Protocol of the Session on July 3, 2007

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur noch wenige Bemerkungen. Dass es auch in der reinen Gruppenuniversität nach der Gesetzgebung von 1972 solche Fälle gab

(Michael Siebel (SPD): Aber das macht es doch nicht besser, Frau Wagner!)

natürlich macht es das nicht besser –, hat andere Folgen, als Sie sie heute vorgetragen haben.

(Michael Siebel (SPD): Natürlich wissen wir das!)

Ich will einfach noch einmal ein paar Beispiele nennen. Prof. Alewell, an der Marburger Universität hoch geschätzt, ist vor Jahren von der eigenen Liste nicht mehr gewählt worden.Als Herrn Prof. Ring, dem heutigen Präsidenten der Polytechnischen Gesellschaft und dazwischen der Stiftung Lesen, dasselbe widerfuhr, hat einer der Wähler, ein Germanistikprofessor, auf Frage der „FAZ“, was denn der Unterschied zwischen dem Leben und der Universität sei, geantwortet: Der Grad der Intrigen ist anscheinend intelligenter. – Meine Damen und Herren, da ist etwas dran, weil wir genau dasselbe erlebt haben. Ich sage Ihnen, in meiner Amtszeit war das ein schwieriger Akt, wo ich versucht habe, zu vermitteln. 13 Jahre lang hat es die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst nicht fertiggebracht, überhaupt einen Präsidenten zu wählen.

(Michael Siebel (SPD): Frau Wagner, Ihr Argument ist doch das der Bremer Stadtmusikanten!)

Der letzte Wahlgang war so, dass die Summe der Neinstimmen und der Enthaltungen höher war als die Zahl der Jastimmen.

Meine Damen und Herren, das ist das Problem: dass wir auch in der heutigen Struktur, die autonomer ist, selbstverständlich Gruppeninteressen haben, selbst innerhalb der eigenen Hochschulgruppe Menschen haben, die einen solchen Anlass zu einem Machtkampf nutzen. Da menschelt es halt genauso wie woanders.

(Michael Siebel (SPD): Ist das Ihre Lösung?)

Jetzt hören Sie mir doch einmal zu, verehrter Herr Kollege Siebel. – Zu glauben, dass ich das mit einem Gesetz des Landtags bekämpfen kann, finde ich allerdings für einen Politiker relativ blamabel.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ich glaube, dass man einfach damit rechnen muss, dass in einer so verfassten Situation Menschen, die nicht direkt gewählt sind, sondern die in einem eigenen Autonomiemodell selbstverständlich auch darum ringen,wie das Verhältnis zwischen Mitarbeitern, Studierenden, Professoren und einem gestärkten Präsidium ist, wie wir es heute haben,eine wirklich kommunikative Ebene bilden,die autonom entscheiden kann und nicht durch Vorgabe des Gesetzgebers oder des Ministeriums.

Meine Damen und Herren,die Betroffenen in Darmstadt, aber auch Angehörige anderer hessischer Hochschulen haben mir gesagt, dass es wichtig ist, aus dem Beispiel von Darmstadt zu lernen. Alle anderen Hochschulen sagen, dass sie sich für eine solche Situation auf jeden Fall vornehmen werden, eine Art Findungskommission zwischen dem Hochschulrat und den Gruppierungen in der Hochschule einzusetzen, die dann gemeinsam versuchen, im Vorfeld Klärungen vorzunehmen,sodass eine solche Wahl gelingen kann, und nicht durch gesetzliche Vorschriften jedem vorzuschreiben, wie eine solche Wahl zu gehen hat.

Wir sind immer noch in Resten der Gruppenuniversität – das ist die Wahrheit –, und wir sind noch nicht in einem Zustand, in dem jeder glaubt, dass er frei und verantwortlich entscheiden muss. Ich erinnere mich an bestimmte Präsidenten, die in Fragen, wo auf einmal eine kleine Detailregelung nötig war, im Ministerium angerufen haben und dafür einen Erlass haben wollten. Nein, Freiheit, Autonomie heißt auch Verantwortung vor Ort, sich zusammenzufinden und eine gemeinsame, auch tragfähige Personalentscheidung zu treffen.Vor dieser Aufgabe steht nicht nur Darmstadt, sondern alle Hochschulen in diesem Land.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir haben die erste Lesung durchgeführt und überweisen diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.

