Protocol of the Session on September 27, 2007

Der Rechtsausschuss hat sich in seiner Sitzung am 12. September 2007 mit dem Gesetzentwurf befasst und mit den Stimmen der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP die oben wiedergegebene Beschlussempfehlung gefasst. Zuvor wurde der Änderungsantrag mit den Stimmen der SPD und der FDP bei Stimmenthaltung der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angenommen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die Redezeit ist kürzer als die Zeit für die Berichterstattung und beträgt zehn Minuten. – Herr Kollege Gerling, Sie haben das Wort.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Letzter Aufruf des Kollegen Gerling!)

Hoffentlich nicht. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung die vier Gesetzentwürfe für ein Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz. Für die CDU-Fraktion – das wird die Oppositionsfraktionen sicherlich nicht verwundern – ist der Gesetzentwurf der Landesregierung derjenige, der unsere Ansprüche an ein innovatives und zeitgemäßes Jugendstrafvollzugsgesetz am besten erfüllt und auch allen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird.

(Beifall des Abg. Peter Beuth (CDU))

Meine Damen und Herren, es wird mit diesem Gesetz möglich sein, straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden die Chance zu geben, einen Weg zu einem Leben in Straffreiheit und sozialer Verantwortung zu bestreiten. Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, die Integration und Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erreichen. Es gibt den jugendlichen und heranwachsenden Gefangenen ein Recht auf schulische oder berufliche Bildung sowie auf das Trainieren sozialer Kompetenzen. Erziehung, Betreuung und Ausbildung der jugendlichen Gefangenen stehen im Mittelpunkt.

Meine Damen und Herren,neben all den Maßnahmen zur Resozialisierung nimmt aber auch die Sicherheit der Menschen in Hessen vor weiteren Straftaten im Gesetzentwurf der Landesregierung einen hohen Stellenwert ein, was von uns, der CDU, nachdrücklich unterstützt wird. Dieser wichtige Punkt spielt für SPD und GRÜNE offenbar nur eine untergeordnete Rolle. SPD und GRÜNE behaupten, dass diese Verbindung des Erziehungsgedankens mit der Sicherheit der Bevölkerung nicht mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmt.

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): So ist es!)

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht aber explizit darauf hingewiesen, dass zwischen beiden Aspekten kein Widerspruch besteht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist etwas ganz anderes!)

Meine Damen und Herren,SPD und GRÜNE wollen den offenen Vollzug als Regelvollzug. Das wird es mit der CDU-Fraktion nicht geben.

Wir haben es im Jugendstrafvollzug mit einer problematischen Klientel zu tun.Wer als Jugendlicher zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt ist, der hat bereits mehrere schwere Straftaten hinter sich. Er hat zumeist auch ambulante Hilfsmaßnahmen durchlaufen, ohne eine Besserung gezeigt zu haben. Diese jungen Straftäter benötigen daher in der Regel eine ganz enge und intensive Betreuung und einen strukturierten Tagesablauf. Diesem Anspruch kann der offene Vollzug nicht gerecht werden. Deswegen befürworten wir den geschlossenen Vollzug als Regelvollzug.

Meine Damen und Herren, das schließt natürlich nicht aus, dass vollzugslockernde Maßnahmen eingesetzt werden können. Das sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung auch ausdrücklich vor. Dies soll jedoch erst möglich sein, nachdem der Strafgefangene seine Eignung gezeigt hat und verantwortungsbewusst damit umgehen kann. Diese Praxis wird in den beiden Jugendstrafvollzugsanstalten Rockenberg und Wiesbaden sowie in Frankfurt III für weibliche Straftäter bereits jetzt so geübt und hat sich bewährt.

In der Anhörung des Rechtsausschusses und des Unterausschusses Justizvollzug haben sich sämtliche Praktiker des Strafvollzugs für den geschlossenen Vollzug als Regelvollzug ausgesprochen. Eindringlich wurde dort davor gewarnt, eine solch problematische Klientel, wie sie die jugendlichen Straftäter darstellen, unmittelbar und ohne vorherige Stabilisierung in den offenen Vollzug zu lassen.

Angesichts der Schwere mancher Straftat von Jugendlichen darf auch der Opferschutz nicht unberücksichtigt bleiben. Ist es denn zu verantworten – das müssen sich SPD und GRÜNE schon fragen lassen –, wenn z. B. das Opfer einer Straftat den jugendlichen Täter wenige Tage nach der Verurteilung schon wieder auf der Straße antrifft, als sei nichts geschehen?

