Protocol of the Session on May 12, 2004

Das Wort hat Abg. Hahn, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei einem hat der Kollege Frömmrich Recht. Die GRÜNEN haben hier schon einmal einen Antrag eingebracht, und zwar im Jahre 2002. Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP abgelehnt worden. Dieser Vortrag ist richtig. Herr Kollege Frömmrich,ansonsten hat das,was Sie hier in relativer Erregung über dieses Thema vorgetragen haben, mit der Verfassungswirklichkeit und mit den Verfassungsworten nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir in unserer Hessischen Verfassung – ich schätze, das ist zwischen den Fraktionen bei der Reform unstrittig – einen Art. 16 haben. Art. 16 HV lautet:

Jedermann hat das Recht, allein oder gemeinsam mit anderen,Anträge oder Beschwerden an die zuständige Behörde oder an die Volksvertretung zu richten.

Das ist – darauf hat Kollege Beuth hingewiesen – die Grundlage für den Ausschuss, den wir hier haben und den wir Petitionsausschuss genannt haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist die verfassungsmäßige Grundlage für die Arbeit unseres hessischen Parlaments auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch für das Recht, das die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gegenüber uns, dem Parlament, haben.

Herr Hahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein!)

Gut.

Kolleginnen und Kollegen von Sozialdemokraten und GRÜNEN, wenn Sie das Recht aushöhlen wollen, dann sagen Sie es laut und deutlich.

(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP) – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nämlich nichts anderes,als das Recht des Art.16 HV auszuhöhlen. Man kann nicht etwas daneben, darüber oder darunter stellen.Immer dann,wenn es um die Fragen geht, die verwaltungsmäßig nicht so abgearbeitet werden konnten oder wurden, wie es sich die Bürger erwünscht haben, haben sie ihre Anlaufstelle beim Petitionsaus

schuss. Der Petitionsausschuss kann in der seit Jahrzehnten geübten Art und Weise hervorragend entscheiden.Alles das, was Sie daneben, darüber und darunter stellen, ist schlicht Murks, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.Das hat mit der Hessischen Verfassung nichts zu tun.

Lassen Sie mich deshalb für die FDP-Fraktion sagen:Wir werden weiterhin dagegen sein, eine entsprechende Härtefallkommission einzurichten, weil wir die Arbeit des Petitionsausschusses nicht desavouieren wollen, weil wir der Auffassung sind,dass der Petitionsausschuss in den Jahren – Herr Frömmrich, ob das 4.000 Fälle sind – Entscheidungen hervorragend getroffen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema mit der Diskussion zu verknüpfen, die auf der Berliner Ebene stattfindet, wie es insbesondere Herr Frömmrich getan hat, das hat überhaupt nichts miteinander zu tun.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Natürlich!)

Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass es unerträglich ist, dass zwei Parteien in Deutschland zurzeit verhindern wollen, dass eine Einigung über das Einwanderungsproblem zustande kommt. Diese Parteien heißen Union und GRÜNE – damit das einmal vollkommen klar ist.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Frömmrich, es war gerade Ihr grandioser Bundesvorsitzender Bütikofer, der am letzten Montag erklärt hat, es sei Schluss mit lustig.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Reißen Sie doch einmal die gelben Tennisbälle von den Augen!)

Sie können noch so laut brüllen. Ganz Deutschland weiß, dass die GRÜNEN aus der Diskussion über einen Zuwanderungskompromiss ausgestiegen sind.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das wissen alle GRÜNEN.Wenn Sie es noch nicht wissen, empfehle ich Ihnen:Rufen Sie Herrn Schily an.Er kann es Ihnen in seiner Art und Weise bestätigen, dass die GRÜNEN ausgestiegen sind.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Dass Sie sich auf Schily berufen! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass der grüne Parteirat am vergangenen Samstag genau dasselbe gemacht hat. Also hören Sie auf, hier Krokodilstränen zu verdrücken. Auf dieser Seite sitzen Blockierer, und auf jener Seite sitzen die Jung-Blockierer. Das ist die Thematik.

(Beifall bei der FDP – Wortmeldung des Abg. Ger- hard Bökel (SPD))

Herr Kollege Bökel, auch ich werde Ihnen keine Zwischenfrage zubilligen. – Das hat aber alles nichts damit zu tun, und jetzt kommen wir wieder ganz entspannt zum Thema, dass wir einen hervorragend arbeitenden Petitionsausschuss im Landtag haben,

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass dieser Ausschuss seine Grundlage in Art. 16 unserer Verfassung hat und dass alles andere, was daneben gemacht werden soll, falsch ist, weil es nicht so erfolgreich

arbeiten kann wie der Petitionsausschuss. Deshalb wird Ihr Antrag abgelehnt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Innenminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung verbleibt bei ihrer Auffassung, die wir in der Debatte vor zwei Jahren hatten. Ich kann das kurz machen; die Kollegen Beuth und Hahn haben die wesentlichen Gründe dargelegt.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Wobei die „Blockade“ von Herrn Hahn zurückgewiesen wird!)

