Protocol of the Session on March 16, 2005

Medizinisch wird das als posttraumatische Belastungsstörung bezeichnet. Das ist der Zustand, dass man mit dem Erlebten nicht zurechtkommt. Die Situation, dass die Anzahl dieser traumatisierten Menschen zunimmt,kann man bewerten. Man kann es machen, wie es teilweise von der Landesregierung gesagt wird, nach dem Motto: Es könnte sich hierbei um einen vorgeschobenen Tatbestand handeln. – Man kann so, wie Sie, Frau Waschke, sagen: Es ist eine Situation, die die Menschen wirklich betrifft. – Ich glaube, es ist sehr schwierig, eine allgemein gültige Aussage zu treffen.Wir sind,wie gesagt,in diesem Bereich nur Laien und müssen uns auf die Aussagen der Fachleute verlassen.

Uns ist es wichtig, dass keine generelle Beurteilung dieser Fälle vorgenommen wird. Es ist elementar wichtig, dass wir jeden Einzelfall genau prüfen. Das haben Sie gesagt. Das ist völlig richtig. Deswegen darf man das Ganze auch nicht in eine Schublade stecken, nach dem Motto: Eine PTBS ist gleichzeitig ein Abschiebehindernis, oder sie ist es nicht.

Ich komme zu dem Verfahren, das Sie erwähnt haben, wie man das Ganze ganz konkret machen kann. Es gibt vonseiten der Ärzteschaft einige Vorschläge, wie man die Begutachtung vornehmen kann. Zweitens gibt es die Situation, dass vom Status quo nur beurteilt wird, ob eine Flugtauglichkeit besteht. Ich glaube auch, dass das nicht immer ausreicht. Ich glaube, dass man die Situation nicht immer nur im Rahmen der Flugtauglichkeit beurteilen kann. Es wird aber auch nicht immer gemacht. Auch das muss man sagen. Eine PTBS wird nicht immer nur im Rahmen der Flugtauglichkeit gesehen. Es gibt auch Ausnahmen. Das wissen wir. Es sind relativ wenige, aber es gibt sie.

Ich wünsche mir von der Landesregierung, dass wir überlegen, wie wir ein Verfahren installieren können. Da ist NRW vielleicht wirklich ein Vorbild. Das müssen wir diskutieren. Da bin ich auch ganz offen. Herr Minister, ich warte auf Vorschläge von Ihnen, wie man das möglicherweise verändern kann. Wir müssen überlegen, wie wir als Laien uns zu einer Systematik durchringen können, dass wir eine Begutachtung haben, die nicht die Flugtauglichkeit in den Vordergrund stellt. Das Problem ist – das sagt die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage zu Recht –: Es muss nach Recht und Gesetz gehandelt werden.

Bei vielen Fällen gibt es die Vermutung, dass es vorgeschobene Gründe sind, wenn eine PTBS in den Vorder

grund gestellt wird. Ich sage ganz offen: Das würde mich auch nicht wundern, weil es ein Umstand ist, der relativ schwer medizinisch nachzuweisen ist. Ich will das auch den Menschen nicht vorwerfen, die aus solchen Ländern kommen, weil ich glaube, auch ich würde in einer solchen Situation nicht anders handeln. Ich würde auch versuchen, nicht wieder zurück in mein Heimatland zu kommen – Heimatland in Anführungszeichen –, weil es für viele kein Heimatland ist, da die wirtschaftlichen Bedingungen oft katastrophal sind. Ich sage aber auch, dass ich, dass wir nicht selbst beurteilen können, was dort wirklich vorgefallen ist, auch nicht die Mitglieder des Petitionsausschusses. Das macht für uns die Situation sehr schwierig, denn wir haben einen Umstand, der möglicherweise wahr ist, möglicherweise unwahr.