(Stöhnen des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Dr. Jürgens, das ist die Wahrheit. Das wollen Sie aber nicht gerne hören. Deswegen muss es hier trotzdem in aller Deutlichkeit gesagt werden.

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich habe es schon dreimal erklärt! Sie wollen es nicht verstehen!)

Meine Damen und Herren, ein wichtiger Bestandteil der intensiven Betreuung im geschlossenen Vollzug ist das Konzept des Förderns und Forderns, wie es im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehen ist. Jugendliche und Heranwachsende sollen mit zusätzlichen Behandlungsangeboten und noch intensiverer Betreuung gefördert werden. Dafür werden jährlich zu den bisherigen 24 Millionen c künftig weitere 5 Millionen c in den Jugendstrafvollzug fließen.

Neben den Ausbildungsangeboten ist die sinnvolle Freizeitgestaltung ein wichtiger Bestandteil der Maßnahmen zur Erreichung des Erziehungsziels. Dabei kommt gerade dem Sport ein hoher Stellenwert zu,da er das Erlernen sozialer Verhaltensweisen in besonderer Weise fördert. Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor,die Sportangebote zu erweitern. Zu dieser sinnvollen Freizeitgestaltung gehört es auch, dass ein passives Absitzen der Zeit mit Computerspielen nicht geduldet wird.Elektronische Unterhaltungsmedien wie Computer und Spielkonsolen sollen daher nur dort zugelassen werden, wo dies dem Erziehungsziel dient.

Meine Damen und Herren, SPD und GRÜNE möchten dagegen den Gefangenen möglichst viele Freiheiten im Strafvollzug zubilligen. Das ist der falsche Weg. Besser ist es, den jugendlichen Gefangenen die bestmögliche Förderung anzubieten und sie zur aktiven Mitarbeit aufzufordern.Von den Inhaftierten wird erwartet, dass sie sich anstrengen und bei ihrer Resozialisierung mithelfen. Bei den Resozialisierungsmaßnahmen für die jugendlichen Straftäter bleibt nur der Zeitraum während der Jugendstrafe, um auf ihre Persönlichkeit einzuwirken. Diese Zeit muss konsequent genutzt werden.

Meine Damen und Herren, es gibt noch den einen oder anderen Streitpunkt bei den einzelnen Gesetzentwürfen, aber es gibt auch viel Übereinstimmung und Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung. Die CDUFraktion hat noch einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung eingebracht, der einige redaktionelle Änderungen enthält. Daneben soll die Möglichkeit der Videoüberwachung in den Jugendstrafvollzugsanstalten zugelassen werden. Wir halten es für sinnvoll, dass außerhalb der Hafträume und mit Unterrichtung der Gefangenen eine optische Überwachung durch den Einsatz von Videotechnik möglich ist, um eine bessere Kontrolle dieser Bereiche zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion beantragt wegen unseres Änderungsantrags eine dritte Lesung, damit in den beiden Fachausschüssen – Rechtsausschuss und Unterausschuss Justizvollzug – dieser Antrag zur Vorbereitung der dritten Lesung gemeinsam beraten werden kann.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist sehr ungewöhnlich!)

Wir wollen aber keinen Zweifel daran lassen, dass im Novemberplenum das Gesetz endgültig beschlossen werden soll, damit ab dem 1. Januar das neue und gute Jugendstrafvollzugsgesetz in Hessen in Kraft treten kann. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Gerling, wenn Sie ein modernes und wegweisendes Jugendstrafvollzugsgesetz haben wollen, dann haben Sie dazu Gelegenheit. Sie können unserem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das können Sie tun, auch schon in der heutigen Lesung. Dann brauchen wir keine weiteren Änderungsanträge.

Frau Zeimetz-Lorz, Sie hatten in der Berichterstattung den Gesetzentwurf der FDP vergessen. Ich teile Ihre Auffassung: Den kann man auch vergessen. Ich habe das in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs schon ausgeführt und muss das nicht wiederholen.

