Protocol of the Session on March 17, 2005

Ungeachtet der Millionen Euro zu Unrecht gezahlter Sozialleistungen zulasten der Allgemeinheit sind insbesondere die Folgen für die betroffenen Kinder ein großes Problem.

(Beifall bei der CDU)

Um was geht es genau? Nach geltendem Recht besteht für ausreisepflichtige Ausländer eine einfache Möglichkeit, sich missbräuchlich ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen. Dreh- und Angelpunkt ist eine Regelung des Zivilrechts, § 1592 BGB, nach der Vater eines Kindes ist, wer sich dazu bekennt und von der Mutter anerkannt wird.Diese Regelung wird teilweise dadurch ausgenutzt, dass Ausländerinnen ohne Aufenthaltsrecht den Staat damit täuschen, dass sie die Vaterschaft von Männern nur zum Schein anerkennen lassen, um selbst ein Bleiberecht zu erhalten. Gleiches gilt übrigens auch geschlechterverkehrt:Ausreisepflichtige Männer erkennen das Kind einer deutschen Frau an. Das Unglaubliche an dieser Anerkennung ist, dass in beiden Fällen keinerlei Verbindung zwischen Mann und Frau und zwischen Mann und Kind bestehen muss, weder sozial noch biologisch.

(Unruhe)

Die Vorgänge in Schleswig-Holstein scheinen doch sehr interessant zu sein.

Obwohl keinerlei Verbindung zwischen Mann und Frau und zwischen Mann und Kind bestehen muss, erwirbt das Kind mit der rechtlichen Anerkennung der Vaterschaft die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Folge, dass alle Angehörigen, also die Mutter und zumindest die Geschwister, in Deutschland bleiben können und auch wieder einreisen dürfen. In anderen Fällen erhält der anerkennende ausländische Vater eines deutschen Kindes ebenfalls ein Aufenthaltsrecht.

Gezielt werden durch gut organisierte Banden Männer,so genannte Imbiss-Väter, auf öffentlichen Plätzen angesprochen und für Scheinvaterschaften angelockt. Für einige Tausend Euro lassen sich die finanziell meist minderbemittelten Männer ihre Zustimmung zur Vaterschaft abkaufen. Dass sie selbst nicht in der Lage sind, ihre damit eingegangenen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind und der Mutter nachzukommen, hat zur Folge, dass in der Regel beträchtliche staatliche Sozialleistungen erforderlich werden. Man mag es diesen Menschen nicht verdenken, dass sie diese Möglichkeit nutzen. Das Skandalöse dabei ist aber, dass der Staat selbst bei begründetem Verdacht nichts, aber auch gar nichts dagegen tun kann. Den Behörden sind die Hände gebunden. Sie können noch nicht einmal den Nachweis der biologischen Va

terschaft von den Beteiligten fordern. Sie haben selbst bei begründetem Verdacht keine rechtliche Handhabe. Dieser Ungerechtigkeit auf Kosten aller können wir nicht länger zuschauen.

(Beifall bei der CDU)

Es kann nicht sein,dass sich unter den Augen hilfloser Behörden ausreisepflichtige Personen durch offensichtliche Scheinvaterschaften Aufenthaltsrechte und Sozialleistungen erschleichen, die die Allgemeinheit zu erbringen hat. Hier muss um der Gerechtigkeit willen endlich eingeschritten und gehandelt werden. Wir fordern daher eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, dass zukünftig den Behörden ein selbstständiges Anfechtungsrecht eingeräumt wird, wenn der begründete Verdacht einer Scheinvaterschaft vorliegt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung schaut allerdings – wie bei der früheren Praxis der Visa-Vergabe – weg, obwohl sie handeln müsste.

(Beifall bei der CDU)

Dagegen haben andere Nationen gehandelt, die dieses Phänomen ebenso kennen. In Frankreich werden die Gesetze zur Bekämpfung illegaler Einwanderung reformiert, und in der Schweiz gibt es bereits ein eigenständiges Anfechtungsrecht der Wohnsitzgemeinde. Für uns ist daher eine Änderung des Kindschaftsrechts durch Erweiterung des Kreises der Anfechtungsberechtigten um eine staatliche Stelle dringend geboten. Neben dieser Ergänzung in § 1600 Abs.1 BGB müssen allerdings die Hürden für ein behördliches Anfechtungsrecht ausreichend hoch gesetzt werden.

