Protocol of the Session on May 12, 2004

Die von der SPD geäußerte Kritik an diesem Gesetzentwurf – auch mit Blick auf andere SPD-geführte Bundesländer – halte ich für maßlos überzogen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Jörg-Uwe Hahn für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir nicht träumen lassen, einmal von Frau Kühne-Hörmann gelobt zu werden. Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie das an dieser Stelle getan haben.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das würde ich mir schriftlich geben lassen!)

Ich habe es schriftlich.Es steht im Protokoll.– Wenn sich der Kollege Rudolph hierhin stellt und sagt, die Landesregierung solle den Landtag nicht mit einem Gesetzentwurf belästigen, ist das – –

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Sie haben mindestens dreimal „belästigen“ gesagt.

(Günter Rudolph (SPD): Mit diesem!)

„Mit diesem Gesetzentwurf belästigen“ haben Sie mindestens dreimal gesagt. Ich kann es auch wiederholen.

Wenn der SPD-Kollege Rudolph von diesem Pult aus sagt, die CDU solle den Landtag nicht mit diesem Gesetzentwurf belästigen, ist das staatsrechtlich sehr bedenklich und relativ unkollegial, zudem schiebt er das Verhältnis zwischen Landesregierung und Landtag offensichtlich beiseite.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rudolph, noch beachtlicher finde ich Folgendes. Wenn Sie die Thematik schon auf diese Art und Weise aufarbeiten wollen, muss ich Ihnen sagen:Wenn jemand heute den Landtag belästigt hat – aber ich bin nicht unkollegial; die Kollegen dürfen im Landtag Anträge stellen –, dann sind Sie es. Sie haben das Thema auf die heutige Tagesordnung gesetzt.

Wir diskutieren nicht über den Gesetzentwurf, den die CDU-Fraktion bzw. die Landesregierung eingebracht hat, sondern wir diskutieren über Ihren Antrag, der darauf basiert, dass es entsprechende Erklärungen z. B. des Landkreistags gibt. Ganz offensichtlich wollen sich die Sozialdemokraten mit diesem Thema bei den kommunalen Fürsten, die es in diesem Land ja gibt, in Erinnerung bringen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Jakoubek hat sich dazu geäußert. Ich schätze, dass er noch immer Präsident des Hessischen Landkreistags ist. Herr Kollege Rudolph, seien Sie doch nicht so nervös. Sie haben uns die Diskussion oktroyiert, und deshalb müssen wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Wir sind nämlich kollegial und beschäftigen uns mit Anträgen, die Sie – sogar in Form eines Setzpunktes – auf die Tagesordnung setzen.

Damit es alle Bürgerinnen und Bürger wissen:Jeder Fraktion steht es frei, ein ganz bestimmtes Thema als Setz

punkt zu bestimmen. Die Sozialdemokraten haben es in dieser Plenarwoche als ihr wichtigstes Thema empfunden, sich mit diesem noch nicht eingebrachten Gesetzentwurf zu beschäftigen. In den Augen der Sozialdemokraten ist das etwas ganz Wichtiges, und deshalb müssen wir uns mit diesem Thema beschäftigen.

Die Kommunen sollen das tun, was sie können, und sie sollen das lassen, was sie nicht können. Die Kommunen sollen sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Dabei handelt es sich wahrlich nicht um das Geschäft eines Handwerkers oder eines Dienstleisters – all das können die Privaten besser betreiben. Das ist die Auffassung, die wir Liberalen – der Gesetzentwurf ist angesprochen worden – im letzten Jahr mit dem Änderungsantrag zu § 121 HGO konkret vorgetragen haben.

Herr Kollege Rudolph,wir sind nicht alleine.Es gibt sogar Sozialdemokraten, die diese Idee richtig finden. Sogar Sozialdemokraten finden es richtig,dass sich die Kommunen mit den Themen beschäftigen, die zu ihren Kernkompetenzen gehören, nicht aber mit anderen Themen.

So denken z. B. die Sozialdemokraten im rheinland-pfälzischen Landtag. Die Sozialdemokraten im rheinlandpfälzischen Landtag haben gemeinsam mit ihrem dortigen Koalitionspartner, den Liberalen, einen Gesetzentwurf verabschiedet, der mit dem Gesetzentwurf, den die FDP-Fraktion hier eingebracht hat, wortgleich ist. Er ist fast wortgleich mit dem Gesetzentwurf,der sich zurzeit im Anhörungsverfahren der Landesregierung befindet.

