Protocol of the Session on December 17, 2003

Meine Damen und Herren, das ist die Stellungnahme zu Biblis von der Kommission, deren fachkundigen Rat Sie haben wollten, von der Sie sagen, sie sei so ungeheuer wichtig, für die Sie viel Geld ausgeben. Das ist Ihre Kommission.

(Beifall der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Herr Dr. Arnold, die Kommission, die Sie haben wollen, widerlegt genau das, was sie eben gesagt haben, nämlich dass alles unproblematisch sei. Sie bestätigt, was die Bundesregierung vorhat. Die Bundesregierung sagt nämlich, wir müssen überprüfen und zahlreiche Fragen stellen. Denn es stellen sich mehrere Probleme:

Die Beherrschbarkeit der Gasbildung in den dichten Salzgesteinen infolge von Korrosion und Zersetzung der Abfälle stellt ein besonderes Problem dar.

International wird verstärkt die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle gefordert. Das gehört zu der Frage der europäischen Regelungen. Dagegen zielt die bisherige Konzeption auf den dichten Einschluss im Salz.

Dann stellt sich die Frage der Geeignetheit von Salz als Wirtsgestein im Vergleich zu anderen, wie Ton oder Granit.

Bei der direkten Endlagerung verstrahlter Brennelemente müssen voraussichtlich zusätzliche Anforderungen erfüllt werden.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Die Strahlenschutzkommission wird voraussichtlich bald Empfehlungen veröffentlichen,die erstmals ein radiologisches Schutzziel für ein unbeabsichtigtes menschliches Eindringen in die Endlager beinhaltet. – Meine Damen und Herren, das sind die Fragestellungen im Atomkompromiss.

Wie verhält sich nun Ihre famose Atomkommission, die Sie eingerichtet haben? Sie hat im Januar 2002 eine Stellungnahme zur möglichen Eignung des Standortes Gorleben als geologisches Endlager für radioaktive Abfälle abgegeben.

Ihre famose Kommission sagt – nicht Herr Trittin, nicht Herr Fischer, wie dauernd dazwischengerufen wird:

Die deutsche Bundesregierung hat eine Liste wissenschaftlich-technischer Zweifel veröffentlicht,

die habe ich gerade vorgetragen –

die nach ihrer Meinung vor der Wiederaufnahme von Standorterkundungen in Gorleben gelöst werden müssen. Diese Zweifel sind von der ILK eingehend geprüft worden. Die ILK stimmt mit der Bewertung überein, dass die Liste der Fragen überwiegend Themen darstellen, die von der internationalen Gemeinschaft aktiv diskutiert werden.

Also diskutiert werden, nicht beantwortet werden.

Manche strittigen Themen benötigen weitere Klärung. Sorgfältig ausgelegte Experimente als Bestandteil eines fortgeführten Programms in Gorleben könnten vielleicht die Klärung einiger dieser international diskutierten offenen technischen Fragen unterstützen, z. B. Gasentwicklung und Gastransport.

Herr Abg. Schmitt, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr.Arnold?

(Norbert Schmitt (SPD): Gern! Aber ich würde gern weiter vorlesen, das ist hochinteressant!)

Bitte, Herr Dr.Arnold.

Herr Kollege Schmitt, es wird nicht bestritten, dass noch etwa vier bis fünf Jahre Untersuchungen notwendig sind. Aber stimmen Sie mir zu, dass die rot-grüne Bundesregierung diese durch das Moratorium für Gorleben sozusagen verhindert hat? Es müsste doch jetzt, da überhaupt keine Antwort auf die Frage eines Endlagers in Sicht ist, fieberhaft daran gearbeitet werden, und genau das ist nicht der Fall.Wie stehen Sie denn dazu?

Damit Sie einmal wissen, was das Moratorium bedeutet: Das Moratorium bedeutet, dass jetzt die Erkundung des Salzstocks Gorleben zur Klärung der genannten Fragen nichts beitragen kann. Deshalb wird die Erkundung des Salzstocks Gorleben mindestens drei Jahre, längstens je

doch zehn Jahre unterbrochen. Die Zwischenzeit wird genutzt, um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten. An den Fragestellungen, die aufgeworfen werden, wird momentan in einer Arbeitsgruppe gearbeitet.

Meine Damen und Herren, Sie wissen doch, dass der Widerstand gegen Gorleben vor Ort ungeheuer stark ist. Wenn man neue Akzeptanz gewinnen will, gibt es keinen anderen Weg als den, den die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Was haben wir denn bei der Frage der Erweiterung des Frankfurter Flughafens gemacht? Wir haben versucht,ein Gremium einzuberufen,das auf Konsens zielt. Ähnliches wird an dieser Stelle auch versucht.

Hinzu kommt die Frage, ob Salzgestein geeignet ist. Dies ist sehr strittig.Wie gesagt,ich könnte stundenlang aus der Broschüre Ihrer Atomkommission vortragen. Darin steht der internationale Vergleich, auch das ist ganz interessant. In keinem anderen Land außer der Bundesrepublik setzt man auf Salz. Finnland: Granit, Frankreich: Granit oder Ton, Japan: Granit, Schweden: Granit, Schweiz: Granit oder Ton, USA:Ton.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Die haben kein Salz!)

Meine Damen und Herren, das macht deutlich, dass wir einen Weg gehen, der international sehr strittig ist. Deshalb gibt es den Hinweis im Atomkompromiss, ob wir nicht in Süddeutschland, wo man auf diese Gesteinsformation trifft, wo wir andere geologische Strukturen haben, nach einem Endlager suchen sollten.

