Protocol of the Session on November 13, 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren, letzten Endes ist es genau das, was Sie hiermit beabsichtigen.Aber auch Prof. Weiss von der Universität Frankfurt kommt zu diesem Schluss. Er sagt ganz frank und frei – ich zitiere von Seite 10 –:

Das, was hier geplant ist, ist nach meiner Einschätzung nicht verfassungsgemäß.

Er führte dann die einschlägigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts weit aus. Ich will Ihnen das ersparen. Sie sollten das aber noch einmal nachlesen, damit Sie einfach einmal sehen, dass das, was Sie hier machen wollen, in der Tat ein Angriff auf Art. 9 Grundgesetz ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen also: Wohlwollend ausgedrückt ist der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, verfassungsrechtlich problematisch. – Herr Prof.Weiss hat sogar gesagt, er sei nicht verfassungsgemäß.

Aber das ist Ihnen und der Mehrheit in diesem Hause vollkommen egal. Sie verfahren wieder nach dem Motto: Mehrheit ist Wahrheit.Was stören mich die Aussagen aus der Anhörung, was stören mich die Aussagen der Abgeordneten der Opposition, und was stören mich der Aufschrei und die Argumente der Gewerkschaften? – Im Übrigen gilt das auch für die Tarifunion. Sie scheren sich um das, was die öffentliche Meinung in diesem Lande sagt, nicht. Sie verfahren wieder einmal nach dem Motto: Mehrheit ist Wahrheit.– Ich kann nur hoffen,dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am 27. Januar 2008 auch ganz deutlich über diese Personalpolitik abstimmen und Ihnen dafür eine deutliche Quittung erteilen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Innenminister, aber auch das, was Sie materiell anbieten, bleibt weit hinter dem zurück, was die Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit den Gewerkschaften vereinbart hat. Ich habe das während der ersten Lesung des Gesetzentwurfs schon ausgeführt. Das gilt sowohl für den linearen Teil als auch für die Einmalzahlung. Sie blei

ben da hinter den Vereinbarungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder zurück.

Es ist schon, so ich will es einmal sagen, einigermaßen frech, dass Sie in der Begründung zu § 2 – ich glaube, er ist es, bei dem es um die Einmalzahlung geht – schreiben:

Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen im Dezember 2007 eine weitere Einmalzahlung in Höhe von 500 c, die ihre „Mehrarbeit“ anerkennen und zu deren finanziellen Ausgleich beitragen soll.

Das muss man sich in der Tat einmal auf der Zunge zergehen lassen. Sie wollen einen Anreiz und einen finanziellen Ausgleich schaffen. Das liegt aber in der Größenordnung von 2,35 c netto. Herr Innenminister, was ist das für eine Anerkennung?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spottet in der Tat jeder Beschreibung. Sie sind auch nach der Anhörung vollkommen beratungsresistent. Sie ziehen das durch. Sie haben mit der „Operation düstere Zukunft“, mit der Kürzung des Weihnachts- und Urlaubsgelds, mit der Mehrarbeit,die Sie organisiert haben,in diesem Land in einer Art und Weise Personalpolitik gemacht, von der man sagen muss, das ist einfach unbeschreiblich.

Sie werden diesen Gesetzentwurf heute wahrscheinlich beschließen. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden diese Art der Personalpolitik nicht mitmachen. Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Frömmrich,vielen Dank.– Nächster Redner ist Herr Kollege Hahn. Er spricht für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Greiner von der Universität Köln hat in der Anhörung in meinen Augen vollkommen zu Recht den Satz gesagt, das Problem dieses Gesetzentwurfs sei nicht das Ziel, sondern das Problem dieses Gesetzentwurfs sei der Weg. Ich will es noch einmal andersherum formulieren: Jedenfalls kein Mitglied der FDP-Fraktion des Hessischen Landtags und sicherlich nicht viele Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen dieses Hauses missgönnen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes Hessen auch nur einen Cent.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist unstrittig!)

