Protocol of the Session on June 8, 2005

Wir fordern Sie auf, unverzüglich einen Nachtragshaushalt 2005 in den Deutschen Bundestag einzubringen, der die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für das laufende Jahr und auch die Neuverschuldung wahrheitsgemäß und realistisch abbildet. Denn nur auf dieser Grundlage können wir Maßnahmen ergreifen, um dagegen anzugehen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): So ist es! Lesen Sie weiter!)

Auch wenn es von Herrn Dr. Meister gesagt ist: Das ist so. Ein Parlamentarier kann nur dann Maßnahmen ergreifen, um gegen eine Situation anzusteuern, wenn ein solcher Nachtragshaushalt vorgelegt und diskutiert wird. Herr Finanzminister, deshalb fordern wir bis zur Sommerpause die Vorlage eines Nachtragshaushalts.Wenn Sie das nicht machen, nicht machen können, haben Sie wenigstens die Größe und rechtfertigen Sie vor diesem Hause, warum Sie es nicht hinbekommen, bis zur Sommerpause einen Nachtragshaushalt vorzulegen.

(Beifall bei der SPD – Minister Karlheinz Weimar: Schwer erschüttert!)

Ja, schwer erschüttert. – Herr Finanzminister, ich gebe Ihnen und auch dem Herrn Ministerpräsidenten zu: Mit landespolitischen Maßnahmen allein wird sich diese finanzpolitische Misere nicht lösen lassen. Das ist eine Aussage, die, glaube ich, weniger politisch, sondern eher etwas realistisch ist. Sie und wir alle wissen doch, auch wenn Sie jetzt mit Ihren Steuerkonzepten arbeiten – Frage: rauf und runter –, dass dies nicht die zentrale Frage in diesem Lande ist. Es ist wahrscheinlich wirklich so, dass sich die Haushaltsmisere – wie geht es in diesem Land weiter? – an einer Frage festmacht. Das ist die Frage: Wie geht es weiter mit unserer Wirtschaft? Um aus diesen Problemen herauszukommen, müssen wir nicht ausschließlich darüber reden, welche Steuersätze und welche Steuerarten abgeschafft, angehoben oder vermindert werden müssen, sondern wir brauchen mehr Jobs. Jobs, Jobs, Jobs.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP)

Dann höre ich an dieser Stelle immer die Antwort: Politik kann nichts tun zur Schaffung von Jobs, sondern Politik kann nur Rahmenbedingungen setzen. – Das mag ja im Wesentlichen stimmen. Ich bin aber immer ein bisschen zum Hinterfragen geneigt. Wenn wir wirklich über Jobs, Jobs, Jobs reden und dann sagen, Politik könne nur Rahmenbedingungen setzen, sodass wir gar nicht viel anderes machen könnten, bestreite ich das. Sie haben hier als Landesregierung die Möglichkeit,mit einem ordentlichen Genehmigungsverfahren am Frankfurter Flughafen, wenn die Genehmigung erfolgt, relativ schnell 40.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Frage sind Sie bisher gescheitert. Deshalb denke ich schon, dass Landespolitik auch in diesem Bereich etwas tun kann.

Lassen Sie uns aber bei der Finanzpolitik als solcher bleiben. Es müsste auch unstrittig sein, dass die Frage, wie stark ein Haushalt verschuldet ist, einen nicht ganz unwesentlichen Einfluss auf die Wirtschaft hat. Lieber Herr Boddenberg, bei all den Dingen, die ich vorhin genannt habe – Eigenheimzulage, AfA, Pendlerpauschale – und die im Deutschen Bundestag in der Diskussion waren, müsste doch unstrittig sein, dass diese Landesregierung im Wesentlichen alles abgelehnt hat. Jetzt kommt wieder das Steinbrück-Koch-Papier, zu dem Herr Dr. Meister auch etwas gesagt hat. Das finde ich so schön, dass ich das zitieren will, weil es auch ein bisschen die Brillanz des Ansatzes zeigt, den Herr Koch zusammen mit Herrn Steinbrück vorgelegt hat. Es heißt:

Außerdem haben wir bei den haushaltswirksamen Subventionstatbeständen Kürzungen in Höhe von jeweils 4 % über drei Jahre vorgenommen. Das ist mit unserer Mitwirkung und Zustimmung geschehen. Ich glaube, es gab in der deutschen Geschichte noch nie einen Subventionsabbau mit ähnlichem Volumen.

4 %, drei Jahre. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir dies als ein historisches Ereignis ansehen, werden wir in diesem Land nicht weiterkommen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Dann setzen Sie doch das um, was Sie wollen!)

