Protocol of the Session on June 8, 2005

Ich werde gleich auch noch einmal inhaltlich etwas dazu sagen. Meine Damen und Herren, tun Sie aber bitte doch nicht so, als ob die Sache völlig losgelöst von dieser Erde wäre. Herr Eichel hat noch vor wenigen Tagen gesagt, er werde in diesem Jahr 10 bis 12 Milliarden c Steuern weniger einnehmen. Er sprach von 10 bis 12 Milliarden c, wohl wissend, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Denn da kommt noch aufgrund von Hartz IV und anderen Dingen etwas auf den Haushalt zu. Er legt keinen Entwurf für einen Nachtragshaushalt vor. Er erlässt keine Haushaltssperre. Er macht überhaupt nichts. Er lässt es laufen. Er hat aufgegeben.

Dann wäre es doch sicherlich vernünftiger – das würde uns allen helfen –,dass Sie Ihre Appelle an die eigene Partei in Berlin richten und Herrn Eichel auffordern würden, dort Entsprechendes zu tun. Sie sollten hier nicht nachkarten und fordern, dass wir etwas tun, was wir schon getan haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Land Hessen und,ich glaube,vier andere Länder – legen Sie mich da aber bitte nicht fest – haben eine Haushaltssperre erlassen.Alle anderen haben keine Haushaltssperre erlassen. Kein einziges Land hat bisher auch nur angekündigt, dass es einen Nachtragshaushaltsentwurf vorlegen will.

Ich werde Ihnen gleich begründen, warum das so ist. Man muss doch bei solchen Diskussionen die Kirche im Dorf lassen. Man kann doch nicht einfach den Splitter im Auge des anderen sehen und den Balken im eigenen Auge übersehen.

Zweiter Punkt. Ich setze mich gerne ganz ruhig mit dem Vorwurf auseinander, wir würden auf Bundesebene blockieren. Gerade das Land Hessen ist das Land, das in den letzten Jahren am meisten dazu beigetragen hat, dass die Dinge wenigstens noch einigermaßen vorangekommen sind. Die Koch-Steinbrück-Liste wurde in Berlin doch bekämpft. Fragen Sie doch einmal Mitglieder der GRÜNEN, was die von den Streichungen gehalten haben. Die GRÜNEN haben gesagt: Die Koch-Steinbrück-Liste ist okay, aber es darf keine Streichung in all den Bereichen geben, die uns GRÜNEN wichtig sind. – Das war die Realität.

(Zuruf)

Herr Kaufmann, Sie sollten da nicht „Quatsch“ sagen. Ich bin bei diesem Thema Zeitzeuge. Ich bin jederzeit bereit, das an jeder Stelle zu sagen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, nicht jeder Zeuge sagt die Wahrheit!)

12 % haben wir vorgeschlagen. Wir schlugen nicht dreimal 4 %, sondern gleich 12 % vor. Bei der Eigenheimzulage sollten es 33 1/3 % sein. Das war das Ergebnis. Wie wurden wir dafür angefeindet. Warum hat die Bundesregierung nicht selbst Vorschläge gemacht?

Wir haben zweierlei gemacht. Zum einem haben wir alle Subventionstatbestände vollständig aufgelistet, soweit sie zum damaligen Zeitpunkt feststanden. Zweitens haben wir das gesamte Instrumentarium aufgearbeitet. Denn

man kann nicht an alles herangehen. Da muss man mit unterschiedlichen Instrumenten herangehen,um das Kürzungsvolumen erreichen zu können.

Wir haben also das gesamte Instrumentarium dazu geliefert. Das Koch-Steinbrück-Papier kann also jederzeit zu einem größeren Prozentsatz 1 : 1 umgesetzt werden. Ich habe von der Bundesregierung in den letzten Monaten oder Jahren keinen Vorschlag gehört, der in die Richtung ging, dass über das Koch-Steinbrück-Papier hinausgegangen werden soll. Es ist doch nicht wahr, dass die Bundesregierung da die Initiative ergriffen hat. Es war doch unsere Initiative, die wir zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen unternommen haben. In Berlin war das eine ungeliebte Initiative. Wir haben das durchgesetzt. Wie reden Sie hier über den Subventionsabbau? Wir haben dazu unseren Beitrag geleistet.

(Norbert Schmitt (SPD): Das hat 100 Millionen c für Hessen gebracht, mehr nicht!)

Ich komme zur Stabilisierung des Aufkommens aus der Körperschaftsteuer. Ich ganz persönlich habe, als es um die Frage ging,wie die Steuerpolitik neu ausgerichtet werden soll, dafür gesorgt, dass die gröbsten Sachen bei der Neuregelung der Körperschaftsteuer wenigstens herauskamen.

