Protocol of the Session on July 5, 2007

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich komme vorbei und gucke nach!)

Frau Schulz-Asche,die Landesregierung hat nicht allein, was die physische Präsenz in den Sitzungen der Enquetekommission betraf, sondern auch durch die inhaltliche Zuarbeit deutlich zu machen versucht, mit welcher Ernsthaftigkeit sie ihre Arbeit begleitet und sie darin unterstützt hat.

Der Hessische Landtag war nämlich das erste Landesparlament – das ist etwas,was man mit Stolz sagen kann –,das sich dieser Fragestellung angenommen hat. Das war lange,bevor die Bücher,die zu diesem Thema geschrieben wurden, auf den Bestsellerlisten gelandet sind. Schon damals sind diese Fragen hier aufgeworfen worden.

(Beifall bei der CDU)

Dass die Arbeit in den vielen Sitzungen – ich denke an die Anhörungen – sehr komplex war, zeigt sich auch an den Ergebnissen. Viele Facetten dieses Themas wurden beleuchtet.

Es ist insbesondere schade – darin stimme ich Ihnen zu –, dass sich die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände nicht so intensiv an der Arbeit beteiligt haben; denn dort werden die Herausforderungen zuerst deutlich. Aber wenn die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände in dieser Diskussion jetzt auf Mitglieder der Enquetekommission zurückgreifen, haben sie Experten vor sich. Ich denke, diese vier Jahre währende Arbeit haben die Mitglieder der Enquetekommission zu echten Experten werden lassen.

Für die Hessische Landesregierung möchte ich die Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass der Wert dieses Berichts einerseits darin liegt, dass er die Lage in Hessen genau analysiert und damit zunächst einmal eine wertvolle Informationsgrundlage für landespolitisches Handeln bildet.Andererseits bringt er auch viele Beispiele für Lösungen, die auf den verschiedensten Ebenen zum Tragen kommen, sei es bei der Entwicklung des innerörtlichen Wohnraums oder beim Ehrenamt. Damit ist dieser Abschlussbericht in der Tat eine wahre Fundgrube für denjenigen, der nach Lösungsansätzen sucht.

Wichtig ist, dass es sich um keine ausgefeilten Politikkonzepte handelt,die bis ins Letzte durchgerechnet sind.Vielmehr findet man hier unglaublich viele Denkanstöße und Ideen. Gerade auch die Freiheit, zu abweichenden und kontroversen Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen zu kommen, zeigt, welch innovatives Potenzial in diesem Bericht vorhanden ist. Dies hat man auch an den unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen der Rednerinnen und Redner der Fraktionen gemerkt. Man kann viel daraus lernen. Einiges will ich exemplarisch vorstellen.

Der Bericht zeigt uns, dass es für die Gestaltung des demografischen Wandels, gerade weil es ein komplexes Thema ist, nicht eine einzige Lösung gibt. Das hängt auch damit zusammen, dass der demografische Wandel nicht aus einem Problem allein besteht. Bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass er sich in mehrere Aspekte aufspaltet, die sich mit dem bekannten Dreisatz: „Wir werden weniger, älter und bunter“, beschreiben lassen.

Diese Vielfältigkeit des Themas mit ihren Implikationen bringt es mit sich, dass die politische Antwort aus vielen Einzellösungen bestehen muss: großen und kleinen, auf den verschiedensten Ebenen und in den verschiedenen Politikfeldern.

Der Bericht macht auch deutlich, dass wir, wenn wir den gesellschaftlichen Wandel steuern wollen, die verschiedenen Politikfelder nicht mehr sektoral betrachten können, sondern vielerorts zu einem integrierten Ansatz kommen müssen. Das wird bereits heute daran sichtbar, dass die Familienpolitik längst aus ihrer sozialpolitischen Verankerung herausgelöst worden ist und auch ein hartes standort- und bildungspolitisches Thema geworden ist. Das zeigt sich auch in der Stadt- und Regionalentwicklung, in der Infrastrukturentwicklung, Wohnraumplanung, Integrations- und Wirtschaftspolitik und viele andere Felder ineinandergreifen müssen, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten.

