Protocol of the Session on November 27, 2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Vorsitzender der FDP-Fraktion und innenpolitischer Sprecher möchte ich zum einen Dank dafür sagen, dass die Kollegen von Union und SPD diesen Gesetzentwurf der FDP von Anbeginn an und während der Beratungen unterstützt haben. Mit dieser Änderung des hessischen Polizeigesetzes wollen wir erreichen, dass die Polizei in der Lage ist, insbesondere bei Hütchenspielern, aber auch bei anderen – bei denen davon auszugehen ist, dass sie eine Straftat durchführen – ein längerfristiges Aufenthaltsverbot auszusprechen.

Während der Beratungen hat es eine Anhörung gegeben, ich habe das eben verlesen. Die Anhörung hat zu dem Ergebnis geführt, dass der ursprünglich von der FDP-Fraktion eingebrachte Gesetzentwurf in einem zentralen Punkt geändert werden sollte – und zwar dergestalt, dass nunmehr eine Begrenzung dieser Maßnahme auf drei Monate aufgenommen wird, ohne dass eine weitere Verlängerungsmöglichkeit besteht.

Lassen Sie mich sagen, dass die Beratungen im Innenausschuss sehr harmonisch zwischen Sozialdemokraten, der Union und der FDP geführt worden sind. In der letzten Sitzung des Innenausschusses mussten wir noch eine kleine, heftige und vor allem polemische Diskussion mit den Kollegen der GRÜNEN führen.

(Nicola Beer (FDP): Hört, hört!)

Offensichtlich soll die heute noch einmal wiederholt werden.Es waren sich nämlich die Fraktionen von CDU,SPD und FDP einig, dass wegen der intensiven Beratungen im Innenausschuss eine inhaltliche Debatte heute im Plenum nicht mehr durchgeführt werden muss.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die GRÜNEN haben in der Sitzung des Innenausschusses unterstellt, dieses Gesetz öffne Tür und Tor für die Ordnungsbehörden und die Polizei,Gruppierungen und Menschen, die sie nicht mögen, von irgendwelchen Plätzen zu entfernen. Diese gravierende Polemik der GRÜNEN weise ich hier aufs Schärfste zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Dieser Gesetzentwurf macht deutlich, dass die betreffende Maßnahme nur bei Vorliegen mehrerer Voraussetzungen ergriffen werden darf. Zum einen müssen Tatsachen vorliegen – nicht irgendwelche Vermutungen, sondern Tatsachen. Zum Zweiten müssen diese Tatsachen dazu bestimmt sein, eine Straftat vorzunehmen.

Allein die Formulierung „Straftat“ macht deutlich, dass man nicht irgendetwas unterstellen kann – wie das Kollege Al-Wazir im Innenausschuss und Herr Dr. Jürgens, der ausgebildeter Jurist ist und es eigentlich besser wissen müsste, in der ersten Lesung hier gesagt haben.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Was heißt hier „eigentlich“?)

Man kann nicht einfach unterstellen, dass irgendwelche missliebigen Personen oder Personengruppen entfernt werden sollen.

Meine Damen und Herren, zum Dritten ist die Maßnahme der Polizei örtlich und zeitlich begrenzt. Auch das

spricht dagegen, dass hier etwas unternommen wird, wodurch das Selbstbestimmungsrecht der Menschen einschränkt wird, denen man es nicht einschränken darf.

(Beifall der Abg. Nicola Beer und Florian Rentsch (FDP))

Deshalb darf ich hier festhalten, dass dieser Gesetzentwurf auch die verfassungsrechtliche und insbesondere die datenschutzrechtliche Zustimmung des Hessischen Datenschutzbeauftragten bekommen hat.Daher müssen sich diejenigen, die gegen dieses Gesetz sind, andere Argumente suchen, nicht diese polemischen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abg. Dr. Jürgens, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hahn hat schon ganz richtig vermutet: Die GRÜNEN werden diesen Gesetzentwurf auch in seiner geänderten Fassung ablehnen.

In der ersten Lesung habe ich an dieser Stelle noch gesagt, bei substanziellen Verbesserungen könnten wir uns gegebenenfalls vorstellen, dass ein solches Aufenthaltsverbot ins HSOG aufgenommen werden kann.Allerdings haben die weitere Diskussion und vor allem das Ergebnis der Anhörung im Ausschuss uns in der Überzeugung bestärkt, dass wir es jedenfalls in der vorliegenden Form nicht mittragen können.

Immerhin haben Sie eine Verbesserung aufgenommen, die ich damals schon vorgeschlagen habe, nämlich eine zeitliche Begrenzung auf drei Monate. Das ist gut und richtig, deswegen haben wir uns bei der Abstimmung im Ausschuss da auch der Stimme enthalten.