Zunächst darf ich Sie darauf hinweisen, dass ein zu Tagesordnungspunkt 80 eingegangener Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/7540, an Sie verteilt worden ist: zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Hessisches Gesetz zum Schutz vor den Folgen des Passivrauchens sowie der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Gesund- heitsschutzgesetz), Drucks. 16/6304. – Damit ist diese Mitteilung erfolgt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz (HJStVollzG) – Drucks. 16/7432 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten. Das Wort zur Einbringung hat Frau Kollegin Faeser für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir stellen Ihnen heute den Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion für ein Jugendstrafvollzugsgesetz vor. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion orientiert sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und schreibt bundesweit richtungweisende Standards für den Umgang mit jugendlichen Straftätern fest. Schon jetzt wird – das wissen alle Beteiligten, die mit dem Thema zu tun haben – in beiden hessischen Jugendstrafvollzugseinrichtungen in Wiesbaden und Rockenberg hervorragende und wertvolle Arbeit geleistet. Das liegt an den handelnden Personen vor Ort; denn Sozialarbeiter, Psychologen und allgemeiner Vollzugsdienst geben sich aus persönlicher Motivation besonders viel Mühe mit den jugendlichen Straftätern und den Heranwachsenden.

Andererseits dürfen wir vor der Realität nicht die Augen verschließen. Das bedeutet erstens eine Umsetzung und gesetzliche Absicherung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Standards und zweitens eine aktive Senkung der Rückfallquote, die bei den jugendlichen Straftätern und Heranwachsenden bei nahezu 80 % liegt.

Der Schutz der Bevölkerung vor diesen weiteren Rückfallstraftaten ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir im Landtag gewährleisten sollten. Da kann es sicher kein „Weiter so“ geben. Die CDU-Mehrheit hat bislang nur mehr Personal angekündigt. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Wenn dies die Lösung zur Reduzierung der Rückfallquote wäre, dann hätte die Landesregierung in den letzten acht Jahren allerdings fahrlässig die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet, indem sie nicht mehr Personal im Jugendstrafvollzug eingesetzt hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von den Verhältnissen im Erwachsenenstrafvollzug wollen wir an dieser Stelle erst gar nicht reden. Unabhängig von der Personalfrage muss der Jugendstrafvollzug auch strategisch und inhaltlich so ausgerichtet sein, dass die extrem hohe Rückfallquote bei jugendlichen Straftätern reduziert werden kann.

In Übereinstimmung mit allen Experten gehen wir davon aus,dass bei den Bemühungen um eine soziale Integration jugendlicher Straftäter der Gesellschaft eine besondere Verantwortung zukommt. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:

Die Fehlentwicklung, die sich in gravierenden Straftaten eines Jugendlichen äußert, steht in besonders dichtem und oft auch besonders offensichtlichem Zusammenhang mit einem Umfeld und Umständen, die ihn geprägt haben.

Herr Justizminister, man kann es sich nicht so einfach machen, wie Sie es sich in Ihrer letzten Rede gemacht haben, indem Sie gesagt haben, der offene Vollzug würde sich in offenen Vollzugseinrichtungen abspielen, und damit würden die Jugendlichen im Umfeld bleiben. Sie wissen genau, dass die offene Vollzugsform, wie wir sie hier diskutieren, etwas anderes bedeutet als das, was Sie in Hessen bislang unter offenen Vollzugsformen verstanden haben. Sie führen nämlich gerade nicht zu ihrem unmittelbaren Umfeld, und die Jugendlichen werden nicht dort gelassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesverfassungsgericht und das Jugendstrafrecht gehen dabei von dem Grundsatz aus, dass die Verbüßung einer Strafe im Jugendstrafvollzug nur als letztes Mittel und nur als ein in seinen negativen Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen nach Möglichkeit zu minimierendes Mittel verhängt und vollzogen werden darf.

Diese Vorgaben erfüllt der von uns vorgelegte Gesetzentwurf. Das wird schon bei der Zielbestimmung des Jugendstrafvollzugsgesetzes deutlich. Ziel des Gesetzentwurfs nach § 2 ist es, dass der Jugendstrafvollzug die Gefangenen dazu befähigt, „sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern und in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“. Dieses ist aber keine Erfindung der SPD in Hessen, sondern die Vorgabe entstammt der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies hat in seiner Entscheidung vom 31.05.2006 nochmals ausdrücklich festgestellt und dem Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben:

Der Vollzug der Freiheitsstrafe muss auf das Ziel ausgerichtet sein, dem Inhaftierten ein künftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen. Dieses – oft auch als Resozialisierungsziel bezeichnete – Vollzugsziel der sozialen Integration... ist im geltenden Jugendstrafrecht als Erziehungsziel verankert. Der Verfassungsrang dieses Vollzugsziels beruht einerseits darauf, dass nur ein auf soziale Integration ausgerichteter Strafvollzug der Pflicht zur Achtung der Menschenwürde jedes Einzelnen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Strafens entspricht.

