Jetzt kommt mein vorletzter Satz. – Der Finanzminister wäre damals bereit gewesen, Verträge abzuschließen, um den einzelnen Einrichtungen über einen längeren Zeitraum eine finanzielle Planungssicherheit zu geben. Auch dies gehört zur Wahrheit. Daran wird man, bitte schön, einmal erinnern dürfen. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Oppermann, man braucht sehr viel Fantasie, um nachzuvollziehen, dass Sie eben zu dem Antrag der GRÜNEN geredet haben.
Meine Damen und Herren von der CDU, eigentlich können die Bundesregierung und auch die Opposition im Hessischen Landtag für Ihren Parteitag in Leipzig dankbar sein.
Abgesehen davon, dass sich Frau Merkel als die zukünftige starke Frau der CDU inszeniert hat, haben Sie nämlich mit Ihren Beschlüssen klargemacht, wohin mit Ihnen die Reise in dieser Republik gehen soll. Wohin sie geht, kann ich Ihnen in einem Satz beantworten: Sie geht in eine ungerechte und kaltherzige Ellenbogengesellschaft.
Deshalb sollten wir in der heutigen Debatte weder über den inneren Zustand der CDU noch über die Kanzlerkandidatur, noch über die Befindlichkeiten der Herren Seehofer und Blüm oder die der CSU insgesamt reden. Wie die GRÜNEN in ihrem Antrag gefordert haben, sollten wir uns einmal mit den wahren Botschaften Ihres Leipziger Parteitags befassen. Es geht nämlich um die Weichenstellungen für das gesellschaftliche System in der Bundesrepublik Deutschland.
Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die CDU unter der Führung einer ostdeutschen Bundesvorsitzenden ausgerechnet in Leipzig, einer Stadt, die für Freiheit,Solidarität,Hoffnung und Vereinigung steht,eine neoliberale Konterrevolution gegen die Errungenschaften ihrer 50 Jahre alten sozialen Marktwirtschaft beschließt.
Die von Ihnen beschlossene Kopfpauschale, neuerdings auch als „Gesundheitsprämie“ tituliert – auf Deutsch gesagt: Kopfprämie für Krankheit; ich finde das sehr heuchlerisch –, signalisiert mehr als den Abschied von dem sozialen Prinzip der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte. Es handelt sich um einen bewussten und gewollten Paradigmenwechsel. Dann sagt jemand: Das ist nicht meine Welt. – Das war diesmal nicht Ottmar Schreiner, sondern Norbert Blüm. Er hat sehr Recht.
Es ist, wie es der Begriff „Kopfpauschale“ – oder der Begriff „Kopfprämie“ – unverhüllt auf den Punkt bringt, die Welt des Wilden Westens, also des Stärkeren, des Mächtigen, des Skrupellosen und des Schnelleren.
Das können Sie von uns immer erwarten. – Wenn Angela Merkel auf dem Parteitag unverhohlen erklärt, es sei sozial gerecht, wenn, gesetzt den Fall, dass beide die gleiche Gesundheitsleistung erhalten, der Vorsitzende eines Unternehmens genauso viel Prämie zahle wie sein Partner,blendet die CDU-Vorsitzende jegliche soziale und ge
sellschaftliche Realität aus. Um im Bild des Wilden Westens zu bleiben: Es ist schon okay, wenn die Cowboys Gewehre haben und im Fort bleiben. Die Indianer da unten sind mit Pfeil und Bogen auch ganz gut ausgerüstet.
Getoppt wird die Kopfprämie noch durch das Steuerkonzept von Herrn Merz. Das ist kein gerechtes Steuersystem, sondern eine absolute Mogelpackung. Was ist denn daran gerecht, wenn Spitzenverdiener durch die Senkung des Spitzensteuersatzes wesentlich stärker entlastet werden als die Bezieher mittlerer und unterer Einkommen? Wer bezahlt das im Endeffekt? Diese Entlastung wollen Sie durch die Abschaffung der Steuerfreiheit der Sonnund Feiertags- sowie der Schichtzuschläge und der Sparfreibeträge finanzieren. Sie machen die Einschnitte bei den Beziehern mittlerer und unterer Einkommen und belasten sie dadurch zusätzlich. Das ist das sozial gerechte Steuersystem des Herrn Merz.
Außerdem ist das Steuersystem grandios unterfinanziert. Das wissen Sie auch. Es gibt immer noch eine Deckungslücke von 22 bis 25 Milliarden c. Was die Kopfpauschale betrifft, fehlen Ihnen auch noch mindestens 30 Milliarden c für die Transferleistungen. Beide Konzepte haben Sie auf dem Parteitag fast einstimmig beschlossen.Das ergibt eine Deckungslücke von 55 Milliarden c. Vor einer Opposition in Berlin, die die Grundrechenarten nicht beherrscht – ich gebe zu,das scheint ein Virus zu sein –,brauchen wir keine Angst zu haben.
Von diesem philosophischen Ansatz Ihrer Art von Gerechtigkeit bis zur Aushebelung des Tarifrechts, bis zur bewussten Gängelung von Langzeitarbeitslosen durch zwangsweises Krabbenpulen für 80 Cent die Stunde und bis zur politischen Praxis in Hessen unter der „Operation düstere Zukunft“ ist es kein langer Weg.
Mit dem Leipziger Parteitag hat sich Frau Merkel als Frau Thatcher der Bundesrepublik inthronisiert. Kein Wunder – das tut Ihnen mit Sicherheit weh –, dass dann für Ihren Ministerpräsidenten nur noch die Rolle des Pantoffelhelden übrig bleibt, obwohl er sich doch so viel Mühe gegeben hat nach dem Prinzip „Dem Adel wohl, den Armen wehe“. Es klappt einfach nicht.
