Das bringt die Region nicht voran. Herr Williges, genauso wenig ersetzt die Beschimpfung anderer Leute, die sich kluge Gedanken machen, ein eigenes Konzept.
Was wir heute hier gehört haben, war der Offenbarungseid der Mehrheitsfraktion in Sachen Nordhessen, nichts anderes.
Herr Wagner hat bereits darauf hingewiesen: In einem Punkt unterschieden wir uns allerdings diametral von allen anderen Fraktionen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht nur nicht ausreicht, auf Kassel-Calden zu setzen,sondern dass es die Notwendigkeit einer gedeihlichen Entwicklung Nordhessens verlangt,auf dieses Wahnsinnsprojekt tatsächlich zu verzichten.
Herr Williges, wenn es richtig wäre, mit den umliegenden Regionen zusammenzuarbeiten: Die haben alle ihren Flughafen. Ostwestfalen hat Paderborn, Südniedersachsen hat Hannover,Westthüringen hat Erfurt. Dort sind jeweils Flughäfen. Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, in Kassel-Calden noch einen zu bauen.
Inzwischen steht auch fest: Es kann nur auf Pump gebaut werden, und vor allen Dingen kann auch nur auf Pump betrieben werden. Das Problem besteht auch darin: Die Mittel, die jetzt aus dem Europäischen Regionalfonds für Kassel-Calden abgegriffen werden sollen, stehen dann nicht mehr für weitere Projekte zur Verfügung. Es geht also tatsächlich um die Frage Kassel-Calden oder vernünftige Projekte, die diese Region voranbringen.
Ich sage ganz klar: Für uns wird der Tag, an dem KasselCalden beerdigt wird, ein guter Tag für Nordhessen sein.
Die entscheidende Voraussetzung dafür ist – das streben wir an, und deswegen wollen wir auch die Diskussion voranbringen –, dass es gelingt, die Mittel, die die Landesregierung bisher einseitig für dieses Projekt ausgeben will, tatsächlich auch in der Region zu halten und dort für vernünftige Projekte auszugeben. Das genau ist die Alternative, vor der wir stehen. Dabei geht es auch um das künftige Image der Region: Wo ist Entwicklung? Wo kann sie sich im Europa der Regionen positionieren?
Zwei Konzepte stehen sich dabei gegenüber. Die Landesregierung und die Mehrheitsfraktion sowie ein Teil der anderen Fraktionen will Geld, das sie nicht haben, für ein Projekt ausgeben, das niemand braucht, um die Leute aus der Region möglichst weit wegzufliegen.
Wir wollen das Geld, das vorhanden ist – beispielsweise in der Zukunftsoffensive –, in Nordhessen für zukunftsfähige innovative Projekte ausgeben, um die Leute in Nordhessen zu halten bzw. dorthin zu bringen.
Das sind die Unterschiede, um die wir politisch streiten. Dafür brauchen wir keine Konferenz, sondern politische Entscheidungen hier und jetzt.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Lübcke (CDU): Keine Bremser!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in dem abgelaufenen Jahr selten eine solche Phantomdiskussion gehört wie die über das Thema, das wir hier behandeln.
Wissen Sie, Herr Wagner, wenn ich Sie so vollmundig über Nordhessen reden höre und bei den vielen Veranstaltungen, die ich in Nordhessen besucht habe, Sie dort kein einziges Mal erlebt habe, dann wundere ich mich schon sehr.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr.Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Uns haben Sie aber dort schon erlebt!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir führen hier eine Diskussion mit vielen Ausschlägen. Konkret lautet der Antrag, eine Regionalkonferenz einzurichten.
Herr Posch hat sich in der geringsten Zeit seines Redebeitrags konkret zu diesem Punkt geäußert. Er hat eine allgemeine Diskussion über Nordhessen geführt und ist schließlich beim Ballungsraumgesetz geendet. Was das Ballungsraumgesetz unmittelbar mit der Region Nordhessen zu tun hat, vermag sich mir nicht zu erschließen. Man kann das gegebenenfalls in eine regionalpolitische Gesamtdiskussion einführen, aber das ist dann sehr weit von diesem konkreten Zusammenhang entfernt.
(Manfred Schaub (SPD): Dann fragen Sie einmal Herrn Bouffier! Das steht in seiner Antwort drin! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Herr Posch hat zunächst gesagt, es sei nichts Neues, was er hier beantragt, es sei quasi ein alter Hut.
Denn diese Regionalkonferenz hat es unter dem Minister Alfred Schmidt in den Jahren 1989 und 1990 gegeben. Zwei Konferenzen wurden abgehalten, dann ist diese Konferenz eingeschlafen. Damals hatten Sie übrigens auch Ostwestfalen dabei – das müsste hier auch ergänzt werden, wenn es denn eine vernünftige regionalbezogene Konferenz sein sollte.
Darüber kann man nachdenken. Aber ich glaube, es ist hier nicht die Zeit des Redens, sondern die des Handelns.
Lassen Sie mich nur wenige Zahlen nennen.Allein in diesem Jahr werden in öffentliche und private Infrastrukturmaßnahmen 40 Millionen c investiert, in viele konkrete Programme. Hinzu kommt, dass der Großteil der Maßnahmen – in der Mittelstandförderung 16 Millionen, bei der Aus- und Weiterbildung 25 Millionen, beim Wissenschaftstransfer 17 Millionen c – vor allem und fast ausschließlich nach Nordhessen fließt.
Wer den Mut hat, sich hierhin zu stellen und zu sagen: „Hier passiert nichts“, den frage ich, von welcher Welt er ist.