Wenn das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Rechtsprechung der sozialen Integration als Ziel des Strafvollzugs für Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene immer wieder eine herausgehobene und mit Verfassungsrang ausgestattete Bedeutung zukommen lässt, dann darf dies auch der Landesgesetzgeber nicht aufweichen oder ignorieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU, hier geht es auch nicht,wie Sie immer behaupten,um Resozialisierung statt Sicherheit oder Resozialisierung vor Sicherheit.Wer so argumentiert, hat weder das Bundesverfassungsgerichtsurteil noch unser Strafvollzugssystem überhaupt je verstanden.

(Beifall bei der SPD)

Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig festgestellt, dass der Strafvollzug auch gegenüber der Bevölkerung automatisch Schutzpflichten zu erfüllen hat, sodass zwischen dem Integrationsziel des Vollzugs und dem Anliegen – also kein Ziel –, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, insoweit kein Gegensatz besteht.

Wenn das Bundesverfassungsgericht nachdrücklich feststellt, dass die Schutzpflicht gegenüber der Bevölkerung während des Vollzugs nicht allein verfassungsrechtlichen Rang wie das Vollzugsziel der sozialen Integration genießt, dann sichert es zum Wohl der Bevölkerung die inhaltlichen Ziele des Vollzugs ab. Wer wie die Landesregierung und die FDP beide Vollzugsziele als gleichrangig ansieht, wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt für die inhaltliche Struktur des Vollzugs. Auch hier befindet sich der heute von der SPD vorgelegte Entwurf in Einklang mit der Auffassung aller Strafvollzugsexperten und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, indem er grundsätzlich vom offenen Vollzug als Regelvollzugsform ausgeht.

Unser Gesetzentwurf sieht drei Vollzugsformen vor: den offenen Vollzug, die Durchführung vollzugsoffener Maßnahmen als Vollzug in freien Formen und den geschlossenen Vollzug.Welche dieser drei Vollzugsformen anzuwenden ist,wird im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Aufnahmeverfahrens festgestellt. Maßgebliches Kriterium ist dabei die Geeignetheit der einzelnen verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden.

Ein weiterer elementarer Bereich des Gesetzentwurfes sind die enthaltenen Standards für die künftige Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs in Hessen. Es gibt kaum einen Bereich in der Gesellschaft, für den der Grundsatz „Der Weg ist ein wesentlicher Bestandteil des Zieles“, wie im Strafvollzug gilt. Der Gesetzentwurf greift dies unter anderem in folgenden klar definierten Vorgaben auf, die da sind:

Die gesetzliche Festlegung der Unterbringung in Wohngruppen mit acht bis zehn Jugendlichen – wir haben dies ausdrücklich im Gegensatz zur CDU geregelt, wo es bei der Ankündigung und in dem Begründungstext geblieben ist. Eine ausdrückliche Festlegung der Zahl fehlt im Gesetzentwurf der Landesregierung.

Die umfassende Ausgestaltung der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung – auch dies haben wir mehrfach beredet. Es ist ein ganz wesentlicher Bestandteil für die SPD.

Die verbindliche Schaffung von sozialtherapeutischen Abteilungen, die gesetzliche Verankerung der Einzelunterbringung von Gefangenen – auch darin unterscheiden wir uns maßgeblich von der Landesregierung –, die Wiederherstellung der strikten Trennung zwischen Jugend- und Erwachsenenvollzug bei männlichen Gefangenen, die Schaffung eines im bundesgesetzlich geregelten Rechtsweg vorgeschriebenen mediativen Konfliktschlichtungverfahrens.

Damit unterscheiden wir uns ganz wesentlich von den bereits eingebrachten Gesetzentwürfen aller anderen Fraktionen. Hinzu kommt, dass die SPD jeglichen Schusswaffengebrauch im Jugendstrafvollzug – wie bereits gesagt – ablehnt, den Datenschutz in Abwägung mit den Interessen der Betroffenen ausgestaltet hat und die von der Landesregierung beabsichtigte, verfassungsrechtlich bedenkliche Durchführung von anlassunabhängigen Urintests sowie die damit im Zusammenhang stehende Beweislastumkehr ablehnt.

Wir bitten Sie sehr um Unterstützung unseres Gesetzentwurfes.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr.Andreas Jür- gens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Frau Faeser. – Als Nächster hat sich Herr Hahn für die FDP-Fraktion gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nunmehr hat jede Fraktion im Hessischen Landtag dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus seiner Entscheidung vom März des vergangenen Jahres Rechnung getragen