Nachhaltigkeit ist übrigens das große Thema, das die gesamte Arbeit der Kommission durchzieht, auch da, wo es nicht explizit genannt wird.

(Beifall bei der CDU)

Das stößt uns auf eine weitere Lehre aus diesem Bericht: Nachhaltig können wir nur dann handeln, wenn wir gemeinsam handeln. Den demografischen Wandel zu steu

ern, ist dementsprechend eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dieser Befund scheint auch an jeder Stelle des Berichts durch.

Eine familienfreundliche Lebens- und Arbeitswelt ist ohne die Wirtschaft nicht zu schaffen. Die bessere Integration von Migrantinnen und Migranten ist nicht ohne ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger denkbar, der Erhalt unserer Leistungs- und Innovationsfähigkeit nicht ohne den Willen zur stetigen Aktualisierung und Erweiterung der Kenntnisse und Fähigkeiten jedes Arbeitnehmers und eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Kommunen nicht ohne den Willen aller Verantwortungsträger, miteinander zu kooperieren, anstatt gegeneinander zu konkurrieren. Diese Liste ließe sich noch fortsetzen.

Dieser Bericht zeigt allerdings auch, wo die Politik gezwungen sein wird, andere Ansätze zu wählen, als es die Experten dargestellt haben. So kann die Analyse der Bevölkerungsentwicklung in Nord- und Südhessen einen Experten durchaus zu dem Schluss führen, dass die Landesregierung für die nördlichen Gebiete Hessens in Zukunft eine schrumpfungsorientierte Planung, für Südhessen hingegen eine wachstumsorientierte Planung in den Vordergrund zu stellen habe. Ich denke, das kann kein Politikansatz sein, sondern die Politik muss versuchen, Chancen auch dort aufzuzeigen und zu ermöglichen, wo die Bedingungen gerade nicht optimal sind. Daher setzen wir uns auch für eine Stärkung und Stabilisierung der Regionen in Hessen ein, insbesondere dort, wo die Prognose nicht so günstig ist.

Ich will an dieser Stelle auch sagen: Es sind Prognosen, es sind Statistiken. Wir haben die Chance, wenn wir es vernünftig angehen, diese Prognosen nicht Wirklichkeit werden und diese Statistiken eben nicht Realität werden zu lassen. Deswegen ist es unser aller Aufgabe, die Menschen dort nicht alleine zu lassen, sondern ihnen Mut zu machen, an die Zukunft ihrer Region zu glauben, die schließlich Heimat und nicht nur eine Ansammlung ökonomischer Zahlen und Fakten ist. Hier hat der Bericht der Enquetekommission seinen Wert wiederum darin, dass er an vielen Stellen aufzeigt, wo wir aus den Risikoszenarien tatsächlich Chancen machen können. Das wird deutlich in dem Umbau der kommunalen Infrastruktur, dem Umbau unserer Ver- und Entsorgungssysteme, zu dem uns die demografische Entwicklung vielerorts zwingt. Das birgt gleichzeitig die Chance zu technologischen Neuentwicklungen und zu Neuerungen. Hier haben wir in Hessen mit unseren Kompetenzen jede Menge zu bieten.

Der Bericht – damit will ich schließen – lehrt nicht zuletzt, dass wir auch als Landesregierung – das sage ich sehr bescheiden – auf dem richtigen Wege sind, indem wir mithilfe einer ressortübergreifenden Vernetzung und Bündelung des Themas in der Staatskanzlei das sektorale Denken überwunden haben, indem wir mit unserer Strategie einer demografischen Trendwende für Hessen einen integrierten Ansatz gewählt haben, indem wir aus vielen verschiedenen Lösungen mutig und zuversichtlich den gesellschaftlichen Wandel gestalten.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was Sie da vortragen, sind völlig inhaltslose Sprachhülsen!)

