Protocol of the Session on June 16, 2004

Sie haben doch keine Ahnung von Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Nach allen Prognosen schafft der Ausbau des Frankfurter Flughafens zusätzlich 40.000 bis 100.000 Arbeitsplätze. Zwei Jahre Verzögerung, mindestens 40.000 Arbeitsplätze: Dies führt uns doch relativ zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass wegen der Fehler dieser Landesregierung 40.000 Menschen in unserem Lande mindestens zwei Jahre länger arbeitslos sein werden. Sie werden mindestens zwei Jahre länger auf einen neuen Job warten müssen. Dafür trägt diese Landesregierung die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Das Land Hessen ist der größte Anteilseigner am Frankfurter Flughafen. Nach Aussage des Fraport-Vorstandsvorsitzenden Bender kostet das Unternehmen jedes Jahr der Verzögerung 630 Millionen c an Umsatzmehreinnahmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwei Jahre Verzögerung, zweimal 630 Millionen c, das macht 1,26 Milliarden c Verlust. Daran ist das Land als Anteilseigner beteiligt, und daran ist das Land natürlich auch in seiner Funktion als Fiskus beteiligt. Für diese massiven Einnahmeausfälle trägt diese Landesregierung die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Umsatz ist kein Gewinn! – Weitere Zurufe von der CDU)

Sie gehen davon aus, es seien ja „nur“ zwei Jahre. Der Herr Wirtschaftsminister sagt, Gründlichkeit gehe bei Ihnen eben vor Schnelligkeit; es passiere ja nichts, wir würden die Verkehrsströme einfach zwei Jahre später zu uns holen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist das nicht. Sie wissen, dass wir einen zweiten Hub der Star Alliance in Deutschland haben. Der zweite Hub befindet sich in München. Momentan ist es so, dass Frankfurt der zentrale Hub der Star Alliance ist. In München hat man aber die Möglichkeit, relativ einfach eine größere Zahl von Flugbewegungen zu organisieren.

Wenn die zusätzlichen Flugbewegungen, die von der Star Alliance jetzt schon angefragt werden, nicht in Frankfurt organisiert werden können, dann wird sich die Star Alliance nach München orientieren. Ich bin der Auffassung, dass es unsere Aufgabe als hessische Landespolitiker ist, dafür Sorge zu tragen, dass diese Flugbewegungen, die Arbeitsplätze nach sich ziehen, nicht nach München, sondern nach Frankfurt kommen. Diese zwei Jahre Verzögerung werden aber zu Nachteilen führen, die nicht mehr revidierbar sind.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich komme zur Rolle des Ministerpräsidenten, die wir in unserem Antrag abfragen.Herr Ministerpräsident,wir haben Ihnen im Jahre 1999, als Sie den Aufsichtsratsvorsitz von Fraport übernommen haben, gesagt, dass wir das für ausgesprochen riskant halten, und haben Ihre Entscheidung kritisiert. Auch nach der Landtagswahl im Jahre 2003 haben wir kritisiert, dass Sie an dem Aufsichtsratsvorsitz festhalten. Ich habe Ihnen in meiner allerersten Rede als Fraktionsvorsitzender der SPD gesagt, dass Sie mit dieser Doppelfunktion eine Garantenstellung für den Ausbau übernehmen. Wenn jemand die Verantwortung auf beiden Seiten übernimmt, dann ergibt sich eine relativ einfache Rechnung: Wenn es mit dem Ausbau rund läuft, dann gebührt ihm der Erfolg, wenn aber Fehler gemacht werden, dann trägt er dafür ganz persönlich die politische Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Das weiß der Hessische Ministerpräsident ganz genau. Das ist auch der eigentliche Grund dafür, warum er im Winter letzten Jahres aus dem Aufsichtsrat von Fraport geflüchtet ist. Es ist zwar relativ einfach, den Aufsichtsratsvorsitz von Fraport abzugeben, aber der Übernahme der politischen Verantwortung für die Fehler Ihrer Landesregierung, Herr Ministerpräsident, werden Sie nicht so leicht entfliehen können.

