Die zweite Frage, mit der wir uns zu beschäftigen haben, ist:Warum behandeln wir das hier? – Herr Kollege Al-Wazir, Sie haben gesagt, das Land sei nicht betroffen. Das ist schlichtweg nicht wahr. Natürlich ist das Land immer betroffen, wenn ein Sachverhalt, wie immer man ihn auch bewertet, bei uns in Hessen, in Berlin, in Hamburg und auch in allen anderen Bundesländern auftritt. Natürlich sind das dann auch Themen, die in der Innenministerkonferenz behandelt werden. Nach meiner festen Überzeugung wird dies auch sehr kurzfristig in der Justizministerkonferenz behandelt werden. Das ist also ein Thema, das uns betrifft.Also gehört es auch hier in den Landtag.
Dritte Bemerkung. Die CDU-Landtagsfraktion hat einen Sachverhalt aufgegriffen, der seit einigen Monaten in der öffentlichen Diskussion ist. Wenn eine Landtagsfraktion die Landesregierung bittet, eine Bundesratsinitiative einzubringen, gibt sie den anderen Fraktionen die Gelegenheit, sich anzuschließen. Man könnte dann also ein sehr überzeugendes Votum erhalten. Insofern kann ich nur sagen: Der Weg ist klug gewählt.
(Michael Siebel (SPD):Nein! Überraschung! – Heiterkeit der Abg. Michael Siebel (SPD), Tarek AlWazir und Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Frau Präsidentin, gestatten Sie mir diesen Ausdruck: Lieber Herr Kollege, wissen Sie, was mich am heutigen Tag am meisten überrascht hat? Für mich war das Überraschendste, was heute in Kiel passiert ist. Das finde ich nun wirklich überraschend.
Da das in dieser Debatte, so meine ich mich zu erinnern, viermal angesprochen wurde, darf auch ich das ansprechen.
Ich möchte jetzt zu dem eigentlichen Ausgangspunkt zurückkommen. Ich will das nur mit wenigen Worten skizzieren, denn ich gehe davon aus, dass während der Ausschusssitzung Gelegenheit besteht, das im Detail miteinander zu besprechen.
Richtig ist, dass gelten muss, dass man nicht alle und jeden Vorgang unter Verdacht stellen kann. Richtig muss aber doch auch sein – das muss doch auch gelten –, dass man, wenn ein Anlass für einen Verdacht besteht, die Augen nicht künstlich verschließen darf. Das ist doch auch richtig.
Worauf gründet sich die Überlegung, es könnte ein Missbrauch vorliegen? Herr Kollege Wintermeyer hat das sehr detailliert vorgetragen.Ich will dazu nur noch einmal zwei Zahlen nennen. Es gibt knapp 3.000 Fälle im Bundesgebiet. Die Erhebung reicht bis zum November des vergangenen Jahres. Für Hessen lautet die Zahl 112. Jetzt gibt es ein paar mehr.
Für mich gibt es in diesem Zusammenhang eine sehr bemerkenswerte Zahl. Zum Zeitpunkt der Anerkennung der Vaterschaft – das ist eine wichtige Zahl, die Sie bisher nicht genannt haben – waren 73 % der Frauen ausreisepflichtig. Es geht also nicht darum, dass die Frauen unverheiratet waren.Es geht auch nicht darum,ob sie mit einem Partner zusammenleben oder nicht. Vielmehr ist das, was Sorge macht, den Verdacht begründet und zu der Vermutung führt, dass ein Missbrauch nahe liegt, dass in etwa drei Viertel der Fälle eine Anerkennung justament in dem Moment stattfindet, zu dem Ausreisepflicht besteht, zu dem also das Aufenthaltsrecht nicht mehr besteht, das aufgrund des Kindes oder wie auch immer bestand. Dazu sage ich: Davor kann man nicht die Augen verschließen und sagen, das ist wahrscheinlich reiner Zufall, dass ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt drei Viertel der betroffenen Damen ausreisepflichtig sind.
Auch Ihnen ist eine Zahl bekannt, die nicht sehr groß, aber doch ein bisschen eindrucksvoll ist. Das haben wir aus Strafverfahren ermittelt. Daran kann man erkennen, wie zum Teil das Aufenthaltsrecht mit Geld versilbert wurde. Das geschah auch in diesem Bereich.
Deshalb sage ich ganz ruhig:Es besteht Anlass,sich darum zu kümmern. Es besteht aber kein Anlass, das Kindschaftsrecht generell zu ändern. Aber es besteht Anlass, sich um die Frage zu kümmern, wie kann man ein Recht, bei dem es gewichtige Anhaltspunkte gibt, dass es missbraucht wird, so gestalten, dass der Missbrauch ausgeschlossen ist, das Kindeswohl beachtet und die Würde der
Männer und Frauen, um die es geht, nicht verletzt wird? Das sind die Gesichtspunkte, um die es dabei geht.