Herr Minister, was in der Beantwortung der Großen Anfrage aber sicher feststeht, ist, dass wir es nicht am Zeitraum festmachen können, wann die Traumatisierung vorgetragen wird. Wir wissen, dass es in Petitionsverfahren immer wieder die unterschiedlichsten Problemlagen gibt, wann Menschen bei welchen Situationen welchen Vortrag machen. Eine Tendenz daraus abzulesen, wie es die Landesregierung tut, zu sagen: „Wenn es nach dieser Sechsmonatsfrist gemacht wird, stellt es ein Indiz dar, dass es kein wahrer Sachvortrag ist“, damit habe ich meine Probleme.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen müssen wir an diesem Punkt sehr vorsichtig sein, wenn wir daran Tendenzen ablesen wollen. Die Tendenzen lassen sich aus der Beantwortung der Großen Anfrage nicht ablesen.

Herr Kollege Rentsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Jürgen Frömmrich?

(Florian Rentsch (FDP): Natürlich!)

Herr Kollege Rentsch, erinnern Sie sich noch an unseren Besuch beim BAMF, wo genau dieser Punkt vorgetragen wurde? Es wurde gesagt, dass immer dann, wenn die betroffene Person wieder mit dem Schicksal konfrontiert wird, weil sie nach Hause soll, die posttraumatischen Belastungsstörungen akut werden. Deswegen werden sie im Verfahren erst so spät vorgetragen.

Herr Kollege Frömmrich, es gibt genau diese Fälle, die Sie vortragen, wo man den Tatbestand hinnehmen muss, dass die Leute dann, wenn sie mit der Abschiebung konfrontiert werden, sich wieder sozusagen zurückversetzt sehen und sich mit der Situation auseinander setzen,wie es in ihrem ehemaligen Heimatland ist. Es ist klar: Man überlegt sich, wie es aussieht, wenn man zurückkommt. Man denkt an alte Situationen. Das ist gar keine Frage.

Ich will noch zwei konkrete Beispiele nennen, weil mich das an dieser Großen Anfrage ein bisschen irritiert hat. Ich glaube, Herr Minister, das sehen Sie in vielen Bereichen ähnlich. Zum einen geht es um die Aussage, die wir immer treffen, dass, sobald die medizinische Versorgung im Heimatland sichergestellt ist, eine Rückführung ohne

Probleme möglich ist.Ich habe große Zweifel bei der Aussage, auch des Auswärtigen Amtes, über die medizinische Versorgung in den „Heimatländern“.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben dort ganz unterschiedliche Aussagen. Ich will ganz bewusst nennen: Wir haben einen aktuellen Fall, wo uns die türkischen Behörden versichert haben – die Türkei ist übrigens ein Land, über dessen EU-Beitritt wir diskutieren –, dass ein zurückzuführender Mann, der nachweislich stark suizidgefährdet war, am Flughafen übernommen und sofort in ärztliche Behandlung gegeben werde. Fakt war, dass dieser Mann über eine Woche lang am Flughafen in Istanbul gesessen hat, bis eine medizinische Versorgung sichergestellt war. Er wurde zwischenzeitlich von der Polizei betreut. Das ist wirklich ein Fall, den ich absolut inakzeptabel finde. Das ist kein Vorwurf an das Innenministerium, sondern ein Vorwurf an die Behörden, mit denen wir im Ausland zusammenarbeiten.

(Beifall bei der FDP)

Wir dürfen als Staat, als öffentliche Hand keine Leute rückführen, wenn wir uns nicht darauf verlassen können, dass das,was uns von dem Rückführungsstaat gesagt wird, auch wirklich zutrifft.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe bei der Türkei oft Zweifel, ob die Standards, die von den türkischen Behörden angegeben werden, wirklich vorhanden sind. Das sage ich ganz bewusst.

