Technischer Fortschritt soll den Menschen dienen und ihre Bedürfnissen befriedigen. Der technische Fortschritt soll nicht dazu missbraucht werden, die Menschen zu demütigen. Mit den Vertreterinnen und Vertretern der sozialen Einrichtungen wurde das Gespräch nicht nur nicht gesucht, sondern es wurde nicht selten wegen vorgeblicher Terminnot verweigert. Als meine Fraktion die Vertreterinnen und Vertreter der Liga und anderer sozialer Einrichtungen zum Thema Zuschusskürzungen eingeladen hatte, erfuhren wir zu unserer Überraschung, wie ich einräume, dass wir die Ersten waren, die das Gespräch suchten.
Meine Damen und Herren, bei diesen Vorgängen kann von einem geordneten parlamentarischen Verfahren und
einer vernünftigen Beteiligung der Betroffenen keine Rede sein. Die unwürdige Anhörung im Haushaltsausschuss, die wir zu dem Begleitgesetz hatten, unterstreicht das noch.
Auch inhaltlich, nicht nur vom Verfahren her, auf das ich gerade eingegangen bin, haben wir eine inakzeptable Hektik. Gestern Mittag in der Haushaltsausschusssitzung empfand ich es als eine gewisse Krönung: ein Zahlenwirbel, dass es nur so eine Art hatte. 153 plus 116 sind 269, ebenso wie wenn Sie 196 von 521 abziehen und wieder 95 addieren, wieder 70 und anschließend noch einmal 81 abziehen. – So wurden die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses vorgetragen. Ich behaupte, die Mehrheit der hier Sitzenden, auch die, die gestern dabei waren, haben dies nicht verfolgen können. Es ging ja auch nur um Millionenbeträge, die hin- und herzurechnen sind. So kann man meiner Ansicht nach nicht mit den Volksvertretern umgehen.
Wir müssen glauben, dass 153 Millionen c netto als Belastung aus der Steuerreform kommen und dazu 116 Millionen c wegen der Rückführung der Gewerbesteuerumlage, sprich: dem Schrittchen Gemeindefinanzreform. Das ergibt also 269 Millionen c, die im Haushalt fehlen. Das sind – wir haben es schon gehört und diskutiert – offensichtlich die „guten“ Schulden; denn die werden von Roland Koch gemacht.
Meine Damen und Herren, das bedeutet zugleich – die Zahl wurde schon mehrfach genannt –, dass die Verfassungsgrenze um 255,5 Millionen c, d. h. um 31,3 %, überschritten wird. Ob man dies jetzt „verfassungswidrig“ oder nur „Überschreiten der Verfassungsgrenze“ nennt, ist nur eine terminologische Differenz. Auf jeden Fall haben selbst Sie, Herr Kollege Milde, gesagt, das sei nicht gut.
Da hier immer so viel von dem bösen Bund die Rede ist, von dem alles kommt, können wir feststellen: Der Bund überschreitet die Verfassungsgrenze auch, aber um 5,2 %.
Meine Damen und Herren,der Haushaltsentwurf ist in einem derartigen Maße verfassungswidrig, dass einem die Haare zu Berge stehen.
Sie haben immerhin die sechsfache Überschreitung dessen geschafft, was der Bund schafft. Da muss sich Eichel noch Mühe geben. – Bei mir ist das Haare-zu-Berge-Stehen nicht ganz so interessant. Kollegen können da vielleicht nachhelfen.
Ich komme dazu, dass die Haare deshalb zu Berge stehen, weil unserer Auffassung nach die Überschreitung der Verfassungsgrenze wirklich jedes Maß übersteigt. Die Gründe dafür sind erstens die zügellose Ausgabenpolitik der vergangenen Jahre, und zwar seit Karlheinz Weimar Finanzminister ist, zweitens die selbstherrliche Definition und Interpretation der Finanzplanungsdaten nach dem Motto „Jetzt nehmen wir einmal so viel, ach nein, wir ge
hen auf die sichere Seite“ – was immer das bedeutet. Das erfahren wir dann hinterher über die Schuldenzahlen.
Drittens ist es – ich denke, das ist das Entscheidende – Kochs Interesse, aus Gründen der Karriereplanung brutalstmöglich auftreten zu können.