Hinsichtlich der Beseitigung der Steuerschlupflöcher ist der einzige Gesetzentwurf, der im Moment noch ernsthaft beraten wird und über den die Länder 16 : 0 gestimmt haben, der von uns eingebrachte Vorschlag zur Bekämpfung der Steuermissbräuche. Das ist der einzige. Das ist ein von uns vorgelegter Vorschlag. Er wurde 16 : 0 angenommen. Hätte die Bundesregierung nicht selbst auf diese Idee kommen können?

Kommen Sie jetzt bitte nicht mit der Behauptung, wir würden irgendetwas blockieren. Wir sind diejenigen, die all das voranbringen.

Ich möchte jetzt auf die Taskforce zu sprechen kommen. Herr von Hunnius hat natürlich mit einem Recht. Er sagte: Wenn wir ein vernünftiges Steuersystem hätten, bräuchten wir keine Taskforce. Herr von Hunnius, dazu sage ich ausdrücklich: Das ist richtig. – Aber solange wir das Steuersystem haben, das wir haben, ist dieser Vorschlag vernünftig und richtig. Die sollen auch ruhig arbeiten. Denn dort werden Modelle zur täglichen Berechnung entwickelt, für die wir bisher nicht das notwendige Instrumentarium hatten. Bisher konnten wir auf Veränderungen nicht schnell reagieren. Mit diesem Instrumentarium werden wir wesentlich schneller reagieren können. Unser Vorschlag – ich will nicht sagen, dass es mein Vorschlag war – wurde 16 : 0 angenommen.

Kaum jemand anderes hat so viele erfolgreiche Initiativen auf Bundesebene eingebracht wie wir. Deswegen möchte ich mich gegen diese Vorwürfe verwahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Worin besteht eigentlich unser Problem? Herr von Hunnius hat gesagt, man hätte die Prognose für das Wirtschaftswachstum verringern und dann entsprechend weniger Steuereinnahmen einsetzen dürfen. Herr von Hunnius, wir haben uns über diese Frage schon öfter unterhalten. Die Dramatik besteht darin, dass sich das Steueraufkommen fast vollständig von der Entwicklung des Wirtschaftswachstums abgekoppelt hat. Das gilt insbesondere für die Körperschaftsteuer. Hessen ist das steuerstärkste Land. Nach fünf Monaten haben wir bei der Körper

schaftsteuer ein Minus von einigen 100 Millionen c zu verzeichnen.Wir haben dort weniger.

(Zuruf von der SPD: Ja, und?)

Sie sollten da nicht einfach „Ja, und?“ sagen. – Bei der Reform der Körperschaftsteuer, die Rot-Grün im Jahr 2000 durchgeführt hat, tat sich ein Grundproblem auf. Den Systemwechsel haben wir mitgetragen. Nach dem entsprechenden Urteil bin ich heilfroh, dass wir diesen Systemwechsel haben. Sonst hätten wir noch ganz andere Probleme bei den Rückzahlungen.

Das jetzt bestehende System der Körperschaftsteuer ist aber völlig falsch angelegt. Seitdem ist das Aufkommen aus der Körperschaftssteuer dramatisch zurückgegangen. Trotz des Wirtschaftswachstums, das es im Jahr 2004 gab, sind wir Lichtjahre von dem Aufkommen entfernt, das wir in der Vergangenheit hatten.

Wir müssen uns darüber unterhalten, worin das Problem besteht. Das Problem besteht in dem Steuergefälle zu dem benachbarten Ausland. In Europa gibt es einen Wettbewerb hinsichtlich der Besteuerung. Das kann man gut oder schlecht finden. Parallel dazu müssen wir uns mit der Tatsache auseinander setzen, dass vom Europäischen Gerichtshof und der Europäischen Kommission alle nationalen Abwehrmechanismen zerschlagen wurden.

Als Nächstes kommt das mit Marks & Spencer auf uns zu. Wir haben in der letzten Finanzministerkonferenz eine Liste mit, ich glaube, 70 Urteilen vorgelegt bekommen, die für Steuerrückzahlungen in Deutschland relevant sind. Das befand sich in der Größenordnung von 70. Dabei haben wir einen Betrag von zumindest 50 Milliarden c an Rückzahlungen im Feuer.