Das reicht aber bei weitem nicht für eine rechtsstaatlich einwandfreie Regelung aus. Es muss klar sein – und ich glaube, es ist auch allen klar –, dass es hierbei um tief greifende Grundrechtseingriffe geht. Die Frage, ob es um das Grundrecht auf Freizügigkeit oder um die allgemeine Handlungsfreiheit geht, ist dabei eher akademischer Natur. Jedenfalls geht es um Eingriffe in Grundrechte, und solche Eingriffe müssen geeignet und erforderlich sein, um grundrechtstauglich zu sein. Hieran aber haben wir in diesem Fall erhebliche Zweifel.

Wenn man sich das Ergebnis der Anhörung genau angesehen hat, dann müsste eigentlich allen, die die schriftlichen Stellungnahmen gelesen haben, klar geworden sein, dass das Hauptanliegen – das Anlass für den Gesetzentwurf der FDP war, nämlich das Unwesen der Hütchenspieler einzuschränken – mit den hier vorgesehenen Regelungen gerade nicht erreicht werden kann.

Es gab eine sehr ausführliche Stellungnahme des Polizeidirektors Faust aus Frankfurt. Er hat im Einzelnen die Rechtslage geschildert und ausgeführt, dass nicht jedes Hütchenspiel rechtswidrig ist: Ein Hütchenspiel, das normal betrieben wird und bei dem der Spieler durch Beobachtung gewinnen kann,ist ein Geschicklichkeitsspiel und nicht strafbar.Wenn es schnell gespielt wird und der Tipp Zufall ist, liegt ein verbotenes Glücksspiel vor. Erst dann, wenn das Spiel manipuliert wird, liegt ein Betrug vor. –

Aus den Beweisschwierigkeiten, die sich aus dieser unterschiedlichen Rechtslage ableiten, hat er geschlussfolgert, dass ein Aufenthaltsverbot notwendig ist.

Nach meinem Dafürhalten ist gerade dieser Schluss fehlerhaft. Wenn Sie das Aufenthaltsverbot richtig anwenden, müssen Sie eine Prognose stellen, ob eine Straftat vorliegt. Bei dieser Prognose kommen Sie natürlich in die gleichen Beweisschwierigkeiten.

Deswegen bestätigt im Grunde genommen gerade dieses Ergebnis der Anhörung unsere Bedenken, die wir damals geäußert haben. Wenn man diese Beweisschwierigkeiten mit einem einfachen Aufenthaltsverbot wegwischen will, bedeutet dies in der Tat: Es geht weniger um die Vermeidung der einzelnen konkreten Straftat, sondern es geht darum, bestimmte unliebsame Szenen trocken zu legen – Sprayerszene,Drogenszene,Punkerszene und was man da sonst noch nennen kann.

Das ist aber etwas anderes als das, was wir bisher aus dem Strafrecht kennen. Danach wird jeder gemäß seiner eigenen Schuld und seinem eigenen Tatbeitrag zur Rechenschaft gezogen. Hier aber soll ein Personenkreis bereits mit Sanktionen überzogen werden,wenn der Verdacht besteht, sie könnten einer Gruppe angehören, deren Mitglieder möglicherweise Straftaten begehen könnten.

Für uns sind das einige Konjunktive zu viel für eine rechtsstaatlich sichere Regelung. Deshalb können wir eine solche Aufweichung rechtsstaatlicher Standards nicht mitmachen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ganz abgesehen davon, dass nach dieser Anhörung erhebliche Bedenken dahin gehend bestehen, ob die Neuregelung überhaupt dem Übermaßverbot und dem Bestimmtheitsgebot der Verfassung gerecht wird. Das werden später sicherlich die Gerichte zu entscheiden haben.

Wichtig ist natürlich auch, dass die Kontrolle des Aufenthaltsverbots überhaupt nicht gewährleistet ist. Das ist in der Anhörung auch klar zutage getreten. Niemand glaubt wirklich, dass sich hartgesottene Serientäter oder gut organisierte Bandenmitglieder durch ein nicht kontrollierbares Verbot beeindrucken lassen.

Mit einem Wort: Alle von Ihnen verfolgten Ziele können im Grunde genommen mit dieser Regelung nicht erreicht werden. Als Fazit bleibt nur übrig: Es handelt sich um einen Abbau des Rechtsstaates ohne erkennbaren Gewinn bei der Bekämpfung der Kriminalität. Dies mag zwar in der Tradition dieser Landesregierung liegen, ist aber nicht im Interesse dieses Landes. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Schaub, SPD-Fraktion.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir haben seit Beginn der Beratungen über diesen Gesetzentwurf signalisiert, dass wir die rechtliche Klarstellung an dieser Stelle mittragen wollen. Die Rückschlüsse, die Kollege Jürgens eben gezogen hat,sind aus unserer Sicht deshalb unlauter, weil ohnehin die Situation schon so ist, dass durch Erlass dort einiges geregelt ist und wir durch dieses Verfahren nur Klarheit und Präzision erreichen wollen. Deshalb ha

ben wir von Beginn an signalisiert, dass wir dem FDP-Gesetzentwurf zustimmen werden.