Der Ausstieg aus der Atomenergie ist so wichtig und richtig, und deswegen ist auch der Atomkompromiss so wichtig.Die Frage,wie wir sinnvoll mit dem Müll umgehen,mit dem wir es über Tausende von Jahren zu tun haben, ist weltweit ungelöst. Sie wollen doch dauernd weiter Atommüll produzieren,das ist doch Ihre Haltung.Die Linie von Rot-Grün ist doch zu Recht gewesen, wir steigen aus, nicht nur wegen der Sicherheitsrisiken, die mit der Atomkraft verbunden sind, sondern auch weil wir es den folgenden Generationen nicht zumuten möchten, dass sie mit dem Atommüll Tausende von Jahren umgehen müssen. Das ist eine verantwortliche Position auch für nachfolgende Generationen.

Herr Dr. Arnold, Sie haben gesagt, die Akzeptanz in Biblis sei betroffen, und Sie haben von Scheinheiligkeit gesprochen. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal: Ich habe verhältnismäßig viele Kontakte. Sie glauben, hier Stimmung gegen ein Zwischenlager machen zu können, während es gleichzeitig sogar Bundestagsabgeordnete der CDU gibt, die dort noch einen Block C hinstellen wollen. Aktuell haben wir die Frage diskutiert, wie Biblis gegen terroristische Anschläge, gegen bewusst herbeigeführte Flugzeugabstürze geschützt ist. Dort nehmen Sie die Position ein, es sei alles überhaupt kein Problem.

Meine Damen und Herren, das halte ich für scheinheilig. Zum Transport von Castoren vertreten Sie die Position, die Castoren seien ohne Probleme, sie hielten 800 ˚C aus, sie hielten Stürze aus 9 m Höhe aus. Das sind alles Positionen, die z. B. Dr. Lennert immer wieder vorgetragen hat. Sie finden den Betrieb von Atomkraftwerken gut und sehen darin überhaupt kein Sicherheitsproblem. Jetzt auf einmal stellen Sie die Zwischenlagerung als Problem für die Bevölkerung in Biblis dar. – Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Das ist in der Tat eine scheinheilige Position, die Sie an dieser Stelle einnehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Atomkompromiss ist gut, sinnvoll und notwendig, weil er auf Dauer den Atommüll reduziert.Die Zwischenlagerung ist notwendig. Dazu bekenne ich mich auch als örtlicher Abgeordneter, dafür halte ich auch vor Ort die Rübe hin.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Wir alle wollten den Weg der Wiederaufbereitung nicht gehen. Hochinteressant ist, dass die Wiederaufbereitungsanlage auch in Bayern nicht durchgesetzt worden ist, genauso wenig wie in Nordhessen.Deswegen ist die Position richtig, die die GRÜNEN in ihrem Antrag formuliert haben.Was die FDP formuliert hat, ist eine scheinheilige Position und übrigens von wenig Sachkunde getrübt – wie vieles, wenn es um Atomenergie geht, wenn es von den Konservativen kommt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ist das mit Heiligen, die sind eines Tages Scheinheilige!)

Als nächster Redner hat der Umweltminister, Herr Dietzel, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über zwei Anträge, einen von der FDP,der fast gut ist,und einen von den GRÜNEN,der meiner Meinung nach durchaus schräg ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Deshalb müssen wir uns inhaltlich sicher mit dem Thema beschäftigen. Herr Abg. Heidel, es bietet sich an, das nicht heute abzuräumen, sondern zu versuchen, im Umweltausschuss zu einer Einigung zwischen der Regierungsfraktion und möglicherweise der einen oder anderen Oppositionsfraktion zu kommen.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Reinhard Kahl (SPD):Was heißt das denn?)

Herr Dr.Arnold sprach es schon an: Mit den Punkten 1, 2 und 4 des Antrags der FDP-Fraktion haben wir keine Probleme.Allerdings müssen wir uns über Punkt 3 unterhalten. Aber ich glaube, dass es richtig ist, was die FDP hier darstellt.Wir wollten gerade nicht, dass die Standorte an den Kraftwerken automatisch zu Zwischenlagern mit langer Laufzeit werden.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben es doch akzeptiert!)

Wir haben Ahaus und Gorleben, wo die Dinge konzentriert gelagert werden können. Wir wollen nicht, dass die abgebrannten Brennstäbe wie mit einem Schrotschuss über unser gesamtes Land verteilt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ein Zweites; Herr Dr.Arnold hat es schon angesprochen. In Punkt 4 heißt es: „umgehend ein Endlager“. Ich sage Ihnen ganz eindeutig, eine Ein-Endlager-Strategie mache ich nicht mit. Wir brauchen zwei Endlager. Wir brauchen Gorleben, und wir brauchen Konrad für schwach radioaktive Abfälle, und Konrad so schnell wie irgend möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wenn ich den Dringlichen Antrag der GRÜNEN betreffend Ende der Blockade einer sachgerechten Endlagerung radioaktiver Abfälle sehe, so ist das doch völlig neben der Spur. Wir versuchen doch, eine ganz andere Politik zu machen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie machen falsche Politik!)

Wir versuchen, das Endlager zu bekommen und weitgehend auf Zwischenlager zu verzichten. Das heißt natürlich, dass wir transportieren müssen.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wird doch erst eingeleitet!)

Wenn ich Ihre Behauptungen unter Punkt 4 sehe: Es ist doch nicht so, dass wir schuld an diesem Bereich sind, sondern schuld an den Diskussionen und den Problemen, die Herr Schmitt richtig angesprochen hat, ist das Moratorium, dass wir im Augenblick kein Endlager nachweisen können. Der einzige Grund für den Arbeitskreis Endlagerstandorte ist es, die Dinge zu verzögern. Es gibt keine andere Begründung, einen solchen Arbeitskreis einzurichten.

(Beifall bei der CDU – Gerhard Bökel (SPD): Na, na! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie war das mit der internationalen Länderkommission?)