Herr Kollege Kaufmann, wenn Sie wollten, könnte ich Ihnen das an jeder Stelle dieses Berichtes aufzeigen. Sie können an jeder Stelle dieses Berichtes feststellen, dass die Beantwortung,die Ihnen die Landesregierung auf um

fangreiche Fragenkataloge bis zu den letzten Tagen gegeben hat, nicht etwa unter dem Gesichtspunkt einer ressortmäßigen Abarbeitung von Fragen geschehen ist, sondern es ist unter dem Gesichtspunkt einer intensiven Beschäftigung mit diesen Fragekomplexen und einem integrierten Ansatz nicht nur zur Beantwortung, sondern auch zum Aufzeigen von Lösungsansätzen versucht worden, der Enquetekommission zuzuarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann gerne versuchen, Ihnen das an jedem Politikfeld aufzuzeigen. Vorhin kam schon einmal ein Zwischenruf, hier solle keine Politik gemacht werden. Ich finde, es ist das gute Recht des Kollegen Spies, zu sagen, nach seiner Auffassung sind Studienbeiträge ein falscher Weg, genauso wie es das Recht von Frau Wagner ist, zu sagen, wie es nach ihrer Auffassung mit einem Steuersystem aussieht. Genauso könnte ich Ihnen dies an jeder Stelle auch aus Sicht der Landesregierung darlegen. Ich denke allerdings, dass dieser Bericht heute nicht da ist, weil es in diesem Bericht so gut gelungen ist, unterschiedliche Lösungsansätze und Stellungnahmen darzulegen. Man sollte in dem Bericht einen Gesamtbericht sehen und sollte ihn nicht bewerten, indem man sagt: „Das machen wir“, oder: „Das machen wir nicht“, sondern darauf achten, welche Lehren man daraus zieht. Sie scheinen aus der Diskussion zu diesem Bericht nicht die Lehre gezogen zu haben, hier zu einem integrierten Ansatz und zu einer übergreifenden Betrachtung dieser Probleme zu kommen, sondern Sie sind wieder dem alten Lagerdenken verhaftet, von dem ich glaube, dass es die Arbeit der Enquetekommission nicht verdient hat, dass man sie so bewertet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hahaha!)

Deswegen ist es auch keine Worthülse seitens der Landesregierung, sondern es ist der Ausdruck des Respekts vor der gesamten Arbeit der Enquetekommission,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen brauchen Sie Störche zur Problemlösung!)

die vier Jahre lang gute Arbeit gemacht hat. Ich freue mich darauf, dass wir mit der Mehrheit die Ansätze, die dort dargelegt werden, in der nächsten Legislaturperiode umsetzen können. Ich gehe auch davon aus, dass Sie nicht die Chance haben werden, jenseits dieser kritischen Äußerungen, die Sie eben angebracht haben, auch nur einen Schritt zur Verbesserung der Verhältnisse in Hessen verantwortlich mit zu leisten, wenn Sie sich mit einer solchen Einstellung mit einem solchen Bericht auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit ist der Bericht der Enquetekommission „Demografischer Wandel – Herausforderung an die Landespolitik“ entgegengenommen und besprochen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, stellvertretend für das gesamte Haus den Mitgliedern der Enquetekommission, aber selbstverständlich auch den Sachverständigen der Enquetekommission noch einmal ganz, ganz herzlich für ihre Arbeit zu danken.

(Beifall)

Bei den jeweiligen Wortmeldungen haben wir gehört, wie lange und wie intensiv gearbeitet wurde. Ebenso danken möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,insbesondere den beiden, die zur Behebung der Folgen des demografischen Wandels beigetragen haben. Herzlichen Dank und an alle noch einmal den Appell, sich diesen Bericht zu Gemüte zu führen.