Scheinvaterschaften zur Erlangung von Aufenthaltstiteln sind ein reales Problem. Die Innenministerkonferenz der Länder hat hierzu in der Zeit von April 2003 bis März 2004 Erhebungen angestellt. Ich zitiere aus dem entsprechenden Bericht.

In fast 2.400 Fällen wurde eine Aufenthaltsgenehmigung an eine unverheiratete ausländische Mutter eines deutschen Kindes erteilt. Davon waren fast 1.700 Mütter zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung bereits ausreisepflichtig. Das entspricht 73 %.

Auf Hessen bezogen waren es übrigens 112 Fälle.

In 1.450 Fällen beruhte die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes auf einer Vaterschaftsanerkennung eines Deutschen. Das heißt, in fast 86 % der einschlägigen Fälle erfolgte die Vaterschaftsanerkennung für das Kind einer unverheirateten ausreisepflichtigen Frau durch einen Deutschen.

Zweitens. In fast 1.400 Fällen haben ausländische Männer ohne Aufenthaltsgenehmigung die Vaterschaft für ein deutsches Kind anerkannt und gleichzeitig eine Aufenthaltsgenehmigung bzw. Duldung beantragt.

Da der Staat bisher selbst bei begründetem Verdacht nicht überprüfen darf, kann dieses Zahlenmaterial nicht die Zweckwidrigkeit aller entsprechenden Vaterschaftsanerkennungen belegen. Das gehört selbstverständlich zur Wahrheit dazu. Das Zahlenmaterial ist aber gemeinsam mit den Erkenntnissen vieler betroffener Behörden ein starkes Indiz dafür, dass es in erheblichem Maße zu

Vaterschaftsanerkennungen kommt, die primär nur der Erlangung eines Bleiberechts dienen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte dies an einigen Einzelfällen verdeutlichen. Ich habe bewusst kein CDUregiertes Land gewählt, auch nicht Schleswig-Holstein, weil wir noch nicht wissen, wie die Wahl ausgeht. Ich beziehe mich daher auf SPD-Innensenator Dr. Ehrhart Körting aus Berlin. In Berlin sind den Behörden Fälle bekannt, wo ein deutscher Sozialhilfeempfänger bis zu sechs Kinder verschiedener ausreisepflichtiger Frauen anerkannt hat. Das ist ein lukrativer Nebenverdienst bei jeweils bis zu 5.000 c Lohn für den Scheinvater. Die dortige Senatsverwaltung hat allein im Jahr 2001 in vier Standesamtsbezirken bereits etwa 75 Fälle ermittelt, in denen von Scheinvaterschaften mit dem Ziel der Vermeidung einer bestehenden Ausreisepflicht der Mutter auszugehen ist. Bezeichnenderweise wurde dabei ausschließlich für das zuletzt geborene Kind die Vaterschaft eines deutschen Staatsangehörigen geltend gemacht.

Meine Damen und Herren,es darf nicht sein,dass sich unter den Augen des Gesetzes ausreisepflichtige Personen durch Scheinvaterschaften Aufenthaltsrechte und Sozialleistungen erschleichen. Es kann nicht sein, dass die Behörden selbst bei begründetem Verdacht nicht einschreiten können und ihnen die Hände gebunden sind.

(Beifall bei der CDU)

Dass hier nichts passiert und die regierungsamtliche Berliner Politik seit Anfang an nur zuschaut, ist für uns nicht länger hinnehmbar. Bereits in der letzten Legislaturperiode hat die damalige Innenstaatssekretärin SonntagWohlgast abgewiegelt und von „vereinzelten Missbrauchsfällen“ gesprochen. Sie hat sich geweigert, Konsequenzen zu ziehen. Als Reaktion darauf meldete die immerhin rote Berliner Senatsverwaltung, dass es entgegen der Auffassung der Bundesregierung ein massives Auftreten von Missbräuchen des Kindschaftsrechts gebe. Aber auch dieser Alarmbrief des damaligen Innensenators Diwell hat die Bundesregierung nicht zum Umdenken bewegen können.

