Protocol of the Session on May 4, 2007

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Punkt. Wenn wir heute die Reise des Rechtsausschusses

nach Spanien als Anlass nehmen – Herr Dr.Jürgens hat es für die GRÜNEN getan –, das eine oder andere Thema, das dort anders gehandhabt wird, aufzugreifen, dann möchte ich an dieser Stelle nicht vergessen,einen anderen Punkt anzusprechen, den wir ebenfalls als spannend entdeckt haben. Das ist die leistungsorientierte Bezahlung von Richterinnen und Richtern.

Man höre und staune, ein Thema, das in Deutschland immer wieder zu einem großen Aufschrei führt, ist in Spanien mittlerweile Tatsache. Dort ist es nicht nur so, dass sich die Richterinnen und Richter selbst verwalten. Sie haben sich auch selbst Rechtsgrundlagen dafür gegeben, wie sie leistungsorientiert bezahlt werden können. Herr Minister, ich habe die Hoffnung – Sie waren auf der Reise dabei –, dass wir in Hessen dazu kommen, im Rahmen der Kompetenzen für das Beamtenrecht nachzudenken, inwieweit die Beurteilungen, die regelmäßig auch über Richterinnen und Richter erstellt werden, Grundlage sein könnten, um zumindest einen Anteil an leistungsorientierter Bezahlung in die Besoldung der Richter einzufügen,wie es bei den anderen Landesbeamten zukünftig der Fall sein soll. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Justizminister Banzer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Deutschen haben ein bemerkenswertes Talent, ins Ausland zu fahren und alles gut zu finden, was wir dort vorfinden.

(Heiterkeit – Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Nicht alles!)

Doch, doch.Wir Deutschen lieben es, zu erkennen, dass wir alles falsch machen, dass die anderen es viel besser machen.

Herr Dr. Jürgens, ich bin fest davon überzeugt: Sie sind in dieses Flugzeug mit der festen Absicht eingestiegen, alles in Spanien gut zu finden.

(Beifall der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU) – Nicola Beer (FDP): Quatsch!)

Anders kann es nicht gewesen sein. Sie werden sich an die bedeutenden Säle und Bauten erinnern, die wir in Spanien bei der Justiz erlebt haben – das hat mich schon beeindruckt –, als wir bei dieser Organisation der selbstverwalteten Richterschaft saßen und diskutierten. Dort habe ich diesen schrecklich schönen Stich bekommen und die anderen noch viel schönere Geschenke.

(Heiterkeit – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wollen wir jetzt nicht hören!)

Dort wurde in nicht zu überbietender Offenheit gesagt, dass die Unabhängigkeit gescheitert ist. Das hat der Sprecher vorgetragen. Er hat gesagt: Unsere Hoffnung, dass über diese Unabhängigkeit eine Entpolitisierung der Justiz funktionieren würde, hat sich als Fehlentscheidung erwiesen.– Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.Die Menschen sind, wie sie sind, und die Parteien sind auch, wie sie sind.

Sie haben in Spanien nämlich Folgendes gemacht: Sie haben Organisationen gegründet, und zwar unpolitische, denn die Richter durften nicht mehr in Parteien sein. Aber für jede Partei gab es eine entsprechende Richterorganisation. Die Listen sind dann gegeneinander gestellt worden. – Die spanischen Richter haben gesagt: So politisiert wie jetzt war es noch nie.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Es ist schiefgegangen. Das wurde eindeutig gesagt. Ich erinnere mich genau an diese Diskussion. Ich habe mich zurückgelehnt und gesagt: „Dieser Versuch ist schiefgegangen.“ Sie hatten gehofft, wir hätten es vergessen. Ich muss Ihnen sagen,dass ich das so nicht durchgehen lassen kann. Wir hätten aus Besuchen und Informationsgesprächen Falsches gelernt, wenn wir uns dieses misslungene Konzept bei den Spaniern abschauen würden. Es ist schiefgegangen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Muss man alles toll oder alles schlecht finden? Warum kann man nicht die guten Teile herausnehmen?)

Nein, ganz sensibel hinschauen, hinhören und überlegen, was gut und was nicht gut läuft.

Zu Ihrem Traum von der Unabhängigkeit der Richter. Ich habe mich in der Vorbereitung auf diese Diskussion darüber gefreut, wie klug hessische Justizminister sind.

(Günter Rudolph (SPD):Welche?)

Fast alle. – Ich habe nämlich festgestellt, dass es im Hessischen Landtag kaum eine traditionellere Diskussion gibt als die über Richterbesetzung. Es gibt eine Diskussion 1990 und eine Diskussion 1998. Hübsch ist die Diskussion von 1998.

(Nicola Beer (FDP): Das ist wohl wahr!)

Herr Dr.Jürgens,ich habe sie Ihnen extra mitgebracht.Da sagt ein gewisser Herr von Plottnitz:

Ich gestehe, dass ich im Jahre 1990 ähnliche Vorstellungen hatte, wie Sie sie heute aus der Opposition heraus hier vorgetragen haben.

(Nicola Beer (FDP): Das war damals die FDP!)

Ja, das hat er zu Herrn Hahn gesagt, der sich schon damals heftig an dieser Diskussion beteiligt hat – einmal so herum und einmal andersherum.