(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was für eine Frage! Wie war das mit der göttlichen Eingebung?)
Herr Posch, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie, mit dem was Sie an Kritik vorgebracht haben, nicht gerade sehr realitätsbezogen argumentieren. Ich erlebe Sie selbst bei vielen Veranstaltungen in Nordhessen, wenn wir moderne und neue Programme eröffnen, wenn wir dabei sind, Wissenstransfer, von der Universität Kassel zu generieren,
wenn wir dabei sind, den Gründungswettbewerb Promotion Nordhessen zu installieren und weiterzuführen mit vielen positiven Effekten. Wenn ich noch Maßnahmen hinzufüge, bei denen Sie nicht präsent sind, wo aber die Landesregierung aktiv handelnd präsent ist, um wichtige Impulse und Maßnahmen in Nordhessen voranzubringen, dann kann man sich doch fürwahr nicht hierhin stellen und sagen: Hier passiert nichts.
Herr Posch, auf einen Punkt möchte ich allerdings konkret eingehen, was die Vergangenheit betrifft. Herr Heidel, wenn Sie, und Herr Frankenberg hat es eben auch so formuliert, die Landesregierung und insbesondere dieser schlimme Wirtschaftsminister seien untätig, und er sei insbesondere – Herr Posch hat es vermieden, die A 44 anzusprechen – im Bereich der A 44 untätig, dann möchte ich Ihnen einmal die Realität und die Geschichte in Erinnerung rufen.
Es ist eben gesagt worden: Die SPD hat lange Zeit geschlafen, kein einziges Projekt Deutsche Einheit gestartet. Während eben in Thüringen und in Bayern die Straßenbaumaßnahmen und die Autobahn fertig gestellt werden, warten wir noch auf den ersten Abschnitt.
Herr Posch, Sie waren als Verkehrsminister in der Verantwortung. Die letzte Landesregierung hat das Ruder herumgeworfen und hat den Prozess, die Planung und Durchführung der A 44 begonnen. Aber wenn Sie sich heute hierhin stellen und sagen, ich oder die Landesregierung begingen derzeit handwerkliche Fehler, oder wenn Herr Heidel auf dem FDP-Parteitag in Nordhessen lautstark sagt,es herrsche Untätigkeit,dann lohnt es sich doch einmal, auf die Gründe zu schauen.
Herr Posch, die Gründe lagen darin, dass Sie in Ihrer Verantwortung sehr wohl darauf vertraut haben – dieser Meinung konnte man damals sein –, dass man trotz des Geltens der FFH-Richtlinie auf der europäischen Ebene
wegen des Fehlens der Ausführungsbestimmungen auf Bundesebene zu einem Planfeststellungsbeschluss kommen könne. Sie haben im April 2001 diesen Planfeststellungsbeschluss für den ersten Teilabschnitt begonnen und umgesetzt. Wider erwarten hat dann der Verwaltungsgerichtshof ein Jahr später diesen Beschluss aufgehoben und gestoppt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen erstens, wo die Ursachen sind. Lieber Herr Posch, ich kann Ihnen zweitens sagen, was wir derzeit tun. Sie haben es doch vor gut einem Jahr gestartet.Wir holen all dies nach, was notwendig ist, um die fehlende Abstimmung nach der FFH-Richtlinie unter Vogelschutzgesichtspunkten nachzuholen. Die FFH-Gutachten werden in einem Monat vorliegen. Wir bemühen uns derzeit, Abschnitt für Abschnitt das nachzuholen, was bisher noch nicht der Fall war und was zu diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geführt hat.
Sicherlich, Herr Heidel und Herr Posch, wenn Sie sagen, es werde nicht gebaut, dann gebe ich Ihnen Recht. Da herrscht Untätigkeit. Herr Heidel, das muss man sich Auge in Auge gegenseitig sagen können:Aber Sie können doch nicht mit gutem Gewissen sagen, hier sei der Wirtschafts- und Verkehrsminister untätig, wenn er gerade dabei ist, das auszubügeln, was vorher versäumt worden ist.
(Beifall des Abg.Armin Klein (Wiesbaden) (CDU) – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Jetzt kriegt er es aber ab!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Nordhessen steht – im Gegensatz zu früher – in der letzten wie in der jetzigen Wahlperiode ganz gut im Fokus hessischer Landespolitik. Wenn wir über Nordhessen reden, sollten wir einmal über die positiven Dinge sprechen und sollten nicht so tun, als ob es sich um ein Jammertal dieses Landes Hessen handele.Da wundere ich mich schon sehr,dass dies gerade die Abgeordneten der SPD, der GRÜNEN, aber auch teilweise der FDP tun, die in Nordhessen beheimatet sind.
Die Wirklichkeit ist, dass im Vergleich zu der allgemeinen schlechten Entwicklung die nordhessische Region eine relativ gute Entwicklung nimmt. Lassen Sie mich das an wenigen Zahlen deutlich machen.Während noch 1989 die Arbeitslosenquote in Nordhessen 7 % über dem Bundesdurchschnitt lag, liegt sie jetzt 9 % unter dem Bundesdurchschnitt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch interessanter ist die Entwicklung der Arbeitslosenquote. Während von 1999 bis heute, also bis in das Jahr 2004, die Arbeitslosigkeit in Deutschland um rund 12 % zunahm, in Hessen um 6,6 %, ist sie in Nordhessen – hören Sie gut zu – um sage und schreibe 2,45 % zurückgegangen.