(Beifall bei der SPD)

Der Herr Ministerpräsident trägt nicht nur die politische Verantwortung als Chef der Regierung und als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender bei Fraport, sondern er trägt auch ganz persönlich die Verantwortung für den eigentlichen Fehler bei dem Verfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens, nämlich die Vorfestlegung auf die Nordwestbahn.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben im August 2000 Ihren Landesvorstand,Ihre Landespartei und die Landtagsfraktion auf die Nordwestbahn festgelegt.Sie haben sich,noch bevor eine Abwägung über die Risiken und die Gefahren der jeweiligen Varianten stattgefunden hatte, entschieden und gesagt: Die Nordwestbahn ist die Variante, für die wir stehen, und wir werden diese Variante durchsetzen. – Im Jahre 2002 haben Sie hier im Plenum gesagt: Ich erkläre als Ministerpräsident für das Land Hessen, dass es für uns nur eine Möglichkeit gibt, nämlich die Nordwestbahn. – Sie haben hinzugefügt: Ich werde diese Position auch als Aufsichtsratsvorsitzender von Fraport in den Gremien des Unternehmens durchsetzen. – Herr Ministerpräsident, ganz offensichtlich haben Sie den juristisch angreifbaren Weg gewählt, erst zu entscheiden und dann abzuwägen. Genau dies ist jetzt Ihr Problem.

(Beifall bei der SPD)

Genau das wirft Ihnen die EU-Kommission jetzt vor. Die EU-Kommission sagt: Man kann nicht in eine Abwägung eintreten und das Ergebnis bereits vorwegnehmen. – Das ist im Übrigen eine relativ logische Aussage.

Herr Ministerpräsident, damit stehen Sie nicht am Anfang, sondern sogar einen Schritt vor dem Anfang.Wir erinnern uns an die markigen Worte der Union im Wahlkampf 1999. Der Herr Ministerpräsident und seine Freunde von der Union haben schon damals gesagt: Die Frage des Ob des Ausbaus ist für uns entschieden, es kommt nur noch auf das Wie an,wo die Variante sein wird. – Mit Ihrer jetzigen Einlassung gegenüber der EU-Kommission haben Sie wieder alle Varianten als gleichberechtigt angesehen, und Sie haben gesagt, auch die Nichtausbauvariante müsse gleichberechtigt überprüft werden. Nichts mehr von den markigen Sprüchen, das Ob sei bereits entschieden. Sie stehen wieder ganz am Anfang des Verfahrens, Herr Ministerpräsident.

Die Verzögerung, die durch Ihre Vorfestlegung entstanden ist, mag schlimmer sein als eine Verzögerung um zwei Jahre, denn die Aussagen, die ich hier zitiert habe, die in den Plenarprotokollen festgehalten sind, werden auch in den Schriftsätzen der Rechtsanwälte auftauchen, die die Ausbaugegner vertreten werden. Es wird nicht einfach werden, wenn das Gericht überprüft, ob wir es hier mit einem ordentlichen Abwägungsverfahren zu tun haben, wenn die Ausbaugegner sagen können: Die Landesregierung hat gar nicht abgewogen,sie hat das Ergebnis aus politischen Gründen bereits vorher festgelegt. – Ihre Position hat die SPD immer kritisiert – nicht deshalb, weil wir gegen den Ausbau sind, sondern deshalb, weil wir gesagt haben, das ist ein grundsätzlicher handwerklicher Fehler.

(Beifall bei der SPD)

Sie können auch nicht sagen, Sie hätten davon nichts gewusst, Ticona sei ein so kleines Werk, das hätten Sie gar nicht gesehen, das seien alles Dinge gewesen, die erst später aufgefallen seien. Es liegen zwei Schreiben vor: ein Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Kelsterbach, Erhard Engisch, und ein Schreiben der Firma Ticona, beide aus dem Jahre 2000. Herr Ministerpräsident, beide Schreiben waren an Sie persönlich adressiert. In beiden Schreiben wird ausdrücklich auf das Gefährdungspotenzial der Firma Ticona hingewiesen. Sie haben diese Hinweise, diese Warnungen in den Wind geschlagen.

Ich kann das politisch sogar verstehen. Es wurde dann ja auch entsprechend kommentiert: „mutige Entscheidung des Ministerpräsidenten“,„klare Festlegung des Ministerpräsidenten“. Aber, Herr Ministerpräsident, diese symbolhafte Politik, brutalstmögliche Entscheidungen zu verkünden, ist die Ursache dafür, dass wir uns jetzt in dieser schwierigen Situation befinden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich glaube, es ist heute an der Zeit, dass Sie uns vor diesem Plenum darlegen, welchen Einfluss Sie in den Gremien der Fraport zur Durchsetzung Ihrer politischen Vorfestlegung genommen haben. Zum Zweiten müssen Sie vor diesem Plenum darlegen, wo wir jetzt in der Variantendebatte stehen.Darauf haben die Leute in der Region einen Anspruch.

