Protocol of the Session on March 28, 2007

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat Herr Kollege Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man heute Morgen sieht, wie sich SPD und CDU zueinander und miteinander verhalten, bekommt man in etwa einen Einblick, wie es Tag für Tag in Berlin in der Großen Koalition zugehen mag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man bekommt einen Eindruck, wo die Probleme liegen und warum es in unserem Land nicht so recht vorangeht. Auf jeden Fall hat das mit Problemlösung nicht so viel zu tun.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist eine komische Analyse!)

Herr Kollege Boddenberg, wenn Sie die Große Koalition verteidigen wollen, können Sie das gerne im Anschluss in einem eigenen Redebeitrag tun.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Ich finde, die Redebeiträge, die wir heute von den Vertretern der CDU und der SPD gehört haben,waren eher suboptimal, wenn es um die Behandlung des Themas und vor allem um die Lösung des Problems geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist denn passiert? Die Hessische Landesregierung hat sich Ende 2004 entschieden, dass Verkehre im öffentlichen Personennahverkehr nur noch durch europäische Ausschreibungen vergeben werden sollen. Das ist geschehen.

Das Ganze wurde dann, weil man bei dieser Landesregierung immer ein schönes Etikett braucht, als der hessische Weg im ÖPNV beschrieben.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Leuchtturm in Hessen!)

Sie können das gern auch als Leuchtturm bezeichnen, lieber Herr Kollege Lübcke. Früher gab es diese Leuchttürme unter Rot-Grün in Bezug auf den ÖPNV, weil man die Verkehrsverbünde gegründet und das Angebot kontinuierlich ausgeweitet hat. Sie nennen es einen Leuchtturm, dass Sie das Vergabeverfahren geändert haben. Das

sagt auch etwas über ihre Schwerpunktsetzung in Bezug auf die Verkehrspolitik aus, Herr Kollege Lübcke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Diese Entscheidung wurde Ende 2004 getroffen und als hessischer Weg bezeichnet. Wir müssen aber heute, Anfang 2007 feststellen, dass dieser hessische Weg in einer massiven Krise steckt.Das hat mehrere Gründe.Der erste Grund ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Herr Kollege Lübcke, da hilft es nichts, hierüber einfach hinwegzugehen und darauf in Ihrem Antrag nicht einzugehen.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Das habe ich doch nicht; ich habe es angesprochen!)

Wenn das Bundesverwaltungsgericht sagt, dass die Rechtsauffassung der Landesregierung so nicht richtig sei, dann muss man dies mit absoluter Mehrheit schlicht und ergreifend zur Kenntnis nehmen, und man darf nicht einfach die alte Platte weiterspielen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Lübcke (CDU): Das war nicht Gegenstand des Verfahrens!)

Die Landesregierung hat eingesehen, dass dieses Urteil im Widerspruch zur Politik der Landesregierung steht – im Gegensatz zur CDU-Fraktion. Ich zitiere aus der Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des Kollegen Schork der CDU-Fraktion. Auf die Frage, was aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts folge,antwortet die Landesregierung: „Daraus ergibt sich für die Landesregierung, dass sie ihre Aussage, die Regelung im Personenbeförderungsgesetz stelle keine rechtssichere Teilbereichsausnahme dar, und die daraus resultierenden Hinweise nicht aufrechterhalten kann...“ Das heißt auf gut Deutsch: Die bisherige Politik ist gescheitert und war falsch. – Das schreibt die Landesregierung, und vielleicht sollten Sie die Antworten der Landesregierung auf Anfragen Ihrer Fraktion lesen und auswerten, Herr Kollege Lübcke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Der hessische Weg ist aus einem zweiten Grunde in der Krise: weil damit die Sorgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber Dumpinglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen eben nicht ausgeräumt werden konnten. Alle, die sich mit diesem Thema beschäftigen, wissen, dass all die Auflagen zu Löhnen und Arbeitsbedingungen, die in diesen Ausschreibungen gemacht werden,zwar gut und richtig,aber nicht rechtssicher sind.Dieses Problem – wie für die Beschäftigten in diesen Ausschreibungen Rechtssicherheit, vernünftige Löhne sowie vernünftige Arbeitsbedingungen vorgegeben werden können – ist bis zum heutigen Tage nicht gelöst.