Deshalb muss das auch den Hessischen Landtag beschäftigen, wenn die CDU einerseits ihre christlich-kulturelle geistige Tradition aufgibt und anderseits die Probe aufs Exempel hier in Hessen vorexerziert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Christlich-Demokratischen Union, ich will nicht verschweigen, dass es auch bei uns von der Sozialdemokratie heftige Kontroversen gegeben hat, wie wir mit den Herausforderungen der Globalisierung umgehen. Eines käme bei uns aber nicht infrage: dass wir gleich das komplette historische Erbe von Lassalle bis Willy Brandt in den Abfall der Geschichte entsorgen,nur weil ein Bundespräsident eine launige Rede gehalten hat.
Ich wundere mich schon, und ich glaube es nicht, dass es nicht auch unter Ihnen Leute gibt, die es wirklich schmerzt, dass man die große Tradition der katholischen Soziallehre und Ethik, von Ketteler und Kolping bis hin zu Eugen Kogon, auf dem Gabentisch einer neoliberalen Ideologie opfert. Ich finde es außerdem beschämend – auch wenn das heute nicht das Thema ist –, wie Sie mit
Deshalb streiten wir seit dem Leipziger Parteitag offensichtlich nicht mehr um den besseren Weg zu einem gerechten Sozialstaat. Seit Maggi Merkels Putsch gegen alle Traditionen der katholischen Soziallehre streiten wir offen über die Frage: sozial ausgewogene Reformen des Sozialstaats oder Neoliberalismus mit Ellenbogenmentalität? Diese Auseinandersetzung werden wir Sozialdemokraten mit Herrn Koch in Hessen und, wenn Sie wollen, auch bei bundespolitischen Themen mit großem Selbstbewusstsein führen.
Sie können sicher sein, dass die hessische SPD diese zentrale gesellschaftspolitische Debatte in der Tradition der Politik von Georg August Zinn für Toleranz, Weltoffenheit, Humanität und soziale Gerechtigkeit in Hessen führen wird und dass wir gleichzeitig mit Innovationen und Reformen,die diesen Namen verdienen,den Menschen in Hessen eine Alternative bieten werden.
Das haben wir bewiesen. Wir haben in Hessen das Konzept einer solidarischen Bürgerversicherung vorgelegt und in Berlin auf dem Parteitag durchgesetzt, weil das die richtige Antwort auf die Notwendigkeit der Reform eines solidarisch finanzierten Gesundheitssystems ist und gleichzeitig die Bedürfnisse der Menschen trifft.
Alle zahlen von allem den gleichen prozentualen Beitrag. Das ist gerecht, transparent, solidarisch und ökonomisch sinnvoll. Das verstehen die Menschen, und das wollen sie. Die große Mehrheit der Menschen – natürlich nicht die Hochdotierten und die Herren Sachverständigen – will das Modell der solidarischen Absicherung im Rahmen unseres Sozialsystems.Vier Fünftel der Bevölkerung wollen weiterhin unseren historisch gewachsenen und erfolgreichen Sozialstaat. Das sind jedoch nicht die, die in Talkshows schwadronieren oder sich auf den Wirtschaftsseiten großer Zeitschriften verewigen.
45.000 Studenten, Polizisten, Eltern, Schüler, Lehrer, Beamte und Angestellte haben in Wiesbaden gegen Ihre dumme, reaktionäre und fantasielose „Operation düstere Zukunft“ demonstriert.
Hier in Wiesbaden war es das Volk, das demonstriert hat. Die hessische SPD wird an der Seite dieser Menschen und nicht bei den Wortführern Ihrer kaltherzigen Politik stehen, weil es immer noch den gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, dass die Gesunden die Kranken unterstützen, dass die Jüngeren für die Alten da sind, dass die Bezieher höherer Einkommen mehr zahlen als die, die weniger verdienen, und dass die Rentner, die Geringverdiener und die Familien eine solidarische Gesellschaftspolitik erwarten können. Deshalb ist es einfach Gequatsche, zu sagen, alle warteten sehnsüchtig auf einen Systemwechsel. Vier Fünftel der Menschen wissen, dass wir mit unserem Sozialsystem gut gefahren sind.
Wir scheuen diesen Konflikt überhaupt nicht. Ziehen Sie sich alle warm an. Der Ministerpräsident soll sich nicht nur die Pantoffeln anziehen. Ich sage Ihnen: Sie sind mit Ihrem Konzept auf dem Weg in die Vergangenheit, und wir entwickeln das Konzept der Zukunft.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich sehr herzlich bei den GRÜNEN dafür bedanken, dass wir die Gelegenheit bekommen haben, eine Viertelstunde pro Fraktion über dieses Thema zu sprechen.
Der zweite Dank geht hier ganz eindeutig an Sie, Frau Ypsilanti, dafür, dass Sie uns Ihre Rede vorher schriftlich hereingereicht haben. Das macht das Mitlesen einfacher. Der eine oder andere Parlamentarier muss nachschauen, was Sie gesagt haben. Das macht uns die Arbeit erheblich leichter. Herzlichen Dank.
Eine zweite Sache muss vorab erwähnt werden. Frau Kollegin Schulz-Asche, Sie haben gesagt, die CDU wolle eine Entsolidarisierung der Gesellschaft herbeiführen. Ich bitte Sie, aufzupassen, an wen Sie Ihre Vorwürfe richten.