Protocol of the Session on November 13, 2007

Der heute zu betrachtende Entwurf für den Nachtragshaushalt 2007 zeigt, dass sich Herr Weimar von seinem Amt offensichtlich verabschiedet hat.„Ich bin dann schon mal weg“, so lauteten wohl seine Worte vor der Kabinettsentscheidung; denn diese kann nur ohne die Beteiligung des Finanzministers zustande gekommen sein. Sonst müsste der uns vorliegende Entwurf ganz anders aussehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, führen Sie sich das einmal deutlich vor Augen: Hessen erlebt den größten Steuereinnahmesprung in seiner Geschichte.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Wir haben 1,584 Milliarden c Steuereinnahmen mehr, als im Haushalt des laufenden Jahres eingeplant worden ist. So viel Geld mehr in einem Jahr gab es noch nie.

Was geschieht? Die Landesregierung und ihr formal dafür zuständiger und verantwortlicher Finanzminister schaffen es trotz des Geldsegens nicht, auch nur einen einzigen

Euro weniger Schulden zu machen. Herr Weimar, das ist wahrlich dramatisch und desaströs. Man kann nur noch den Kopf schütteln. Das kann eigentlich nicht wahr sein.

Dabei tut Herr Weimar so, als ob er ein erfolgreicher Finanzwirtschaftler wäre. Er schreibt, an die Öffentlichkeit gerichtet, in seiner Presseerklärung zum Nachtragshaushalt – ich zitiere –,es sei „ein hartes Stück Arbeit gewesen, trotz erheblicher Mehrbelastungen, die im Nachtragshaushalt 2007 insgesamt mit fast 1 Milliarde c zu Buche schlagen, die vorgesehene Nettoneuverschuldung unverändert beizubehalten“.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist wirklich süß!)

Vor Empörung bleibt einem kurz die Luft weg. Herr Weimar nimmt 1,584 Milliarden c mehr ein und sieht ein hartes Stück Arbeit darin, nicht noch mehr Schulden machen zu dürfen.Man kann sich wirklich nur noch trösten,indem man zur Bibel greift und in Salomos Sprüchen liest:

Wozu denn Geld in der Hand des Toren, um Weisheit zu kaufen, da ihm doch der Verstand fehlt?

Bei der Einbringung des Haushaltsplans 2008 habe ich,einen bildlichen Vergleich gebrauchend, das Verhalten der Landesregierung als das eines Trinkers beschrieben, der mit der Schnapsflasche in der Hand verspricht: Morgen höre ich mit dem Saufen auf. – Man weiß, dass solche Vorsätze meistens nicht verwirklicht werden. Jetzt kam eine neue, unerwartete Schnapslieferung dazu, und flugs wird man noch durstiger.

Aber dass die Schuldensucht schon so weit fortgeschritten ist, hätten wir dann doch nicht geglaubt. Herr Weimar, eine Entziehungskur ist deshalb unvermeidlich, ja sogar überfällig.Fragen Sie nach dem 27.Januar Ihren Arzt oder Apotheker.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man den Sachverhalt in Zahlen ausdrückt, stellt man fest, dass auch nach den wieder einmal lautstark beklagten Zahlungen in den Länderfinanzausgleich immer noch Mehreinnahmen in Höhe von 755 Millionen c übrig bleiben. Zusammen mit den Ausgabenentlastungen in Höhe von rund 179 Millionen c im Haushalt ist dies eine landespolitisch disponible Geldmenge von 934 Millionen c, also fast 1 Milliarde c. Davon war schon die Rede.

Herr Weimar, Sie stecken nicht einmal 1 Promille dieser 1 Milliarde c – das wären immerhin 1 Million c – in die Reduzierung der Neuverschuldung. Nein, keinen einzigen Cent haben Sie dafür übrig. Im Gegenteil, Sie bieten stattdessen „ein hartes Stück Arbeit“ an – oder schildern es –, um die Schulden hoch zu halten.Auf diese Arbeit könnten wir gut und gern verzichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Entwurf für den Nachtragshaushalt liefert endlich das, wonach ich schon lange gesucht habe: den wissenschaftlich exakten Beweis für den berühmten kühnschen Lehrsatz Nummer 1 zur weimarschen Haushaltspolitik. Sie bekommen ihn wieder zu hören:

Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

Einen exakteren Beweis für die Richtigkeit dieses Lehrsatzes von Adolf Kühn als diesen Entwurf für einen Nachtragshaushalt kann man sich nicht vorstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eigentlich sollten tibetanische Weisheiten unter der Regierung des Freundes des Dalai Lamas doch etwas Beachtung finden. Herr Weimar, deshalb sage ich Ihnen, was die Tibeter schon lange wissen: Wenn du in einem Loch sitzt, musst du zuerst mit dem Graben aufhören. – Wenn Sie in einem Schuldenloch sitzen, ist das Erste und Einzige, was wirklich hilft, weniger Geld auszugeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Damit sind wir bei den Themen Vorsorge, Nachhaltigkeit und Zukunft. Einst wurde von der Regierung eine Rücklage, genannt „Zukunftsoffensive Hessen“, kreiert, und dann wurde das Ziel verkündet,man wolle sie nur für Projekte verwenden, die einen positiven Beitrag für die Zukunft unseres Landes leisten.Abgesehen davon, dass dies, zumindest aus unserer Sicht – also aus Sicht der GRÜNEN –, bisher keinesfalls bei allen Projekten gelungen ist, sage ich: Die Plünderung dieser Rücklage für den Ausgleich eines Nachtragshaushalts in einem Jahr, in dem es zugleich einen Steuermehreinnahmerekord gibt, gehört – das ist hoffentlich unstrittig – nicht zur Zukunftsoffensive.

Doch Herr Weimar braucht 50 Millionen c zusätzlich, um den Haushaltsausgleich trotz der Beibehaltung der geplanten Neuverschuldung noch hinzubekommen. Wofür er sie eigentlich braucht, klären wir noch.

Da wir gerade bei dem Thema Vorsorge sind: Eigentlich gibt es Bedarf für eine neue Rücklage, nämlich für eine Rücklage,um das Prozessrisiko des Landes in Sachen Studiengebühren – Entschuldigung, es sind nur Beiträge, die die Studierenden zurzeit zahlen müssen – zu verringern. Das Thema ist, wie wir aus den Meldungen wissen, heute so aktuell, wie es überhaupt nur sein kann. Jedes Unternehmen wäre in der gegebenen juristischen Position gehalten, eine solche Rücklage zu bilden. Sonst würde der Prüfer die fehlende Vorsorge monieren.

Die Landesregierung fährt indes den von ihr selbst so titulierten „Konzern Hessen“ offensichtlich ungebremst an die Wand. Es müssen und werden sich andere um die Beseitigung des Schadens zu kümmern haben.An morgen zu denken ist bei der CDU leider überhaupt nicht verbreitet,

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie ist auch von gestern!)

obwohl auch sie, wie es Moriartes formuliert, wissen sollte: Vorsicht ist die Eigenschaft der Klugen; den Dummen fehlt die Vorstellungskraft für mögliche Konsequenzen. – Leider muss ich konstatieren, dass sie offensichtlich auch der hessischen CDU fehlt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gehört eigentlich zum Allgemeinwissen, dass Haushalte in guten, aber nicht in schlechten Zeiten ruiniert werden. Eine Zeit, in der wir einen Steuereinnahmezuwachs von mehr als 10 % bzw. von mehr als 1,5 Milliarden c haben, ist wahrlich nicht schlecht zu nennen. Also muss man in dieser guten Zeit besonders aufpassen, dass man den Haushalt nicht ruiniert.

Genau das geschieht bei Weimar jedoch nicht. Er passt nicht auf. Das hat offensichtlich etwas mit dem Kalender zu tun. Nicht nur das Jahr geht demnächst zu Ende, und nicht nur das Weihnachtsfest, das Fest der Geschenke, steht bevor, sondern auch die Legislaturperiode geht zu Ende, und das heißt, dass der Wahltag naht. Wahltag ist Zahltag, sagt der Volksmund, meint dies aber bislang eher

dahin gehend,dass das Volk am Wahltag den Regierenden die Rechnung für ihre Politik präsentieren will. Bei der Regierung Koch mit ihrem Finanzminister Weimar geht es aber um Geschenke,insbesondere zur Wahl.Deshalb werden die Steuerzahler den Begriff „Zahltag“ völlig neu verstehen lernen: Sie werden künftig noch mehr zahlen dürfen, weil diese Regierung offensichtlich glaubt, politisches Wohlwollen und die Zustimmung bei der Wahl seien zu kaufen, und deshalb so viel Geld ausgibt.