Ich darf hinzufügen: Auch die frühere Landesregierung und Herr Kollege Bökel haben immer diese Auffassung vertreten.Ich teile sie nach wie vor.Was hat sich eigentlich geändert? Was hat sich geändert, seit unter rot-grüner Verantwortung die Diskussion geführt wurde und die damalige Landesregierung zu dem Ergebnis gekommen ist, dies sei in der Sache nicht zielführend? Was hat sich seit 1997, als Sie die Verantwortung getragen haben, geändert? – Schlicht am Rechtsrahmen nichts.

Die Debatte, die wir hier führen, ist nicht zielführend. Herr Frömmrich, Sie möchten gern einen Hebel finden, um das geltende Recht in irgendeiner Weise zu umgehen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nein, um humanitäre Lösungen zu finden!)

„Humanitäre Lösungen“ ist eine Chiffre. Sie ist nichts anderes als der Versuch, das, was nach dem Gesetz nicht möglich ist, irgendwie möglich zu machen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich kann Ihnen einmal ein paar Akten geben!)

Wer das will, der muss das Gesetz ändern. Das ist hier mehrfach vorgetragen worden. Das ist ein eigener Sachverhalt; darüber kann man reden.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das verhindern Sie doch! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ihr ja auch!)

Gar keinen Sinn macht das, was Sie hier vorschlagen. Es ist in jeder Hinsicht schädlich. Ich weiß, warum ich das so hart formuliere. Wir haben in Hessen ein beispielhaftes Verhalten, das es in der Bundesrepublik in dieser Form nicht mehr gibt, zwischen der Landesregierung und dem Petitionsausschuss, und zwar seit vielen Jahren. Was Sie hier fordern, ist in aller Regel die Verhaltensweise, die die Landesregierung mit dem Petitionsausschuss und den Wünschen des Petitionsausschusses übt, ganz egal, unter welcher politischen Flagge.

Wenn Sie z. B. in Ihrem Antrag unter Punkt 2 d schreiben: „Es ist sicherzustellen, dass jeder Ausländer, dem durch die Entscheidung einer hessischen Ausländerbehörde die Abschiebung droht, sich direkt an die Härtefallkommission wenden kann“, frage ich Sie: Was hat der Ausländer, was hat der Rechtsstaat, was hat das Parlament dadurch gewonnen? – Nichts. Denn, wie Herr Kollege Hahn zu

Recht betont hat, die Hessische Verfassung gibt jedermann die Möglichkeit, sich an das Parlament zu wenden, nicht an irgendeine Kommission, die keinerlei Verantwortung und keine demokratische Legitimation hat. Das alles hat das Parlament. Der Ausfluss dieses Parlamentsappells ist der Petitionsausschuss. Genau das wird seit Jahren intensiv getan.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Parlamentsmehrheit hat einen Einfluss auf die Anwendung des Rechts!)

Da geht es nicht um die Parlamentsmehrheit, sondern wir wissen alle aus vielen Jahren, dass die allermeisten Entscheidungen sehr wohl einvernehmlich, wenn auch häufig nach schwieriger Diskussion gefallen sind.

Dann darf ich den Hinweis nicht unterschlagen: Wenn eine Ausländerbehörde die Abschiebung androht, ist in aller Regel das verwaltungsrechtliche Verfahren, nämlich dass die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist,im Schnitt mindestens durch drei bis vier Gerichtsverfahren überprüft worden. Es ist nicht so, dass wir hier nur die Ausländerbehörden haben. In aller Regel haben wir jahrelange Gerichtsverfahren. Nur wenn alle Gerichte zu dem Ergebnis kommen, es besteht kein Aufenthaltsrecht, dann droht die Abschiebung. Das ist die gesetzliche Folge. Wenn Sie das auseinander nehmen wollen, müssen Sie sagen: Da gibt es ein Gesetz, die Verwaltung hat sich an das Gesetz gehalten. Da gibt es eine Anzahl von Gerichten, die haben das überprüft und haben gesagt, es ist okay. – Dann müssen Sie, wenn Sie fair sind, dazu sagen: Das ist uns egal, wir möchten es anders machen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Warum geht es denn in anderen Bundesländern?)

Dann kommen Sie auf eine völlig andere Debatte. Dann müssen Sie sagen: Wir wollen das Gesetz ändern. – Das mögen Sie tun. Aber es macht keinen Sinn, hier eine Nebeldiskussion zu führen, indem man sagt, die einen sind die guten Menschen, und die anderen haben kein Herz.

Ich will einfach noch einmal auf Punkt 2 d hinweisen, weil ich glaube, an dem Beispiel wird ganz besonders klar, wie töricht dieser Vorschlag ist. Sie möchten – Herr Kollege Beuth hat es angesprochen –, dass sich der Petitionsausschuss an die Härtefallkommission wenden kann. Die Härtefallkommission kann auf gar keinen Fall mehr als der Petitionsausschuss. Auch er ist an Recht und Gesetz gebunden. Das einzige Ergebnis, das wir hätten, wäre: Die unerträglich langen Verfahren, die doch für niemanden vernünftig sind, weder für die hier Lebenden noch für diejenigen, die unsicher sind, ob sie hier bleiben können

(Beifall bei der CDU)