Selbst die Innenminister, allen voran Bundesinnenminister Schily, haben sich an die Bundesjustizministerin gewandt und sie aufgefordert, endlich zu handeln. Passiert ist allerdings bis heute nichts. Da wird ausgesessen nach dem Motto „Was nicht sein soll, das nicht sein darf“. Es ist an der Zeit, ebenso wie bei dem Problem der Scheinehen klar zu handeln und dem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben. Wer anhand der Zahlen das Problem nicht erkennt oder erkennen will, handelt unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Wir von der CDU-Fraktion wollen dieser Ungerechtigkeit auf Kosten aller nicht länger zuschauen und bringen daher hier und heute einen Antrag ein,um den politischen Druck auf die handelnden Personen in Berlin zu verstärken. Der zunehmende Missbrauch von Scheinvaterschaften muss im Interesse der rechtstreuen Allgemeinheit,insbesondere aber im Interesse der betroffenen Kinder endlich entschieden bekämpft werden. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Abg. Beer für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion stimmt mit dem CDU-Antrag im Ziel überein, die missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft eines Kindes wirksam zu bekämpfen – Missbrauch im Hinblick darauf, dass die Anerkennung erfolgt, um Sozialleistungen oder auch ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erschleichen, das andernfalls nicht zu erreichen wäre.Solche Rechtsmissbräuche müssen beendet werden. Dafür dürfen keine deutschen Steuergelder ausgegeben werden.

Herr Kollege Wintermeyer, wir sind allerdings nicht – oder vielleicht sollte ich sagen: noch nicht – überzeugt, dass der von Ihnen gewählte Weg der Einräumung eines Anfechtungsrechts für die Behörde wirklich der richtige Weg ist. Ich muss da schon fragen: Für welche Behörden? Jugendamt, Ausländerbehörde, Staatsanwaltschaft? Ich weiß es nicht, Sie haben es in Ihrem Antrag nicht spezifiziert, und soweit ich weiß, ist es auch von Ihrer Bundestagsfraktion nicht spezifiziert worden. In der Schweiz dürfen es wohl sämtliche Behörden, die sich hierzu berufen fühlen.

Im Jahr 1998 haben CDU und FDP gemeinsam, damals noch in der Bundesregierung, das Kindschaftsrecht im Einvernehmen mit der damaligen Opposition reformiert. Bei dieser Kindschaftsrechtreform haben wir ganz bewusst die Amtspflegschaft für uneheliche Kinder hinsichtlich der Anerkennung der Vaterschaft abgeschafft und der Mutter mehr Rechte zugestanden, und zwar ohne vorherigen Eingriff der Behörden.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Behörde darf daher erst dann in diese familiäre und sehr persönliche Situation eingreifen, wenn klar ist, dass es kein milderes, d. h. weniger belastendes Mittel gibt, um die eben geschilderten rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweisen auszuschließen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Wintermeyer, bevor ich Ihre Schlussfolgerungen teile, dass es kein milderes Mittel gibt, sind meiner Ansicht nach im Rahmen der Ausschussberatungen noch eine ganze Reihe von Fragen zu klären.

Warum reicht Ihrer Meinung nach die gegenwärtige Rechtslage nicht aus, um diesen Rechtsmissbrauch abzustellen? Ich weiß aus meiner anwaltlichen Erfahrung, die sich teilweise auch im Ausländerrecht bewegt – da ich schwerpunktmäßig Verwaltungsrecht betreibe –, dass schon heute die Ausländerbehörde dann,wenn ein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung gestellt wird und sie Zweifel an einer behaupteten Verwandtschaft,explizit beim VaterKind-Verhältnis hat, durchaus zu dem Mittel greift, vom Antragsteller einen Vaterschaftstest, also einen DNATest, zu fordern; ansonsten wird der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eben verneint und der Antrag abgelehnt.In diesem Fall wäre es der Antragsteller – also das Kind, vertreten durch die Mutter, oder der Vater, der das Kind anerkannt hat,wie Sie es eben in zwei verschiedenen Fällen geschildert haben –, der dann in das Widerspruchsund anschließend das Klageverfahren gehen und nach

weisen müsste, dass in diesem Fall eine biologische Vaterschaft besteht. Warum soll das an dieser Stelle nicht ausreichend sein?