Herr Kollege Rudolph,wenn Sie jemandem von Ideologie geprägtes Handeln vorwerfen, müssen Sie wissen – auch die Menschen in Hessen und die Zuschauer in diesem Saal müssen das wissen –,dass Sie das damit auch Ihren eigenen Parteigenossen in Rheinland-Pfalz zum Vorwurf machen. Das läuft nicht ganz rund.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe das Gefühl, dass man in Hessen wieder einmal ganz besonders links und in seinem Denken an der Vergangenheit orientiert ist. Man meint, aus ideologischen Gründen irgendwelche Punkte hochhalten zu müssen, die jedoch mit unserem Staatssystem nichts zu tun haben und in ordnungspolitischer Hinsicht völlig unsinnig sind.

Noch einmal: Genau das, was unter dem Oberbegriff steht, dass sich die Kommunen auf das konzentrieren sollten, was sie können, ist in Rheinland-Pfalz Gesetzeslage. Der Gesetzentwurf ist dort unter Ministerpräsident Kurt Beck und Innenminister Zuber mit den Stimmen der Sozialdemokraten verabschiedet worden.

Ich muss gestehen, dass ich mir seit dem letzten Dienstag von den Sozialdemokraten keinen Nachhilfeunterricht zum Thema kommunale Selbstverwaltung mehr anhöre. Spätestens seit dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom letzten Dienstag, in dem die Frage der kommunalen Selbstverwaltung in Bezug auf die Region Rhein-Main diametral anders ausgelegt wird, als es Sozialdemokraten während der letzten drei Jahre getan haben, höre ich nicht mehr intensiv zu, wenn die Sozialdemokraten meinen, Nachhilfeunterricht zum Recht der kommunalen Selbstverwaltung geben zu müssen.

Was hat es denn mit kommunaler Selbstverwaltung zu tun, wenn eine Kommune Immobilien besitzt und sie vermietet? Liebe Freunde von der Union, das passiert in einer Stadt, die mit einer absoluten CDU-Mehrheit regiert wird. In Bad Vilbel, meiner Heimatstadt, wird bereits das zweite Gebäude – kein kleines, sondern ein großes Ge

bäude mit vielen Tausend Quadratmetern Bürofläche – von den Stadtwerken, einer 100-prozentigen Tochter der Stadt, betrieben. Das muss nicht sein.

(Florian Rentsch (FDP): Etatisten!)

Warum gibt es denn – die Anhörung hat es gezeigt; ob das nun in Hessen stattfindet oder in anderen Bundesländern, wo die Kommunen noch machen können, was sie wollen – Nagellackstudios, das Recycling von Autos und das Angebot der Kommunen, die Gebäudereinigung bei Privaten durchzuführen? All das hat nichts mit Daseinsvorsorge zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass man auf einem Markt wildert, und zwar mit subventionierten bzw. quergeschriebenen Preisen. Das ist ungerecht. Das kann nicht richtig sein.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rudolph, das Risiko für den Bürger ist viel größer, wenn man den Kommunen gestattet, all das zu machen, was sie bisher schon tun. Wie viele Kommunen haben finanziell darunter gelitten, dass sie, weil es Pleiten gab, die Ausflüge ihrer kommunalen Mandatsträger – der Magistrate und der Kreisausschüsse – in eine Privatwirtschaft nachher bezahlen mussten? Das hat allein die kleineren Gemeinden in meinem Kreis Hunderttausende von D-Mark gekostet.Ich könnte Ihnen hier die Beispiele aufzählen.

Die Bürgermeister und die Landräte verstehen sich eben nicht gut darauf, privatwirtschaftlich zu arbeiten. Es ist auch nicht ihr Job. Ihr Job ist es, eine Stadtverwaltung zu organisieren. Wie wir seit letztem Dienstag wissen, ist es jetzt auch ihr Job, eine Region, nämlich das Rhein-MainGebiet,zu organisieren.Dafür werden sie bezahlt,und das können sie hoffentlich auch.

Meine Damen und Herren, wissen Sie, was die Menschen auch sehr ärgert? Es ärgert sie, dass sich alteingesessene Kommunalpolitiker nach ihrer Nichtwiederwahl oder nach ihrer vorzeitigen Pensionierung – wie auch immer – plötzlich als Direktor einer solchen Firma, z. B. als Chef der Stadtwerke, wieder finden.

Herr Kollege Rudolph,ich will einmal sagen – die Nähe ist immer am einfachsten –: Das betrifft jetzt – bedingt – nur einen ehemaligen Landesbeamten. Aber das ist ein Sozialdemokrat.

Der Oberbürgermeisterkandidat der Sozialdemokraten in Kassel hat auch einen solchen Job inne. Als Regierungspräsident wurde er abgelöst. Anschließend ist er zum Kommunalen Gebietsrechenzentrum gekommen.