Ein zweiter Fall zum Thema posttraumatische Belastungsstörung: Ich hatte eine Eingabe zu bearbeiten, wo die Petentin nachweislich unter posttraumatischen Belastungsstörungen gelitten hat. Man kann sich unter dem Begriff „posttraumatische Belastungsstörungen“ nur wenig vorstellen. Der konkrete Sachverhalt war, dass diese Frau in ihrem Heimatland im Bürgerkrieg vieles erlebt hat, über das sie nicht hinwegkommt. Das betraf Vorkommnisse in der Verwandtschaft und in ihrer Familie – bis hin zu ihrer eigenen Person. Das sind natürlich Umstände, das sind Kriegserfahrungen, die man nicht einfach beiseite schieben kann. Das haben wir im Übrigen auch bei vielen Deutschen mit Kriegserlebnissen. Sie konnten diese Erfahrungen natürlich anders bewältigen. Aber bei den Bürgerkriegsflüchtlingen – ich will konkret die Menschen aus den ehemaligen jugoslawischen Gebieten ansprechen – ist es schon so, dass man das nicht einfach wegwischen und sagen kann: Das ist einfach eine Belastungsstörung, und deshalb führen wir diese Leute zurück. – Ich glaube, dass viele dieser Menschen Erfahrungen gemacht haben, die sehr, sehr extrem sind. Wenn man sich mit ihnen unterhält, kommt man zu dem Schluss: Keiner von uns, der hier sitzt, möchte mit solchen Erfahrungen konfrontiert werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das muss die Grundlage dafür sein, wie wir dieses Thema diskutieren.

Lassen Sie mich abschließend zwei Feststellungen treffen. Es ist schon so, dass nicht jeder PTBS-Vortrag wahr ist, aber es ist auch nicht so, dass jeder PTBS-Vortrag unwahr ist. Wir müssen ein Verfahren finden, Herr Minister, mit dessen Hilfe wir zwischen diesen beiden Polen abwägen können, in das wir mit gesundem Menschenverstand hineingehen, keine Vorverurteilungen vornehmen, aber auch

nicht jeden Vortrag gleich für bare Münze nehmen.Das ist eine sehr schwierige Situation, aber auch ich glaube – wie Frau Kollegin Waschke –, das der Status quo nicht haltbar ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Dr. Jürgens für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar für die Große Anfrage der SPD-Fraktion, weil sie uns Gelegenheit gibt, die Probleme von Flüchtlingen zu diskutieren, die durch grauenvolle Erfahrungen in ihrem früheren Leben erheblich traumatisiert sind.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage lässt sich im Wesentlichen in einem Satz zusammenfassen. Sie weiß, dass sie nichts weiß. Die meisten Fragen werden mit den Worten „Darüber liegen keine Erkenntnisse vor“ oder „Es gibt keine statistischen Erhebungen“ beantwortet. Das werfe ich Ihnen noch nicht einmal vor, aber aus den Antworten wird im Übrigen klar – so empfinde ich es jedenfalls –, dass Sie es auch gar nicht genau wissen wollen. Es ist Ihnen im Wesentlichen gleichgültig. Sie verweisen in vielen Fällen auf Besonderheiten des Einzelfalles, weichen damit einer Antwort zugleich aus und dokumentieren an vielen anderen Stellen – Herr Rentsch hat schon darauf hingewiesen – ein außerordentlich großes Maß an Misstrauen gegenüber denjenigen, die traumabedingte psychische Störungen haben oder zumindest vortragen, solche zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten uns darüber im Klaren sein, über was wir eigentlich reden. Deshalb möchte ich einmal zwei Fälle herausgreifen, die mir von einer Flüchtlingsberatungsstelle geschildert worden sind.

Erster Fall: eine muslimische Frau, die mit ihrer Familie vor dem Krieg im Kosovo geflohen ist, nach vielen Umwegen endlich in Deutschland eine vorläufige Zuflucht gefunden hat. Sie wurde in ihrem Dorf von serbischen Soldaten mehrfach vergewaltigt, während sich ihr Ehemann – mit den anderen männlichen Einwohnern – aus guten Gründen in den umliegenden Wäldern aufhielt.Wir wissen, dass in vielen Fällen alle männlichen Bewohner von Dörfern getötet worden sind. Die Frau weiß nicht genau, was ihre beiden damals noch relativ kleinen Kinder von dem Vorfall mitbekommen haben. Sie weiß aber, dass sie ihrem Mann nicht davon erzählen möchte,denn sie hat keine Ahnung, wie er darauf reagieren würde. In ihrem Kulturkreis ist es durchaus üblich, dass vergewaltigte Frauen von den Männern verstoßen werden. Sie weiß nicht, was die Mitbewohner in ihrem Dorf mitbekommen haben und was sie ihrem Mann möglicherweise erzählen würden, wenn die Familie zurückkehren würde.

