Wenn man einer Softwarefirma sagt, pro Schüler braucht man ein Zeugnis, dann entwickelt sie ein Programm, bei dem für jeden Schüler ein Zeugnis da ist. Hat ein Schüler aber sechs Lehrer, dann gibt jeder der sechs Lehrer in einem eigenen Zeugnis seine Note ein, weil er auf das zentrale Zeugnis nicht zugreifen kann. Damit ist die Software natürlich nicht funktionsfähig und muss nachgebessert werden.
Das Gleiche gilt für das Datenbanksystem.Auch da ist der Hessischen Landesregierung ein anderes empfohlen worden, das besser funktionieren sollte. Man hat sich aber auf das festgelegt, das man jetzt hat. Man muss auch einmal sehen, wer die Aufträge vergibt und wer die Aufträge überwacht.
Die Stimmung an den Schulen ist schlecht.Die allgemeine Unzufriedenheit ist groß. Dies konnte man auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz der hessischen Elternbeiräte, Lehrer und Schüler feststellen.
Herr Weinmeister, Sie können doch nicht sagen, dass alle, die mit Schule zu tun haben, einschließlich der Gewerkschaften, des Landeselternbeirats, der Elternvertreter usw., spinnen. Herr Kollege Weinmeister, so können Sie doch nicht mit Ihrer Schullandschaft umgehen.
In der „FAZ“ vom 27.08. ist unter der Überschrift „Treffen zum Schulbeginn“ das Ergebnis all dieser Reformen resümiert. Ich zitiere, gegen die „FAZ“ haben Sie vielleicht nichts, sie ist nicht verdächtig:
Das Ergebnis aller Reformen ist nicht eine bessere Schule.Das Ergebnis besteht hauptsächlich aus zermürbten Lehrern und nervös gemachten Eltern. Die beste Reform wäre darum, ein paar Jahre mit den Reformen aufzuhören und alles so zu lassen, wie es gerade ist, und Kinder wie Lehrer in Ruhe zu lassen.
Dieser Forderung schließen wir uns an: Lassen Sie die Schulen endlich einmal durchatmen und das verarbeiten, was sie in den letzten fünf Jahren alles machen mussten.
Sie brauchen Zeit, Ruhe und Freiheit, um sich mit all den Neuerungen vertraut machen zu können und sich ihrer ureigensten Aufgabe, nämlich pädagogischem Unterricht, widmen zu können. Auch die Lehrer brauchen Zeit, um sich mit ihrer neuen Rolle zurechtzufinden. Wir fordern von ihnen individuelle Förderung, wir fordern von ihnen, dass sie sich im Unterricht mehr zurücknehmen, den Schülern das Lernen lehren und sie eben nicht mehr nur frontal unterrichten. Dazu müssen sie sich erst umstellen, dazu benötigen sie Zeit und Ruhe.
Jetzt kommen wir einmal zur anderen Seite.Allerdings sehen die Aussichten der Schulen unter einer SPD-Regie
rungsbeteiligung keineswegs besser aus. Es erwartet uns ein Reformchaos, eine mehr als dreifache Rolle rückwärts.Alle Reformen, das Landesabitur, die einheitlichen Abschlussprüfungen, G 8, verlässliche Schule, Vergleichsarbeiten, sollen komplett zurückgedreht werden und mit der Einheitsschule – bei Abschaffung der drei unterschiedlichen, an den Begabungen orientierten Bildungsgängen – die Vereinheitlichung sprich: Sozialisierung aller unterschiedlichen Fähigkeiten eingeführt werden.
Am verräterischsten ist schon Ihre Ansicht, dass Sie die integrierte Gesamtschule nicht wollen. Sie reden jetzt nicht mehr von der integrierten Gesamtschule. Die integrierte Gesamtschule ist Ihnen zu leistungsorientiert, weil sie sehr deutlich in A-,B- und C-Kurse differenziert.Sonst könnten Sie sagen, Ihre neue Schule sei die integrierte Gesamtschule als Einheitsschule für alle. Das wollen Sie aber nicht. Diesen Weg wird die FDP auch mit aller Kraft bekämpfen.
(Beifall bei der FDP – Heike Habermann (SPD): Sie haben keine Ahnung, wie eine integrierte Gesamtschule funktioniert!)
Jetzt noch ein paar Sätze zum romantischen Finnland. In Finnland haben 40 % der Schulen weniger als 50 Schüler. Das ist natürlich ein Idealzustand. Die Bildungswissenschaftlerin Thelma von Freymann sagte dazu, dass man in ihrer Heimat auf die Gemeinschaftsschule setzt, habe allein geografische Gründe, weil die Schulen so klein sind und weil es so viele Schulen gibt.
Kein Kind, das nicht über ausreichend finnische Sprachkenntnisse und über ein Grundwissen der Landeskultur verfügt, darf eingeschult werden. Ich erinnere einmal an unsere Zwangsgermanisierungsdebatte, die wir geführt haben. Jetzt ist Finnland so gut, obwohl kein Kind, das nicht Finnisch beherrscht und die Landeskultur kennt, dort eingeschult werden darf. Das soll jetzt auf einmal so gut sein.
Noch etwas: Die Jugendarbeitslosigkeit in Finnland liegt bei fast 26 %. Das bedeutet, die Schulen bereiten überhaupt nicht vernünftig auf den Beruf vor. Das kann doch wohl nicht im Sinne von Hessen sein.