Der dritte Grund, weshalb der hessische Weg in der Krise ist, ist der, dass er beispielsweise für die Omnibusunternehmer eben nicht zu fairen Wettbewerbsbedingungen geführt hat. Vielmehr gibt es bei ihnen erhebliche Befürchtungen, dass der hessische Weg, so wie er eingeschlagen und ausgestaltet worden ist, dazu führen könnte, dass es weniger Wettbewerb und Marktteilnehmer geben könnte, sodass wir auf diesem Markt am Ende ein Oligopol haben könnten, was nun wirklich das Gegenteil eines freien Wettbewerbs und freien Spiels der Marktkräfte wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den vierten Grund, weshalb der hessische Weg in der Krise ist, hat die Landesregierung schlicht und ergreifend selbst verschuldet. Die Landesregierung ist nicht müde geworden, mit ihrem Ministerpräsidenten dafür zu kämpfen,dass die Bundesmittel für den ÖPNV gekürzt werden. Der Ministerpräsident ist – gemeinsam mit Herrn Steinbrück, ich habe überhaupt kein Problem damit, dies zu erwähnen – nicht müde geworden, diese Mittel zu kürzen. Das fällt ihm nun auf die Füße, weil uns diese Mittel für den ÖPNV in Hessen fehlen.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Was muss die Folge sein, um das, was die Große Koalition in Berlin in Bezug auf die Kürzungen der Regionalisierungsmittel beschlossen hat, ausgleichen zu können? – Zum einen steigen die Fahrpreise um 6 %, zum anderen wird das Angebot reduziert, und da kommt der hessische Weg ins Spiel: Ausschreibungen werden – man höre und staune – verschoben. Diese Landesregierung, die gesagt hat, die Ausschreibung sei für sie das einzige Prinzip und der einzige Schwerpunkt im ÖPNV, verschiebt jetzt Ausschreibungen, um die Kürzungen der Regionalisierungsmittel noch einigermaßen auffangen zu können. Ich sage dazu: Absurder geht es wirklich nicht mehr. Meine Damen und Herren, Sie haben sich selbst ein Bein gestellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Herr Dr. Rhiel, das kann ich Ihnen gerne erklären. Wir wissen doch, wie das läuft. Wenn die Verkehrsverbünde auf eine Ausschreibung verzichten bzw. eine solche erst später machen, dann ist es doch so: Die DB Regio behält dann diese Verkehrslinien; und natürlich sagt sie – wenn Ausschreibungen nach hinten verschoben werden – Danke schön. Für die Verschiebung der Ausschreibung gibt es natürlich seitens der DB Regio Gegenleistungen. Wir wissen doch, wie solche Deals laufen, und Sie wissen das auch.Aber es hat mit dem Kurs, den Sie bisher vorgegeben haben, nämlich einer strikten Ausschreibungspflicht, nichts mehr zu tun,

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Eine böse Unterstellung!)

wenn Sie sich nun auf Deals mit der DB Regio einlassen müssen, damit das Angebot nicht so drastisch gekürzt wird, wie es eigentlich aufgrund der reduzierten Bundesmittel nötig gewesen wäre. Das ist ein Widerspruch Ihrer Politik, den Sie nicht mehr herausbekommen werden, Herr Dr. Rhiel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist jetzt zu tun,und wie geht man mit dieser Lage um? An dieser Stelle beginnt meine leichte und freundlich gemeinte Kritik an dem Antrag der SPD. – Liebe Kollegin Pfaff, es ist natürlich mitnichten so, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Rechtssicherheit geschaffen hätte. Denn es ist zu den Fragen, wann ein Verkehrsbetrieb eigenwirtschaftlich ist und welche Leistungen der öffentlichen Hand ein Verkehrsunternehmen bekommen darf, wenn es als eigenwirtschaftlich gelten will, eben nichts gesagt worden. Wenn ein Verkehrsunternehmen z. B. sagt, es biete einen eigenwirtschaftlichen Verkehr an, dann ist die Frage nach wie vor nicht geklärt, ob damit das Beihilferecht der EU verletzt ist. Frau Kollegin Pfaff, das heißt, wir haben weiterhin in Bezug auf diese Frage keine Klarheit, und deshalb hilft uns das Urteil bei der Frage,