Auch hier werfen wir wieder einen Blick in die Bibel. Sie enthält eine schöne Beschreibung. Ich zitiere:

Und der König machte ein Festmahl für alle seine Fürsten und Großen und gewährte den Ländern Steuernachlass und teilte königliche Geschenke aus.

Das ist im Buch Esther, 2,18 nachzulesen.

Die Anhörung der Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände im Haushaltsausschuss letzte Woche hat die Geschichte des Propheten bestätigt. Nur waren die dort anwesenden Fürsten und Großen trotz der Geschenke nicht zufrieden und hatten etliches zu kritisieren. Sie waren eben doch zu klug,um sich vom Geldsegen blenden zu lassen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Im Neuen Testament steht das anders!)

Wir gehen davon aus, dass dies auch insgesamt gilt. Eine solch hässliche Politik wie die von Herrn Koch und Herrn Weimar lässt sich auch mit der Geldgießkanne nicht mehr aufhübschen.

Die Debatte über den letzten Haushaltsplan, den Karlheinz Weimar einbringt, darf nicht – das ist sie auch nicht – ohne die Erwähnung seines Lieblingsthemas vorübergehen. Die dazugehörige Folie kennen Sie alle. Man sieht zwei dicke Säulen, die nebeneinander stehen: NKA und LFA bzw.Neuverschuldung – „Nettokreditaufnahme“ genannt – und Einzahlung in den Länderfinanzausgleich. Mit dieser Folie soll, wie wir es auch heute wieder gehört haben, suggeriert werden, dass die anderen Länder, möglicherweise gar noch die mit – oh, wie schrecklich – politisch falsch besetzten Regierungen, uns Hessen unser schönes, sauer verdientes Geld abnehmen. Ohne diesen quasi alltäglichen Raub müssten wir kein Geld pumpen und hätten absehbar auch keine Schulden mehr. Diese Ungerechtigkeit allein – und sonst nichts – sei übrigens schuld an den hessischen Schulden.

Was will uns der Formulierungskünstler Weimar damit sagen? Schuld an Weimars Schulden ist er selbstverständlich nicht – das sind immer andere. Mit seinem Gejammer ist Weimar nicht mehr fern von einer neuen Dolchstoßlegende für seine eigene finanzwirtschaftliche Niederlage.

Meine Damen und Herren, Legende aber ist nicht Wahrheit.Voraussetzung für hohe Lasten im LFA sind zunächst einmal hohe Steuereinnahmen, die unter anderem durch das Finanzzentrum Frankfurt entstehen. Der wirtschaftliche Erfolg hessischer Unternehmen insgesamt beruht nun aber keineswegs ausschließlich auf der Leistung der Hessinnen und Hessen, daran sind auch viele andere beteiligt. Unter anderem auch deshalb ist ein Ausgleich der punktuell anfallenden Einnahmen der öffentlichen Hände sinnvoll und geboten, ein Finanzausgleich ist geradezu eine konstitutionelle Bedingung für den Bundesstaat.

Entscheidend ist deshalb vielmehr die Antwort auf die Frage, wie die Einnahmen verteilt werden sollen.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Und hier – das ist schon angesprochen worden – erinnern wir uns alle noch an den seinerzeit so hochgelobten Wiesbadener Kompromiss,der zwischen den Ländern zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs gefunden wurde.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Weimar in der ersten Reihe bekundete seinen Stolz über das Ergebnis,

(Norbert Schmitt (SPD): Ja!)

und Koch und er waren daran maßgeblich beteiligt.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Retter Hessens!)

So wurde es damals berichtet. Meine Damen und Herren, wurde damals die Unwahrheit gesagt? Oder ist das aus heutiger Sicht nur eine besonders missglückte Form der Entschuldigung für die miserable Finanzwirtschaft, wieder alles auf den LFA zu schieben?