Vor Studienbeginn unterliegen Finnen Aufnahmeprüfungen. Bevor sie ein Medizinstudium beginnen, müssen sie sich für privates Geld auf diese Aufnahmeprüfung vorbereiten, weil das Abitur nämlich nicht wie bei uns die allgemeine Hochschulreife verleiht,sondern eben nur eine Abschlussprüfung. Das ist kein Vorbild für Hessen.
Das einzige Vorbild für Hessen, und das ist eine ewige Forderung der FDP, die teilweise damals schon in unserem Koalitionsvertrag von 1999 stand, sind zusätzliche Hilfskräfte an Schulen. Das können Verwaltungskräfte, Sozialarbeiter, Schulassistenten und, und, und sein. Da ist Finnland wirklich Vorbild, darauf ist es auch zurückzuführen, dass Finnland bei PISA so gut abgeschnitten hat.
Finnland darf uns auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle anderen Länder,die bei PISA im internationalen Vergleich Schlusslicht waren,integrierte Schulsysteme haben, nämlich Portugal, Liechtenstein, Griechenland, Nordrhein-Westfalen und Bremen. Man kann nicht ein Land herausnehmen und sagen, nur, weil es bei PISA so gut abgeschnitten hat, muss dieses System 1 : 1 auf Hessen übertragen werden.
Die finnische Wissenschaftlerin Freymann rät Deutschland dringend davon ab, die Gymnasien abzuschaffen. Da sei Deutschland den Finnen voraus.
Ich habe Ihnen doch jetzt schon dreimal gesagt: Wenn Sie die Gymnasien mit 33 Kindern in der Klasse so belassen,wie sie sind,und auf der anderen Seite eine Schule mit 25 Kindern schaffen, ist es doch logisch, dass Sie die Gymnasien automatisch aushöhlen.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt doch unterschiedliche Klassenhöchstgrenzen!)
In Finnland gibt es keine Begabtenförderung, Hochbegabte kommen schon gar nicht vor. Die Einheitsschule wird von deutschen Bildungswissenschaftlern insgesamt sehr kritisch gesehen. Bildungsnahe Familien haben berechtigte Sorgen, dass ihre Kinder in der Einheitsschule zu kurz kommen.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die interessieren niemanden! – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist eine Frechheit, gehen Sie doch hinaus!)
Herr Kaufmann, die interessieren Sie vielleicht nicht, dann gehen Sie doch hinaus. Außerdem würde es Ihnen nicht schaden, wenn Sie auch einmal etwas lernen.
Wir setzen auf die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes durch entsprechenden Unterricht, egal in welcher Schulform. Wir sollten endlich die Schulformdebatten und die Schulstrukturdebatten sein lassen.
Wir setzen aber sehr deutlich auf den Erhalt der drei Bildungsgänge mit ihren ganz besonderen Profilen. In der Hauptschule haben wir das Profil, sehr deutlich auf den Beruf vorzubereiten, um hinterher in den Beruf einsteigen zu können. Die Realschule hält die Bildungsgänge offen,auf der einen Seite beruflich orientiert und auf der anderen Seite in Richtung weitergehende Schule orientiert. Das Gymnasium setzt klar und deutlich auf die allgemeine Hochschulreife und die Studierfähigkeit. Diese drei Bildungsgänge mit ihren ganz spezifischen Abschlussprüfungen, und zwar landesweit einheitlich, wollen wir erhalten. Das ist das Wichtigste.
Wir wollen an den Schulen eine Personalmischung haben. Wir wollen nicht nur Lehrer an die Schulen entsenden,wir
wollen auch anderes Personal an den Schulen haben. Dazu muss man den Schulen Möglichkeiten geben, selbst zu entscheiden, welches für Personal sie haben wollen. Sie müssen einen großen Anteil der Stellen in freien Mitteln bekommen,damit sie sich entscheiden können,ob sie eine Lehrerstelle einrichten oder einen Sozialpädagogen einstellen wollen.
Wir wollen die Schulen mit 105 % Unterrichtsversorgung ausstatten. Mindestens 85 % davon sollen in Stellen vergeben werden, und bei 20 % kann die Schule entscheiden, ob sie Geld möchte oder nicht. Damit müssen die Schulen garantieren, dass sie das mit den Eltern vereinbarte Ziel der verlässlichen Öffnungszeiten auch einhalten. Damit ist die Unterrichtsgarantie plus weg.
Wir wollen eine Veränderung der Schulformen in den Regionen und mit den Regionen in Eigenverantwortung. Wer in der Haupt- und Realschule nicht genügend Schülerzahlen hat, kann beide Schulformen zu einer Mittelschule zusammenlegen und die Kinder dort gemeinsam unterrichten. Das muss regional und in Eigenverantwortung der Schule entschieden werden.
Wir wollen eine wirkliche Eigenverantwortung der Schulen über Budget und Personal. Das ist die wichtigste Veränderung, die es in der nächsten Zeit geben muss. Man muss den Schulen die Eigenverantwortung und die Freiheit geben, ihr Unterrichtswesen so zu gestalten, wie sie das für richtig halten.
Für die Schulen in Hessen ist weder der harte Reformkurs der CDU noch das undefinierte Reformchaos der SPD eine Zukunftsperspektive.