Protocol of the Session on March 29, 2007

In der Realität ist es so, dass wir auch in den Kindertagesstätten sehr oft nur Plätze finden, bei denen vormittags betreut wird. Manchmal bieten sie nur Plätze für den Vormittag oder den Nachmittag an. Es gibt da Zeiträume, die nicht überbrückt werden. Die Eltern, die keine Großeltern am Ort oder besonders nette Nachbarn haben, sind sehr oft immer noch aufgeschmissen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Fakt ist: Echte Ganztagsplätze in Kindertagesstätten sind in Hessen nach wie vor absolute Mangelware.

Ganz schwierig wird es für die Eltern, wenn das Kind eingeschult wird.Über die Nebenwirkungen der Unterrichtsgarantie plus will ich nicht reden. Das ist eine andere Baustelle. Aber das, was in Hessen Ganztagsschule genannt wird, hat diesen Namen jedenfalls nicht verdient. Vielleicht gibt es ein Betreuungsangebot.Vielleicht gibt es ein Mittagessen. Wie sollen Eltern, bei denen beide berufstätig sind, diesen Hindernislauf eigentlich bewältigen? Was sollen sie mit solchen Angeboten anfangen?

Insofern sage ich Ihnen: Versuchen Sie nicht, den Eltern mit zurechtgezimmerten Versorgungsgraden Sand in die Augen zu streuen. Frau Ministerin, die Eltern erleben jeden Tag, zu jeder Zeit, während der sie ihre Kinder erziehen, gleichermaßen, dass es anders ist. Diese PR-Mätzchen nimmt Ihnen in Hessen wirklich niemand mehr ab.

Das BAMBINI-Programm ist angeblich ein großer Schritt. Es wird immer genannt. Darüber haben wir schon ein paar Mal gesprochen. Herr Kollege Reißer, ich will es deshalb bei meinen Kernsätzen belassen: Das BAMBINIProgramm wird mit kommunalem Geld finanziert. Sie versuchen hier, sich mit fremden Federn zu schmücken.

(Beifall bei der SPD)

Es ist zu begrüßen,dass ein erster Schritt getan wurde und Eltern für das letzte Kindergartenjahr keinen Beitrag mehr bezahlen müssen.Auch der Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder im Alter unter drei Jahren war sicherlich notwendig und überfällig. Das Verdienst gebührt allerdings den Kommunen und – so sage ich es ausdrücklich – nicht dem Land. So viel Ehrlichkeit muss sein.

In Ihrem Antrag steht ein Satz, den auch wir unterschreiben können.Dort steht,dass die Kommunen einen großen Schritt bei der Kinderbetreuung realisiert haben. Ich sage ausdrücklich: Dem stimmen wir zu.

(Beifall der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD) und Christel Hoffmann (SPD))

Sie hören das nicht so gerne.Aber Sie haben die Kommunen nach dem Antritt Ihrer Regierung von CDU und FDP bis jetzt völlig allein gelassen. Meine Damen und Herren, Sie haben Jahr für Jahr 50 Millionen c Verstärkungsmittel für die Kinderbetreuung weniger vorgesehen.

Das sind im Saldo inzwischen 400 Millionen c. Diese 400 Millionen c wären viel für Quantität und Qualität in der hessischen Kinderbetreuung gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Deinhart von der Caritas hat es Ihnen im Übrigen vorgerechnet. Herr Kollege, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Protokoll der öffentlichen Anhörung des Sozialpolitischen Ausschusses vom 10. Mai letzten Jahres.

Die derzeitigen Ausgaben im Kindertagesstättenbereich belaufen sich auf 0,9 Milliarden c... Die Ausgaben des Landes Hessen für Kindertagesstätten belaufen sich derzeit auf ca. 80 Millionen c. Dies sind gerade einmal 8,8 % des Gesamtausgabenbereichs in diesem Feld.