Wir brauchen einen viel drastischeren Abbau von Subventionen, gegen den Sie immer gestimmt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Schauen Sie sich einmal diese Grafiken an: Auf der rechten Seite der blaue Balken, das sind die Steuermindereinnahmen. Der dunkle Balken ist das, was wir Blockadebudget nennen. Wenn Sie Ihre Blockade im Bundesrat aufgegeben hätten, meine sehr verehrten Damen und Herren, wären diese Steuermindereinnahmen im Wesentlichen durch die abgebauten Subventionen ausgeglichen. Ich kann Ihnen eines sagen, Herr Ministerpräsident: Ich halte es für eine abenteuerliche politische Strategie, hier in Wiesbaden in Richtung Berlin zu fordern: „Baut Subventionen ab“, um dann in Berlin gegen jeden Subventionsabbau zu stimmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade aus Sicht eines hessischen Sozialdemokraten, der erlebt hat, wie Ihre Leute im Wahlkampf durch die Lande gezogen sind und den Gärtnern erzählt haben, dass die Welt untergehe, wenn die Steuerprivilegierung für Schnittblumen durch Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 % auf 16 % beseitigt würde, muss ich sagen: Herr Ministerpräsident, mit dieser Art von Rhetorik ist es nun vorbei. Jetzt ist es Zeit, dass Sie einmal Farbe bekennen

und diesen Zickzackkurs, den Sie gefahren haben, der in Wahlkampfzeiten durchaus erfolgreich war, beenden; denn mit diesem Zickzackkurs kommen Sie nicht einmal mehr in Ihrer eigenen Partei weiter,und die Tatsache,dass niemand fragt, für welches Kabinettsamt denn Roland Koch geeignet sei, spricht Bände, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abg. Dr. Lennert das Wort.

(Norbert Schmitt (SPD): Die schärfste Waffe!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Walter, Sie haben sehr laut gesprochen.

(Reinhard Kahl (SPD): Eine gute Rede gehalten!)

Gut, das ist Ansichtssache.

(Heiterkeit)

Ich denke, Sie haben sich bei Ihrer Rede gar nicht so recht wohl gefühlt,

(Lachen bei der SPD)

weil Sie so geredet haben, wie Sie normalerweise nicht reden. Ich glaube, Sie haben ein bisschen gespürt, dass Sie im Glashaus sitzen und dass es geklirrt hat. Ich empfinde Ihre Rede, gelinde gesagt, als eine ausgemachte Unverschämtheit, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie stellen sich hier vorne hin und reden über Ihren Antrag, über dem steht: „Antrag der Fraktion der SPD betreffend seriöse Finanz- und Steuerpolitik“.

(Reinhard Kahl (SPD): Ja, das brauchen wir!)

Was ist denn mit Ihrer seriösen Finanz- und Steuerpolitik? Glauben Sie wirklich, dass Sie draußen im Land noch jemand ernst nimmt?

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, Sie nimmt niemand ernst! Da haben Sie Recht!)

Woher kommt denn das Elend, dass alle öffentlichen Haushalte notleidend sind? Weshalb brechen uns denn die Einnahmen weg? Weshalb sind wir denn bei den Steuereinnahmen auf den Stand von 1998 zurückgefallen?

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil Sie so eine Scheiß-Opposition in Berlin machen!)

Weshalb haben wir denn 5 Millionen registrierte Arbeitslose in Deutschland und noch einmal dieselbe Größenordnung von nicht registrierten? Darunter leiden wir doch nicht deswegen, weil BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Genossen eine seriöse Finanz- und Wirtschaftspolitik machen.

(Norbert Schmitt (SPD): Ihr Genosse bin ich noch lange nicht!)

Doch nicht, weil Investoren Vertrauen zu Gerhard Schröder und Hans Eichel hätten.Nein,meine Damen und Herren, die rot-grüne Bundesregierung ist für die größte Ka

pitalabwanderung, seit es diese Bundesrepublik gibt, verantwortlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie ist dafür verantwortlich, dass nicht mehr genügend investiert wird.Sie ist dafür verantwortlich,dass die Binnenwirtschaft lahmt.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Der Ministerpräsident hat gestern gesagt, wir sollten nicht eine schlechte Stimmung machen! – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Dann muss er noch ein bisschen üben!)

Und wer gestern Nachrichten im Fernsehen geschaut hat, hat das ganz aktuelle Resultat gesehen: AEG steht vor dem Aus. Siemens verramscht eines seiner einstigen Flaggschiffe und verkauft die Produktion der Mobiltelefone an BenQ. Die Menschen im Land sind verunsichert. Die Leute schränken ihren Konsum ein. Sie sparen vor Angst. Sie vergrößern ihren Notgroschen, weil sie noch schlechtere Zeiten erwarten. Sie glauben nicht mehr an die Zahlen von Hans Eichel.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Gegensatz zur Landesregierung!)

Sie haben durchschaut, dass er anders redet, als er handelt. Ich zitiere:

Unserer Kinder wegen, der sozialen Gerechtigkeit wegen und der Handlungsfähigkeit des Staates heute und in Zukunft wegen müssen wir heraus aus der Schuldenfalle.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

So Hans Eichel.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rot-Grün ist auch für die Schafskälte verantwortlich!)

Hehre Worte, meine Damen und Herren. Die Realität sieht dagegen verheerend aus. Nach der Zeitung des Bundes der Steuerzahler ist der Bundesfinanzminister der größte Schuldenmacher aller Zeiten.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist offensichtlich falsch!)