(Beifall)

Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend aktiv im Kampf gegen Alkoholmissbrauch durch Jugendliche, Drucks. 16/7550. Wird hier die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 90 und kann,wenn dem nicht widersprochen wird,mit den Tagesordnungspunkten 37 und 39 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Das machen wir so.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 34:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend Energieeinsparung durch Effizienzoffensive – Drucks. 16/7253 –

der zusammen mit Tagesordnungspunkt 43 behandelt wird:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Energieeffizienz in Hessen voranbringen – Drucks. 16/7407 –

Die erste Wortmeldung ist von Frau Kollegin Apel, CDUFraktion. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema energetische Ressourceneffizienz ist nicht neu, ist aber angesichts des weltweiten Klimawandels und der zunehmenden Kostensteigerungen bei allen Energieträgern immer dringender anzugehen. Obwohl seit 1978 die Wärmeschutz- und Energieeinsparungsverordnung in Kraft ist, müssen wir feststellen, dass die Wohnungswirtschaft mit 40 Millionen Wohnungen in 17 Millionen Wohngebäuden deutschlandweit mit einem Anteil von 35 % nach wie vor der größte Energieverbraucher ist. Die privaten Heizungen verursachen zudem ein Fünftel der KohlendioxidEmissionen. In Hessen beträgt der Anteil der Gebäudeheizungen 60 bis 80 % des jährlichen Endenergieverbrauchs. Ihr Anteil am jährlichen Gesamtenergieverbrauch beträgt stolze 40 %. Der Anteil der Gebäudeheizungen am CO2-Ausstoß ist in Hessen mit 35 % besonders hoch. Die Zahl der Wohnungen, die sich in einem energetisch besorgniserregenden Zustand befinden, ist enorm hoch. In Hessen sind gut 90 % der 1,3 Millionen Wohngebäude Altbauten, die vor 1995, größtenteils zwischen 1945 und 1975 errichtet worden sind, also in einer Zeit, als der Liter Heizöl und die Kilowattstunde Strom noch 5 Pfennig kosteten.

Inzwischen belastet der hohe Energieverbrauch angesichts einer Vervielfachung seiner Bezugspreise das Budget derjenigen Haus- und Wohnungsbesitzer, die die Verteuerung der Energiekosten eben nicht rechtzeitig mit energetischer Ertüchtigung ihres Gebäudes beantwortet haben, überproportional stark. Das wirtschaftliche Einsparpotenzial durch gut aufeinander abgestimmte Wärmeschutzmaßnahmen beträgt in den etwa 1 Million hessischen Altgebäuden je nach Baujahr und Typ zwischen 46

und 62 %. Nimmt man beispielsweise ein unsaniertes Einfamilienhaus, Baujahr 1970, mit einer Wohnfläche von 150 m2, liegt hier der jährliche Energieverbrauch für die Wärmeversorgung bei etwa 300 kWh/m2, der mit einem CO2-Ausstoß von ca. 14 t einhergeht. Für ein durchschnittliches hessisches Wohnhaus kann ein sanierungsbedingtes Einsparpotenzial von 5 t CO2 je Jahr veranschlagt werden. Bei rund 1 Million sanierungsbedürftiger Häuser in Hessen könnte der CO2-Ausstoß um 5 Millionen t reduziert werden, was etwa 12 % der jährlichen CO2-Gesamtemissionen in Hessen entsprechen würde. Wer eine Trendwende beim CO2-Ausstoß erreichen will, muss also an die wirklichen Energieschleudern heran und den Gebäudebestand konsequent sanieren.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

Nur so lässt sich das sehr ambitionierte Klimaschutzziel der Bundesregierung, bis 2020 20 % CO2-Einsparung zu erreichen, überhaupt umsetzen.

Durch die energetische Ertüchtigung eines Altgebäudes mit sinnvollen und gut aufeinander abgestimmten Sanierungsmaßnahmen lässt sich der Heizenergieverbrauch um mehr als 80 % reduzieren.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was macht die Landesregierung?)

Der Heizölverbrauch in Hessen könnte allein durch solche Maßnahmen um mehr als 1 Million t reduziert werden.

Wenn dann in diesem Gebäudebestand noch die bisherigen emissionsreichen Energieträger wie Heizöl und Kohle durch emissionsarme Energieträger wie Holz, Biogas und Erdwärme ersetzt werden, lässt sich die CO2-Bilanz dieser Gebäude noch einmal erheblich reduzieren. Die energetische Ertüchtigung des umfangreichen Gebäudealtbestandes in Hessen ist also betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich das Gebot der Stunde.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann machen Sie etwas!)