Herr Prof. Greiner und andere haben aber noch einmal sehr deutlich die Bedenken artikuliert, die Herr Kollege von Hunnius und ich für die FDP-Fraktion bereits während der ersten Lesung bzw. während der Debatten in den Ausschüssen gesagt haben. Sehr höflich und sehr diplomatisch formuliert lautet das so: Sie arbeiten hart an der Grenze der Verfassungswidrigkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die Begründung wurde von den Kollegen bereits genannt. Ich sage es noch einmal: Es war nicht nur Herr Dr.

Greiner, der das gesagt hat.Auch Herr Prof.Weiss hat das vorgetragen. Es gibt dazu auch eine schriftliche Stellungnahme von Herrn Prof.Wieland.

Ich bin keiner der Kollegen, der die Beine zählt und sagt: Wenn soundso viele dafür und soundso viele dagegen sind, dann haben die, die mehr sind, recht. – Aber die Begründungen – ich sage es noch einmal: am meisten überzeugt hat mich Herr Dr. Greiner – sind nun einmal evident. Mit der gesetzlichen Festschreibung von Dingen, die eigentlich der Tarifautonomie unterliegen, werden die Tarifparteien geschwächt.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Frank-Peter Kaufmann und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist vollkommen klar. Darüber gibt es sicherlich nichts zu diskutieren. Das ist eindeutig. Wenn man etwa eine Teilmenge gewährt, wird es für die Tarifpartei schwieriger – in diesem Fall ist das die Gewerkschaft –, noch eine Mobilisierung zu erreichen.

Uns Liberalen wird immer wieder einmal nachgesagt, dass wir es zumindest mit Teilen der Tarifparteien nicht besonders gern zu tun hätten. Das ist, erstens, falsch.

(Günter Rudolph (SPD): Na ja!)

Zweitens muss aber beachtet werden, dass es rechtsstaatliche Prinzipien gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die rechtsstaatlichen Prinzipien sind in der Verfassung festgeschrieben. Das ist nicht nur im Betriebsverfassungsgesetz oder in einem Gesetz zu Personalräten verankert. Dieses rechtsstaatliche Prinzip besagt, dass es eine Waffengleichheit geben muss. Diese Waffengleichheit kann es nicht mehr geben, wenn die eine Seite, die erste Gewalt, also das Parlament, der Hessische Landtag in diesem Fall, meint, Dinge vorwegnehmen zu müssen.

Ich sage es noch einmal: Ja, die Mitglieder der FDP-Landtagsfraktion sind dafür, dass es im Dezember 2007 die Einmalzahlung gibt. Wir fragen aber: Warum soll das eigentlich gerade im Dezember 2007 geschehen?

(Beifall bei der FDP, bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Frage beantworten wir gleich!)

Ja,die Mitglieder der FDP-Fraktion des Hessischen Landtags sind für eine lineare Einkommenssteigerung ab dem 1. April 2008 um 2,4 %. Wir fragen uns aber: Warum sind es gerade 2,4 %? Warum soll dies gerade ab dem 1. April 2008 erfolgen?

(Beifall bei der FDP)

Ja, es ist eine Verbesserung, dass der Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind rückwirkend ab dem 1. Januar 2007 um 50 c erhöht wird. Dazu fragen wir uns nichts. Da fragen wir uns höchstens, warum das im öffentlichen Dienst nicht schon früher in Tarifverträgen vereinbart wurde. Das ist auch eine Kritik, die ich ganz bewusst an die Gewerkschaften in diesem Lande, und zwar in der Bundesrepublik Deutschland, richte. Denn wir haben einen generellen Vertrag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur aufgrund der Anhörung des Innenausschusses, sondern auch aufgrund der Vielzahl

der Podiumsdiskussionen, die ich in den letzten Wochen geführt habe, kenne ich die Argumentation der Kolleginnen und Kollegen von der konservativen, allein regierenden Partei. Sie sagen: Wir konnten nicht anders, wir wurden gezwungen, diesen grenzwertig verfassungswidrigen Weg zu gehen. Denn die Gewerkschaften haben sich geweigert. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Gerücht.