wie wir zukünftig in unserem Bundesland den ÖPNV organisieren, nicht weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Pfaff, wenn Sie sagen, das Urteil, dass Kommunen ihre eigenen Verkehrsunternehmen mit der Erbringung einer Verkehrsdienstleistung beauftragen können, würde das Problem der Omnibusunternehmer lösen und würde auf dem Omnibusmarkt für mehr Wettbewerb sorgen, dann stimmt das natürlich nicht. Diese Möglichkeit der Kommunen, Aufträge wieder an ihre Verkehrsunternehmen zu vergeben, ist natürlich ein Geschäft, das sich innerhalb der öffentlichen Hand abspielt und eben nicht auf dem öffentlichen Markt, sodass das Problem der Omnibusunternehmer dadurch überhaupt nicht gelöst würde.Frau Kollegin Pfaff,das gehört leider zur Wahrheit.

(Hildegard Pfaff (SPD): Selbstverständlich!)

Jetzt sagen Sie: „Selbstverständlich!“ – Die Omnibusunternehmer beschweren sich darüber, dass nicht genügend Verkehrsleistungen auf dem freien Markt für sie erreichbar ausgeschrieben würden. Was wird denn an diesem Zustand geändert, wenn Sie jetzt dafür sorgen, dass Verkehrsleistungen der öffentlichen Hand nun direkt innerhalb der öffentlichen Hand vergeben werden? – Dann ändert sich doch an dem verfügbaren Verkehrsaufkommen nichts,Frau Kollegin Pfaff.Darum ist das für dieses Problem leider nicht die Lösung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Wir GRÜNE sagen: Das Prinzip des Ausschreibungswettbewerbs im ÖPNV ist richtig. Es muss bei diesem Ausschreibungswettbewerb allerdings sichergestellt werden, dass es nicht zu Dumpinglöhnen kommen kann. Es muss gewährleistet sein, dass es für die Privatwirtschaft faire Wettbewerbsbedingungen gibt; und es muss den Kommunen ermöglicht werden, dass sie in diesem Wettbewerb ihren Weg gehen, ohne dass ihnen die öffentlichen Haushalte zusammenbrechen. Das waren und sind unsere Anforderungen an den Ausschreibungswettbewerb, der dann durchaus zu positiven Effekten führen könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben das immer gesagt, und wir raten auch allen Kommunen dazu, dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht dazu zu nutzen, ihre eigenen – –

(Minister Dr.Alois Rhiel: Sehr gut!)

Herr Minister, so langsam wird es für mich gefährlich, wenn Sie mich zu sehr loben. Aber Sie wissen auch, dass es zu diesem Punkt – –

(Minister Dr.Alois Rhiel: Da sind wir uns völlig ei- nig!)

„Völlig einig“, das wäre ein wenig übertrieben. Ich glaube, dass ich die Unterschiede auch klargemacht habe. Aber wenn Sie mich herausfordern, dann würde ich diese auch noch einmal erwähnen. Lassen Sie uns aber erst einmal bei den Gemeinsamkeiten bleiben.

Wir appellieren an die Kommunen, das jetzige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht dazu zu nutzen, ihre eigenen Verkehrsbetriebe in falscher Sicherheit zu wiegen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

oder das Urteil dazu zu nutzen, mit direkten oder indirekten Zuschüssen für die kommunalen Verkehrsbetriebe diesen eine Wirtschaftlichkeit zu suggerieren, die sie teil

weise nicht haben. Es muss die Aufgabe aller sein, die auf Landes- oder kommunaler Ebene ÖPNV organisieren, dass der ÖPNV so effizient wie möglich angeboten wird; denn jeder Steuereuro und jedes Fahrgeld, die in den ÖPNV fließen, müssen so effizient wie möglich dafür eingesetzt werden, dass wir ein Mehrangebot und ein Mehr an Bussen und Bahnen haben, und es darf auf keinen Fall, auf welcher Grundlage auch immer, in ineffizienten Strukturen versickern, die wo auch immer bestehen. Dass es diese Strukturen im ÖPNV gab und leider auch teilweise noch gibt, das kann, glaube ich, ernsthaft wohl keiner bestreiten. Deshalb lautet unser Appell an die Kommunen, damit weiterzumachen, effiziente Strukturen zur Verfügung zu stellen; denn es kann nicht die Aufgabe der Verkehrspolitik sein, ineffiziente Bürokratie zu finanzieren, sondern es muss die Aufgabe der ÖPNV-Politik sein, ein möglichst gutes Angebot zu finanzieren.