Protocol of the Session on December 16, 2003

(Beifall bei der CDU)

Gehe ich richtig davon aus, dass keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Punkt vorliegen? – Wenn wir Konsens haben, bedeutet dies, dass wir vor der Fragestunde den Dringlichen Antrag Drucks. 16/1699 der SPD-Fraktion betreffend Standortschließungen aufrufen. Darüber besteht Konsens.

Wie ist das mit der Redezeit? Zehn Minuten?

(Jürgen Walter (SPD): Okay!)

Dann machen wir das so:zehn Minuten Redezeit und Vorziehen dieses Tagesordnungspunktes vor die Fragestunde. – Eine weitere Wortmeldung, Herr Kollege Kaufmann.

Herr Präsident, ich weiß nicht, ob ich es überhört habe. Aber ich wollte darauf hinweisen,dass der Dringliche Antrag zum internationalen Verbot des Klonens, Drucks. 16/1695, der von uns als dringlich akzeptiert wurde, zusammen mit Tagesordnungspunkt 13 aufgerufen werden soll, und zwar ohne zusätzliche Redezeit.

Das rufen wir dann mit Punkt 13 auf. Es gibt keinen Widerspruch in dieser Frage. Der Dringliche Antrag Drucks. 16/1695 wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 13 aufgerufen.

Gibt es weitere Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Dann darf ich jetzt fragen: Ist die jetzt von uns gemeinsam geänderte Tagesordnung zustimmungsfähig? – Wer ist dagegen? – Niemand. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, dann will ich noch einige Informationen geben. Vereinbart ist, dass wir heute bis 18 Uhr tagen. Das ersehen Sie aus der Tagesordnung.

Wir beginnen jetzt mit dem Dringlichen Antrag der SPDFraktion. Danach kommen die Fragestunde, Drucks. 16/1502, und die Regierungsbefragung. Dann folgen die ersten Lesungen der Gesetze. Wenn wir es zeitlich schaffen – das ist jetzt fast schon schwierig geworden –, kommt dann vielleicht noch die im Nachtrag unter Punkt 37 angegebene zweite Lesung.

Die dritte Lesung des Nachtragshaushaltes 2003 ist für morgen vorgesehen, die dritte Lesung des Haushaltsplanentwurfs 2004 für Donnerstag nach den drei Anträgen betreffend eine Aktuelle Stunde.

Entschuldigt fehlt heute Herr Staatsminister Dr. Wagner. Er ist im Vermittlungsausschuss in Berlin.

Ich darf darauf hinweisen, dass der Haushaltsausschuss nach Beendigung der heutigen Plenarsitzung, ca. 18 Uhr, zu seiner 9.Sitzung in den Sitzungsraum 119 M einberufen wird.

Dann darf ich vereinbarungsgemäß Punkt 47 aufrufen:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Information des Landtages zu geplanten Standortschließungen – Drucks. 16/1699 –

Dazu hat Herr Staatsminister Grüttner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen vor einem der umfassendsten Verwaltungsreformschritte in Bezug auf Standorte im Lande Hessen, die dieses Land jemals gesehen hat.

(Beifall bei der CDU)

Mit dem Abbau von Verwaltungs- und Rechtsvorschriften, mit dem wir in der letzten Legislaturperiode konsequent begonnen haben und der immerhin dazu geführt hat, dass über 3.000 Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Gesetze abgeschafft worden sind, mit der Tatsache, dass wir Gesetze und Verordnungen befristen, um mit einer Evaluierung in Zukunft feststellen zu können,ob sie ihren Sinn und Zweck noch erfüllen oder verändert werden können, hat diese Landesregierung entscheidende Schritte in der Frage der Verwaltungsreform eingeleitet.

(Beifall der Abg.Armin Klein (Wiesbaden) und Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

In einem zweiten Schritt versuchen wir – wir machen das in aller Konsequenz –, neue Verwaltungssteuerung als Teil der Verwaltungsreform auch in diesem Land einzuführen. Gegen den Widerstand der Opposition, die diesen mehr aus wahltaktischen Gründen in der letzten Legislaturperiode betrieben hat, gehen wir weiter bei der Installierung von SAP, um wegzukommen von der Kameralistik in Richtung kaufmännische Buchführung.

(Jürgen Walter (SPD): Koste es, was es wolle!)

Außerdem gehen wir den Weg in die Richtung,künftig ein funktionierendes E-Government in Hessen zu installieren. Dazu gehört es natürlich auch, dass organisiert werden muss, wie zukünftig Aufgaben in diesem Land von Dienststellen, von Behörden wahrgenommen werden. Deswegen ist ein weiterer großer Schritt – das ist bisher einmalig in Hessen – ein Standortstrukturkonzept, das ein Vorschlag dieser Landesregierung ist. Ich will an dieser Stelle auch sagen: Wir diskutieren auf der Grundlage eines Entwurfes einer Kabinettsvorlage und noch nicht auf der Grundlage eines Beschlusses des Kabinetts.