(Beifall bei der FDP)

Es ist richtig, dass es Gespräche gegeben hat. Ob das Verhandlungen waren, schon darüber streiten sich die Parteien. Es hat zunächst für die Beamten Gespräche gegeben. Diese Gespräche sind dann in irgendeiner Weise mit irgendeinem Teil der Gewerkschaften nicht fortgeführt worden. Alle in diesem Raum wissen, dass mir der Deutsche Beamtenbund politisch um Längen näher steht als ÖTV/ver.di. Mit dem Deutschen Beamtenbund konnte dann eine Vereinbarung getroffen werden.

Da hat man gesagt: Die Gewerkschaften aus der ver.diFamilie verweigern sich, weil sie die Meistbegünstigungsklausel zu beachten haben. – Das ist richtig. Die Damen und Herren Vertreter der ver.di-Familie haben ein Problem, nämlich dass sie bis zum 31.Dezember dieses Jahres keinen Tarifvertrag schließen können,um ihre Kollegen in anderen Ländern nicht in irgendeine Weise in die Bredouille zu bringen.Das ist hinter dem Wort „Meistbegünstigungsklausel“ versteckt.

Bei genauem Schauen auf das, worüber wir abstimmen sollen, sieht man, dass wir uns um Dinge kümmern, die zu einem Großteil erst ab dem Jahr 2008 gelten, also ab einem Zeitpunkt, zu dem die Meistbegünstigungsklausel die ver.di-Familie nicht mehr daran hindert,Tarifverhandlungen zu führen.

(Beifall bei der FDP)

Allein die Vereinbarung über die Einmalzahlung im Dezember 2007 hätte ver.di Hessen nicht unterschreiben dürfen. Hätte man aber die Einmalzahlung 2007 als Ergebnis eines Tarifvertrages im Januar 2008 vorgenommen, hätte die ver.di-Familie einen derartigen Tarifvertrag schließen können.

(Beifall bei der FDP)

Ich will das ein bisschen entspannter darstellen, als das meine Kolleginnen und Kollegen vor mir getan haben, denn es handelt sich um einen relativ einfachen Sachverhalt.

(Günter Rudolph (SPD): Wir waren ganz entspannt!)

Hier wollten die konservative Alleinregierung und die sie tragende Fraktion in diesem Haus dokumentieren: Wir sind Hechte, wir schaffen es, dass die Mitarbeiter noch in diesem Jahr etwas auf das Konto bekommen und dass sie ein Versprechen haben, wie es ab dem 1. April 2008 weitergeht. – Das kann man tun, wenn man daran durch die Verfassung nicht gehindert ist. Wir sind aber der Auffassung,dass die Kante zur Verfassungswidrigkeit mindestens erreicht ist. Deshalb hätten wir einen anderen Weg vorgeschlagen. Ich sage sehr selbstbewusst für die FDP Hessen und auch für die FDP-Fraktion in diesem Hause: Wenn es zu einer Regierungsbeteiligung der Liberalen nach dem 27. Januar kommen sollte, und manches dafür spricht, dass es so sein könnte, nehmen wir bereits heute das Angebot von Walter Spieß an.

(Günter Rudolph (SPD): Zu viele Konjunktive!)

Walter Spieß hat nämlich die Aussage veröffentlicht, dass er bei der neuen Hessischen Landesregierung schon früh im Jahr 2008 die Bereitschaft für eine kräftige lineare Erhöhung der Besoldung der hessischen Beamtinnen und Beamten im Rahmen eines Tarifvertrages sehen will.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Sprachrohr von Herrn Bouffier!)

Damit sich keiner in diesem Raum einer Irritation hingibt, sage ich: Sollte es zu einer bürgerlichen Regierungskoalition in Hessen kommen, wird in einer der ersten Kabinettssitzungen der zuständige Innenminister beauftragt, Tarifverhandlungen mit allen Tarifparteien in diesem Lande zielorientiert und mit einer zeitlichen Befristung einzuleiten.