So weit Herr Deinhart. 8,8 % wären schon ein extrem niedriger Wert für ein Land. Aber darin enthalten sind in Hessen immer noch die gebundenen Mittel im Kommunalen Finanzausgleich. Im Landeshaushalt haben Sie 17 bis 18 Millionen c vorgesehen, d. h. in diesem Landeshaushalt 2007 25 Millionen c. Der Batzen BAMBINI, der dazugekommen ist, ist wiederum kommunales Geld und kann hier nicht zählen.So kommen wir bei 25 Millionen c von 0,9 Milliarden c Gesamtsumme auf sage und schreibe 2,8 %, mit denen sich das Land mit originären Landesmitteln an der Kinderbetreuung der Kommunen beteiligt. Dazu sagen wir Ihnen klar: Das ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD)

Wer sich bei solchen Fakten noch selbst auf die Schulter klopft, wie Sie das mit Ihrem Jubelantrag machen, und Eigenlob betreibt, der hat den Bezug zur Realität vollkommen verloren.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Wahlfreiheit. Das setzt aber entsprechende Angebote voraus,die wir nicht haben.Wir wollen,dass Eltern entscheiden können, ob sie ihr Kind selbst betreuen – selbstverständlich. Das hängt davon ab, ob sie es sich leisten können. Das müssen sie im Rahmen ihrer Lebensplanung so machen, wie sie es wollen. Wir reden niemandem hinein.

Wir wollen aber den Eltern, die ein Betreuungsangebot in Anspruch nehmen wollen oder müssen, weil der zweite Verdienst notwendig ist, eine bedarfsorientierte und qualitativ gute Einrichtung zur Verfügung stellen. Das bedeutet einen riesig großen Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung, und zwar für die ganz Kleinen, und keine einseitige Förderung von Tagespflege, weil sich das schneller und besser in den Statistiken darstellen lässt.

Wir sind mit Frau von der Leyen einig,die im Übrigen den guten Mitarbeiter von Frau Schmidt gegen den erbitterten Widerstand der CDU-Bundestagsfraktion übernommen hat, der für Familien zuständig war; daher kommt auch ihr Fachwissen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen mindestens diese 35 %. In Hessen gibt es da noch viel zu tun. Tagespflege ist ein gutes Ergänzungsangebot, das wir brauchen und unterstützen. Aber es ist ein Angebot, was sich Mann und Frau finanziell leisten können muss.

Entscheidender Faktor beim Betreuungsangebot ist neben der Qualität und dem Preis auch die Verlässlichkeit. Darin werden Tagespflegeplätze notgedrungen hinter institutionellen Einrichtungen zurückbleiben, denn dort klappt es auch noch, wenn eine Erzieherin die Grippe hat. Das ist für Eltern wichtig.

Fördern muss man eindeutig auch die Qualität in der Tagespflege. Was in Hessen in Gesetze und Verordnungen gegossen wurde, bleibt weit hinter heutigen Ansprüchen zurück. Das hat Ihnen selbst in der Anhörung der Verband der Tagespflege in Hessen ins Stammbuch geschrieben. Darauf sollten Sie hören.

Sie können noch so viel über Ihre angeblich breite Vielfalt bis hin zu Leihomas und -opas reden – wobei ich mir wirklich nicht vorstellen kann, dass Sie das meinen können –, dass Sie Kompetenz im Bereich der Familienpolitik bekommen. Das können Sie nicht selbst glauben. Herr Kollege, Sie haben den Etat zusammengestrichen und eine Ministerin installiert, die wenig zu melden hat.

Politik für Betreuungsangebote,die den Bedürfnissen von Eltern und Kindern gerecht wird, sieht anders aus. Das Süppchen, das Sie zusammen„kochen“, schmeckt Müttern und Vätern nicht.Dafür hat die SPD die besseren Rezepte. Es reicht nicht, wenn man nur Ansprüche und Luftblasen gibt. Die Eltern brauchen dringend mehr Plätze. Und dazu braucht man mehr Geld. Von Lebenslagen der Eltern und Kinder verstehen andere mehr als die CDU in Hessen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Rentsch, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! 64:30 Minuten – das war nicht wirklich die Zeit, die Frau Kollegin Fuhrmann geredet hat. Es war deutlich kürzer. – Vielen Dank für diese Vorlage, Frau Fuhrmann und Herr Kollege Reißer.

Ich freue mich sehr, dass wir heute das Thema Familienpolitik ausführlich mit konkreten Handlungsempfehlungen besprechen,die Sie in Ihren Antrag aufgenommen haben. Der Antrag sagt nichts Falsches. Das würde ich nicht behaupten wollen. Er sagt aber nichts Konkretes. Ich glaube, nur um heute festzustellen, dass eine Möglichkeit in dieser Gesellschaft bestehen muss, dass Kinder bei ihren Eltern aufwachsen, hätte es dieses Antrags nicht bedurft.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber er ist nun einmal da, und dann debattieren wir darüber. Da Sie gemerkt haben, dass die Öffentlichkeit mittlerweile bei diesem Thema komplett abgeschaltet hat,

sollten wir uns auf die wesentlichen Fakten konzentrieren.