Wir haben eine sehr ausführliche und sehr fundierte schriftliche und mündliche Anhörung zu den Gesetzentwürfen gehabt. Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist dabei auf erhebliche Kritik gestoßen. Ich möchte die Kritik der beiden christlichen Kirchen hervorheben. Besonders sympathisch war mir naturgemäß die Stellungnahme des Beauftragten der Evangelischen Kirchen in Hessen, die nur schriftlich vorlag und nicht mündlich vorgetragen werden konnte. Deswegen hat sie in der Berichterstattung keinen Niederschlag gefunden. Aber ich erwähne sie hier besonders gerne. Sie setzt sich ausführlich mit dem Entwurf der Landesregierung auseinander und kritisiert z. B., dass Sie den geschlossenen Vollzug als Regelvollzug vorsehen. Man höre und staune: Beide christlichen Kirchen, die evangelische wie die katholische, verlangen wie wir, dass im Jugendstrafvollzug der offene Vollzug die Regel werden soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann heißt es in der Stellungnahme der Evangelischen Kirchen:

In diesem Sinne wird vorgeschlagen,der Fassung im Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu folgen...

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist verdächtig!)

Es geht dann in diesem Sinne weiter – ich zitiere weiterhin aus dieser Stellungnahme –:

Die Evangelischen Kirchen in Hessen vermissen in diesem Zusammenhang Aussagen zu Schwangerschaft und Mutterschutz. Sie schlagen vor, die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes... zu übernehmen. Siehe auch... Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN § 59.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP):Toll,Andreas, toll!)

Ich zitiere nur. – Gefordert werden auch bessere Möglichkeiten für Außenkontakte der Gefangenen. Ich zitiere auch hierzu:

Um den Kontakt der Gefangenen zu ihren Kindern besonders zu fördern, wird vorgeschlagen, Abs. 2 um folgende Sätze aus dem Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN... zu erweitern...

Dann folgt ein Zitat aus unserem Gesetzentwurf. – So geht es weiter. Bei der Ablehnung des Arrests, bei der Anordnung von Durchsuchungen, bei der Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle wird von der Evangelischen Kirche ausdrücklich unserem Gesetzentwurf der Vorzug gegeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Sache steht die Stellungnahme der Katholischen Kirche völlig in Übereinstimmung damit. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie müssen sich schon überlegen: Sie hängen zwar ein Kruzifix im Fraktionssitzungssaal auf, aber in der Sache ignorieren Sie die Stellungnahmen der christlichen Kirchen vollständig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Gerling, in Ihrem Änderungsantrag wollen Sie noch nicht einmal die Hinweise der Kirchen zur Gefangenenseelsorge,die sehr fundiert gewesen sind,aufnehmen.– So viel zu der Fraktion mit dem großen C im Namen.

Wir fühlen uns durch die Anhörung in wichtigen Passagen unseres Gesetzentwurfs bestätigt. Das gilt auch für die von Herrn Gerling angesprochene Frage des offenen Vollzugs. Herr Gerling, Sie haben gesagt, die Vollzugspraktiker seien einhellig der Auffassung gewesen, der geschlossene Vollzug müsse die Regel sein.– Da müssen wir auf einer anderen Veranstaltung gewesen sein.Ich räume ein,es war die Mehrheit der Vollzugspraktiker, die diese Auffassung vertreten hat. Allerdings weise ich auch darauf hin, dass die Vollzugspraktiker, die andere Auffassungen vertreten, z. B. der Leiter der JVA Rosdorf oder der JVA Adelsheim in Baden-Württemberg, die ebenfalls eingeladen waren, bei der Veranstaltung verhindert waren und deswegen ihre Auffassung nicht vortragen konnten, die lautet: Für die geeigneten Jugendgefangenen verdient der offene Vollzug den Vorzug. Es gibt einfach – das haben sie an mehreren Stellen ausgeführt – im offenen Vollzug we

niger Subkulturen, weniger Gewalt und damit mehr Chancen zur Resozialisierung.

Herr Gerling, unabhängig von den Vollzugspraktikern unterstützen die Vertreter der Fachverbände, der Wissenschaft, der Rechtsprechung und der Kirchen, die ich eben schon erwähnt habe, weit überwiegend unseren Ansatz oder haben zumindest gesagt, beide Vollzugsformen müssen gleichberechtigt behandelt werden.

Bei den christlichen Kirchen ist die Sichtweise natürlich geprägt von der Gefängnisseelsorge, von der ehrenamtlichen und der hauptamtlichen kirchlichen Straffälligenhilfe und der kirchlichen Jugendarbeit. Gerade diesen Blick von außen auf den Vollzug sollten Sie ernster nehmen, als Sie das bisher getan haben, und ihn nicht vollständig ignorieren.