Im Hinblick auf Standorte ist es ausgesprochen notwendig und oberstes Ziel dieser Landesregierung, eine Balance zwischen effektiver Aufgabenwahrnehmung und Bürgernähe einerseits und der regionalen Ausgewogenheit andererseits zu wahren. Dazu kommt – dies wird ein weiterer Schritt sein –, dass mit der inneren Reform der Aufgaben bei den Regierungspräsidien natürlich die Frage einhergeht, an welcher Stelle die Regierungspräsidien in Zukunft ihre Aufgaben wahrnehmen, an welchen Standorten es Regierungspräsidien mit ihren Außenstellen gibt. Dies ist bei einer Standortstrukturkonzeption zu berücksichtigen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir wollen dabei, dass die Organisation auf die zukünftigen Herausforderungen ausgerichtet ist, und haben uns deshalb von folgenden Leitsätzen leiten lassen: dass Steuermittel kostenbewusst eingesetzt werden, dass Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger schneller und besser erbracht werden können, dass die Präsenz in der Fläche gewährleistet ist und dass moderne Kommunikationstechniken auch konsequent genutzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Unter diesem Gesichtspunkt und auf diesen Grundlagen ist einer der entscheidenden Schritte eingeleitet worden. Wir haben – dies ist im Zeitalter moderner Kommunikationsmöglichkeiten historisch überkommen – ein Standortverzeichnis, das 1.700 öffentliche Dienststellen in diesem Land aufzeigt. Im Rahmen der „Operation sichere Zukunft“,

(Zuruf von der SPD: Düstere Zukunft!)

im Rahmen der Diskussion, was über das Zukunftssicherungsgesetz, aber auch über den Haushaltsentwurf muss unser Bestreben darauf gerichtet sein, auch in Zukunft an allen Stellen Einsparpotenziale zu erzielen, Einsparpotenziale zu heben,um Gestaltungsmöglichkeiten für unser Land zu eröffnen und die Zukunftsfähigkeit für unsere Kinder und Enkelkinder zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist es natürlich bei der Erzielung sämtlicher Einsparpotenziale notwendig, die Behörden- und auch die Gerichtsstruktur in Hessen einer kritischen Prüfung zu unterziehen und auf ihre Optimierung hin zu untersuchen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Begeisterung in der CDU ist nicht so groß!)

Deswegen darf man nicht alleine von der Frage ausgehen, wie man in Zukunft Ablauf, Organisation und die Struktur der Organisation betrachtet. Natürlich ist es notwendig, dass die Koordinierung der Dienst- und der Fachaufsicht auf der nächsthöheren Ebene erfolgt.Natürlich ist es dabei notwendig, die Immobiliennutzung mit zu bedenken, inwieweit es sich um eine Anmietung oder um Eigentum handelt, ob dieses Eigentum verwertbar in Form von Vermietung oder Verkauf ist und welche Synergien man daraus erzielen kann. Es ist natürlich auch notwendig, dass zentrale Dienste der Personal- und Budgetverwaltung, die Gebäudeunterhaltungskosten, die Gebäudekosten insgesamt mit berücksichtigt werden.

Aber alleine davon auszugehen und zu sagen, dass damit automatisch eine Konzentration von Behördenstandorten auf wenige Stellen, auf wenige Städte und auf wenige Flächen in Hessen erfolgt, ist dann zu kurz gesprungen, weil wir auch die regionale Verteilung in der Fläche gewährleistet sehen wollen und die Servicefunktionen nach wie vor beibehalten werden sollen. Dabei müssen wir uns auch überlegen, dass es neue und entscheidende inhaltliche Schwerpunkte gibt, die es notwendig machen, beispielsweise Organisationseinheiten zusammenzuführen.

In diesem Zusammenhang haben wir in einem ersten Schritt beispielsweise versucht, all das zu konzentrieren, was sich rund um die Grundstücke abspielt und in der Verfügung des Landes liegt. Ich spreche in diesem Fall von den Katasterämtern und den Flurneuordnungsämtern.

Wir haben in Hessen über 50 Standorte von Katasterämtern und Flurneuordnungsämtern. Es ist möglich, diese Ämter an weniger Standorten zu konzentrieren und somit einer Zersplitterung in der Fläche entgegenzuwirken. Dies wird positive Effekte auf die Bürgerinnen und Bürger haben,weil alles,was sich rund um das Grundstück abspielt, von einer Hand angeboten und erreicht werden kann.