Der Antrag der Union sagt nichts zu dem aus, was er in seinem Betreff ankündigt. Der Antrag der Union, der heute vorliegt, sagt viel mehr über das aus, was er nicht enthält. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, erstmals seit vielen Jah

ren legt die Union einen Antrag vor, in dem das Wort „Nordwestbahn“ nicht auftaucht. Ganz offensichtlich sieht auch die Union, dass eine erneute Variantendebatte eröffnet wurde und dass mittlerweile auch die Variante Nichtausbau überprüft werden muss. Das ist die Position, die wir vertreten haben. Herr Ministerpräsident, Ihre politischen Ausführungen sind nach wie vor anders. Ich glaube, wir alle haben Anspruch darauf, dass Sie vor diesem Plenum über den derzeitigen Stand des Ausbauverfahrens berichten.

Ich fasse zusammen. Die Fehler der Landesregierung, der absolute juristische Fehler der Vorfestlegung, haben zur Verzögerung des Ausbaus geführt. Diese Verzögerung des Ausbaus kostet mindestens 40.000 Menschen für zwei Jahre den Arbeitsplatz. Diese Verzögerung um zwei Jahre kostet das Land Hessen als Anteilseigner erhebliches Geld durch Mindereinnahmen bei den Steuern. Drittens schwächt das unser Land in seiner weiteren wirtschaftspolitischen Entwicklung, sie schwächt die zentrale Infrastrukturentscheidung für unser Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesen Fehlern hat die Landesregierung unser Land Hessen wirtschaftspolitisch deutlich geschwächt. Unser Land wird ärmer, nicht reicher – wegen der Fehler dieser Landesregierung. – Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, für die CDUFraktion hat Herr Abg. Clemens Reif das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion hier gehört hat, dann könnte man zu dem Eindruck kommen, als sei die SPD der Gralshüter des Flughafenausbaus in Hessen.

(Michael Siebel (SPD): Sie sind es bestimmt nicht!)

Meine Damen und Herren, ich will nicht sagen, das Gegenteil sei der Fall.Aber ich will Ihnen einmal vorführen, was die SPD in Sachen Flughafen in den vergangenen fünf Jahren an Stellungnahmen hier gebracht hat.

(Michael Siebel (SPD): Reden Sie doch einmal über Ihre Versäumnisse!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,in Ihren Reden sind Sie – teilweise – dafür. In Abstimmungen des Hessischen Landtags haben Sie sich in den vergangenen fünf Jahren konsequent mehrheitlich der Stimme enthalten.

(Hildegard Pfaff (SPD):Weil wir uns auf Ihre Spielchen nicht einlassen!)

Und vor Ort ist die SPD gegen den Flughafenausbau. Das ist die Position der Sozialdemokraten.

Meine Damen und Herren, was wäre denn, wenn die SPD heute noch regierte?

(Michael Siebel (SPD): Dann wären wir weiter!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,was wäre denn, wenn nicht 1999 eine Regierung aus CDU und FDP in diesem Land die Regierungsverantwortung übertragen

bekommen hätte? Ich sage Ihnen, dann wären wir heute in Sachen Flughafenausbau nicht einen Millimeter weiter.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie nur daran erinnern, welche Position Sie 1999 hatten. Sie haben sich damals konsequent geweigert, über dieses Thema auch nur ernsthaft nachzudenken. Sie haben sich konsequent geweigert, einen Ausbau überhaupt in Erwägung zu ziehen.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Was Sie als Programm hatten, das war die Entwicklung des Flughafens innerhalb der Grenzen, innerhalb des Zauns. Das war das Äußerste, der kleinste gemeinsame Nenner, den Sie mit Ihrem damaligen Koalitionspartner nach außen tragen konnten.

Meine Damen und Herren, das Zauberwort war „Entwicklung innerhalb des Zauns“, nichts anderes. Das hätte der Region, dem Flughafen und dem gesamten Lande Hessen den größten Schaden zugefügt.

(Beifall bei der CDU)

Allein die Tatsache, dass CDU und FDP mit dem damaligen Wirtschaftsminister Dieter Posch die Dinge in die Hand genommen haben, hat dazu geführt, dass dieses Thema entkrampft wurde. Ich sage Ihnen, niemand anderes als die christlich-liberale Koalition in ihrer ersten Legislaturperiode hat dafür gesorgt, dass der gordische Knoten durchhauen wurde. Innerhalb kürzester Zeit sind wir zu Ergebnissen gekommen, und zwar zu tragbaren Ergebnissen. Wir haben dieses Thema im wahrsten Sinne des Wortes gepuscht. Nach einem Jahr sind wir zu einem Ergebnis gekommen, das auch bei der Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet als tragfähig angesehen wurde.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu einem solchen Ergebnis wären Sie nie gekommen, auch nicht nach fünf Jahren. Lassen Sie mich das hier ganz eindeutig sagen.