Frau Kollegin Beer, Sie haben die Frage angesprochen, ob nicht auch andere Varianten denkbar wären. Die Innenministerkonferenz erörtert das Thema seit über einem Jahr intensiv. Dazu wurde auch eine Unterkonferenz gebildet. Ich will hier Bezug nehmen auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Wintermeyer, der anhand einiger Varianten dargestellt hat, wo das geltende Recht nicht zum Ziel führt.Wir sollten die Gelegenheit nutzen und prüfen, ob das, was Sie vorschlagen, zielführend ist.
Ich habe da eine gewisse Sorge, denn Sie stehen dann immer wieder vor demselben Problem. Sie müssen nämlich entweder das Sorgerecht entziehen oder andere schwerwiegende Eingriffe vornehmen. Das erscheint mir nicht klug.
Frau Kollegin Beer, Sie haben gefragt, welche Behörde wir vorsehen. Dazu hat die Landesregierung noch keine abschließende Meinungsbildung vorgenommen. Ich glaube, es wäre klug, mehrere Behörden mit dem Recht auszustatten, bei begründetem Verdacht einzuschreiten. Mit erscheint es klug, dem Jugendamt diese Chance zu geben. Das Jugendamt ist dazu berufen, dem Kind das Recht zu gewährleisten, seinen wirklichen Vater als Vater zu haben. Das erscheint mir sinnvoll.
Mir erscheint es aber auch sinnvoll, der Strafverfolgungsbehörde das entsprechende Recht einzuräumen, falls ein Straftatbestand vorliegt.
Mir erscheint es geboten, die Ausländerbehörde, die damit ganz überwiegend beschäftigt ist, mit einem entsprechenden Recht zu versehen. Da es auch um Einbürgerungsfragen geht, spricht vieles dafür, auch die Regierungspräsidien mit dem Recht zu versehen, möglicherweise je nachdem, aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes, eine entsprechende Initiative zu starten.
Wie soll die Initiative eigentlich aussehen? Da meine ich, das kann man vergleichsweise überschaubar lösen. Wenn Zweifel über die Vaterschaft bestehen, soll den Behörden das Recht eingeräumt werden, einen Nachweis der biologischen Abstammung zu verlangen. Ich greife nicht ein in das Sorgerecht, ich greife nicht ein in das Statusrecht, ich greife nicht ein in das Einbürgerungs-, Beurkundungsoder Personenstandsrecht, sondern ich verlange schlicht einen biologischen Abstammungsnachweis.
Damit kann der Zweifel vollständig ausgeräumt werden. Das erscheint mir unter Berücksichtigung der Würde der Beteiligten, des Kindeswohls und der Vermeidung von Missbrauch als eine vergleichsweise kluge, auch verhältnismäßige und letztlich die Betroffenen doch ganz sicher nicht unzumutbar belastende Maßnahme. Deshalb wird die Landesregierung – ich denke, gemeinsam mit anderen Ländern – über den Bundesrat eine Initiative ergreifen.
Abschließend will ich noch hinzufügen: Die von mir vorgetragene Sorge und Überzeugung, dass diese bei der seinerzeitigen Reform des Kindschaftsrechts sicher von niemandem bedachte Möglichkeit bis zu Missbrauch ausarten kann und nach meiner Überzeugung zum Teil auch ausgeartet ist, wird quer über alle Länder gemeinsam geteilt. Das ist kein Thema, das die übliche Farbenlehre betrifft. Nun gibt es ein Problem: In der Innenministerkonferenz sitzt kein GRÜNER und keiner von der FDP. Trotzdem nehmen wir für uns in Anspruch, dass wir uns jenseits von parteipolitischer Lyrik um die Inhalte kümmern.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich wäre dankbar, wenn das Haus wenigstens in solchen Fragen noch Gemeinsamkeit aufbringen würde.Was ist dagegen einzuwenden, wenn man dann, wenn jemand ausreisepflichtig ist und plötzlich – vorher nie – ein deutscher Vater kommt und sagt: „Ich bin der Vater“, sagt: „Wir hätten aber von dir gern den Nachweis, dass du auch wirklich der Vater bist“? Das erscheint mir in Fällen, in denen begründete Zweifel vorliegen,
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren! Ich möchte, gerade nachdem ich jetzt Ihren Debattenbeitrag verfolgt habe, für die FDP-Fraktion noch drei Sachen klar herausstellen.