Die Tatsache, dass wir in Deutschland immer weniger Körperschaftssteuer einnehmen, hat doch nichts damit zu tun,dass die Firmen in Deutschland nichts verdienen würden. Man braucht sich dazu doch nur im Einzelnen anzugucken, was in den Hauptversammlungen besprochen wird.Vielmehr liegt das daran,dass systematisch legal Gewinne ins Ausland transferiert werden und die Verluste nach Deutschland geschoben werden.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Ja, das ist so. – Wir haben aber keine Abwehrmechanismen mehr. Denn die wurden uns aus der Hand geschlagen.Es ist ausdrücklich gewollt,dass es in Europa auch einen Wettbewerb über die Steuern gibt. Dann müssen wir in diesen Wettbewerb eintreten. Wir haben 38,5 % Gewerbesteuer plus Körperschaftsteuer. Ich bin dabei der festen Überzeugung: Wenn man das um 6 Prozentpunkte absenken würde, käme man auf einen Satz von 32,5 %. Dann liegt man immer noch weiter über dem, mit dem man den Mechanismus auslöst, aus Deutschland Gewinne herauszutransferieren und sie hier nicht mehr zu versteuern.

Das ist also eines der großen Probleme, über die wir gemeinsam reden müssen.Auch die Vertreterinnen und Vertreter der verehrten Opposition können doch kein Interesse daran haben, dass dieser Zustand bestehen bleibt. Wir müssen also über die Instrumente reden.

Wenn man aber sagt, die Steuern dürfen nicht gesenkt werden, gelangt man sofort dahin, dass man dann kaum noch Steuern einnimmt. Darüber sollten wir reden. Entweder gibt es in Deutschland einen attraktiven Steuersatz. Dann wird in Deutschland versteuert. Oder aber, wenn der Steuersatz aber sehr weit von dem des benach

barten Auslands abweicht, dann werden wir keine Steuereinnahmen mehr erzielen.

(Beifall der Abg. Michael Denzin und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Am Ende werden dann nur noch die kleinen mittelständischen Betriebe Steuern in Deutschland zahlen. Die werden dann aber im Wettbewerb die Leidtragenden sein.

Sie wollten wissen, was wir zu dieser Fragestellung denken. In Deutschland werden Sie – –

(Norbert Schmitt (SPD):Wie lautet Ihr Vorschlag?)

Hören Sie doch einfach einmal zu.

(Norbert Schmitt (SPD): Ich höre doch zu!)

Ich versuche doch, das gar nicht aggressiv vorzutragen. Vielmehr versuche ich, das zu erklären. Sie können ganz anderer Meinung sein.

Nach meiner festen Überzeugung werden Sie in Deutschland einige Prozentpunkte mehr an Steuern fordern können, als es das benachbarte Ausland kann. Denn Deutschland hat eine außergewöhnlich hohe Qualität des Standortes.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört! Jawohl, das ist so!)

Das würde akzeptiert werden. Das kann man auch vertreten.

Die Kosten für die legale Transaktion der Gewinne sind natürlich enorm hoch. Außerdem ist das risikobehaftet. Denn um das zu bewerkstelligen, braucht man Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer und Personal im In- und Ausland.Außerdem gibt es dabei immer noch steuerliche Risiken, die entstehen, wenn man etwas falsch macht. Ein solches Gefälle würde also akzeptiert werden.

Machen wir uns doch gar nichts vor. Wir haben durch die Bank weg der Bevölkerung erklärt, Steuersenkungen seien per se ungerecht gegenüber den kleinen Leuten und ein Geschenk für die Großen. – Aber wenn die Großen hier völlig legal nichts mehr versteuern, dann muss ich mir doch Gedanken darüber machen, wie ich diese Steuermasse wieder nach Deutschland bekomme, damit ich den kleinen Leuten mit diesen Steuereingängen wieder helfen kann.

Der Transfer von Gewinnen setzt sich anschließend mit der Frage fort, warum es eine Verlagerung von Arbeitsplätzen gibt. Das ist sozusagen die umgedrehte Version.

Da besteht also Handlungsbedarf.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, das ist so! Aber wie sieht der aus?)

Dritter Punkt. Auch dabei gucke ich in die Richtung des Herrn von Hunnius. Natürlich ist es Unsinn, damit anzufangen, die Konten der Bürger zu überprüfen. Nach Auskunft der Bundesbank sind im ersten Quartal dieses Jahres 150 Milliarden c aus Deutschland abgeflossen. 150 Milliarden c sind aus Deutschland abgeflossen. Das habe nicht ich mir ausgedacht. Das steht in einem Bericht der Deutschen Bundesbank. Der volkwirtschaftliche Schaden, der dadurch entstanden ist, dass dieses Geld legal aus Deutschland herausgeschafft wurde, ist doch immens.

Warum wurde das gemacht? Das wurde gemacht, weil das System nicht in Ordnung ist. Deswegen brauchen wir dringend eine anonyme Abgeltungssteuer. An dem Tag, an dem wir eine anonyme Abgeltungssteuer haben wer

den, können wir uns die ganze Kontenüberprüfung und anderes mehr ersparen.