Die Frau hat in Deutschland vorläufig Stabilität und Sicherheit gefunden. Das kann aber nicht verhindern, dass das Trauma seinen Tribut fordert. Sie erkrankt, sie zeigt eine ganze Reihe traumatischer Symptome, bis eine Ärztin die psychischen Hintergründe mehr erahnen als diagnostizieren kann.Immer wieder folgen Krankenhausaufenthalte, und der Umfang der psychiatrischen Behand

lungen nimmt zu. Nach wie vor hat die Frau Angst und fragt sich: Was weiß mein Mann, kann ich ihm davon erzählen? Darf ich überhaupt etwas erzählen?

Der Mann sucht irgendwann die Flüchtlingsberatungsstelle auf, von der ich gerade gesprochen habe. Die Beraterin spricht mit der Frau, erfährt nach mehreren Gesprächen die Hintergründe und versucht, die traumabedingten Störungen gegenüber der Ausländerbehörde und dem Bundesamt geltend zu machen – mit der Einschränkung, dass sie die gesamte Korrespondenz führen muss und die Frau im Hintergrund bleibt, um zu verhindern, dass der Mann von diesen Dingen erfährt.

Die Zeit der Rückführung steht an. Die Frau kollabiert. Der Antrag beim Bundesamt wird abgelehnt mit der Begründung, sie habe diese Belastungsstörungen erst viel zu spät angegeben. Seitdem lebt die Frau in ständiger Angst, dorthin zurückgeführt zu werden, wo sie vergewaltigt wurde.

Ein zweiter Fall: ein männlicher Flüchtling, der vor seiner Flucht nach Deutschland in seinem Heimatland gefoltert worden ist. Er zieht sich vollkommen in sich zurück, lebt mit Frau und Kind in Sicherheit, in Deutschland in einer kleinen Wohnung, die er nur verlässt, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Er ist in sozialen Kontakten zu anderen Menschen absolut gestört. Das bedeutet auch, dass er Ehefrau und Kind bei dem engen Zusammenleben nahezu terrorisiert.

Der Mann wird von seiner Frau gedrängt, doch einmal die Flüchtlingsberatungsstelle aufzusuchen, was er nach einigem Widerstreben tut. Auch in diesem Gespräch erfährt die Beraterin eher beiläufig von der Folter, wobei er sich strikt weigert, Einzelheiten zu schildern. Er verweigert jede Angabe dazu, verdrängt nach wie vor. Die Beraterin bietet ihm psychologische bzw. psychiatrische Behandlungen an.Das lehnt er kategorisch ab,denn das sei nur etwas für Schwächlinge. Daraufhin sagt sie: Dann müssen wir wenigstens einen Antrag beim Bundesamt stellen. – Sie will einen Abschiebungsschutz erwirken. Dem Mann gegenüber nennt sie das einen Asylantrag.Dazu sagt er:Keinesfalls, ich will mit den Behörden so wenig wie möglich zu tun haben. – Der Mann geht mit seiner Frau wieder nach Hause, verlässt die Wohnung seither nicht mehr. Die Beraterin erfährt über seinen aktuellen Gesundheitszustand nichts mehr.

Das sind zwei Beispiele, die nach meinem Dafürhalten das ganze Ausmaß des Leidens schwer traumatisierter Personen zeigen. Die Flüchtlinge stammen häufig aus einem Kulturkreis, in dem es eben nicht möglich ist, über psychische Probleme mit anderen Personen offen zu reden. Alle sind zunächst froh, in Deutschland eine gewisse Sicherheit erlangt zu haben.

Auf der einen Seite ist es natürlich richtig, wenn die Landesregierung in ihrer Antwort auf Frage 2 erläutert, bei dem Krankheitsbild der posttraumatischen Belastungsstörung träten in der Regel spätestens sechs Monate nach dem traumatisierenden Ereignis behandlungsbedürftige Symptome auf. Das ist aber nur eine allgemeine Regel, und in einem so hoch individuellen Problembereich wie dem, über den wir gerade sprechen, führt eine Regelbildung sehr schnell zu einer unzulässigen Verallgemeinerung.