In Wahrheit sind die Neuverschuldungsorgie und die Kahlschlägerei zwei Seiten derselben Medaille, und die trägt das Konterfei von Roland Koch. Es ist die Strategie, eine reaktionäre Gesellschaftspolitik durch finanzielle Sachzwanglogik durchzusetzen.
Das zeigen der Haushalt und das ihn begleitende öffentliche Umfeld. Der Lack ist ab, die Menschen haben es erkannt und durchschaut. Da nützt es auch gar nichts, wenn Sie, Herr Kollege Milde, hier den Popanz der Alternativlosigkeit immer wieder predigen. Es gibt Alternativen, und die liegen auf dem Tisch. Mit genau diesen Alternativen konfrontieren wir Sie hier und heute.
Damit komme ich zu unseren Anträgen. Das ist ein echt grünes Zukunftssicherungsprogramm angesichts der Verdüsterungsabsichten dieser Mehrheitsfraktion und der Landesregierung.
Wir haben insgesamt vier Anträge zum Haushalt eingebracht, mit denen wir wenigstens das Notwendigste retten wollen. Der erste Antrag trägt die Drucksachennummer 16/1732 und den Titel „Bildungsqualität verbessern und Zukunft sichern“. Da geht es um die Bildungschancen unserer Kinder.
Meine Damen und Herren, wir wissen doch, dass Bildung die wichtigste Investition für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ist. Demzufolge ist es für uns eine vorrangige Aufgabe, dafür mit Priorität die notwendigen Mittel bereitzustellen. Dafür loben Sie sich auch immer ganz besonders stark.
Deswegen ist es nicht akzeptabel, die Qualität der Schulen durch eine übermäßige Lehrerarbeitszeit, die durch die Erhöhung entstehen würde, zu verschlechtern. Deswegen ist es genauso wenig zu vertreten, dass durch die Reduzierung der Vertretungsmittel für die Schulen die qualitätsorientierte Arbeit ruiniert wird. Aber genau das wird passieren.Wir haben es heute schon diskutiert.
Meine Damen und Herren, wir wollen keine massive Verschlechterung der Unterrichtsqualität durch überlastete Lehrerinnen und Lehrer und keine massiven Ausfälle im Fachunterricht. Wir wollen keinen Stellenabbau und damit Unterrichtsausfälle verhindern.
Wie war das doch mit der „Unterrichtsgarantie plus“ von Roland Koch? Die verlassen Sie jetzt ganz massiv.
Aber in der Schule allein spielt sich die Bildung nicht ab. Die Hochschulen gehören auch dazu. Wir wollen keine Hürden finanzieller Art für die Bildung.Deswegen wollen wir die Studien- und Verwaltungsgebühren verhindern.
Meine Damen und Herren, alles, was wir in unserem Antrag fordern, ist exakt gegenfinanziert, und zwar aus Haushaltsausgaben. Es ist nicht e i n e Luftbuchung, es
ist nicht e i n Schlosskauf oder -verkauf dabei. Es ist nicht e i n e Wirtschaftprognose oder Steueraktion dabei. Das ist alles grundsolide finanziert.Wer dem nicht zustimmt, will die Einschnitte bei der Bildung nicht verhindern.
Dann sollte er oder sie nicht sagen, es tue ihm oder ihr Leid;denn wenn man etwas mit Absicht macht,kann es einem auch nicht Leid tun.
Bei dem zweiten Punkt geht es um unseren Änderungsantrag Drucks. 16/1731. „Soziale Infrastruktur erhalten und zukunftssicher machen“ lautet seine Kurzbeschreibung. Wir wissen, dass die vorgesehenen Kürzungen von insgesamt rund 27 Millionen c bei den so genannten freiwilligen Leistungen nicht nur Menschen in besonderen Lebenslagen treffen, sondern auch viele, die auf Hilfen angewiesen sind.