(Axel Wintermeyer (CDU):Das ist typisch! – Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Es gibt offen gesagt nur eine Partei,die an dieser Stelle Linie gehalten hat. Das war Herr Dr. Wagner, an Zitaten nachvollziehbar. Das muss man schon sagen.

Ich muss Ihnen aber zugeben, ich habe im Gegensatz zu Ihnen den Vorteil, dass ich drei Jahre praktische Erfahrungen als Justizminister sammeln konnte.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat er Ihnen etwas voraus!)

Sehen Sie, ich bin gespannt, was ich in eineinhalb Jahren noch weiß. Das kann nur noch besser werden.

Dann sagt Herr von Plottnitz – man könnte das auch mit einem gewissen Humor nehmen, aber das sind sehr ernsthafte Gedanken –:

Trotzdem weiß ich nicht, ob wir uns einen Gefallen tun, wenn wir nur danach sinnen und trachten, wie wir die dritte Gewalt, die durchaus zum System der drei Gewalten gehört, quasi aus dem System der Gewaltenteilung ganz herausnehmen können.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Manchmal hat er sogar etwas Gutes gesagt!)

Sie wollen die Unabhängigkeit aus dem System herausnehmen. Herr Dr. Jürgens, Sie fühlen sich schon erwischt: Sie wollen die Mehrheit im Richterwahlausschuss ändern. Überschrieben ist das mit „Unabhängigkeit“. Wir haben aber ein System, in dem keine Gewalt unabhängig ist. Ich lege Wert darauf, dass die drei Gewalten zusammenwirken sollen und dass das alles unter dem Primat der Gewalt des Parlaments laufen soll. Denn unser Prinzip ist: Alle Gewalt geht vom Volke aus – nicht von einer dritten Gewalt.

(Beifall bei der CDU – Axel Wintermeyer (CDU): Bezeichnenderweise klatschen die GRÜNEN da nicht!)

Am besten gefällt es mir, wenn Dr. Plottnitz sagt: Ja, KarlHeinz Koch ist ein guter Mann.

(Minister Stefan Grüttner: Er ist adelig, aber nicht promoviert!)

Nicht? Aber für diese klugen Sätze hätte er es verdient. – Ich habe bei zwei weiteren klugen Justizministern in Hessen nachgesehen.Im Kommentar von Herrn Zinn und Herrn Stein steht,dass Art.127 der Hessischen Verfassung abschließend ist. Es gibt keine zuständige Aufgabenstellung für den Richterwahlausschuss. Das können Sie dort nachlesen.

Außerdem empfehle ich § 11 des Deutschen Richtergesetzes zur Lektüre. Das Grundgesetz lässt natürlich Zeitbeschränkungen zu, aber nur über bundesrechtliche Regelungen. Die Regelung, die Sie vorschlagen, lässt mir den Atem stocken. Auf der einen Seite reden Sie von Unabhängigkeit, und auf der anderen Seite schlagen Sie ernstlich vor, dass Führungspositionen in der hessischen Justiz alle sechs Jahre – die Legislaturperiode beträgt fünf Jahre – neu bestätigt werden müssen.Wie wollen Sie denn da einen unabhängigen Chefpräsidenten organisieren?

(Nicola Beer (FDP):In den USA werden sie viel öfter gewählt!)

Was haben Sie sich dabei überlegt? Das kann doch nicht wahr sein. Unser Bundesverfassungsgericht lässt mit Bedacht Amtszeiten von zwölf Jahren zu. Denn man wird selten mit 40 Jahren Bundesverfassungsrichter, sondern ist in der Regel schon in einem gesetzten Alter. Bei einer Amtszeit von zwölf Jahren stellt sich die Frage nach einer Wiederwahl von der Altersentwicklung her kaum noch. Aber eine Amtszeit von sechs Jahren politisiert die Richterschaft. Davon halte ich nichts.

Herr Kollege, die Fraktionsredezeit ist überschritten.

Politisierung ist mein Stichwort. Herr Dr. Jürgens, ich nehme Ihnen persönlich übel, was Sie da gemacht haben. Da hört jede Freundschaft auf. Ich akzeptiere nicht, dass junge Leute, die sich für diesen Staat engagieren, die aber

vielleicht – was Ihnen ein Ärgernis sein mag – in der falschen Partei sind, von Ihnen madig gemacht werden. Das ist eine Sauerei.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben von dem Missbrauch dieser Funktion zur Förderung von CDU-Politkarrieren gesprochen. Diese von Ihnen angesprochene Mitarbeiterin in meinem Büro war im ersten Examen auf Platz 19 der Absolventen in BadenWürttemberg und auf Platz 11 der Absolventen in Rheinland-Pfalz.Wir sind heilfroh, dass wir sie für die hessische Justiz gewonnen haben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Jürgens, Sie saßen im Richterwahlausschuss und wissen es ganz genau.

(Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn Sie sagen, dass während der Amtszeit der CDU nur schwarze Richter gefördert worden seien, werde ich das an die Richterinnen und Richter in Hessen so weitergeben. Sie werden es mit großem Interesse zur Kenntnis nehmen. Ich weiß, dass sie besser sind, als Sie sie einschätzen.