Aber trotzdem finde ich die Wortwahl in Ihrem Antrag sehr merkwürdig. Da geht es um „Zwangs-Werteunterricht“.Aber wer spricht denn bitte schön von Zwangs-Religionsunterricht, von Zwangs-Deutschunterricht oder von Zwangsschule überhaupt? – Sie müssen sich schon einmal überlegen, warum Sie welche Anträge wie formulieren.
Wir brauchen die Debatte hier in Hessen nicht zu führen. Sie sind doch sonst so sehr für Kulturföderalismus. Sonst wehren Sie sich dagegen, dass irgendwo hineinregiert wird, Debatten stellvertretend geführt werden und am Ende sogar noch irgendwelche Entscheidungen gefällt werden, die in ein anderes Land hineinreichen. Aber hier wollen Sie auf einmal Berliner Debatten führen. Wir in Hessen haben eine ganz andere Verfassungslage.
Das Grundgesetz sieht Religion als ordentliches Lehrfach vor, und die Hessische Verfassung sieht dies ebenfalls vor. Aber es gibt eine so genannte Bremer Klausel, die das für Berlin eben anders regelt. Von daher muss man in Berlin natürlich eine Debatte darüber führen, welchen Unterricht man wie in der Schule haben will.Aber wir brauchen die Debatte nicht zu führen. Sie ist noch nicht einmal in der Enquetekommission zur Reform der Hessischen Verfassung geführt worden. Niemand hat den Art. 57 unserer Hessischen Verfassung infrage gestellt. Von daher ist Religionsunterricht als Bekenntnisunterricht ordentliches Lehrfach in Hessen, und das bleibt er auch.
Darüber hinaus finden wir, dass die Vermittlung von ethischen, kulturellen und sozialen Werten generell Bestandteil von Unterricht und von Schule sein muss.
Das gehört zu Erziehung und Bildung schlicht und einfach dazu. Das ist fächerungebunden. Denn Erwachsene vermitteln durch ihre Haltungen auch Werte. Lehrer und Lehrerinnen sind keine Neutren.Es ist gut,dass sie mit ihren Normen und Werten auch in der Auseinandersetzung mit Jugendlichen deren Entwicklung fördern. Das ist wichtig, auch für die Normbildung von Jugendlichen. Es ist wichtig, dass Lehrerinnen und Lehrer weder indoktrinieren noch manipulieren,dass sie aber sehr wohl zu ihren Werten und Haltungen stehen.
Es gibt den spezifisch wichtigen Religionsunterricht als Unterstützung der Ausübung von Religionsfreiheit.Trotzdem wehre ich mich dagegen, Frau Henzler, dass Sie sagen,bekenntnislose Menschen seien orientierungslos.Das stimmt so nicht.
Es gibt sehr wohl Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, die sich aber sehr wohl an den humanistischen Idealen orientieren. Dann sind sie nicht orientierungslos. Sie gehören lediglich keiner Kirche an, und sie bekennen sich nicht zu einem Glauben. Es gehört auch zur Religionsfreiheit, dass ich mich entscheiden kann, ob ich einer Religionsgemeinschaft zugehören will oder nicht, und ob ich in einen Religionsunterricht gehen will oder nicht. Das alles gehört nach unserer Verfassung zur Freiheit.
Unbestritten ist aber, dass im Religionsunterricht auch aufgrund unserer Geschichte und Tradition in besonderem Maße die Vermittlung von ethischen und religiösen Werten stattfindet, dass andere Religionen kennen gelernt werden können und dass die Entwicklung der eigenen Normbildung stattfindet. Ich halte auch das für richtig, was die FDP in ihrem Antrag fordert, dass nämlich mit den beiden Kirchen ein Weg gesucht werden soll, dort einen gemeinsamen Religionsunterricht anzubieten, wo Religionsunterricht ansonsten aufgrund der Schülerzahl nicht zustande käme. Denn sonst wären die Kinder benachteiligt, die gern Religionsunterricht hätten.