Erster Punkt. Es gibt einen Anlass, sich darum zu kümmern, den hier aufgezeigten Rechtsmissbrauch zu beseitigen. Da sage ich auch entgegen dem, was vonseiten der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgetragen worden ist: Für mich ist das keine Frage der Fallzahl, sondern für uns ist es notwendig, jedem einzelnen Missbrauchsfall nachzugehen. Denn es ist ein Missbrauch deutscher Ressourcen, wenn es um die Erschleichung von Sozialhilfe und anderer Dinge geht, und es ist auch ein Verstoß gegen das Wohl des Kindes, das nicht nur seiner Herkunft beraubt wird, sondern das auch des Rechtes beraubt wird,von seinem biologischen Vater Kenntnis zu bekommen und Umgang mit seinem biologischen Vater zu haben.
Ein zweiter Punkt aber, und da bin ich hellhörig geworden, Herr Minister: Es wird immer von Verdachtsfällen gesprochen. Auch die Innenministerkonferenz kann nur von Verdachtsfällen sprechen. Da stellt sich für mich die Frage: Worauf begründet sich ein Verdacht? Welches ist das auslösende Moment? Die Tatsache allein, als nicht deutsche Mutter ein uneheliches Kind zu haben, kann es wohl nicht sein.
Ich habe, ehrlich gesagt, aber auch große Zweifel daran, dass die Tatsache, als nicht deutsche Mutter ein uneheliches Kind zu haben und kein gesichertes Aufenthaltsrecht zu haben, allein schon für einen Verdachtsfall ausreichend ist. Das ist unstreitig in Fällen wie bei dem Herrn aus Berlin, der hier zitiert wurde, der von sechs verschiedenen Müttern ohne Aufenthaltsrecht sechs Kinder anerkannt hat. Er muss sehr umtriebig gewesen sein, wenn es da mit rechten Dingen zugegangen ist. Aber in den anderen Bereichen müssen wir sehr, sehr vorsichtig sein, auch bei Beziehungen, wo eine Mutter im ungesicherten Aufenthaltsstatus hier ist, aber in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft lebt und offensichtlich auch eine soziale Partnerschaft aufgenommen hat, gleich von Verdachtsmomenten zu reden.
Ich komme zum Schluss. – Der dritte Punkt. Herr Minister, alles was Sie angesprochen haben, z. B. dass eine Behörde die Möglichkeit haben muss, einen Nachweis zu verlangen, muss noch nicht ein Anfechtungsrecht hergeben. Hier gibt es mildere Mittel im Ausländerrecht, die jetzt auch praktiziert werden. Ich mache für meine Fraktion geltend, dass wir erst diese Mittel entsprechend nutzen, bevor wir darangehen, verwandtschaftliche Beziehungen von Staats wegen aufheben zu wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Deswegen ist die Aussprache geschlossen.
Es ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 50, Antrag der Fraktion der CDU betreffend Scheinvaterschaften entschiedener bekämpfen, Drucks. 16/3757, an den Innenausschuss sowie an den Rechtsausschuss als beteiligten Ausschuss zu überweisen.
Ich gehe davon aus,dass mit dem Tagesordnungspunkt 83, Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Scheinvaterschaften wirksam bekämpfen, Drucks. 16/3790, gleich verfahren wird; etwas anderes hätte wenig Sinn. – Es gibt keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU für ein Gesetz zur Kommunalisierung des Landrats sowie des Oberbürgermeisters als Behörden der Landesverwaltung – Drucks. 16/3786 zu Drucks. 16/3763 und zu Drucks. 16/3314 –
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in dritter Lesung unter Berücksichtigung des folgenden, mündlich eingebrachten Änderungsantrags der Fraktion der CDU und damit in der aus der Anlage ersichtlichen Fassung anzunehmen:„In Art.11 wird Nr.4 gestrichen.“
Der Innenausschuss hat sich in seiner Sitzung am 15.März 2005 mit dem Gesetzentwurf befasst und mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP die wiedergegebene Beschlussempfehlung gefasst.
Zuvor war der mündliche Änderungsantrag der Fraktion der CDU mit den Stimmen der CDU gegen die Stimmen der SPD und der FDP bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDUFraktion hat ein zukunftsweisendes Gesetz eingebracht. Sie hat damit einen seit Jahrzehnten nachhaltig und dringend vorgetragenen Wunsch der kommunalen Familie erfüllt. Sie hat im Rahmen der Anhörung letztlich dafür gesorgt, dass die Kostenverteilung nach der Konnexität und nicht nur im Einvernehmen erfolgen wird. Den Beitrag, den wir jetzt für die kreisfreien Städte und Gemeinden bezahlen wollen, haben wir sogar noch verdoppelt.