Ich kündige an,dass wir neben der Zusammenfassung von Kataster- und Flurneuordnungsämtern an einer weiteren Ergänzung arbeiten, nämlich an der Berücksichtigung der

Grundbuchämter. Dies ist möglich, wenn es uns gelingt, im Bundesrecht eine Öffnungsklausel zu schaffen. Das ist der nächste Schritt, um rund um das Grundstück auch organisatorisch eine Einheit erzielen zu können.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Aber im ersten Schritt geht es um die Zusammenfassung der Kataster- und Flurneuordnungsämter. Diese Kataster- und Flurneuordnungsämter werden in Zukunft an sieben Haupt- und an fünf Außenstellen konzentriert. Im Einzelnen sind dies: das Flurneuordnungsamt in Korbach mit der Außenstelle in Hofgeismar, die Bodenmanagementbehörde – so heißt sie – in Homberg mit der Außenstelle in Eschwege, die Bodenmanagementbehörde in Fulda mit der Außenstelle in Lauterbach, die Bodenmanagementbehörde in Marburg,die Bodenmanagementbehörde in Limburg mit der Außenstelle in Hofheim,die Bodenmanagementbehörde in Büdingen und die Bodenmanagementbehörde in Heppenheim mit der Außenstelle in Michelstadt.

Allein anhand dieser Aufzählung können Sie sehen, dass wir auf der einen Seite zwar eine Konzentration, d. h. eine Zusammenführung, erzielt haben, dass wir auf der anderen Seite aber die Dienstleistungen in der Fläche bewahrt haben, unabhängig davon, dass man über das elektronische Grundbuch und über die Ansprechpartner in den örtlichen Ämtern (62) der Städte und Kreise heute schon kompetente Auskunft auf alle Fragen, die etwas mit Liegenschaften zu tun haben, erhalten kann.

Dabei müssen wir berücksichtigen, dass die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger gestiegen ist und der Einsatz moderner Kommunikationsmittel es zulässt, solche Konzentrationen ohne einen Verlust an Serviceleistungen für die Menschen in unserem Land vorzunehmen.Wir haben mit berücksichtigt – das sieht man an dieser Stelle sehr deutlich –,dass bei der Frage nach den zukünftigen Standorten auch die Vorbelastungen in der Region eine entsprechende Rolle spielen.Zum Beispiel hat die Frage eine Rolle gespielt, ob diese Regionen möglicherweise durch die Schließung von Militärstandorten belastet waren. Dafür gab es deutliche Anzeichen.Aus der Presse haben wir wegweisende Entscheidungen der Bundesregierung zur Schließung von Standorten entnommen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wunderbar, das ist ein schönes Beispiel! Dass ausgerechnet Sie das bringen, finde ich super!)

Herr Al-Wazir, ich sage Ihnen schlicht und einfach: Zumindest bei den Landräten und bei den Bürgermeistern ist das heute ganz anders; denn es gibt eine entsprechende Kommunikation. Diese Kommunikation ist bereits seit Wochen im Gange, um die Menschen in diesem Lande darauf vorzubereiten.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir wollen, was die Entscheidung über Behördenstandorte betrifft, berücksichtigen, in welcher Region es entsprechende Vorbelastungen gibt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der Methode Lautenschläger ins Internet gestellt, oder was?)

Es muss ferner einen Indikator geben, der die Grundlage für Standortentscheidungen bildet. Ein Indikator ist, wie viele Menschen in dem jeweiligen Landkreis bzw. in der

jeweiligen Stadt betroffen sind, und zwar im Verhältnis zu der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Dort gibt es dann eine entsprechende Darstellung und die Möglichkeit, deutlich zu machen, dass es, was die absoluten Zahlen angeht, in einem Landkreis zu einem Zuwachs von 318 Arbeitsplätzen kommt, während in einem anderen Landkreis – um das andere Extrem zu nennen – 288 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das, worüber wir reden, bewegt sich in einer Größenordnung zwischen plus 318 und minus 288 Arbeitsplätzen – nur damit wir die Dimension dessen, worüber wir reden, richtig kennen. In Prozentzahlen ausgedrückt: Im Verhältnis zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bewegt sich das in einer Größenordnung von ungefähr 0,5 %.

Wenn man diese Zahlen sieht, merkt man, dass die regionalen Besonderheiten und die Zahl der Arbeitsplätze in der Region in dem Vorschlag der Landesregierung ausdrücklich berücksichtigt werden.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Stärkung Nordhessens und des Regierungsbezirks Kassel. Wir haben neben der Konzentration der Beihilfebearbeitung – so ist das geplant – an zwei Standorten im Regierungsbezirk Kassel, nämlich in Kassel selbst und in Hünfeld, weitere deutliche Signale in Richtung Nordhessen gegeben.Wir werden das Kompetenzzentrum für Biorohstoffe nach Witzenhausen verlegen.Das Nationalparkamt wird natürlich nach Nordhessen kommen, und wir sind auf dem Weg, alles, was mit Versorgung, dem Zahlen von Bezügen und der Beihilfe zu tun hat, in Nordhessen zu konzentrieren.