Aber diskutieren wir auch ansonsten über Hessen. Wir haben den christlichen Religionsunterricht. Aber es ist lang überfällig, dass wir islamischen Religionsunterricht an unseren Schulen einführen. Das sollte islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache mit in Deutschland ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern unter staatlicher Aufsicht sein.
Das hätten nicht nur wir gern, Herr Dr. Lübcke, sondern das hätte auch die evangelische Kirche und die katholische Kirche gern, das hätten die Lehrerverbände in Hessen gern, und das hätte auch der Integrationsbeirat gern, der von Ihnen ins Amt gehoben wurde und der von Ihnen immer hoch gelobt wird. Sie haben das bereits im Jahr 2001 beschlossen.
Aber bislang ist nichts geschehen. Die einzige Ausrede, die die Ministerin dazu immer hat, lautet, dass es keinen angemessenen Partner – weder die IRH noch sonst wen –
gibt. Aber das kann eigentlich nicht mehr gelten, weil Zwischenschritte möglich sind, die sich in anderen Ländern zeigen. Zur Religionsfreiheit und ihrer Unterstützung gehört eben auch, dass keine Gruppe benachteiligt wird. Der Islam ist eben die drittgrößte Glaubensgemeinschaft in Hessen. Darüber darf man nicht einfach auf Dauer hinwegsehen.
In Baden-Württemberg hat Kultusministerin Schavan verkündet, dass es mit Beginn des übernächsten Schuljahres an zwölf Standorten im Land bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterricht für muslimische Schülerinnen und Schüler geben wird. Als Ansprechpartner für den Staat kämen gemäß der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zunächst lokale und regionale Elternverbände und Moscheengemeinden infrage. Warum macht denn die Kultusministerin in Hessen nicht einen solchen Zwischenschritt? Das Gerichtsurteil liegt vor.Hier hätte sie einmal in die Gänge kommen können.
Genauso ist nach dem Gutachten, das NRW, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern in Auftrag gegeben haben, auch die alevitische Glaubensgemeinschaft vom Grundsatz her ein adäquater Partner. Da gibt es nur noch Einzelheiten zu regeln.Auch hier ist noch keine Konsequenz gezogen worden. Im Gegensatz hat NRW beschlossen, einen Beirat einzurichten, um die Entwicklung des alevitischen Religionsunterrichts jetzt in Angriff zu nehmen.
Wie ist es aber in Hessen? In Hessen gibt es vier Jahre, nachdem der Integrationsbeirat seinen Beschluss gefasst hat, gerade einmal an drei Schulen in Frankfurt Ethik mit Schwerpunkt Islamkunde. Das groß angekündigte Modell von Frau Wolff, das sie als Ersatz für islamischen Religionsunterricht propagiert hat, wird noch nicht einmal von ihr selbst energisch betrieben dass muslimische Kinder tatsächlich wenigsten diesen kleinen Strohhalm im Ethikunterricht haben.
Religionsfreiheit ist unteilbar. Dafür müssten aktiv die Voraussetzungen geschaffen werden. Das ist das Thema, was hier in Hessen ansteht.
Auch der Ethikunterricht als so genannter Ersatzunterricht für die Kinder, die vom Religionsunterricht abgemeldet sind oder gar nicht daran teilnehmen, weil sie bekenntnislos sind, lässt in seiner Realisierung zu wünschen übrig. Viele Kinder und Jugendliche können nicht am Ethikunterricht teilnehmen, weil er nicht angeboten wird. Meistens wird er erst ab der 9. Klasse angeboten, darunter eigentlich gar nicht.
Oftmals geht es auch in der 9. Klasse noch nicht, weil Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Auf hartnäckige Anfragen von mir musste die Kultusministerin zugeben, dass die Weiterbildung erst einmal bis zum übernächsten Schuljahr ausgesetzt ist.
Das betrifft die Weiterbildungskurse außer „Ethik online“. Lesen Sie sich einmal die Antworten auf meine Anfrage durch. Ansonsten gebe es angeblich keinen großen Bedarf. – Das kann ja wohl nicht wahr sein.