Außerdem wird längst nicht jedes behandlungsbedürftige Symptom als solches erkannt, wenn es ausbricht, und schon gar nicht als solches behandelt. In dem oben geschilderten Fall der Frau zeigten sich natürlich Symptome,

auch schon sechs Monate nach dem Ereignis.Aber sie hat das eben in der Abwehrhaltung gegenüber dem Ereignis nicht darauf zurückgeführt. Sie hat es auf somatische Probleme zurückgeführt, auf Klima- und Ernährungsumstellungen, auf Anpassungsschwierigkeiten in einem fremden Land usw. Sie ist erst sehr viel später darauf gekommen, dass das etwas mit ihrer Vergewaltigung zu tun haben könnte. Hinzu kam, dass sie ihrem Mann gegenüber nicht offen sein durfte und schon deshalb das Trauma nicht angemessen bewältigen konnte.

Außerdem sagt die Sechsmonateregel auch nichts darüber aus, wie lange die Probleme anhalten, wenn sie behandelt oder nicht behandelt werden, weil die Betroffenen das lieber verdrängen. Wer will den Stab über diese Leute brechen? Wir wissen, dass die Störungen später wieder zum Ausbruch kommen,wenn man verdrängt,dass es im Ergebnis nichts bringt, zu verdrängen. Aber Menschen verhalten sich nun einmal so.

Ich habe erst kürzlich im Radio die Rezension eines Buches über Frauen gehört, die in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs von einrückenden Truppen vergewaltigt wurden. Diese Frauen hatten in den Wirren der Nachkriegszeit mit dem Kampf ums nackte Überleben genug zu tun. Das war wichtiger als die Bewältigung des Traumas. Professionelle Hilfe war in der Zeit für die meisten sowieso schwer oder kaum zu erlangen. Die Frauen schilderten, dass diese furchtbaren Erlebnisse teilweise erst Jahrzehnte später, im hohen Alter, wieder zum Durchbruch kamen, dass sie sich in Form von Ängsten,Albträumen und Phasen der Depression bemerkbar machten. Oft ahnten die Frauen selbst noch nicht einmal, was der wirkliche Hintergrund war, und haben das erst später in der Behandlung feststellen können.

So ist das bei vielen schwer traumatisierten Personen. Sie haben oft ein Leben lang mit den Folgen der Traumatisierung zu tun.Das wissen wir aus der Folterforschung.Wenn man all dies weiß, dann grenzt es meines Erachtens schon an Zynismus, wenn die Landesregierung in ihrer Antwort den Eindruck vermittelt, ein verspätetes Vorbringen einer posttraumatischen Belastungsstörung nähre den Verdacht, dies würde nur zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsverlängerung vorgetragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Oft gehört es geradezu zum Krankheitsbild,dass erst nach längerer Zeit, teilweise erst nach einer Behandlung oder nach Gesprächen, eine posttraumatische Belastungsstörung von den Betroffenen akzeptiert wird und von anderen diagnostiziert werden kann.

In einer Antwort sagen Sie, es sei symptomatisch, dass die Fälle von PTBS zugenommen haben, nachdem die Rückführungen in den Kosovo und nach Serbien-Montenegro wieder aufgenommen wurden.

Da muss man sich doch nicht wundern. Gerade in Jugoslawien sind bekanntlich besonders schwere Kriegsverbrechen begangen worden, die Zivilbevölkerung wurde besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen. Deswegen gibt es das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Dass natürlich die Aussicht der Menschen, genau dorthin zurückgeführt zu werden, wo sie dieses Trauma erlebt haben, nicht gerade zu ihrer Gesundung beiträgt, sondern eher zum Ausbruch der Störung, das ist doch vollkommen klar.Daraus abzuleiten,im Grunde sei das immer nur vorgeschoben, das finde ich relativ zynisch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sabine Waschke (SPD))