Ich denke auch an den ehemaligen Oberbürgermeister von Gießen, Herrn Mutz, ebenfalls Sozialdemokrat. Das ist genau dasselbe Spiel: Er hat einen gut dotierten Vertrag mit dem Kommunalen Gebietsrechenzentrum bekommen – mögen sie es nennen, wie sie wollen.

(Florian Rentsch (FDP):Versorgungspolitik!)

An dem Beispiel Kommunale Gebietsrechenzentren kann man übrigens sehr schön deutlich machen,wie falsch es ist, dass sich die öffentliche Hand mit derartigen Sachen auseinander setzt. Das war ein 100-Millionen-cGrab für die hessischen Bürgerinnen und Bürger. Meistens standen sozialdemokratische Ehemalige an der Spitze, manchmal aber auch christdemokratische Ehemalige.

Ich bin dankbar, dass die Union jetzt einsieht, dass all das abgeschafft werden muss.Es wird Zeit,dass wir uns in die

sem Lande von der Meinung verabschieden, dass die öffentliche Hand mit quersubventionierten Preisen in Bereichen wildern darf,die Private sehr viel besser abdecken können. Deshalb sind wir sehr zufrieden, dass die Union endlich unsere Gesetzesinitiative übernimmt und dass es künftig in Hessen – genauso wie in dem sozial-liberal regierten Rheinland-Pfalz – verboten sein wird,dass sich die Kommunen derartig ausufernd wirtschaftlich betätigen können.

Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen. Frau Kollegin Hörmann, Sie haben mich provoziert, als Sie sagten, der FDP-Antrag sei „aus strategischen Gründen“ abgelehnt worden. Ich hatte das ja befürchtet. Ich sage es noch einmal, damit es jeder in diesem Raume versteht: Die CDU in Hessen wollte nicht, dass diese sehr vernünftige, beim Handwerk und bei den IHKs sehr gut ankommende Gesetzesänderung von der FDP in die Wege geleitet wird;die CDU wollte, dass „CDU“ auf dem Gesetzentwurf steht. – Wenn euch das weiterhilft, stimmen wir trotzdem eurer Initiative zu.

(Beifall bei der FDP – Dr. Franz Josef Jung (Rhein- gau) (CDU):Aber,Herr Kollege Hahn,ich habe ein Angebot gemacht!)

Das Wort hat der Kollege Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hahn, wie Sie mit Ihren abgelehnten Anträgen umgehen, hat schon seine Besonderheiten. Wenn Sie die Maßstäbe, die Sie hier an die Kommunen anlegen, an sich selber und an die Landesregierung anlegen würden, dann würde mit diesem Antrag anders umgegangen. Herr Innenminister, wenn Sie die Sperrvorschriften, die die HGO bei kommunalen Anträgen entfaltet, die in ein Gemeindeparlament eingebracht worden sind – die sind erst einmal für ein Jahr gesperrt –, hier anwenden würden, dann wäre es unmöglich, den FDP-Gesetzentwurf „aus strategischen Gründen“ erst einmal abzulehnen und nach einem Vierteljahr einen eigenen Gesetzentwurf fast gleichen Inhalts einzubringen.

Wir haben schon am 6. Mai 2003 und am 18. Januar 2004 über diesen Themenkomplex diskutiert. Ich finde es aber, gelinde gesagt, komisch, wie in diesem Parlament mit einer Oppositionsfraktion umgegangen wird. Herr Hahn, ich sehe ein, dass Sie das nicht sagen können, weil Sie auf Kuschellinie mit der CDU sind, aber ich kann das sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Mai 2003 und im Januar 2004 lehnten Sie von der CDU einen Gesetzentwurf der FDP ab, um im Mai 2004 einen ähnlichen Gesetzentwurf in die Beratung bzw. in die Regierungsanhörung einzubringen. So darf eine Regierung meiner Meinung nach mit den Fraktionen in einem Parlament nicht umgehen. Das ist kein vernünftiger Umgang.

Damit hören aber die Gemeinsamkeiten mit den Kolleginnen und Kollegen der FDP auf. Es verwundert mich schon, dass der Innenminister nach der umfangreichen Anhörung im Innenausschuss zu diesem Themenkomplex einen solchen Gesetzentwurf in die Regierungsanhörung geben konnte. Entweder sind Sie in dieser Frage Über

zeugungstäter, Herr Innenminister, oder Sie haben die Ohren in der Anhörung im Innenausschuss auf Durchzug gestellt.

(Florian Rentsch (FDP): Gesunder Menschenverstand!)