Alle Kolleginnen und Kollegen teilen, dass Familienpolitik ein sehr wichtiges Thema ist, weil es um die Frage geht, ob diese Gesellschaft eine Chance hat, weiter zu existieren,oder ob in Deutschland nur noch Menschen leben,die nicht aus unserem Land kommen. Ich glaube, wir alle haben ein Interesse daran, dass mehr Kinder in unserem Land geboren werden.

Insofern ist es richtig,dass wir – jedenfalls seitdem ich diesem Parlament angehöre, seit vier Jahren – darüber diskutieren, wie wir es den Eltern ermöglichen können, Kinder zu bekommen und Familie und Beruf zu vereinbaren, und sich nicht vor die Wahl gestellt sehen lassen müssen: Ich muss entweder arbeiten, oder ich kann ein Kind bekommen. –Wir sind auf dem Weg, diese beiden Fragen aufzulösen.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, das begrüßen alle Fraktionen in diesem Haus. Für uns Liberale ist es von elementarer Bedeutung, dass sich die Politik ganz klar auf die Kinder konzentriert. Ich sage das ganz bewusst noch einmal.

Wir haben einen Antrag vorliegen, in dem die GRÜNEN definiert haben, was für sie Familie ist. Ich glaube, dass wir Liberale sehr nahe an dieser Definition sind. Für uns hat Familie etwas mit Kindern zu tun. Normalerweise muss sich der Staat mit seinen Anstrengungen auf Kinder konzentrieren und nicht auf die Eltern oder Geschwister oder Großeltern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Geschwister sind auch Kinder!)

Das sind auch Kinder, das stimmt. Aber Geschwister von Eltern meinte ich, nicht die Geschwister, die die Kinder haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Das wären dann die Tanten und Onkel!)

Das ist etwas kompliziert.

Herr Kollege Reißer, ich denke, dass wir deshalb auch bei dieser Definition sehr genau hinschauen müssen. Ich glaube, die Union – das darf man an dieser Stelle einmal sagen – hat eine Entwicklung durchgemacht. Wir haben innerhalb der CDU Hessen schon einen erheblichen Sprung bekommen.Nicht alle sind so liberal veranlagt wie der Herr Ministerpräsident, jedenfalls in der Tendenz. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen in der hessischen CDU – er kontert gut, er hört nicht zu, insofern kann ich weiterreden – –

(Ministerpräsident Roland Koch: Ich habe alles ge- hört! Ich arbeite simultan! – Heiterkeit des Red- ners)

Nicht alle Kolleginnen und Kollegen in der hessischen CDU sind so modern wie Herr Kollege Boddenberg, auch Kollege Reißer und die Hessische Sozialministerin. Ich glaube, die Union hat zu Recht einen Prozess durchgemacht. Sie erkennt mittlerweile auch an, dass nicht mehr die Frage zu stellen ist, ob es erlaubt sein darf, dass man Kinder außerhalb der eigenen Familie zur Betreuung sozusagen „verwahrt“,sondern dass es absolut richtig ist,Familie und Beruf zu vereinbaren. Frau Ministerin, deshalb sage ich ganz klar, was Sie in den letzten Jahren vorgelegt

haben, findet zum großen Teil die Zustimmung der hessischen FDP,

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP) und des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

weil es richtig ist, dass wir bei der Kinderbetreuung erhebliche Mittel investiert haben. Aber ich glaube auch, wir sind noch weit davon entfernt, hier einen befriedigenden Zustand zu haben. Herr Kollege Reißer, ich glaube, was Sie in Ihrem Antrag feststellen, nämlich dass BAMBINI richtig sei und es richtig ist, dass wir den Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige brauchen – das ist alles nicht strittig. Ich glaube, wenn wir hier eine gemeinsame Erklärung aller Fraktionen erarbeiten würden, würden wir alle diese Punkte hineinschreiben, weil wir das alle so sehen.

Letztendlich kommt es auf drei Kernpunkte an. Der erste Kernpunkt ist:Wir müssen und werden in diesem Bereich, wenn wir diese Ziele verwirklichen wollen, mehr Geld ausgeben. Das ist so wahr, wie ich hier stehe.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir werden nicht darum herum kommen, Schwerpunkte für diesen Bereich zu bilden. Wenn Familienpolitik und diese hehren Ziele, die wir uns alle setzen, wirklich realisiert werden sollen, dann muss man hier langfristig mehr Geld ausgeben.