Natürlich gibt es einen großen Bedarf. Aber wenn das nicht wirklich in der Stundentafel als Ersatzfach vorsehen, dann können die Schulen den Bedarf für eine entsprechende Weiterbildung auch nicht anmelden. Wir fordern Sie auf, tatsächlich einmal die Daten offen zu legen, wie viele Kinder an keinem Religionsunterricht teilnehmen und stattdessen nach Hause, in die Bücherei oder sonst wo hingehen. Dann sehen Sie, wie viel Sie in Hessen noch zu tun haben.
Es gibt genug Diskussionen über Religions- und Ethikunterricht in Hessen zu führen. Es gibt für die Landesregierung genug zu tun, um diese Situation zu verbessern. Wer mit einem Finger dauernd auf Berlin zeigen will, auf den zeigen vier Finger Richtung Hessen und die Missstände, die hier insgesamt noch herrschen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Hinz, ich habe mich gemeldet, weil Sie vorhin gesagt haben – und das kann ich so nicht stehen lassen –, dass wir von Zwangs-Werteunterricht sprechen aber nicht von Zwangs-Religionsunterricht oder anderen Dingen. Es gibt keinen Zwangs-Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland. Das wissen Sie ganz genau.Wenn Sie das hier so formulieren und das auf eine Stufe stellen, dann versuchen Sie, Nebelkerzen zu werfen. Das kann so nicht stehen bleiben.
Aber warum werfen Sie diese Nebelkerzen? Das ist doch wohl ganz deutlich geworden.Wenn ich mir Ihren Antrag ansehe und Ihre Ausführungen von eben anhöre, erkenne ich, dass Sie nicht mit einem Wort etwas zum ZwangsWerteunterricht in Berlin gesagt haben. Sie haben auf die Verfassung verwiesen. Aber eine Wertung darüber abzugeben, wie die hessischen GRÜNEN dazu stehen, haben Sie tunlichst vermieden. Ich habe nichts dazu gehört. Hier wäre eine klare Aussage nötig gewesen.
Bei Frau Henzler habe ich das ganz deutlich gehört. Das hätte ich mir auch von den GRÜNEN gewünscht. In der Frage, die Sie angeschnitten haben, nämlich dass die Vermittlung von Werten prinzipiell in der Schule gemacht werden muss, sind wir vollkommen d’accord. Nur die Frage, ob wir das nicht auch an Religionsgemeinschaften delegieren können, halte ich für absolut notwendig, ge
rade aus der Erfahrung unserer Geschichte heraus. In der Zeit des Nationalsozialismus oder auch in der Zeit der Diktatur der SED waren es doch gerade Teile der Kirchen, nicht die ganze Kirche, die die Grundwerte, die wir heute verteidigen, aufrechterhalten haben.
Aus diesem Grund bitte ich doch darum, hier eine deutliche Sprache zu sprechen und uns auch deutlich dazu zu bekennen. Dass die PDS in Berlin so etwas einführen möchte, ist, glaube ich, folgerichtig, nicht nur aus ihrer eigenen Politik heraus, die sie als SED in der DDR betrieben hat, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass man sich überlegen muss, welche Bedeutung gerade christliche Werte und die Kirchen im Bereich der friedlichen Revolution von 1989 hatten, was ja zum Machtverlust der SED und damit zur PDS geführt hat. Da habe ich das Gefühl, dass seit 1989 ein Kreuzzug in Berlin geführt wird,um sich nachträglich zu rächen.
Auch aus diesem Grund wäre es notwendig gewesen, dass die GRÜNEN als Rechtsstaatspartei dazu eine deutliche Meinung geäußert hätten.
Meine Damen und Herren, in dem Antrag der CDU heißt es: Der Landtag wendet sich gegen jede Form eines staatlichen Zwangs-Werteunterrichts. – Wir in Hessen haben keinen Zwangs-Werteunterricht. In Hessen wird kein Zwangs-Werteunterricht eingeführt,