich um die Sorgen, Nöte und Wünsche der Menschen sowie um die Hilfestellungen kümmern soll. Vor dem Hintergrund ist es ausgesprochen zynisch, was der Ministerpräsident hier zu dem Thema Unwiederbringlichkeit vorgetragen hat.

Um nur ein Beispiel zu nennen:Wenn man die Schließung von Frauenhäusern erzwingt, indem man ihnen kein Geld mehr gibt, und der Verein in Insolvenz geht, findet man Jahre später nichts mehr, was man wieder aufbauen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aber zu sagen, all das sei wieder abrufbar – so haben Sie das dargestellt –,zeigt,wie zynisch Ihr Ansatz ist.Herr Ministerpräsident, deswegen ist Ihre Aussage, das Schloss sei unwiederbringlich weg, während Einschnitte im sozialen Bereich jederzeit reparabel seien, eben nicht richtig. Das Gegenteil von dem, was Sie hier vorgetragen haben, stimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu dem Thema „Nichtunwiederbringlichkeit“. Es ist viel zu dem Thema Fideikommiss erzählt worden. Vor eineinhalb Jahren haben wir in der Diskussion von Zuständigen erfahren – das ist damals veröffentlicht worden;es war vor eineinhalb Jahren, nicht vor 30 Jahren, also angesichts der gesamten Diskussion, die wir bis heute führen, vor relativ kurzer Zeit –,dass es höchst unwahrscheinlich ist,dass der Fideikommisssenat einem Verkauf der Kunstsammlung zustimmt. So lautete damals die Aussage.

Herr Ministerpräsident, Sie haben hier nicht vorgetragen, dass es mittlerweile eine anders lautende Entscheidung des Oberlandesgerichts gibt. Es gibt noch nicht einmal einen Antrag, sondern wir bewegen uns im Spekulativen: Was wäre, wenn dieses oder jenes passierte? Wie könnte dann möglicherweise entschieden werden?

Das sage ich jetzt bewusst in Richtung der CDU-Fraktion: Dass die Sammlung weg wäre, wenn Sie nicht zugeschlagen hätten, ist ein Argument, für das jeder Ansatz eines Beweises fehlt. Das ist der Versuch, Ihnen die Zustimmung abzuringen; aber es ist keineswegs ein Sachargument.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man könnte es jetzt wie der Ministerpräsident machen und sich weiter in Polemik ergehen. Ich denke, die Debatte ist inzwischen so wichtig geworden, dass man darauf verzichten sollte. – Wie bitte?

(Zuruf von der CDU)

Ach, Sie haben gar keine ernsthafte Bemerkung gemacht. Das dachte ich mir.

Eine Bemerkung in dem Zusammenhang sei mir noch gestattet. Herr Ministerpräsident, auch das sollte Ihnen zu denken geben:Wer im Zusammenhang mit Finanzdiskussionen die Reduzierung der Eigenheimzulage in Aussicht stellt, gleichzeitig aber sagt, für junge Familien müsse etwas übrig bleiben, sollte nicht eine 1.000 m2 große Wohnung mit einer 100-prozentigen Eigenheimzulage an eine schon relativ alte Familie verschenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das nicht aus Polemik,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

sondern weil ich meine, dass Ihnen so etwas zu denken geben müsste, und weil wir Sie – manchmal durchaus zu unserem Ärger – als jemanden kennen gelernt haben, der politische Situationen richtig erspüren kann. An dieser Stelle tun Sie das Falsche. Es verwundert mich ein bisschen, dass Sie dies tun.

Von daher ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass es in der Tat um zwei Sachen geht. Der Herr Ministerpräsident hat dem Grafen offensichtlich direkt etwas versprochen. Dieses Versprechen muss er jetzt einlösen. Er sorgt sich, dass seine eigene Fraktion nicht mitmacht, und deswegen hält er hier solche Reden.

Es ist mehrfach vorgetragen worden, dass es noch Alternativen gibt und dass die Zeit keinesfalls so drängt, wie manche vorgeben. Der Kollege Walter und der Kollege Hahn haben das vorgetragen.

Ich denke, man sollte dem eine parlamentarische Form geben. Herr Präsident, deswegen beantrage ich in aller Form, die Druckvorlage Sowieso, die gerade aufgerufen worden ist, zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss zurückzuüberweisen. Das ist ein Antrag, der nach der Geschäftsordnung ohne Zweifel möglich ist: § 85 Abs. 1 Nr. 5. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Williges für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann, Ihrem Antrag, die „Druckvorlage Sowieso“ an den Haushaltsausschuss zurückzuüberweisen, werden wir nicht stattgeben. Wir werden das deshalb nicht tun, weil wir am 1. Juni, als Sie aufgrund Ihrer Rolle als Fraport-Aktionär leider – oder sagen wir: Gott sei Dank – nicht anwesend sein konnten, eine sehr vernünftige und fundierte Beratung im Haushaltsausschuss hatten. Sie hat am Ende dazu geführt, dass sich alle darüber im Klaren waren, dass es richtig ist, die Sammlungen und das Schloss zu kaufen, auch wenn Sie es – –

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie das nicht zugeben können, hat andere Gründe. Darauf komme ich später zurück.

Herr Kaufmann, Sie werfen uns Polemik vor. Ich bin jetzt zweieinhalb Jahre in diesem Haus. Von Ihnen habe ich noch nichts anderes als Polemik erlebt. Das ist schon eine Kuriosität.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie brauchen wirklich einen Arzt!)

Herr Schmitt, beruhigen Sie sich, sonst plaudere ich, wie einst Herr Frömmrich aus der Personalkommission, einiges aus und verrate, dass die vakante Stelle des Schlossgeistes mit Ihnen besetzt wurde.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Williges, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich möchte zunächst einmal vortragen.Vielleicht ist nachher noch genug Zeit und Raum, nämlich dann, wenn die Opposition wieder eine Betriebstemperatur erreicht hat, mit der sie in der Lage ist, vernünftige Fragen zu stellen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nachdem ein völlig aufgeregter Kollege Schmitt und ein überdrehter Kollege Tarek Al-Wazir die Debatte von den Füßen auf den Kopf gestellt haben und der Ministerpräsident sie wieder in den richtigen Rahmen gebracht hat, bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass wir in der zweiten Runde sachlicher und seriöser diskutieren.

Herr Kollege Hahn,auch von Ihnen war ich ein wenig enttäuscht, denn ich kenne Sie anders. Sie haben angebliche Vorwürfe des Ministerpräsidenten gegen die Kollegin Wagner zurückgewiesen, die es gar nicht gab – von denen Sie vielleicht heute Nachmittag angenommen haben, dass sie erhoben würden.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich auf einen Punkt eingehen, der immer wieder angesprochen wird, nämlich auf die Frage: Darf man auf der einen Seite Landesliegenschaften veräußern und zurückmieten,

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

und darf man auf der anderen Seite eine Schlossimmobilie, die eine wertvolle Sammlung umgibt, erwerben?

Ich beantworte diese Frage ganz klar mit Ja.Denn Zweckbauten – wie Polizeipräsidien – muss man nach wirtschaftlichen Kriterien führen. Wenn es dort in der Abwägung sinnvoller ist, sie zu verkaufen