Ich will an dieser Stelle noch anmerken, dass es bei der Union etwa drei Sitzungen lang gedauert hat, bis der Innenminister sich durchringen konnte, dieses Gesetz auch zu befürworten.Dann hat es noch eine weitere Sitzung gedauert,bis er der Fraktion grünes Licht gegeben hat.Sonst hätten wir dieses Gesetz schon etwas früher auf den Weg bringen können.

Aus den Worten von eben kann man schließen, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Rhein für die CDU-Fraktion.

Ich will mich ganz kurz fassen, obwohl die Autobahn voll ist.Wir können uns die Zeit sparen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin einigermaßen froh darüber, dass wir mit einer Ausnahme so einstimmig und einig eine wirklich wichtige Gesetzesänderung beschließen. Dies ist insbesondere eine für Frankfurt wichtige Gesetzesänderung. Denn das Hütchenspielerunwesen stellt ein großes Problem dar. Es geht nicht darum, dass das ein idyllisches Glücksspiel wäre,bei dem man auch sagen könnte,dass der,der darauf reinfällt, selbst schuld ist, sondern es geht darum, dass das in eine strukturierte und organisierte Kriminalität eingebettet ist, die vielfach auch mit aggressivem Auftreten und ganz brutalem Hinlangen durch die Täter verbunden ist. Körperverletzungen, Raubhandlungen und Diebstähle stellen die Regel dar. Das ist dabei das Problem. Deswegen haben wir Frankfurter den ganz dringenden Wunsch, dass das geregelt wird. Deswegen ist es gut, dass wir das hier gemeinschaftlich machen.

Ich möchte noch einen Satz zu dem sagen, was Herr Hahn am Dienstag bei der Einbringung der Regelung des finalen Rettungsschusses gesagt hat. Das ist durchaus ein Unterschied. Sie haben am Dienstag gesagt, Sie fänden es gut, dass wir heute hier beim Thema Hütchenspieler sachlich und parlamentarisch ordentlich eine wichtige Gesetzesänderung miteinander vornehmen. Da stimme ich Ihnen völlig zu. Nur gibt es natürlich einen Unterschied zum finalen Rettungsschuss. Die Hütchenspieler sind ein jetzt drängendes Problem, das sofort angepackt und geregelt werden muss. Wer einmal nach Frankfurt gekommen ist, der weiß das. Der finale Rettungsschuss ist eine ganz grundsätzliche Frage. Sie gehört eben in ein Paket. Wir können nicht alle drei Monate das HSOG ändern. Deswegen verhalten wir uns so, wie wir es tun.

Herr Kollege Jürgens, ich möchte noch Folgendes sagen. Ich finde, dass es nicht geht – ich habe mir das einmal aufgeschrieben –, dass Sie uns vorwerfen, wir würden bestimmte Gegenden von unliebsamen Teilen der Gesellschaft freihalten oder eine bestimmte Auffassung von bürgerlicher Ordnung exekutieren wollen. Sie wissen ganz genau, dass das Quatsch ist. Sie wissen, dass das nicht stimmt und dass das niemandes Absicht ist. Es geht uns darum, ein wirklich erhebliches und virulentes Problem in Frankfurt zu regeln. Ich würde Ihnen empfehlen: Machen Sie es doch einfach wie Ihre Parteikollegen in Frankfurt. Die GRÜNEN-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung hat nämlich der Änderung der Gefahrenab

wehrverordnung, die das Verbot von Hütchenspielen in Frankfurt vorsieht, zugestimmt. Das wäre eine Maßnahme. Springen Sie einfach über Ihren Schatten. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Herr Innenminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt diesen Gesetzentwurf. Ich mache es im Interesse der Zeit sehr kurz.

Erstens. Herr Kollege Jürgens, hier wird der Rechtsstaat in gar keiner Weise abgebaut.

Zweitens.Warum machen wir das Ganze? – Weil der Verwaltungsgerichtshof entschieden hat, dass es einer gesetzlichen Regelung bedarf.An dieser Stelle gibt es überhaupt keinen neuen Sachverhalt.

Drittens. Sie haben heute wieder Ausführungen gemacht, die nicht zutreffen. Sie haben vom Strafrecht gesprochen. Aber hier geht es nicht um Strafrecht.Deshalb ist Ihre Argumentation falsch. Es geht um das Polizei- und das Ordnungsrecht.