Wir wollen eben verhindern, dass die Schuldnerberatungsstellen keine Landesmittel mehr bekommen, dass Frauenbildungsprojekte – um nur einige Beispiele zu nennen – nicht mehr gefördert werden und dass die Familienbildungsstätten sowie die Erziehungsberatungsstellen keine Landeszuschüsse mehr erhalten.Wir wollen verhindern, dass die Mittel für die Drogenberatungsstellen massiv gekürzt werden.Wir wollen auch nicht, dass die Hilfen für straffällig gewordene Jugendliche gänzlich gestrichen und die Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit dramatisch heruntergefahren werden. Wir wollen den Kahlschlag bei der sozialen Infrastruktur verhindern.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion – ich komme noch einmal auf das Leidtun zurück –, Sie sagen doch immer, es tue Ihnen Leid. Dabei wäre es ein Leichtes, zu erklären: Wir lassen das, wir bleiben bei den alten Ansätzen. – Mehr verlangen wir im Augenblick gar nicht,weil auch wir sehen,dass die finanzielle Situation des Landes nicht rosig ist.
Herr Kollege Reif, wenn Sie die Zeitung lesen, wissen Sie so gut wie ich: Das, was der Herr Ministerpräsident am vergangenen Wochenende in glorioser Weise mit geleistet hat – wie wir heute Morgen gehört haben –, bringt selbst nach konservativster Einschätzung ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,2 %. Das ist die unterste Abschätzung, die die Miesepeter in dieser Szene vornehmen.Alle anderen sagen, es bringe mehr. Herr Kollege Reif, wir schlagen uns auf die konservativste Seite und sagen: Nur diese 0,2 % Wirtschaftswachstum werden gebraucht – kein Euro mehr –, um den sozialen Kahlschlag in Hessen zu verhindern.
Wir wollen sehen, ob Sie das nicht doch machen wollen. Die Frau Sozialministerin hat die Reaktionen erfahren. Auf einer Demonstration am 18.11.2003 wurde sie auf einem großen Transparent „Silke Kahlschläger“ genannt. Ich nehme an, das ist keine erfreuliche Benennung. Aber wir haben die Chance, zu beweisen, dass dies eine Falschaussage war. Frau Lautenschläger, Sie können Ihren Haushalt noch retten, wenn Sie unserem Antrag zustimmen.Verwenden Sie nicht die Argumente,die uns der verehrte Kollege Caspar schon zweimal hier angedreht hat.
Es geht nicht um die 3 % Kürzungen im Etat. Es geht darum, dass bei den Schuldnerberatungsstellen, den psychiatrischen Diensten, den ambulanten Hilfen, den Hilfen für die Drogenabhängigen und bei den Erziehungsberatungsstellen um 100 % gekürzt wird. Diese Kahlschläge muss und kann man verhindern. Es darf sie nicht geben. Dazu rufen wir Sie auf.
Unser dritter Antrag – erwarten Sie nichts anderes von einer Umweltpartei – bezieht sich natürlich auf die Zukunftssicherung durch eine nachhaltige Umwelt- und Naturschutzpolitik. An diesem Punkt kann verhindert werden, dass durch die Kürzungen sowohl der positive Arbeitsmarkteffekt, der durch eine aktive Umweltpolitik entsteht, als auch das bereits Aufgebaute ruiniert werden und dass Hessens wichtige Spitzenstellung im Umweltund Naturschutz endgültig kaputtgemacht wird. Das zu verhindern sollte man wenigstens erwarten können. Wir haben auch für dieses Paket eine Gegenfinanzierung, die sich sehen lassen kann. Dabei geht es in der Tat um Anteilverkäufe.
Herr Milde, Sie haben das vorhin in Ihrer Rede zwar mit netten Worten, aber doch ziemlich unverschämt kritisiert. Eine Landesregierung, die das trägt und sagt: „Wir verkaufen Behördenhäuser des Landes, weil wir Geld brauchen und der Verkaufserlös als Einnahme einfließt“, die diese Behördenhäuser aber weiterhin nutzen will und daher zurückmietet – die Mieten sind übrigens im Haushalt nicht veranschlagt, wie wir gemeinsam festgestellt haben –, sollte sich, wenn wir hier Beteiligungsverkäufe in der moderaten Höhe von etwas über 20 Millionen c vorschlagen, nicht hierhin stellen und behaupten, das sei nicht machbar.
Okay, Sie haben es aber allgemein gesagt. Deswegen bekommen Sie das vorgehalten. – Unsere Haushaltsanträge sind deutlich solider als das, was im Entwurf des Finanzministers und in den Änderungsanträgen der CDU steht.