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sehr geehrter Herr Kollege Wintermeyer,ein zweiter Weg scheint mir in § 1629 Abs. 2 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu liegen. Danach kann der Mutter die Vertretungsbefugnis entzogen werden, wenn sie dem Wohl des Kindes zuwiderhandelt. Ich glaube, wir sind uns hier im Hause über alle Fraktionen hinweg einig, dass eine Mutter, die ihr noch ungeborenes oder schon geborenes Kind dazu missbraucht, um für sich und sonstige Verwandte ein Aufenthaltsrecht oder auch Sozialleistungen zu erschleichen, dem Wohl des Kindes zuwiderhandelt, da diesem Kind auch das Recht genommen wird, seinen wirklichen biologischen Vater kennen zu lernen und zu diesem eine Beziehung aufzubauen.

Daher wäre meines Erachtens – aber das müssten wir diskutieren – der Weg gegeben, über § 1909 BGB eine Ergänzungspflegschaft zu bestellen, um den Zweck zu verfolgen, die Vaterschaftsanfechtung bzw. -feststellung im dafür vorgesehenen familienrechtlichen Verfahren zu klären.

Herr Kollege Wintermeyer, in diesen Fällen wäre aber klar, dass Sie dann schon noch weitere Anhaltspunkte bräuchten. Denn die Zahlen, die Sie hier genannt haben und die die Innenministerkonferenz verwandt hat, werden auch von dieser Konferenz nur als Indiz bezeichnet. Die 112 Fälle, die in ihren Mitteilungen für Hessen aufgeführt sind, sind alles „nur“ Fälle nicht verheirateter ausländischer Frauen, die ein entsprechendes Kind haben und deswegen einen Aufenthaltstitel erlangt haben. Es ist gar nicht gesagt, dass diese Frauen dieses Kind nicht von einem Deutschen haben,sondern es ist nur gesagt,dass sie aus dieser Situation einer binationalen, nicht ehelichen Lebensgemeinschaft einen Vorteil gezogen haben. Deshalb wird die Gruppe dann schon noch kleiner. Diese Dimension muss man meines Erachtens im Blick behalten, um sich nicht dem Vorwurf eines Generalverdachts auszusetzen.

Herr Kollege Wintermeyer, darüber hinaus bin ich der Meinung, dass – wenn die von mir jetzt aufgezeigten, schon bestehenden rechtlichen Möglichkeiten auf Probleme treffen würden – eine Änderung des Ausländerund gegebenenfalls des Sozialhilferechts angemessener wäre, als über eine staatliche Behörde als Staat unmittelbar in verwandtschaftliche Beziehungen, die begründet wurden, einzugreifen. Für mich wäre eine Änderung des Ausländer- und Sozialrechts das mildere Mittel als der Weg, den Sie wählen.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, wir sollten uns in den Ausschussberatungen auch die Frage stellen, in welchen europäischen Ländern es das von Ihnen beantragte Anfechtungsrecht sonst noch gibt. In Ihrem Antrag erwähnten Sie nur die Schweiz, und auch ich habe bei meinen Recherchen kein anderes europäisches Land finden können, das diesen Weg geht. Da wäre dann natürlich die Frage zu stellen, wie die anderen Länder ohne ein solches Anfechtungsrecht auskommen.

Herr Kollege Wintermeyer, ich stelle mir auch die Frage, warum Sie weiter gehen als die Innenministerkonferenz, die bei der Beratung dieser Fälle nur ein befristetes Anfechtungsrecht gefordert hat – nicht ein unbefristetes, wie Sie und auch die CDU-Bundestagsfraktion dies tun.

Meine Damen und Herren, das heißt, die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass wir zunächst einmal die Möglichkeiten ausloten müssten, die das geltende Recht jetzt schon bietet, um diesen Rechtsmissbrauch zu bekämpfen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Dass wir diesen Rechtsmissbrauch bekämpfen müssen, darüber sind wir uns in diesem Hause,glaube ich,einig.Jedenfalls gilt das für die FDP-Fraktion: Wir können und werden solches rechtsmissbräuchliches Vorgehen nicht tolerieren.